Bayerischer Verwaltungsgerichtshof:
Beschluss vom 8. August 2011
Aktenzeichen: 13a B 10.30362

(Bayerischer VGH: Beschluss v. 08.08.2011, Az.: 13a B 10.30362)

Tenor

I. Der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts wird abgelehnt.

II. Die Wiederaufnahmeklage hinsichtlich des Berufungsverfahrens 13a B 05.31018 wird verworfen.

III. Der Kläger hat die Kosten des Wiederaufnahmeverfahrens zu tragen.

IV. Der Beschluss ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des mit Beschluss vom 8. Oktober 2007 eingestellten Berufungsverfahrens Az. 13a B 05.31018. Grundlage dieses Verfahrens war der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 21. April 2005, mit dem die im Bescheid vom 22. Dezember 1995 getroffene Feststellung widerrufen wurde, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. vorliegen. Im Rahmen dieses Verfahrens machte der Kläger geltend, psychisch erkrankt zu sein. Vorgelegt wurde neben einem ärztlichen Gutachten an das Vormundschaftsgericht München ein Betreuerausweis mit einer bis zum 4. April 2006 befristeten Bestellung eines Rechtsanwalts zum Betreuer. In der Folge hob das Bundesamt den angefochtenen Bescheid teilweise auf und stellt fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Nach Rücksprache mit dem Kläger und seinem Betreuer erklärte der damalige Bevollmächtigte den Rechtsstreit am 24. August 2007 für erledigt. Mit Beschluss vom 8. Oktober 2007 wurde das Verfahren eingestellt.

In mehreren persönlichen Vorsprachen und mit Schreiben vom 1. September 2010 legte der Kläger dar, dass er eine Wiederaufnahme des Verfahrens begehre und die Hauptsacheerledigungserklärung widerrufe. Mit Beschluss vom 17. Juni 2011 wurde sein Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt. Nach Hinweis, dass er sich vor dem Verwaltungsgerichtshof durch einen vertretungsberechtigten Prozessbevollmächtigten vertreten lassen müsse, bat der Kläger mit E-Mail vom 18. Juni und 27. Juli 2011, ihm einen Anwalt zu nennen. Er habe mit namentlich genannten Rechtsanwälten Verbindung gehabt. Ein Rechtsanwalt habe von ihm Geld verlangt, aber er könne sich die Gebühren nicht leisten.

II.

1. Der Antrag des Klägers vom 27. Juli 2011 ist bei sinngemäßer Auslegung seines Begehrens (§ 88 VwGO) als Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 78b ZPO) zu verstehen. Dieser bleibt jedoch ohne Erfolg. Nach den genannten Vorschriften hat das Prozessgericht einer Partei, soweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, auf ihren Antrag für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Beide gesetzliche Voraussetzungen sind hier nicht aufgezeigt.

Der Kläger hat zwar namentlich mehrere Rechtsanwälte genannt, die er um Übernahme des Mandats gebeten hatte. Da er sich seinem Vorbringen zufolge die Gebühren nicht leisten konnte, waren die Anwälte nicht zur Vertretung bereit. Soweit sich der Kläger damit aber allein auf sein finanzielles Unvermögen beruft, kommt die Bestellung eines Notanwalts nicht in Betracht, wie sich aus der Regelung in § 78c Abs. 2 ZPO ergibt. Danach kann der beigeordnete Rechtsanwalt die Übernahme der Vertretung davon abhängig machen, dass die Partei ihm einen Vorschuss zahlt. Nach dem Sinn und Zweck des § 78b ZPO kann ein Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts deshalb nur dann erfolgreich sein, wenn dargelegt wird, dass das Mandat aus anderen Gründen als Nichtzahlung des Vorschusses nicht übernommen wurde (BGH vom 13.5.2003 BRAGOreport 2003, 143; vom 7.12.1999 MDR 2000, 412; vom 13.4.1994 BGHR ZPO § 78b Vertretungsbereitschaft 1). Dies ist hier nicht der Fall. Der Kläger beruft sich einzig und allein auf seine finanziellen Schwierigkeiten.

Darüber hinaus erscheint die Rechtsverfolgung des Klägers auch in sachlicher Hinsicht aussichtslos. Anders als im Fall der Prozesskostenhilfe müssen nicht hinreichende Erfolgsaussichten bestehen. Dies liegt in der unterschiedlichen Zielrichtung begründet. Die Regelung der Prozesskostenhilfe schützt auch fiskalische Belange, wohingegen es in § 78b ZPO darum geht, welche Vertretung dem Notanwalt zugemutet werden kann (von Mettenheim in Münchner Kommentar zur ZPO, 3. Aufl. 2008, RdNr. 5 zu § 78b ZPO m.w.N.). Die Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrags mit Beschluss vom 17. Juni 2011 würde die Beiordnung demzufolge noch nicht ausschließen. Allerdings darf sich aus dem Tatsachenvortrag nicht zwingend ableiten lassen, dass keine Erfolgsaussicht besteht (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl. 2010, RdNr. 5 zu § 78b). Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung kann erst angenommen werden, wenn ein günstiges Ergebnis auch bei anwaltlicher Beratung ganz offenbar nicht erreicht werden kann (BGH vom 6.7.1988 FamRZ 1988, 1152).

Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers nur eine laienhafte Darstellung eines Grundes für die Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens 13a B 05.31018 verlangen wollte, muss diese Klage nach der vom Kläger in seinem Schreiben vom 1. September 2010, weiteren Schreiben und der mündlich vorgetragenen Begründung als aussichtslos angesehen werden. Auch unter Berücksichtigung eines abgesenkten Maßstabs für einen laienhaften Vortrag lässt sich weder erkennen, dass Gründe für die Wiederaufnahme vorlägen, noch dass ein Widerruf der Erledigungserklärung vom 24. August 2007 im Verfahren 13a B 05.31018 in Betracht käme.

Nach § 153 VwGO kann nur ein rechtskräftig beendetes Verfahren nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung wiederaufgenommen werden. Eine solche Entscheidung ist vorliegend nicht ergangen; vielmehr ist eine € der Rechtskraft nicht fähige € Einstellung des Verfahrens nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen erfolgt. Damit sind die Voraussetzungen des § 153 VwGO, der nur für rechtskräftig abgeschlossene Verfahren einschlägig ist, offensichtlich nicht gegeben. Ein anderes Ergebnis wäre auch bei anwaltlicher Beratung nicht zu erzielen.

Ebenso verhält es sich mit einem Widerruf der Erledigungserklärung. Zwar wäre bei Vorliegen eines Wiederaufnahmegrunds entsprechend § 153 VwGO i.V.m. §§ 579, 580 ZPO bzw. bei erkennbarem Versehen grundsätzlich ein Widerruf der Erledigungserklärung mit der Folge der Fortsetzung des Verfahrens denkbar (zur Klagerücknahme: Rennert in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, RdNr. 10 zu § 92 m.w.N.), jedoch ist hierfür vorliegend kein Grund ersichtlich. Der Kläger war im Verfahren 13a B 05.31018 anwaltlich vertreten. Sein Bevollmächtigter hatte das Verfahren nach Rücksprache mit ihm mit Schriftsatz vom 24. August 2007 für erledigt erklärt; mit Beschluss vom 8. Oktober 2007 wurde es eingestellt. Zudem hat der Bevollmächtigte im Schriftsatz ausgeführt, dass auch der Betreuer zugestimmt habe. Dessen Wirkungskreis umfasste unter anderem die Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge und Vertretung gegenüber Behörden. Das eingestellte Verfahren hatte den Bescheid des Bundesamts vom 21. April 2005 zum Gegenstand, mit dem die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. vorliegen, widerrufen wurde. Die Aufhebung dieses Bescheids in Nr. 3 und die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, führten zur Erledigungserklärung. Insofern war € auch wenn die Prozessführung nicht ausdrücklich erwähnt ist € der Aufgabenbereich des Betreuers betroffen. Ohne Bedeutung bleibt deshalb der Vortrag des Klägers, er habe wegen seiner Erkrankung zum damaligen Zeitpunkt Konzentrationsschwierigkeiten gehabt. Die psychische Erkrankung und damit einhergehende Defizite waren entsprechend § 1896 Abs. 1 BGB gerade der Anlass zur Bestellung des Betreuers. Da dieser der Erledigungserklärung zugestimmt hat, sind weder Wiederaufnahmegründe noch ein sonstiges Versehen gegeben. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Tatbestands nach § 580 ZPO, der die Restitutionsklage begründen könnte (BVerwG vom 21.3.1979 BVerwGE 57, 342).

2. Die Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens 13a B 05.31018 ist unzulässig und daher gemäß § 125 Abs. 2 VwGO zu verwerfen. Die vom Kläger persönlich angestrengte Wiederaufnahmeklage genügt nicht den Anforderungen des in § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO geregelten Vertretungszwangs. Diese Entscheidung kann, nachdem die Beteiligten dazu vorher gehört worden sind, nach § 125 Abs. 2 VwGO, der auf die Wiederaufnahmeklage betreffend ein Berufungsverfahren entsprechend anwendbar ist (Rennert in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, RdNr. 17 zu § 153), durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung ergehen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit resultiert aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.






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