Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 13. Januar 2010
Aktenzeichen: I-27 U 1/09

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 13.01.2010, Az.: I-27 U 1/09)

1. In Vergabeverfahren, deren Auftragsgegenstand den Schwellenwert nicht erreicht, bestehen Unterlassungsansprüche des unterlegenen Bieters gegen den Auftraggeber, wenn dieser gegen Regeln, die er bei der Auftragsvergabe einzuhalten versprochen hat, verstößt und dies zu einer Beeinträchtigung der Chancen des Bieters führen kann. Auf eine willkürliche Abweichung des Auftraggebers kommt es nicht an.

2. Derartige Unterlassungsansprüche können auch im Wege des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden.

3. Dazu ist nicht erforderlich, dass der Antragsteller eine (echte) Chance auf den Zuschlag hat. Jedoch kann im Rahmen der gebotenen Abwägung der Verfügungsgrund fehlen, wenn unwahrscheinlich ist, dass der Antragsteller den Zuschlag letztlich erhalten kann.

4. Bei der Verfahrensgestaltung sind die Besonderheiten des Vergabeverfahrens zu berücksichtigen. Es kann für das Gericht geboten sein, dem Auftraggeber im Wege einer Zwischenverfügung aufzugeben, befristet bis zur Entscheidung in erster Instanz eine Auftragsvergabe zu unterlassen sowie das Unternehmen, dem der Auftraggeber den Zuschlag erteilen will, von dem Verfahren zu benachrichtigen. Einer lückenhaften Tatsachenkenntnis des Antragstellers ist durch eine sachgerechte Handhabung der sekundären Darlegungslast und der Glaubhaftmachungslast Rechnung zu tragen.

Tenor

Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 16. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Antragstellerin.

Gründe

(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)

I.

Die Antragsgegnerin, deren Gesellschafter zu 50 % der Regionalverband Ruhr und zu jeweils 25 % die Stadt Xanten sowie der Kreis Wesel sind, betreibt das Freizeitzentrum Xanten. Sie plante den Neubau eines Mehrzweckgebäudes für den Hafen Xanten an der Xantener Südsee. Der Auftragswert liegt unterhalb des nach § 2 VgV maßgebenden Schwellenwerts für öffentliche Bauaufträge. Im Rahmen einer beschränkten Ausschreibung übersandte sie u.a. der Antragstellerin die Verdingungsunterlagen mit der Aufforderung, ein Angebot abzugeben. In den Bewerbungsbedingungen hieß es u.a.:

Hinweis:

Der Auftraggeber verfährt nach der "Verdingungsordnung für Bauleistungen", Teil A "Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen" (VOB/A). Die VOB/A wird nicht Vertragsbestandteil; ein Rechtsanspruch des Bieters auf die Anwendung besteht nicht.

3.3 Das Angebot muß vollständig sein; unvollständige Angebote können ausgeschlossen werden. Das Angebot muß die Preise und die in den Verdingungsunterlagen geforderten Erklärungen und Angaben enthalten.

4.3 Nebenangebote sind nur in Verbindung mit einem Hauptangebot zugelassen.

Die Antragstellerin gab kein Hauptangebot, aber zwei Nebenangebote mit einer von der Leistungsbeschreibung abweichenden Konstruktion (u.a. einer Fassade aus Holzfenstern statt einer Pfosten-Riegel-Konstruktion aus Stahl) ab. Die Ablehnung eines Hauptangebots begründete sie mit technischen Bedenken gegen die vorgesehene Ausführungsart, insbesondere mit der Nichteinhaltung der nach den Vertragsbedingungen einzuhaltenden EnEV und der Gefahr von Durchfeuchtungserscheinungen.

Die Antragsgegnerin teilte zunächst mit, die Bedenken prüfen zu wollen, und bat die Bieter, ein Angebot über die Erstellung einer Aluminium-Glas-Fassade einzureichen. Die Antragstellerin reichte zwei Nebenangebote ein. Es kam in der Folgezeit zu Gesprächen der Antragsgegnerin mit den Bietern. Die Antragsgegnerin forderte die Bieter, u.a. die Antragstellerin im Anschluss daran auf, ein weiteres Angebot einzureichen, wobei dieses - neben der Aluminium-Glas-Fassade - auch eine Sonnenschutzverglasung enthalten sollte. Daran beteiligte sich die Antragstellerin nicht mehr.

Die Antragsgegnerin entschied daraufhin, den Zuschlag auf das Angebot eines dritten Unternehmens - welches eine Aluminium-Glas-Fassade sowie eine Sonnenschutzverglasung enthielt - zu erteilen.

Die Antragstellerin hat daraufhin das Landgericht angerufen mit dem Ziel, der Antragsgegnerin einstweilen den Zuschlag zu untersagen. Letztere habe sich vergaberechtswidrig verhalten. Sie habe eine Leistungsbeschreibung mit erheblichen technischen Fehlern erstellt, die eine Vergleichbarkeit der Angebote ausgeschlossen habe. Zudem habe sie unzulässigerweise Nachverhandlungen geführt und plane, den Zuschlag auf ein nicht der ursprünglichen Leistungsbeschreibung entsprechendes Angebot zu erteilen. Sie hat - soweit im Berufungsverfahren noch von Belang - beantragt,

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, es zu unterlassen,

im Rahmen der beschränkten Ausschreibung zum Neubau eines Mehrzweckgebäudes im Hafen Xanten an der Xantener Südsee(Vergabe-Nr. 22.11.3.3.1.1.) auf der Grundlage der "Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm, Vergabe-Nr. 22.11.3.3.1.1., Bauherr und Verfasser: Freizeitzentrum Xanten GmbH, …" (Anlage Ast 2 zum Schriftsatz vom 19.06.2009) einen Vertrag abzuschließen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat die technischen Bedenken der Antragstellerin gegen die Leistungsbeschreibung zurückgewiesen und darauf aufmerksam gemacht, diese habe nur Nebenangebote abgegeben. Im Übrigen sei sie nicht an die VOB/A gebunden gewesen, sie habe sich eine eigene Verdingungsordnung gegeben, die auch Nachverhandlungen zulasse.

Das Landgericht hat - unter Aufhebung einer Zwischenverfügung - den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Die von der Antragstellerin vorgebrachten Bedenken führten nicht zu einer fehlenden Vergleichbarkeit der Angebote; es sei allein Sache der Antragsgegnerin zu entscheiden, ob sie ein - gegebenenfalls mangelhaftes - Gebäude errichten lassen wolle. Die Antragsgegnerin habe die Bieter im Rahmen der - nach § 24 VOB/A an sich nicht zulässigen - Nachverhandlungen nicht ungleich behandelt. Sie habe die Antragstellerin auch nicht willkürlich benachteiligt.

Dagegen wendet sich die Berufung der Antragstellerin. Unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens macht sie weiterhin geltend, das Vergabeverfahren der Antragsgegnerin sei rechtswidrig.

Sie hat zunächst den Antrag angekündigt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, es zu unterlassen,

im Rahmen der Beschränkten Ausschreibung zum Neubau eines Mehrzweckgebäudes im Hafen Xanten an der Xantener Südsee(Vergabe-Nr. 22.11.3.3.1.1.) auf der Grundlage der "Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm, Vergabe-Nr. 22.11.3.3.1.1., Bauherr und Verfasser: Freizeitzentrum Xanten GmbH, …" einen Vertrag abzuschließen.

Nachdem die Antragsgegnerin dem Drittunternehmen den Auftrag erteilt und erklärt hat, keinen weiteren Auftrag für den Neubau eines Mehrzweckgebäudes, insbesondere mit der ursprünglichen Leistungsbeschreibung, zu erteilen, hat die Antragstellerin das Verfahren für in der Hauptsache erledigt erklärt.

Die Antragsgegnerin hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils sowie die Schriftsätze verwiesen.

II.

Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Verfahren ist nicht auf den Antrag der Antragstellerin hin für erledigt zu erklären. Denn ihr Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war unbegründet (zum Prüfungsmaßstab bei streitiger Erledigungserklärung s. Vollkommer, in Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 91a Rdnrn. 43/44).

1.

Der Senat ist allerdings der Auffassung, dass grundsätzlich auf den Antrag des unterlegenen Bieters hin der Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen einen Auftraggeber, gerichtet auf die Untersagung eines geplanten Zuschlages an einen Dritten, unter noch näher zu erörternden Bedingungen außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 97 ff. GWB in Betracht kommt.

a) In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob und unter welchen Umständen ein Primärrechtsschutz des unterlegenen Bieters bei Vergaben außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 97 ff. GWB besteht.

Teilweise wird angenommen, ein Unterlassungsanspruch komme nur bei Willkür oder einem bewusst diskriminierenden Verhalten des Auftraggebers in Betracht (vgl. die Überlegungen des BVerfG (NJW 2006, 3701 = NZBau 2006, 791= VergabeR 2006, 871; VergabeR 2008, 924; LG Düsseldorf NZBau 2009, 142 m.w.N. [für den Fall der Aufhebung eines Vergabeverfahrens]). Dies wird damit begründet, dass als Anspruchsgrundlagen (bei öffentlichen Auftraggebern) nur die Vorschriften der Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. BVerwG NZBau 2007, 389) oder § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1 UWG (vgl. BGH GRUR 2008, 810 = NZBau 2008, 664 = VergabeR 2008, 925) in den Blick genommen werden.

Demgegenüber werden in Teilen der Rechtsprechung unterlegenen Bietern auch weitergehende Unterlassungsansprüche zuerkannt (vgl. OLG Jena VergabeR 2009, 524: § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2, § 280 Abs. 1 i.V.m. § 249 Abs. 1 S. 1 BGB; vgl. auch LG Frankfurt NZBau 2008, 599 = VergabeR 2008, 513: § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Gleichbehandlungs- und Transparenzgebot - dazu Generalanwalt beim EuGH, Schlussanträge vom 27.10.2009 - C-91/08).

b) Der Senat ist der Auffassung, dass sich auch aus § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB Unterlassungsansprüche des (potentiellen) Bieters gegen den Auftraggeber ergeben können.

aa) Durch eine Ausschreibung, in der der Auftraggeber die Einhaltung bestimmter Regeln bei der Auftragsvergabe - insbesondere der VOB/A und der VOL/A - verspricht, kommt ein schuldrechtliches (vorvertragliches) Verhältnis zwischen dem Auftraggeber und dem interessierten Unternehmen mit diesen Regeln zustande (vgl. Gröning, VergabeR 2009, 839 = GRUR 2009, 266). Das gilt auch bei einem privaten Auftraggeber (vgl. BGH NJW-RR 2006, 963 = NZBau 2006, 1140 = VergabeR 2006, 963).

bb) Aus diesem Verhältnis folgt grundsätzlich auch ein Anspruch auf Unterlassung rechtswidriger Handlungen.

Zwar sind bestimmte Nebenpflichten vielfach nicht einklagbar (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 241 Rdnr. 7, § 242 Rdnr. 25; Roth, in Münchener Kommentar, BGB, 5. Aufl., § 241 Rdnrn. 44 ff.). Das erklärt sich aber daraus, dass Unterlassungsansprüche in bestimmten Situationen keinen Zweck erfüllen könnten. Das ist hier aber anders; der unterlegene Bieter hat ein Interesse an der Durchsetzung der Pflicht als solcher, deren Einhaltung die Transparenz des Vergabeverfahrens sichert und gewährleistet die Chancengleichheit der Bieter (vgl. BVerfG NJW 2006, 3701 Rdnr. 65 = NZBau 2006, 763 = VergabeR 2006, 871).

Zur Herleitung eines Unterlassungsanspruchs bedarf es daher eines "Umweges" über § 280 BGB (vgl. OLG Jena a.a.O.), der auch auf Unterlassung gerichtet sein kann (vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 280 Rdnr. 33), nicht. Ob ein Schadensersatzanspruch in Form eines präventiven Unterlassungsanspruchs auch bei einer erst drohenden rechtswidrigen Handlung bestehen kann, ist daher unerheblich.

Ein Grundsatz "dulde und liquidiere" besteht im deutschen Recht bei rechtswidrigen Handlungen nicht (vgl. Braun, Anm. zu BVerfG VergabeR 2008, 924, 925; zu enteignungsgleichen Eingriffen s. Palandt/Bassenge, a.a.O., Überbl. v. § 903 Rdnr. 14). Vielmehr geht das deutsche Recht grundsätzlich davon aus, dass dem Gläubiger gegenüber (drohendem) rechtswidrigem Handeln des Schuldners ein Unterlassungsanspruch zusteht, und zwar unabhängig davon, aus welchem Rechtsgrund das Handeln des Schuldners rechtswidrig ist (allgemein § 241 Abs. 1 S. 2 BGB und dazu Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 241 Rdnr. 4, § 242 Rdnr. 27; bei drohenden unerlaubten Handlungen, auch solchen nach § 823 Abs. 2 BGB, Palandt/Thomas, a.a.O., Einf. vor § 823 Rdnrn. 16, 18; bei Ausschließlichkeitsrechten § 1004 Abs. 1 BGB und dazu Palandt/Thomas, a.a.O., Einf. vor § 823 Rdnr. 17, Palandt/Bassenge, a.a.O., § 1004 Rdnr. 4).

Die Zuerkennung eines Unterlassungsanspruchs steht auch nicht in Widerspruch zur Entscheidung des BVerfG vom 13.06.2006 (NJW 2006, 3701 = NZBau 2006, 763 = VergaveR 2006, 871 Rdnr. 66 ff.). Das Gericht hat dort lediglich ausgeführt, es sei nicht notwendig, bei Unterschwellenwert-Vergaben eine Informationspflicht entsprechend § 13 VgV a.F., § 101a GWB n.F. einzuführen, um es dem unterlegenen Bieter zu ermöglichen, vor einem Zuschlag rechtzeitig um Primärrechtsschutz nachzusuchen (zu Zweck und Umfang der vorherigen Informationspflicht s. zuletzt EuGH, Urteil vom 23.12.2009 - C-455/08 Rdnrn.31 - 34). Das BVerfG hat demgegenüber keine Stellung dazu genommen, ob - einfachrechtlich - ein Primärrechtsschutz möglich ist oder nicht (vgl. Rdnr. 72).

Ein Ausschluss des Primärrechtsschutzes in Gestalt eines Unterlassungsanspruchs ergibt sich auch nicht aus den vom BVerfG angeführten Gründen für eine Differenzierung zwischen dem Rechtsschutz gemäß §§ 97 ff. GWB unterliegenden Vergaben und sonstigen Vergaben. Der - verhältnismäßig hohe - Verwaltungsaufwand sowie die Gefahr der Verzögerung einer Zuschlagsverzögerung rechtfertigen den Ausschluss von Primäransprüchen nicht. Diesen Bedenken ist durch eine sachgerechte Handhabung Rechnung zu tragen. Insbesondere kann eine Abwägung ergeben, dass das Interesse des Auftraggebers an einer zügigen Fortführung der geplanten Maßnahme den Vorzug vor den Belangen des unterlegenen Bieters hat und damit ein Verfügungsgrund fehlt. Das mag insbesondere dann in Betracht kommen, wenn der unterlegene Bieter zwar in seinen Rechten verletzt ist und Schaden drohen kann (vgl. für Auftragsvergaben "oberhalb" der Schwellenwerte § 107 Abs. 2 GWB und dazu jüngst BGH, Beschluss vom 10.11.2009 - X ZB 8/09 - Endoskopiesystem), aber unwahrscheinlich ist, dass der Bieter den Zuschlag letztlich erlangen kann.

Auch die Ausführungen in der Begründung des Regierungsentwurfs zum Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20. April 2009 stehen dem nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat zwar ausdrücklich - möglicherweise nur vorübergehend - davon abgesehen, den Primärrechtsschutz bei sonstigen Vergaben ausdrücklich zu regeln, dabei jedoch nur darauf verwiesen, es sei kein spezieller Rechtsschutz notwendig, vielmehr reichten die allgemeinen Regeln des Zivilrechts und des Zivilprozessrechts aus (BT-Dr. 16/10117 S. 14). Zu diesen allgemeinen Regeln gehört auch ein im Wege der einstweiligen Verfügung zu sichernder Unterlassungsanspruch.

c) Für die grundsätzliche Anerkennung eines Unterlassungsanspruchs sprechen auch europarechtliche Gründe. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sind auch außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG bei der Vergabe von Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber im weitesten Sinne auf der Grundlage der Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit der Gleichbehandlungsgrundsatz, das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und das Transparenzgebot zu wahren (s. zuletzt Urteile vom 10.09.2009 - C-206/08 - Eurawasser, NZBau 2009, 729 = EuZW 2009, 810 Rdnr. 44, vom 15.10.2009 - C-196/08 - Acoset, NZBau 2009, 804 = EuZW 2009, 849 Rdnrn. 46 ff. für Dienstleistungskonzessionen, vom 23.12.2009 - C-376/09 - Serrantoni und Consorzio stabile edili, Rdnrn. 21 ff., 31 ff. für einen Unterschwellenwertauftrag). Dies erfordert einen effektiven Rechtsschutz (vgl. Sauer/Hollands, NZBau 2006, 763 und Niestedt/Hölzl, NJW 2006, 3680 jeweils unter Hinweis auf EuGH NJW 2002, 2935 - Unión de Pequenos Agricultores, Rdnr. 39). Auch wenn das europäische Recht bei der Durchsetzung europarechtlich gewährleisteter Rechte in gewissem Umfang Rücksicht auf die nationale Rechtsordnung nimmt (vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 06.10.2009 - C-40/08 - Asturcom Telecommunicaciones, EuZW 2009, 852), zählt dazu jedenfalls dann, wenn - wie das deutsche Recht - das nationale Recht einen Unterlassungstitel gegen die öffentliche Hand grundsätzlich kennt, auch der Primärrechtsschutz (vgl. GA beim EuGH, Schlussanträge vom 27.10.2009 - C-91/08 - Wall, Rdnrn. 120 ff.).

Nach Ansicht des Senats ist hinsichtlich des Rechtsschutzes nicht zu differenzieren zwischen Aufträgen, bei denen "ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht" (Binnenmarktrelevanz, vgl. EuGH, Urteil vom 23.12.2009 - C-376/08 - Serrantoni und Consorzio stabile edili - Rdnr. 24 m.w.N.), und anderen Aufträgen sowie ausländischen Bietern (die sich auf die Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit berufen können) und inländischen Bietern. Die maßgeblichen nationalen Vorschriften geben für eine solche Unterscheidung nichts her. Im Übrigen bestand im vorliegenden Falle ein derartiges eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse; das Baugrundstück liegt nur rund 45 Kilometer von der deutschniederländischen Grenze entfernt, sowohl die Geschäftssitze der Antragstellerin als auch des Drittunternehmens, welchem die Antragsgegnerin mittlerweile den Auftrag erteilt hat, sind von Xanten weiter entfernt als größere niederländische Städte wie z.B. Nijmegen oder Venlo.

d) Bei dem Erlass von Unterlassungsverfügungen sind allerdings die Grenzen einzuhalten, die auch bei den den Vorschriften der §§ 97 ff. GWB unterliegenden Vergaben der Einwirkung auf die Willensbildung und das Verfahren des Auftraggebers gesetzt sind. So ist das ausschließliche Bestimmungsrecht des Auftraggebers zu berücksichtigen, ob, wann und mit welchem Inhalt er einen Auftrag erteilen will. Auch bei dem Angriff gegen die Aufhebung eines Vergabeverfahrens bestehen Grenzen (vgl. LG Düsseldorf NZBau 2009, 142; allgemein Dieck-Bogatzke, VergabeR 2008, 392). Bei der Abwägung, ob eine einstweilige Verfügung zu erlassen ist, können auch die in § 115 Abs. 2, § 118 Abs. 2 und § 121 Abs. 2 GWB genannten Kriterien eine Rolle spielen.

e) Der Senat verkennt nicht, dass die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach §§ 935 ff. ZPO, gerichtet auf die Unterlassung einer Zuschlagsentscheidung, gewisse Verfahrensprobleme mit sich bringt, die den Besonderheiten des Vergaberechts - anders als das Kartellvergaberecht - nicht gerecht wird (vgl. allgemein BVerfG NJW 2006, 3701 = NZBau 2006, 791 = VergabeR 2006, 871 Rdnr. 85). Das führt aber nicht dazu, dass dieses Verfahren von vornherein ungeeignet wäre.

aa) Die Antragstellerin ist mangels Akteneinsicht sowie vielfach mangels einer hinreichend spezifischen Vorabinformation (zu deren Bedeutung für einen wirksamen Rechtsschutz s. neuerdings EuGH, Urteil vom 23.12.2009 - C-455/08, Rdnrn. 31 - 34) oft nicht in der Lage, sofort einen Unterlassungsanspruch schlüssig darzulegen oder gar glaubhaft zu machen, was den Erlass einer Beschlussverfügung ausschließt. Andererseits kann ein derartiger Anspruch vielfach auch nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Das Landgericht hat sich in dieser Situation zur Gewährleistung eines wirksamen Primärrechtsschutzes veranlasst gesehen, einen mündlichen Verhandlungstermin anzuberaumen, aber gleichzeitig eine bis zur Entscheidung in erster Instanz befristete einstweilige Anordnung zu erlassen, eine Verfahrensweise, die im Gesetz zwar so nicht vorgesehen ist (das Gesetz sieht in § 936 i.V.m. § 922, § 937 Abs. 2 ZPO lediglich die Wahl zwischen dem Erlass eines Beschlusses und der Terminierung vor, bereits die Zulässigkeit der schriftlichen Anhörung des Antraggegners vor Erlass eines Beschlusses ist streitig, vgl. Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Aufl., Rdnr. 169; Scharen, in Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 6. Aufl., Kap. 51 Rdnrn. 19 ff; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap. 55 Rdnr. 3), jedoch unter dem Gesichtspunkt der Rechtsschutzgewährung angemessen und nicht zu beanstanden ist (s. dazu noch später).

bb) Das Gericht ist, anders als in Verfahren gemäß §§ 97 ff. GWB (§ 120 Abs. 2 i.V.m. § 70 Abs. 1 GWB, für die Vergabekammer s. auch § 110 GWB), auf die Angaben der Verfahrensbeteiligten angewiesen. Unzuträglichkeiten im Vortrag, insbesondere beim Antragsteller, der nur beschränkte Kenntnisse von den Vorgängen im Bereich des Auftraggebers hat, kann nur durch eine sachgerechte Handhabung der sekundären Darlegungslast und den Anforderungen an die Glaubhaftmachungslast Rechnung getragen werden.

cc) Die Position desjenigen Unternehmens, dem der Auftraggeber den Auftrag erteilen will, bedarf der Klärung (zu den besonderen Problemen eines einstweiligen Rechtsschutzes bei multipolaren Rechtsverhältnissen s. BVerfG NJW 2006, 3701 = NZBau 2006, 791 Rdnrn. 75 ff.). Während es beim Kartellvergabeverfahren nach § 109 GWB, gegebenenfalls noch vom Vergabesenat, von Amts wegen beizuladen ist, kann es in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nur durch eine Nebenintervention (§§ 66 ff. ZPO) seine Rechte wahrnehmen. Zu erwägen ist, dass das Gericht zumindest dann, wenn es kurzfristig terminiert und so die Gefahr besteht, dass der Antragsgegner das drittbetroffene Unternehmen nicht oder nicht rechtzeitig über das Verfahren informiert, letzteres von Amts wegen über das Verfahren benachrichtigt. Das setzt allerdings voraus, dass die Antragstellerin jenes Unternehmen namhaft machen kann und macht.

dd) Ein Unterschied besteht auch in der Absicherung des Antragstellers während des laufenden Nachprüfungsverfahrens. Während im Kartellvergabeverfahren bereits der Zugang des Nachprüfungsantrages zu einer Zuschlagssperre führt (§ 115 Abs. 1 GWB), die auch bei einer Abweisung des Antrages durch die Vergabekammer zunächst andauert und durch das Beschwerdegericht verlängert werden kann (§ 118 Abs. 1 GWB), ist dies bei einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht der Fall.

Die bereits angesprochene Lösung des Landgerichts, zunächst eine einstweilige Anordnung bis zur Entscheidung nach mündlicher Verhandlung zu treffen, ist zwar im Gesetz nicht vorgesehen (die Handbücher zum Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung schweigen zu dieser Möglichkeit), aber zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes gerechtfertigt.

Schwerer zu begründen dürfte dagegen die vom Landgericht und den Verfahrensbeteiligten erwogene Auffassung sein, dass trotz Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Verfügung durch Urteil des erstinstanzlichen Gerichts dieses - oder nach Berufungseinlegung das Berufungsgericht - eine weitere einstweilige Anordnung treffen könne; die ganz h.M. geht davon aus, dass durch ein den Erlass der einstweiligen Verfügung ablehnendes Urteil eine frühere Beschlussverfügung sofort unwirksam wird (Berneke, a.a.O., Rdnr. 195; Bähr, in Ahrens, a.a.O., Kap. 52 Rdnr. 42; Teplitzky, a.a.O, Kap. 55 Rdnrn. 14 ff., jeweils m.w.N.) und das Berufungsgericht auch keine Zwischenverfügung treffen kann (vgl. Berneke, a.a.O., Rdnr. 224; Bähr, a.a.O., Kap. 53 Rdnr. 21; Teplitzky, a.a.O., Kap. 55 Rdnr. 15, jeweils m.w.N.; anders ist die Situation im Beschwerdeverfahren, s. § 570 Abs. 3 ZPO). Begründet wird dies damit, dass der Antragsteller bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem erstinstanzlichen Gericht rechtliches Gehör erhalten habe und das Grundgesetz im Allgemeinen (s. aber BVerfG NJW 2003, 1924 bei Verletzung rechtlichen Gehörs) Rechtsschutz dann nicht verlangt.

ee) Ein Verstoß des Auftraggebers gegen die Zuschlagssperre der § 13 VgV a.F., § 101a GWB n.F., § 115 Abs. 1 GWB führt zur Rechtsunwirksamkeit des verbotswidrig geschlossenen Vertrages. Ein trotz eines durch einstweilige Verfügung ausgesprochenen Zuschlagsverbots geschlossener Vertrag ist nur im Falle des § 138 BGB nichtig. Dieser Unterschied führt aber nicht dazu, dass eine auf Unterlassung des Zuschlags gerichtete gerichtliche Anordnung von vornherein ungeeignet wäre.

2.

Auch unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze stand der Antragstellerin ein Unterlassungsanspruch nicht zu. Dabei ist unerheblich, ob sich ihr Unterlassungsantrag nur auf die Unterlassung eines Bauvertragsabschlusses über den ursprünglichen Gegenstand (darauf deutete der Wortlaut des Antrages hin) oder auf den Abschluss eines das Projekt als solchen betreffenden Bauauftrages - also einschließlich der späteren (von der Antragstellerin als vergaberechtswidrig gerügten) Änderungen der Leistungsbeschreibung - bezog (darauf deutete teilweise die Antragsbegründung hin).

a) Allerdings hat die Antragsgegnerin versprochen, bei der Vergabeentscheidung nach den Regeln der VOB/A und den den Bietern übersandten "Bewerbungsbedingungen (BWB)" zu verfahren. Sie hat eine entsprechende Erklärung ausdrücklich in Satz 1 des "Hinweises" abgegeben. Der Vorbehalt in Satz 2, "ein Rechtsanspruch des Bieters auf die Anwendung besteh[e] nicht", steht dem nicht entgegen. Das von der Antragsgegnerin vertretene Verständnis des Satzes 2, wonach sie deswegen nach Belieben vom der VOB/A abweichen könne, würde die Bestimmung in Satz 1 vollständig überflüssig machen. Ein derartiges Verständnis liegt bereits deswegen fern, weil es sich bei der Antragsgegnerin zwar nicht um eine Körperschaft öffentlichen Rechts, aber doch um eine durch die öffentliche Hand im Rahmen ihrer Zuständigkeiten (vgl. § 107 Abs. 2 Nr. 2 GO, auch i.V.m. § 2 Abs. 2, § 53 Abs. 1 KrO, § 4 Abs. 2 Nr. 3, § 20 Abs. 1 RVRG) errichtete und vollständig kontrollierte juristische Person handelt, wie sich auch aus ihren Geschäftsvordrucken ergibt.

Soweit die Antragsgegnerin auf ihre eigene - teilweise von der VOB/A abweichende - "Vergabeordnung der Freizeitzentrum Xanten GmbH (FZX)" verweist, ist sie für auf § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB gestützte Ansprüche unerheblich. Diese Vergabeordnung ist der Ausschreibung in Ermangelung einer Bezugnahme nicht zugrunde gelegt worden. Erheblich könnte sie - bei Praktizierung - nur für auf Art. 3 Abs. 1 GG gestützte Ansprüche sein.

b) Die Abänderung der Leistungsbeschreibung während des laufenden Vergabeverfahrens und der Zuschlag auf ein diese Abänderungen enthaltendes Angebot eines Drittunternehmens widersprechen nicht der VOB/A.

Der Auftraggeber ist während eines laufenden Vergabeverfahrens nicht nur berechtigt, erkannte Ausschreibungsfehler zu berichtigen, sondern die Leistungsbeschreibung auch in sonstigen Punkten zu ändern. Da allein der Auftraggeber seinen Bedarf definiert und entscheidet, ob, wann und in welcher Form er seinen Bedarf befriedigen will, kann er während des laufenden Vergabeverfahrens die Leistungsbeschreibung auch deswegen ändern, weil er entweder nunmehr einen anderen Bedarf hat oder er seinen Bedarf besser in anderer Form zu befriedigen glaubt (vgl. Beschlüsse des Vergabesenats des OLG Düsseldorf vom 30.11.2009 - VII-Verg 41/09 und vom 23.12.2009 - VII-Verg 30/09). Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin aufgrund nachträglich erhaltener Hinweise nunmehr ein Gebäude mit Aluminiumfassade und Schiebelementen sowie Sonnenschutzglas beauftragt hat.

Ein derartiges Verfahren setzt lediglich voraus, dass es transparent und nicht diskriminierend erfolgt und den Bietern genügend Zeit zur Neukalkulation ihrer Angebote verbleibt. Etwaige Fehler in dieser Hinsicht sind nicht ersichtlich und werden auch nicht gerügt. Insbesondere ist auch die Antragstellerin zur Abgabe eines abgeänderten Angebotes aufgefordert worden.

c) Die Rüge der Antragstellerin, die Leistungsbeschreibung führe infolge ihrer technischen Mangelhaftigkeit - und zwar, wie sie in der mündlichen Verhandlung vom 02. Dezember 2009 geltend gemacht hat, auch in ihrer abgeänderten Fassung - zu einer fehlenden Vergleichbarkeit der Angebote (§ 9 Nr. 1 VOB/A), greift nicht durch. Die Antragstellerin war daher nicht daran gehindert, auch ein Hauptangebot - und nicht nur zunächst ein nach den Ausschreibungsbedingungen unzulässiges isoliertes Nebenangebot abzugeben, und zwar sowohl zur ursprünglichen als auch zur abgeänderten Leistungsbeschreibung.

Die Vorschrift des § 9 Nr. 1 VOB/A soll lediglich sicherstellen, dass die Bieter die Leistungsbeschreibung in gleicher Weise verstehen und daher miteinander vergleichbare Angebote einreichen. Nur so ist gewährleistet, dass der Auftraggeber die Angebote unter Berücksichtigung der Zuschlagskriterien diskriminierungsfrei werten kann. Mängel der Leistungsbeschreibung sind daher vergaberechtlich nur insoweit relevant, als sie diese Funktion beeinträchtigen. Soweit das LG Frankfurt/Oder (NZBau 2008, 206) allgemein eine Kontrolle daraufhin vorgenommen hat, ob die Leistungsbeschreibung den allgemein anerkannten technischen Regeln entspricht, insbesondere nicht zu Sachmängeln des geplanten Baus (§ 633 Abs. 2 BGB) führt, ist dem nicht zu folgen. Es ist allein Sache des Auftraggebers, den Gegenstand des Auftrages zu bestimmen. Das Vergaberecht dient, jedenfalls soweit es den Schutz der Bieter betrifft, nicht dazu, den Auftraggeber vor technisch oder wirtschaftlich unsinnigen Aufträgen zu schützen. Wenn die Leistungsbeschreibung zu technischen Mängeln des Werks führt, hat dies der Auftragnehmer - nach Anmeldung seiner Bedenken (vgl. nach Vertragsabschluss § 4 Nr. 3 VOB/B und im Vergabeverfahren gemäß der vorvertraglichen Hinweispflicht, vgl. BGH, Urt. v. 18.12.2008 - VII ZR 201/06, NZBau 2009, 232, Rn. 15, 23; BGH NJW-RR 1987, 1306, 1307; OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 23.12.2005 - 11 Verg 13/05, BeckRS 2006, 12 422) - ebenso hinzunehmen wie die Ausschreibung einer - überflüssigen und den haushaltsrechtlichen Vorschriften widerstreitenden - Luxusausführung. Der Auftraggeber trägt dann die sich daraus ergebenden Risiken, und zwar unabhängig davon, ob er sie bewusst übernimmt oder die Risiken - möglicherweise zu Unrecht - leugnet. In jedem Falle kann der Auftraggeber aus etwaigen auf seine Leistungsbeschreibung zurückzuführende technische Mängel keine Rechte gegen den Auftragnehmer herleiten (vgl. § 13 Nr. 3 VOB/B) und vielmehr nur die Herstellung eines Werks entsprechend den konkreten Angaben in der Leistungsbeschreibung verlangen, und zwar auch dann, wenn diese mit dem Risiko des Entstehens von Durchfeuchtung und der Nichteinhaltung der - in der Leistungsbeschreibung allgemein als einzuhaltend aufgeführten - EnVO verbunden ist. Die Angebote bleiben damit vergleichbar, und zwar auch dann, wenn die Leistungsbeschreibung - unweigerlich oder möglicherweise - zu technischen Mängeln des Werks führt.

Anders wäre es nur, wenn der Auftraggeber die vorgebrachten Bedenken zum Anlass nehmen sollte, nur von einzelnen Bietern eine vollständige Gewährleistung oder eine Garantie zu verlangen; dafür ist hier aber nichts ersichtlich.

Klärungsbedürftige europarechtliche Fragen sieht der Senat - anders als die Antragstellerin in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 08. Dezember 2009 - in diesem Zusammenhang nicht. Zwar ist aus europarechtlichen Gründen der Transparenzgrundsatz zu wahren (vgl. oben unter 1.c)). Unabhängig davon, dass den Mitgliedstaaten bei der Ausfüllung dieses Grundsatzes ein gewisses Ermessen zukommt (vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 23.12.2009 - C376/08 - Serrantoni und Consorzio stabile edili, Rdnrn.31 ff. m.w.N.), geht die Anregung der Antragstellerin von falschen Voraussetzungen aus. Die Antragsgegnerin kann nach dem zuvor Gesagten nach Erhebung von Bedenken durch die Antragstellerin von dem Auftragnehmer nämlich nur eine Ausführung des Baus gemäß der konkreten Leistungsbeschreibung verlangen, und zwar auch dann, wenn die Ausführung zu technischen Mängeln führen wird und dies von ihr geleugnet wird; die Antragstellerin war daher nicht daran gehindert, ein Hauptangebot zu einer Leistungsbeschreibung abzugeben, die nach ihrer Auffassung zu technischen Mängeln führen würde. Die Folgen einer Bedenkenanmeldung durch einen (potentiellen) Auftragnehmer auf den Umfang der Ansprüche des Auftraggebers (§ 13 Nr. 3 VOB/B) sind durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt und damit transparent.

Es bedarf daher keiner Prüfung, ob die von der Antragstellerin erhobenen Beanstandungen, die sich jedenfalls schwerpunktmäßig mit der ursprünglichen Leistungsbeschreibung befassen, technische Mängel auch an der abgeänderten Leistungsbeschreibung substantiiert darlegen.

d) Auch die Rüge, die Antragsgegnerin habe unzulässiger Weise Nachverhandlungen durchgeführt, greift letztlich nicht durch.

Zwar waren der Antragsgegnerin Nachverhandlungen nicht gestattet, § 24 VOB/A. Soweit sie auf ihre Vergabeordnung verweist, lagen sie der fraglichen Ausschreibung nicht zugrunde.

Jedoch haben sich die mündlichen Nachverhandlungen letztlich nicht ausgewirkt. Durch das Verbot von Nachverhandlungen soll die Gleichbehandlung der Bieter gesichert werden. Die Antragsgegnerin hat jedoch im Anschluss an die unzulässigen Nachverhandlungen sämtliche Bieter, u.a. die Antragstellerin, aufgefordert, ein ergänzendes und finales Angebot abzugeben, und zwar unter Berücksichtigung einer Sonnenschutzverglasung. Jeder Bieter hatte nunmehr die Möglichkeit, ein Angebot zu der abgeänderten Leistungsbeschreibung abzugeben. Die Bieter wurden damit gleichbehandelt. Dass die Antragstellerin in dieser Phase kein Angebot mehr eingereicht hat (möglicherweise vor dem Hintergrund, dass sie die vorgenommenen Änderungen der Leistungsbeschreibung für unzulässig hielt), war ihre freie Entscheidung, die aber nichts daran änderte, dass ihr die gleiche Chance auf Zuschlagserteilung zustand wie auch den übrigen Bietern.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Einer Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, weil das Urteil irrevisibel und damit rechtskräftig ist, § 542 Abs. 2 S. 1 ZPO. Im Hinblick darauf kann auch die von der Antragstellerin angeregte Zulassung der Revision nicht erfolgen.

Der Streitwert wird auf 250.000 € festgesetzt, § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.

Dicks Schüttpelz Frister






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 13.01.2010
Az: I-27 U 1/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/9d56833e95a0/OLG-Duesseldorf_Urteil_vom_13-Januar-2010_Az_I-27-U-1-09




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share