Sozialgericht Lüneburg:
Beschluss vom 24. März 2009
Aktenzeichen: S 12 SF 55/09 E

(SG Lüneburg: Beschluss v. 24.03.2009, Az.: S 12 SF 55/09 E)

Zur Frage der Gebührenbemessung in einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach den Bestimmungen des SGB II, in denen Betragsrahmengebühren entstehen; zu Anfall und zur Höhe einer Erledigungsgebühr (vgl. hierzu insbesondere Bundessozialgericht, Urteil vom 02. Oktober 2008, - B 9/9a SB 5/07 R).

Tenor

Die Erinnerung der Erinnerungsführerin vom 09. Februar 2009 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 04. Februar 2009 - S 30 AS 1298/08 ER - wird zurückgewiesen.

Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar.

Gründe

Die Beteiligten streiten im Kostenfestsetzungsverfahren noch um die Höhe des Gesamtvergütungsanspruches des Prozessbevollmächtigten der Erinnerungsführerin für ein Beschwerdeverfahren im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes vor dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, das im Wesentlichen die Erteilung einer Zusicherung der Erinnerungsgegnerin zur Erstattung von zukünftig entstehenden Aufwendungen für eine in Hamburg befindliche Wohnung nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) zum Gegenstand hatte. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren erledigte sich innerhalb eines Monats durch die Annahme eines von der Erinnerungsgegnerin im Beschwerdeverfahren abgegebenen Anerkenntnisses.

Die gemäß § 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Erinnerung ist unbegründet.

Der angefochtene Kostenfestesetzungsbeschluss ist rechtmäßig und hält der beantragten gerichtlichen Überprüfung stand. Der von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle festgesetzte Gesamtvergütungsanspruch in Höhe eines Betrages von 166,60 € ist kostenrechtlich nicht zu beanstanden.

Zur Begründung seiner Entscheidung nimmt das Gericht zunächst gemäß § 142 Abs. 2 S. 3 SGG auf die ausführlichen und uneingeschränkt zutreffenden Ausführungen der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem angefochtenen Beschluss vom 04. Februar 2009 - S 30 AS 1298/08 ER - Bezug und macht sich diese zur Vermeidung nicht gebotener Wiederholungen zu Eigen. Die Urkundsbeamtin hat den gebührenrechtlichen Sachverhalt vollständig und rechtsfehlerfrei gewürdigt.

Im Hinblick auf das Vorbringen der Erinnerungsführerin im Erinnerungsverfahren zur Höhe der verdienten Verfahrensgebühr, die dem Rahmen der Nr. 3501 VV-RVG (15,00 € bis 160,00 €) bei einer Mittelgebühr in Höhe von 87,50 € und wegen der vorrangigen Spezialregelung nicht der Nr. 3204 VV-RVG zu entnehmen ist (vgl. hierzu ausführlich und zutreffend: Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05. Mai 2008, - L 20 B 139/07 SO, zitiert nach www.sozialgerichtsbarkeit.de) gilt Folgendes: Erweist sich das Betreiben eines Geschäfts einschließlich der Information nachallenKriterien des § 14 Abs. 1 RVG als durchschnittliche Leistung, ist die Mittelgebühr von 200,00 € angemessen. Liegen Schwierigkeit, Wert und Bedeutung der Sache unter oder über diesem Mittelwert, bietet sich eine entsprechende Quotierung, mithin eine Über- oder Unterschreitung dieser Mittelgebühr an.

Wägt man den bereits von der Urkundsbeamtin zutreffend herausgearbeitete (nach Auffassung des Gerichts allenfalls) durchschnittlichen Umfang und die (allenfalls) durchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit mit den deutlich unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen, der überdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit für die Erinnerungsführerin und das allenfalls durchschnittliche Haftungsrisiko gegeneinander ab, ist das vorliegende Streitverfahren hinsichtlich der Festsetzung oberhalb der Mittelgebühr jedenfalls nicht zu Ungunsten der Erinnerungsführerin kostenrechtlich angemessen erfasst. Der erforderliche anwaltliche Aufwand bestand darin, den Inhalt der bisherigen Ereignisse vorzutragen und kurz rechtlich zu würdigen, wobei der Streitstoff bereits ausreichend im erstinstanzlichen Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 02. September 2008 aufbereitet war. Dieser Tätigkeitsumfang ist für einen seine Mandanten auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gewissenhaft vertretenen Anwalt obligatorisch und entspricht demjenigen Aufwand, der erforderlich ist, um die Mandanteninteressen ordnungsgemäß und unter Beachtung seiner aus §§ 43, 43a der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) folgenden Berufspflichten zu wahren. Auch findet im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage statt, was eine erheblich geringere Ermittlungstiefe zur Folge hat. Im Vergleich zum Hauptsacheverfahren ist kein ordnungsgemäßer Beweisantritt unter Benennung der zulässigen Beweismittel erforderlich; es besteht vielmehr die Beweiserleichterung der einfachen Glaubhaftmachung durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung. Eine förmliche Beweisaufnahme findet im einstweiligen Rechtsschutzverfahren regelmäßig nicht statt. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Verfahrensdauer kurz war, keine umfangreichen Beiakten und medizinische Unterlagen geprüft werden mussten und schließlich auch tatsächlich keine Beweisaufnahme stattgefunden hat. Im Übrigen darf auch die besonders kurze Verfahrensdauer nicht unberücksichtigt bleiben. Ob daher das Verfahren im Hinblick auf den objektiv nachvollziehbaren Tätigkeitsumfang des Prozessbevollmächtigten der Erinnerungsführerin im Beschwerdeverfahren tatsächlich eine Verfahrensgebühr in diesem - oberen - Segment rechtfertigt, was die Kammer für zweifelhaft hält, kann indes wegen des Verbots der reformatio in peius dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist der über einen Betrag in Höhe von 120,00 € hinausgehende Antrag auf Festsetzung eines Betrages in Höhe von 150,00 € demgegenüber - auch unter Berücksichtigung eines gewissen Toleranzrahmens - unbillig und daher nicht angemessen.

Im Hinblick auf das Vorbringen der Erinnerungsführerin im Erinnerungsverfahren zur Einordnung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Antragstellerin weist die Kammer im Übrigen noch auf Folgendes hin: Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse orientieren sich - entgegen der Auffassung der Erinnerungsführerin - ausschließlich an dem Durchschnittseinkommen der Gesamtbevölkerung. Bessere wirtschaftliche Verhältnisse rechtfertigen demgemäß eine höhere Vergütung, eine schlechtere Einkommens- und Vermögenssituation des Auftraggebers bedingt eine geringere Vergütung. Für die gleiche Leistung hat deshalb ein wirtschaftlich besser ausgestatteter Mandant eine höhere Vergütung zu entrichten als ein wenig bemittelter Auftraggeber (vgl. etwa Bundessozialgericht, Beschluss vom 22. Februar 1993, - 14b/4 REg 12/91 - zitiert nach juris - sowie Mayer in: Gerold/Schmidt - Mayer, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, § 14, Rdn. 18). Daher liegt es auf der Hand und bedarf keiner näheren Ausführungen, dass sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Antragstellerin als Bezieherin von Leistungen nach den Bestimmungen des SGB II als deutlich unterdurchschnittlich darstellen.

Zu Recht hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle schließlich auch eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1005/1006 VV-RVG nicht festgesetzt. Diese Gebühr kann der Rechtsanwalt regelmäßig nur dann verdienen, wenn er sich mit seinem Mandanten auseinandersetzt und überzeugend auf ihn einwirkt, sich mit einem Weniger zufrieden zu geben, als er ursprünglich begehrt hatte. Hierin, in der Vermeidung eines weitergehenden Verfahrens trotz Nichterreichen des Gewollten, liegt der besondere Erfolg des Rechtsanwalts, der durch die Erledigungsgebühr zusätzlich honoriert werden soll. Bei der Beendigung eines Verfahrens durch die Annahme eines den Rechtsstreit vollständig erledigenden Anerkenntnisses - wie im vorliegenden Fall - ist dieses (ursächliche) Bemühen des Rechtsanwalts nicht erforderlich und damit auch nicht zu honorieren. Vielmehr ist der insoweit durch den Prozessbevollmächtigten der Erinnerungsführerin geltend gemachte Aufwand ausreichend über die Verfahrensgebühr der Nr. 3501 VV-RVG abgedeckt. Auch ist nichts dafür ersichtlich, dass der Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsführerin den Rahmen der seiner Mandantin obliegenden Mitwirkungspflicht überschritten hat, was es grundsätzlich auch gerechtfertigt hätte, den Anfall der Erledigungsgebühr auszulösen (vgl. hierzu insbesondere Bundessozialgericht, Urteil vom 02. Oktober 2008, - B 9/9a SB 5/07 R = ASR 2009, S. 53 ff. mit Anmerkung Schafhausen).

Da die übrigen Gebührenpositionen zwischen den Beteiligten nicht im Streit stehen, ergibt sich folgende Berechnung:

Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3501 VV-RVG120,00 €Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV-RVG20,00 €19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV-RVG26,60 €Gesamtbetrag166,60 €Die Entscheidung ist gemäß § 197 Abs. 2 SGG endgültig.






SG Lüneburg:
Beschluss v. 24.03.2009
Az: S 12 SF 55/09 E


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