Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. Juli 2008
Aktenzeichen: 5 W (pat) 452/07

(BPatG: Beschluss v. 02.07.2008, Az.: 5 W (pat) 452/07)

Tenor

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beschwerdeführerin.

Gründe

I.

Der Antragsgegner ist Inhaber des Gebrauchsmusters 200 12 830 (Streitgebrauchsmuster), das ein Zahnradgetriebe mit integrierter Bremse betrifft. Das Streitgebrauchsmuster ist am 22. März 2001 mit den am Anmeldetag (25. Juli 2000) eingegangenen Unterlagen in die Rolle eingetragen worden. Seine Schutzdauer ist auf 8 Jahre verlängert.

Die eingetragenen Schutzansprüche 1 bis 4 lauten:

1. Zahnradgetriebe mit Bremse dadurch gekennzeichnet, dass die Axialkraft schrägverzahnter Stirnräder eine Bremse betätigen.

2. Zahnradgetriebe nach Anspruch 1 dadurch gekennzeichnet, dass die Bremse in das Getriebe integriert ist und als Reibbremse ausgeführt ist.

3. Zahnradgetriebe nach Anspruch 1 und 2 dadurch gekennzeichnet, dass bei Drehrichtungsumkehr kein Bremsmoment erzeugt wird.

4. Zahnradgetriebe nach Anspruch 1 bis 3 dadurch gekennzeichnet, dass die Bremse bei Drehmomentenumkehr lüftet.

Die Antragstellerin hat am 21. September 2005 beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung des Streitpatents beantragt.

Die Antragstellerin hat sich zur Stützung ihres Vorbringens bezüglich der Schutzunfähigkeit des Gebrauchsmusters auf den folgenden Stand der Technik bezogen:

1. DE 196 04 501 A1 2. DD 294 075 A5 3. BEITZ, W. und KÜTTNER, K.-H. [Hrsg.]: Dubbel, Taschenbuch für den Maschinenbau, 18. Aufl., Berlin [u. a.]: Springer-Verlag 1995, Seiten F 15, G 74, G 116, G 128 4. DE 26 58 158 A1 5. DE 240 25 35A.

Die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts hat von Amts wegen noch die DE 1 159 719 B (E5) ermittelt.

Der Antragsgegner hat dem Löschungsantrag rechtzeitig widersprochen. Er hat das Gebrauchsmuster zuletzt im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 3 in der Fassung vom 18./23. September 2006 mit der Maßgabe, dass in den Schutzansprüchen 2 und 3 der Begriff "Zahnradgetriebe" durch die Angabe "Hubgetriebe" ersetzt wird, in erster Linie verteidigt, hilfsweise mit der Aufnahme eines Merkmals in den Hauptanspruch, wonach die Reibbremse bei Drehmomentumkehr lüftet.

Die in erster Linie verteidigten Schutzansprüche haben folgenden Wortlaut:

1. Handbetätigtes Hubgetriebe zum Heben und Senken einer Last, welches als Zahnradgetriebe mit einer Reibbremse ausgebildet ist, wobei die Axialkraft schrägverzahnter Stirnräder die Reibbremse betätigt und die Reibbremse sowie die Schrägungswinkel der Stirnräder so ausgelegt sind, dass beim Absenken der Last ein von der Last abhängiges Bremsmoment in der Reibbremse erzeugt wird, und ein Freilauf vorgesehen ist, welcher bei Drehrichtungsumkehr zum Heben der Last das Getriebe ohne Bremswirkung durchdrehen lässt.

2. Hubgetriebe nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Bremse in das Getriebe integriert ist und als Reibbremse ausgeführt ist.

3. Hubgetriebe nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Bremse als Kegelbremse ausgebildet ist.

Nach mündlicher Verhandlung hat die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts durch Beschluss vom 17. Juli 2007 das Streitgebrauchsmuster teilgelöscht, soweit es über die Schutzansprüche 1 bis 3 nach Hauptantrag vom 18./22. September 2006 bzw. 17. Juli 2007 des Antragsgegners hinausgeht, und den weitergehenden Löschungsantrag zurückgewiesen. In den Gründen des Beschlusses ist ausgeführt, dass die Lehre nach dem verteidigten Schutzanspruch gegenüber dem vor dem Anmeldetag des Streitgebrauchsmusters gegebenen Stand der Technik eine erfinderische Leistung darstelle, da der Fachmann aus keiner der entgegengehaltenen Druckschriften eine Anregung erhalte, das handbetätigte Hubgetriebe dergestalt weiter zu entwickeln, dass in dem Hubgetriebe eine Bremse angeordnet wird, die ein kontrolliertes Absenken der Last unter einem lastabhängigen Bremsmoment ermöglicht.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin Beschwerde erhoben. Sie macht geltend, dass der durch das Streitgebrauchsmuster geschützte Gegenstand hinsichtlich seiner Vorrichtungsmerkmale identisch mit dem aus der E6 (DE 240 25 35A) bekannten Gegenstand sei, denn beide Getriebe würden nicht nur exakt die gleichen Bauteile umfassen, sondern diese würden auch in exakt der gleichen Weise zusammenwirken. Auch bei dem entgegengehaltenen Getriebe werde ein Bremsmoment proportional zu der auf dieses wirkenden Kraft erzeugt, so dass auch dort das Bremsmoment lastabhängig sei.

Lediglich die Auslegung und Einstellung der Bremse nach der E6 sei so vorgenommen, dass die Drehungen der Welle durch die Last zum Blockieren der Welle führe, wie die Antragstellerin im Einzelnen weiter vorträgt. Für den Durchschnittsfachmann stelle es hingegen nicht mehr als eine alltägliche Routinearbeit dar, die Bremse so auszulegen, dass das Absenken der Last verzögert und nicht vollständig verhindert wird. Eine weitreichende Umkonstruktion sei daher nicht erforderlich.

Auch das Stellgetriebe nach der E1 (DE 196 04 501 A1) lasse die wesentlichen Merkmale des Schutzgegenstandes erkennen, wie die Beschwerdeführerin weiter vorträgt.

Die Beschwerdeführerin stellt den Antrag, den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17.7.2007 aufzuheben und das Gebrauchsmuster 200 12 830 in vollem Umfang zu löschen.

Der Beschwerdegegner stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Beschwerdegegner widerspricht den Ausführungen der Beschwerdeführerin. Er trägt vor, dass beim entgegengehaltenen Stand der Technik die Bremse anders als beim Schutzgegenstand immer dann außer Funktion gesetzt werde, wenn die Last kontrolliert abgesenkt werde.

II.

Die zulässige Beschwerde ist sachlich nicht gerechtfertigt, denn der weitergehende Löschungsantrag ist unbegründet.

Insoweit das Gebrauchsmuster nicht mehr verteidigt wird, es ist von der Gebrauchsmusterabteilung zu Recht gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 GebrMG von Amts gelöscht worden.

1. Der geltend gemachte weitergehende Löschungsanspruch wegen mangelnder Schutzfähigkeit (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG) ist nicht gegeben.

1.1 Der verteidigte Schutzanspruch 1 ist auf ein handbetätigtes Hubgetriebe zum Heben und Senken einer Last gerichtet, welches die folgenden Merkmale aufweist:

1. Das Hubgetriebe ist als Zahnradgetriebe ausgebildet.

2. Das Hubgetriebe ist mit einer Reibbremse ausgebildet.

2.1 Die Reibbremse wird durch die Axialkraft schrägverzahnter Stirnräder betätigt.

2.2 Die Reibbremse sowie der Schrägungswinkel (der Verzahnung) der Stirnräder sind so ausgelegt, dass beim Absenken der Last ein von der Last abhängiges Bremsmoment in der Reibbremse erzeugt wird.

2.3 Ein Freilauf ist vorgesehen, welcher bei Drehrichtungsumkehr zum Heben der Last das Getriebe ohne Bremswirkung durchdrehen lässt.

Das Zahnradgetriebe nach Merkmal 1. ist gemäß Merkmal 2.1 als Stirnradgetriebe ausgebildet, wobei die Stirnräder eine Schrägverzahnung aufweisen. Diese Schrägverzahnung ist dabei funktionsnotwendig, denn es soll durch sie eine in axialer Richtung wirkende Kraft erzeugt werden, welche ihrerseits eine Reibbremse betätigt (Merkmal 2.1). Die Reibbremse selbst ist im Schutzanspruch nicht weiter beschrieben. Ihre Bremswirkung besteht durch reibenden Eingriff eines Reibwerkstoffs mit einem drehenden Teil. Im gezeichneten Ausführungsbeispiel ist dies eine Kegelbremse (vgl. Fig. 1 und Beschreibung S. 3, 3. Abs.). Es kann hierfür aber auch eine Scheibenbremse Verwendung finden (S. 3, Zeile 1). Jedenfalls sollen nach Merkmal 2.2 der Winkel der Schrägverzahnung der Stirnräder sowie die entsprechende Reibbremse so ausgelegt sein, dass bei Absenken der Last ein lastabhängiges Bremsmoment erzeugt wird. Bei Drehrichtungsumkehr indes sorgt ein Freilauf dafür, dass sich das Getriebe zum Heben der Last ohne Bremswirkung durchdrehen lässt.

Durch die im Schutzanspruch 1 angegebenen Maßnahmen wird insbesondere erreicht, dass die durch die Schrägverzahnung der Stirnräder unter Last erzeugte Axialkraft in einfacher Weise zur drehmomentabhängigen Betätigung der Reibbremse bei Lastabsenkung genutzt wird, während ein Freilauf im Hebebetrieb die Bremswirkung außer Funktion setzt.

Unter dem im Merkmal 2.2 verwendeten Begriff "Absenken der Last" versteht der Fachmann, ein in der Konstruktion von Hebezeug erfahrener Diplomingenieur des allgemeinen Maschinenbaus mit Fachhochschule nach Auffassung des Senats einen kontrollierten Bewegungsverlauf in Bezug auf die Last, anders als etwa eine ungewollte Abwärtsbewegung bedingt durch die Gewichtskraft der Last. Wie aus Seite 3, 3. Abs. der Gebrauchsmusterschrift hervorgeht, ermöglicht die Bremse ein kontrolliertes Absenken der Last. Demgemäß wirkt die Bremse beim Vorgang der Lastabsenkung permanent mit, um diesen kontrollierend zu beeinflussen, wobei die Bremse ein von der Last, d. h. ihrer Gewichtskraft, abhängiges Bremsmoment erzeugt (Merkmal 2.2). Die Bremse muss daher beim Vorgang der Lastabsenkung permanent in Eingriff sein, um auf diesen Bewegungsablauf einwirken zu können. Merkmal 2.2 des Schutzanspruchs 1 verteidigter Fassung ist dabei unter verständiger Würdigung der in der Beschreibung des Streitgebrauchsmusters gegebenen technischen Einzelheiten und Zusammenhänge so zu verstehen, dass die Bremse beim kontrollierten Absenken der Last permanent mitwirkt, um den Absenkvorgang in Abhängigkeit von der Gewichtskraft der Last in gewünschter und geeigneter Weise zu verzögern. Eine sofortige Stillsetzung einer Absenkbewegung, die nicht beabsichtigt war und keinem erwünschten Bewegungsverlauf zuzurechnen ist, ist indes nicht Gegenstand des Schutzanspruchs 1, insbesondere hinsichtlich des Merkmals 2.2.

1.2 Mit den verteidigten Schutzansprüchen 1 bis 3 wird das im Streit stehende Gebrauchsmuster in zulässiger Weise beschränkt.

Die Merkmale der Schutzansprüche 1 bis 3 sind in der Gebrauchsmusterschrift als zum Schutzgegenstand gehörend offenbart.

Der gegenüber dem eingetragenen Anspruch 1 eingeschränkte Schutzanspruch 1 ist nunmehr auf ein handbetätigtes Hubgetriebe zum Heben und Senken einer Last gerichtet, was seine Stütze in der Beschreibung des Streitgebrauchsmusters S. 3, 2. Abs. findet. Die Ausgestaltung des Hubgetriebes als Zahnradgetriebe (Merkmal 1. gemäß Merkmalsauflistung nach Punkt 3.) ist bereits in der Beschreibung S. 2, Zeilen 1 und 2 erwähnt, während die verwendete Reibbremse (Merkmal 2.) auf S. 3, Zeile 1 genannt ist. Diese Betätigung der Reibbremse durch die Axialkraft schrägverzahnter Stirnräder (Merkmal 2.1) beruht auf dem eingetragenen Schutzanspruch 1 sowie auf den Ausführungen gemäß Beschreibung S. 2, letzter Abs. bis S. 3, Zeilen 1 und 2. Die Auslegung der Reibbremse sowie der Schrägungswinkel der Verzahnung im Hinblick auf die Erzeugung eines lastabhängigen Bremsmomentes (Merkmal 2.2) ist auf S. 2, 2. Abs., 2. Teil des Gebrauchsmusters beschrieben, während ein bei Drehrichtungsumkehr wirkender und in diesem Zustand ein Drehen des Getriebes ohne Bremswirkung gestattender Freilauf (Merkmal 2.3) aus S. 3 im 1. Abs., letzter Satz und im 2. Abs., 1. Teil beschrieben ist.

Der verteidigte Schutzanspruch 2 beruht insgesamt auf dem eingetragenen Anspruch 2 und ist nunmehr in eingeschränkter Weise auf ein Hubgetriebe gerichtet.

Das Merkmal des verteidigten Schutzanspruchs 3, wonach die Bremse als Kegelbremse ausgebildet ist, findet seine Stütze in der Beschreibung der Streitgebrauchsmusterschrift, Seite 3, Zeilen 1 und 2.

1.3 Der Gegenstand des verteidigten Schutzanspruchs 1 ist gegenüber dem berücksichtigten Stand der Technik neu (§ 3 GebrMG).

Durch den Stand der Technik nach der DE 24 02 535 (E6) und der DE 196 04 501 A1 (E1) werden keine handbetätigten Hubgetriebe vorbeschrieben, bei denen bei Lastabsenkung durch die Reibbremse ein lastabhängiges Bremsmoment erzeugt wird, um so eine kontrollierte Absenkbewegung zu gewährleisten. Vielmehr wird jede gewünschte und kontrollierte Bewegung der Last - auch die Absenkung - bei diesem Stand der Technik durch den Antriebsmotor ausgeführt, wobei die Bremse jeweils dann abgeschaltet bzw. außer Eingriff gebracht wird, wenn der Motor in Tätigkeit gesetzt ist. Der Gegenstand nach Schutzanspruch 1 unterscheidet sich von diesem Stand der Technik daher in den Merkmalen bezüglich eines handbetätigten Handgetriebes und 2.2 (vgl. hierzu Merkmalsgliederung gemäß 1.1). Ein Freilauf i. S. d. Schutzgegenstandes (Merkmal 2.3) ist im Falle des Stellgetriebes nach E1 zudem nicht vorgesehen.

Die Bremse für Hebezeuge nach der DE 26 58 158 A1 (E4) stellt zwar ein handbetätigtes Hubgetriebe zum Heben und Senken einer Last dar, bei dem jedoch ein Zahnradgetriebe nicht vorgesehen ist und demzufolge eine Kraftwirkung schrägverzahnter Stirnräder nicht entstehen kann. Der Gegenstand nach Schutzanspruch 1 unterscheidet sich von diesem Stand der Technik daher in den Merkmalen 1., 2.1 und 2.2.

Durch die DE 1 159 719 B (E5) ist ein lastschaltbares Getriebe bekannt geworden, bei welchem durch die Axialkraftwirkung schrägverzahnter Zahnräder bei Belastung eine Reibbremse zum Zwecke der Gangumschaltung betätigt wird. Der Schutzgegenstand unterscheidet sich von diesem bekannten Getriebe in allen auf ein Hubgetriebe und dessen Wirkung bei der Absenkung der Last gerichteten Merkmalen (1., 2., 2.2).

Durch die DD 294 075 A5 (E2) ist ein lastschaltbares Getriebe bzw. sperrbares Differentialgetriebe bekannt geworden, bei dem die Betätigung entsprechender Reibkupplungen bzw. -bremsen jedoch mittels motorischer Stellglieder und nicht durch Axialkräfte schrägverzahnter Stirnräder erfolgt, so dass sich der Schutzgegenstand nach Anspruch 1 hiervon in allen seinen Merkmalen unterscheidet.

Auch den auszugsweise vorgelegten Seiten (vgl. I.) aus "Dubbel, Taschenbuch für den Maschinenbau" (E3) lässt sich ein handbetätigtes Hubgetriebe mit den Merkmalen des Schutzanspruchs 1 nicht entnehmen, denn dort sind lediglich allgemein die physikalischen Wirkungen an schräg verzahnten Stirnradgetrieben in Abhängigkeit bestimmter konstruktiver Parameter (z. B. Schrägungswinkel) und deren Folgen für die Lagerung derartiger Getriebeteile (Zahnräder) sowie in einem anderen Kapitel Freiläufe an sich beschrieben.

1.3 Es lässt sich nicht feststellen, dass der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nicht auf einem erfinderischen Schritt beruht (§ 1 GebrMG).

Durch die DE 24 02 535 A (E6) ist - anders als die Beschwerdeführerin vorträgt - kein handbetätigtes Hubgetriebe zum Heben und Senken einer Last bekannt geworden. Vielmehr ist dieses Getriebe zum Heben von Lasten, die ihrerseits an einem Zugseil hängen (S. 1, 1. Abs. der E6) durch einen Motor betrieben, wie bereits aus der Beschreibungseinleitung (S. 2, 1. Abs.) hervorgeht. Auch in der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels wird zum Zwecke der Betätigung des Getriebes von einer "Einschaltung der Antriebsgruppe" gesprochen (S. 6, 3. Abs. Z. 1 - 2). Ebenso ist in der einzigen, das in der E6 beschriebene Getriebe darstellenden Figur ein Motor (5) dargestellt. Nachdem die nach der E6 beschriebene Sicherheitsvorrichtung für Seilwinden oder Trommelwinden lediglich auf bestimmte Getriebe- und Bremsmittel abstellt, findet ein Antriebsmotor in den Ansprüchen keine Erwähnung, weil dieser selbst nicht von den speziellen in der E6 vorgestellten Ausgestaltungen betroffen ist. Dies lässt für sich genommen jedoch nicht den Schluss zu, dass bei einer Getriebeanordnung nach der E6 auf einen Antriebsmotor verzichtet werden könnte und dieser gedanklich ohne weiteres durch eine handbetriebene Einrichtung zu ersetzen wäre.

Das Hubgetriebe gemäß E6 ist allerdings - wie aus der Zeichnung ersichtlich - als Zahnradgetriebe ausgebildet (Merkmal 1. gemäß Merkmalsgliederung nach Punkt 3.), wobei hier zwei maßgebliche Zahnradpaare, ein "motorgetriebeseitiges" (10A, 11) und ein seiltrommelseitiges", also lastseitiges (4, 12) vorgesehen sind. Auch ist das entgegengehaltene Hubgetriebe mit einer Bremsgruppe (14) ausgestattet, die als axial wirkende Scheibenbremse ausgebildet sein kann (S. 4, 4. Abs.), so dass auch eine Reibbremse i. S. d. Schutzanspruchs 1 vorgesehen ist (Merkmal 2.). Diese Reibbremse wird auch durch die Axialkraft schrägverzahnter Stirnräder betätigt (Merkmal 2.1), denn bei Leerlauf ohne Motorkraft wirkt ein lastseitiges Moment über die Steiltrommel (1) auf das schrägverzahnte Eingangszahnrad (4) derart, dass dieses eine axiale Kraft auf das ebenfalls schrägverzahnte Zahnrad (12) ausübt, mit dem es in kämmendem Eingriff steht, wodurch wiederum das Zahnrad (12) über seine Welle (13) eine axiale Kraft auf die Reibbremse (Bremsgruppe 14) ausübt und diese Bremse schließt (S. 5, 3. Abs. bis S. 6, 1. Abs.). Die Wirkung der Gewichtskraft der schwebenden Last am Seil führt also dazu, dass die Bremse blockiert und die Trommel und damit die schwebende Last festgehalten wird.

Für die motorische Bewegung der Last, also bei "Einschaltung der Antriebsgruppe" sind zwei Richtungen vorgesehen, nämlich das Heben und das Senken. Soll die schwebende Last nun angehoben werden, treibt das Getrieberad (10A) über das Zahnrad (11) die Welle (13) an, welche ihrerseits über das Zahnradpaar (12, 4) die Seiltrommel (1) bewegen kann. Dieser Vorgang ist auch bei der vorher durch eine schwebende Last geschlossenen Bremse möglich, denn ein Freilauf (18) ermöglicht die Drehung des Hubgetriebes ohne Bremswirkung bei Drehrichtungsumkehr zum Heben der Last (S. 6, 3. Abs. "Möglichkeit a)"). Damit ist bei dem entgegengehaltenen Getriebe auch ein Freilauf i. S. v. Merkmal 2.3 des Schutzanspruchs 1 vorgesehen.

Beim kontrollierten Absenken der Last indes, also bei einer Bewegung in Richtung der Wirkung der schwebenden Last, wird durch die motorische Einwirkung über das Zahnrad (10A) auf das Zahnrad (11) u. a. auch eine axiale Kraft übertragen, welche sich über die Welle (13) fortsetzt und die Bremse (14) löst (vgl. S. 6, 3. Abs. "Möglichkeit b)" bis S. 7, 1. Abs.). Somit kann die Last nur bei vollständig gelöster Bremse und ausschließlich mit Motorkraft kontrolliert abgesenkt werden.

Nach alldem ist die Bremse nach der E6 so ausgelegt, dass sie zwischen zwei Grenzstellungen, nämlich der Bremsstellung und der Öffnungsstellung geschaltet wird. Zwar ist der Beschwerdeführerin insoweit zuzustimmen, dass das Bremsmoment durch die Einwirkung der schwebenden Last proportional zur Größe der Kraft ist, die durch die schwebende Last ausgeübt wird, wobei allerdings dieses jeweilige sich aufbauende Bremsmoment ausschließlich der Feststellung der Seiltrommel dient, um die jeweils wirkende Last am unkontrollierten Absinken zu hindern. Am Absenken der Last an sich jedoch ist die Bremse gemäß E6 nicht beteiligt. Vielmehr wird sie sogar zum Zwecke der Lastabsenkung vollständig gelöst.

Demzufolge vermag eine Getriebeanordnung, wie sie in der E6 beschrieben ist, das Einsteuern eines lastabhängigen Drehmoments beim Absenken der Last (Merkmal 2.2) weder vorwegzunehmen, noch dem hier angesprochenen Fachmann nahezulegen, denn die Entgegenhaltung lehrt ausdrücklich und ausschließlich ein Absenken der Last ohne Hilfe und Mitwirkung einer Bremsanordnung.

Eine ähnliche Wirkung der Bremse wie im Falle der E6 ist auch beim Stand der Technik nach der DE 196 04 501 A1 (E1) vorgesehen. Das dort offenbarte Stellgetriebe, welches z. B. über ein für eine Zahnstange vorgesehenes Ritzel (27) (vgl. Fig. 1) durch Motorantrieb 5) schwere Dachfenster o. Ä. bewegen soll (Sp. 4, Z. 10 bis 29), weist in einer seiner Getriebestufen ein Zahnradpaar mit Schrägverzahnung auf (Ritzel 13, Zahnrad 17). Werden seitens des Zahnstangenritzels (27), also lastseitig, bei nicht betätigtem Antriebsmotor starke Momente auf das Getriebe ausgeübt, wird über die Schrägverzahnung der Zahnräder (17) und (13) eine Axialkraft auf die Welle (9) des Ritzels (13) induziert, die ihrerseits eine Reibbremse, bestehend aus einem scheibenförmigen Reibkörper (10) und einer Bremsfläche (11) schließt (Sp. 4, Z. 10 bis 50). Zwar ist auch in diesem Fall die Bremskraft bzw. Lastmomentsperre abhängig von der Größe der einwirkenden Kraft (Sp. 4, Z. 44 bis 47). Jedoch dient auch hier die Bremse lediglich dem Festhalten der Last und wirkt bei deren Bewegung nicht mit, auch nicht beim Absenken. Die Mitwirkung der Motorkraft für eine Verstellbewegung bewirkt nämlich die Umkehrung der Axialkraft des Ritzels (13) auf die Welle (9) und damit das Lösen der Bremse (vgl. auch Sp. 4, Z. 4 bis 9). Nach alledem kann auch das Getriebe nach der E1, welches im Übrigen auch keinen Freilauf (Merkmal 2.3) aufweist, die Erzeugung eines lastabhängigen Bremsmomentes bei der Absenkbewegung der Last (Merkmal 2.3) weder vorwegnehmen noch nahelegen.

Durch die DE 1 159 719 B (E5) wird lediglich ein lastschaltbares Getriebe beschrieben, welches bei Lastzunahme durch die Axialkraft schrägverzahnter Zahnräder (2, 4, 9, 10) einen Gangwechsel bewirkt. Auch hier bewegt sich ein axial wirkendes Schalt- und Betätigungselement nur zwischen zwei Grenzzuständen (1. oder 2. Gang) und vermag daher die lastabhängige Mitwirkung einer Bremse beim Absenken einer Last (Merkmal 2.2) weder zu vermitteln noch nahezulegen.

Noch weiter entfernt als das lastschaltbare Getriebe nach E5 ist das lastschaltbare Getriebe bzw. sperrbare Differentialgetriebe nach DD 294 975 A5 (E2), weil dort die Betätigung der entsprechenden Reibungskupplungen und -bremsen nicht durch Axialkraft, sondern durch einen Stellmotor erfolgt.

In den aufgezeigten Textpassagen aus Dubbel, Taschenbuch für den Maschinenbau (E3), werden lediglich die Kraftvektoren dargestellt, die bei schräg verzahnten Getrieben zur Wirkung kommen und deren Folgen (z. B Kippmomente an der Lagerung) bzw. Freiläufe an sich und deren konstruktiv unterschiedliche Arten beschrieben, jedoch ohne Bezug zum Schutzgegenstand.

Einzig die Hebezeugbremse nach der DE 26 58 158 A1 (E4) offenbart eine u. a. auch handbetriebene Hebeanordnung (S. 7 handschr. Nummerierung, 2. Abs.) mit einem Freilauf (16) (vgl. Zeichnung und S. 7, 3. Abs.), welche beim Absenken der Last zumindest auch ein zu der Last proportionales Bremsmoment in der Reibbremse (Bremsscheibe (20), Widerlagerscheibe (19) erzeugen kann (S. 9, 3. Abs. bis S. 10, 1. Abs.). Dann allerdings geschieht dies nicht mit Hilfe schrägverzahnter Stirnräder, sondern durch Eindrehen einer als Druckkörper für die Bremseineinheit ausgebildeten Mutter (24), die mit dem Antriebsteil (14) in Verbindung steht. Auch wenn dieser Vorgang eigentlich zusammengesetzt ist aus einem ständigen Abbremsen der Last und erneutem Lösen der Bremse, erfolgt die Lastabsenkung doch insoweit unter zumindest teilweiser Mitwirkung der Bremse. Die Bremswirkung selbst wird mit anderen Mitteln als beim Schutzgegenstand erzeugt, so dass Merkmal 2.2 des Schutzanspruchs 1 schon insgesamt nicht nahegelegt werden kann, weil dort das lastabhängige Bremsmoment durch die Auslegung des Verzahnungswinkels der Stirnräder und die Art der Bremse hervorgerufen werden soll. Auch erlaubt die Bremswirkung gemäß E4 nicht ein gleichsam kontinuierliches Absenken der Last i. S. d. Schutzgegenstandes, bei dem ein konstantes zum Absenken der Last aufzuwendendes aber lastunabhängiges Restmoment verbleiben soll, wie die Streitgebrauchsmusterschrift S. 3, 2. Abs. ausführt. Demzufolge kann hier auch nicht von einem lastabhängig erzeugten Bremsmoment in der Reibbremse beim Absenken der Last i. S. d. Schutzgegenstandes gesprochen werden, denn die Lastabsenkung nach der E4 erfolgt durch ständigen Wechsel eines Bremsvorgangs mit dessen Aufhebung (Intervallbremsung). Somit findet auch hier die Bremse wieder ihre allgemein bekannte Verwendung. Diese liegt in der Stillsetzung eines Bewegungsablaufs.

Demzufolge könnte auch eine Übertragung einer derartigen Intervallbremsung bei der Lastabsenkung, wie sie die E4 lehrt, auf eine Getriebeeinrichtung nach E6 - so sich diese nicht ohnehin verbietet, weil die E6 ja eine Lastabsenkung ohne Bremswirkung lehrt - lediglich wieder eine intervallgebremste Absenkbewegung zur Folge haben und wäre damit dem Sinngehalt des Merkmals 2.2 noch immer fern.

Es bedurfte daher eines erfinderischen Schrittes, um eine Reibbremse in permanent betätigtem Zustand an einem kontinuierlichen Bewegungsablauf, wie er z. B. durch das Absenken einer Last gegeben ist, zu beteiligen, denn dem Fachmann waren hierzu weder Anregungen aus dem Stand der Technik vermittelt worden, noch konnte er durch sein allgemeines Fachwissen dazu hin geführt werden. Vielmehr musste er aufgrund seiner Fachkenntnisse Probleme bezüglich Verschleiß und Überhitzung beim permanenten Einsatz einer Reibbremse zur kontrollierenden Einwirkung auf einen ggf. auch länger andauernden Bewegungsablauf befürchten und war deshalb von einem derartigen technischen Handeln eher abgehalten.

1.4 Da nicht mangelnde Schutzfähigkeit des Gegenstandes nach Schutzanspruch 1 festgestellt werden konnte, lässt sie sich auch für den Gegenstand der auf Schutzanspruch 1 rückbezogenen Schutzansprüche 2 und 3 nicht feststellen, denn es handelt sich hierbei um nicht selbstverständliche Ausgestaltungen des Gegenstandes nach Schutzanspruch 1.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 2 GebrMG in Verbindung mit § 84 Abs. 2 PatG und § 91 Abs. 1 ZPO. Dass die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert, ist nicht ersichtlich.

Baumgärtner Dr. Huber Kuhn Pr






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Beschluss v. 02.07.2008
Az: 5 W (pat) 452/07


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