Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht:
Beschluss vom 29. Januar 2007
Aktenzeichen: 4 A 469/06

(Schleswig-Holsteinisches VG: Beschluss v. 29.01.2007, Az.: 4 A 469/06)

Tenor

Die Erinnerung des Klägervertreters gegen den Beschluss des Urkundsbeamten vom 15.05.2007 wird zurückgewiesen.

Gründe

Die Erinnerung des Klägervertreters nach §§ 165, 151 VwGO gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten vom 15.05.2007 ist zulässig, aber unbegründet. Der angegriffene Beschluss ist rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen ist § 162 Abs. 2 S. 3 VwGO. Danach kann die Behörde an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nr. 7002 der Anlage 1 zum RVG bestimmten Höchstsatz der Pauschale (20,- €) fordern.

Für Rechtsanwälte ist anerkannt, dass ihnen ein Wahlrecht zusteht zwischen den tatsächlichen Auslagen nach Nr. 7001 VV und der Pauschale der Nr. 7002 VV (20 % der Gebühren, höchstens aber 20,- €). Von der Pauschale kann Gebrauch gemacht werden, sobald überhaupt Entgelte der in Rede stehenden Art angefallen sind. Selbst wenn nur ein Brief übersandt worden sein sollte, gehört die von ihm gewählte Pauschale zu seiner gesetzlichen Vergütung. Dies gilt für jede eigenständige gebührenrechtliche Angelegenheit, selbst wenn sie prozessual betrachtet in einem engen Zusammenhang mit einer anderen Angelegenheit steht (vgl. Gerold / Schmidt / v.Eicken / Madert / Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., VV 7001, 7002 Rd. 41, 19 ff; Mayer / Kroiß, RVG, Nrn. 7000-7002 VV Rd. 11 ff). Ein entsprechendes Wahlrecht steht der Behörde gem. § 162 Abs. 2 S. 3 VwGO im Verwaltungsprozess zu zwischen ihren tatsächlichen notwendigen Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen und dem Höchstsatz von 20,- € nach Nr. 7002 VV.

Die Beklagte kann demgemäß vorliegend eine solche Pauschale geltend machen.

Die dem Kostenstreit vorangegangene Klage gehört faktisch zu einer Großzahl zeitgleich eingegangener und gleich gelagerter Klagen gegen Gebührenbescheide der Beklagten, die verfahrensmäßig gleich behandelt werden können, weil sie sich in der Sache gegen die als Rechtsgrundlage dienende Abfallgebührensatzung der Beklagten wenden. Die - nach alphabetischer Reihenfolge - erste Klage 4 A 300/06 wurde im Einverständnis der Beteiligten als sog. €Leitverfahren€ für die Verfahren mit den durchgehenden Aktenzeichen 4 A 300/06 bis 4 A 1787/06 ausgewählt, um dem Gericht und den Beteiligten den verfahrensmäßigen Umgang zu erleichtern. Schriftsätze und sonstige Unterlagen sollen nur zum Aktenzeichen des Leitverfahrens übersandt werden, nicht aber gesondert für jedes anhängige Klageverfahren. Lediglich wenn individuell, d.h. einem bestimmten Klageverfahren zugeordnete Gründe oder Erwiderungen vorzutragen bzw. Erklärungen abzugeben sind, soll dies gezielt und mit Bezug auf das jeweils spezielle Klageverfahren erfolgen (vgl. Zustellungsverfügung vom 06.07.2006 in 4 A 300/06).

Diese besondere Verfahrensgestaltung führte zwar weder zu einer Verbindung nach § 93 VwGO noch dazu, dass die einzelnen Verfahren gebührenrechtlich zu einer Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 S. 1 RVG zusammengefasst wurden, beruht aber nicht zuletzt auch auf Kostenerwägungen, weil grundsätzlich nur - und zwar stellvertretend - zum Verfahren 4 A 300/06 vorzutragen ist, der Beklagten insoweit auch nur im Leitverfahren Kosten für Post- oder Telekommunikationsdienstleistungen entstehen - und gerade nicht zusätzlich in jedem der sonstigen zahlreichen Verfahren. Hiervon ausgehend muss im Einzelfall geprüft werden, ob sich die Beklagte zu speziellen Klageverfahren oder nur stellvertretend zum Leitverfahren schriftsätzlich geäußert hat, um festzustellen, ob ihr Post- oder Telekommunikationsdienstleistungen €in dieser Angelegenheit€ entstanden sind.

Für das vorliegende Klageverfahren ergibt diese Prüfung, dass tatsächlich solche Kosten entstanden sind. Jedenfalls mit Schreiben vom 25.01.2007 hat sich die Beklagte noch vor Einstellung des Verfahrens mit direktem und ausschließlichem Bezug auf dieses Verfahren schriftsätzlich geäußert. Hiervon ausgehend ist auch die Höhe der geltend gemachten Pauschale nicht zu beanstanden.

§ 162 Abs. 2 S. 3 VwGO wurde ursprünglich durch das RmBereinVp vom 20.12.2001 eingeführt, um der Behörde unnötigen Verwaltungsaufwand zu ersparen. Sie sollte wählen können, ob sie im Einzelnen nachweist, welche Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen im konkreten Fall entstanden sind oder ob sie insoweit lieber die für Rechtsanwälte vorgesehene Pauschale geltend macht. Die Verweisung auf die für Rechtsanwälte geltende Typisierung wurde angesichts der vergleichbaren Situation für sachgerecht erachtet (BT-Drs. 14/6854 Nr. 19 und BT-Drs. 14/7744 Nr. 9). Die ursprünglichen Bezugnahme auf den Pauschsatz des § 26 S. 2 BRAGO war allerdings nicht so zu verstehen, dass regelmäßig die dort genannte Höchstpauschale von 20,- € geltend gemacht werden sollte. Die Behörde sollte vielmehr anhand des Gegenstandswerts die gesetzlichen Gebühren ermitteln und davon einen Anteil von (damals noch) 15 % ansetzen. Lag der sich daraus ergebende Pauschbetrag niedriger als 20,- €, konnte sie auch nur diesen Pauschbetrag geltend machen, da der Betrag von 20,- € keinen Einheitssatz, sondern einen Höchstsatz darstellt. Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Regelung erforderten es nicht, die Behörde insoweit besser zu stellen als Rechtsanwälte, bei denen die Obergrenze von 15 % zweifelsfrei galt (VG Göttingen, B. v. 29.08.2002 - 3 B 3204/02 - in juris; VG Hamburg, B. v. 06.08.2002 - 8 VG 2252/02 - in juris).

Diese Regelung wurde durch Art. 4 Abs. 26 Nr. 2 KostRMoG vom 5.5.2004 zur heutigen Fassung geändert. Obwohl sich die Gesetzesbegründungen hierzu ausschweigen (BT-Drs. 15/1971 und BT-Drs. 14/2487), muss angenommen werden, dass mit dieser Änderung nicht nur eine redaktionelle Anpassung aufgrund der Ersetzung der BRAGO durch das RVG beabsichtigt war, sondern auch eine inhaltliche Änderung. Wurde bislang auf den in § 26 S. 2 BRAGO bestimmten €Pauschsatz€ in seiner Gesamtheit verwiesen (15 % der Gebühren, höchstens 20,- €), erfasst der Verweis jetzt nur noch den €Höchstsatz der Pauschale€ in Nr. 7002 VV. Durch diese Regelung wird die Behörde im Ergebnis besser gestellt als ein Rechtsanwalt. Während dieser weiterhin rechnen muss, ob der 20%-tige Anteil seiner Gebühren den Höchstbetrag von 20,- € unterschreitet, soll die Behörde bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen offenkundig nun stets den Höchstsatz verlangen können (so auch Sodan / Ziekow VwGO-Kom., § 162 Rd. 30) - unabhängig vom Gegen-standswert und der sich daraus ergebenden Höhe einer Anwaltsgebühr.






Schleswig-Holsteinisches VG:
Beschluss v. 29.01.2007
Az: 4 A 469/06


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