Verwaltungsgericht Ansbach:
Urteil vom 22. März 2010
Aktenzeichen: AN 9 K 09.00408

(VG Ansbach: Urteil v. 22.03.2010, Az.: AN 9 K 09.00408)

Tenor

1. Unter Aufhebung des Bescheids vom 12. Februar 2009 wird der Beklagte verpflichtet, der Klägerin die beantragte Baugenehmigung ohne die in Abschnitt II Nr. 5 bis 7 des aufgehobenen Bescheids enthaltenen Auflagen zu erteilen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klage richtet sich auf Erteilung einer Baugenehmigung für einen Mobilfunksendemast.

Am 25. August 2008 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Baugenehmigung zum Neubau eines 30 m hohen Stahlbetonantennenträgers zur Aufnahme von Funkantennen und der zugehörigen Versorgungseinheiten. Der Sendemast soll auf dem Grundstück Fl. Nr. ... der Gemarkung ..., Gemeinde ..., errichtet werden. Etwa 80 m westlich vom geplanten Standort verläuft in nord-südlicher Richtung die Bundesautobahn ... (Fl. Nr. ...). Westlich der Autobahn verläuft - in diesem Bereich unterirdisch- die ICE-Bahnstrecke ... Auf dem Baugrundstück befindet sich bereits eine Autobahn-Rastanlage; ansonsten ist das Baugrundstück - wie auch die nach Norden, Osten und Süden angrenzenden Grundstücke - unbebaut und wird landwirtschaftlich genutzt. Ein Bebauungsplan für das Gebiet existiert nicht.

Mit Beschluss des Marktgemeinderats vom 6. Oktober 2008 erteilte der Markt ... das gemeindliche Einvernehmen zum Bauvorhaben der Klägerin. Am 9. Dezember 2008 bat das Landratsamt ... die Beigeladene - neben anderen Stellen - um eine Stellungnahme zum streitgegenständlichen Bauvorhaben. Mit Schreiben vom 26. Januar 2009 nahm die Beigeladene zum Bauvorhaben der Klägerin folgendermaßen Stellung:

€- Um Störungen und Beeinflussungen des Bahnbetriebes ausschließen zu können, dürfen Frequenzen aus dem E-GSM und P-GSM Bereich (925-960 MHz) an dem geplanten Standort nicht genutzt werden.

- Ansprüche gegen die Deutsche Bahn AG aus dem gewöhnlichen Betrieb der Eisenbahn in seiner jeweiligen Form sind ausgeschlossen. Alle Immissionen, die von Bahnanlagen und dem gewöhnlichen Bahnbetrieb ausgehen, sind entschädigungslos hinzunehmen. Abwehrmaßnahmen nach § 1004 i.V.m. § 906 BGB sowie dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) sind vom Bauherrn zu tragen.

- Sollten sich zu einem späteren Zeitpunkt Auswirkungen auf den Bahnbetrieb ergeben, so behält sich die DB AG weitere Auflagen und Bedingungen vor.€

Mit Bescheid vom 12. Februar 2009 erteilte das Landratsamt ... der Klägerin die beantragte Baugenehmigung. Dem Bescheid waren im Abschnitt II unter anderem folgende €Auflagen und Bedingungen€ beigefügt:

€5. Um Störungen und Beeinflussungen des Bahnbetriebes ausschließen zu können, dürfen Frequenzen aus dem E-GSM und P-GSM Bereich (925-960 MHz) an dem geplanten Standort nicht genutzt werden.

6. Ansprüche gegen die Deutsche Bahn AG aus dem gewöhnlichen Betrieb der Eisenbahn in seiner jeweiligen Form sind ausgeschlossen. Alle Immissionen, die von Bahnanlagen und dem gewöhnlichen Bahnbetrieb ausgehen, sind entschädigungslos hinzunehmen. Abwehrmaßnahmen (BImSchG), sind vom Bauherrn zu tragen.

7. Sollten sich zu einem späteren Zeitpunkt Auswirkungen auf den Bahnbetrieb ergeben, so behält sich die DB AG weitere Auflagen und Bedingungen vor.€

Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, die Nebenbestimmungen stützten sich auf Art. 36 BayVwVfG. Sie seien zur ordnungsgemäßen Durchführung des Vorhabens erforderlich.

Am 10. März 2009 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Ansbach Klage erhoben und beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 12. Februar 2009 zu verpflichten, die beantragte Baugenehmigung zur Errichtung einer Mobilfunkanlage auf dem Grundstück Fl. Nr. ... der Gemarkung ..., Gemeinde ..., zu erteilen.

Die Nebenbestimmungen Nrn. 5 bis Nr. 7 des Bescheids vom 12. Februar 2009 machten die erteilte Baugenehmigung für die Klägerin unbrauchbar. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung ohne die Auflagen Nrn. 5 bis Nr. 7, da dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstünden, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen seien (Art. 68 Abs. 1 BayBO). Es fehle sowohl an einer Rechtsgrundlage für die Nebenbestimmungen Nrn. 5 bis Nr. 7 als auch am sogenannten Sicherstellungserfordernis. Nach Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG dürfe ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch bestehe, nur dann mit einer Nebenbestimmung versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen sei oder wenn sie sicherstellen solle, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt würden. Vorliegend sei eine Rechtsgrundlage für die umstrittenen Nebenbestimmungen ebenso wenig ersichtlich wie ein Sicherstellungserfordernis. Ein Sicherstellungserfordernis sei grundsätzlich dann nicht gegeben, wenn - wie hier - die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes vorlägen und die Behörde (nur) befürchte, sie könnten in Zukunft entfallen.

Im Übrigen werde bestritten, dass das Bauvorhaben geeignet sei, Störungen und Beeinflussungen des Bahnbetriebes auszulösen. Ob die Anlage überhaupt in der Lage sei, Störungen und Beeinflussungen zu erzeugen, sei weder von der Beigeladenen dargelegt noch vom Beklagten hinterfragt worden. Die Sendeanlage werde in Abstimmung mit der Bundesnetzagentur in Betrieb genommen; die erforderliche Standortbescheinigung liege vor. Eine funkrechtliche Vorschrift, die eine Bevorrechtigung des Bahnbetriebes vorsehe, sei nicht erkennbar.

Schließlich komme in den Nebenbestimmungen Nrn. 5 bis Nr. 7 lediglich das private Interesse der Beigeladenen zum Ausdruck. Die Baugenehmigung werde jedoch nach Art. 68 Abs. 3 BayBO unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt. Gegenüber außenstehenden Dritten entfalte die Baugenehmigung keine privatrechtlichen Rechtsfolgen. Demgemäß könne eine privatrechtliche Haftungsausschluss-, Verzichts- oder Freistellungserklärung des Bauherrn gegenüber einem privaten Dritten mangels Rechtsgrundlage nicht Gegenstand einer - nicht einvernehmlichen - Nebenbestimmung sein.

Darüber hinaus habe das Landratsamt die Nebenbestimmungen nicht begründet. Die Nichtbegründung eines Verwaltungsaktes führe grundsätzlich zu seiner Rechtswidrigkeit. Der Begründungsmangel könne hier auch nicht nachträglich geheilt werden, da der Beklagte offensichtlich nicht in der Lage sei, die Erforderlichkeit der Nebenbestimmungen Nrn. 5 bis Nr. 7 zu begründen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene sei im Genehmigungsverfahren als Trägerin öffentlicher Belange beteiligt worden, da neben der Autobahn ... die ICE-Neubaustrecke verlaufe. Die drei von der Beigeladenen vorgegebenen Auflagen seien in den Genehmigungsbescheid aufgenommen worden. Inwieweit ein €Weglassen€ dieser Auflagen (insbesondere Nrn. 5 und Nr. 6) sich auf den Bahnbetrieb und eventuell die Sicherheit auswirke, könne seitens des Landratsamtes nicht beurteilt werden.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, aber zur Klage folgendermaßen Stellung genommen: Die Klage sei unbegründet, da die angefochtenen Nebenbestimmungen Nrn. 5 bis 7 des Genehmigungsbescheids vom 12. Februar 2009 rechtmäßig seien und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzten.

Insbesondere die Auflage Nr. 5 stelle die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen der Baugenehmigung sicher. Würde die Klägerin an dem geplanten Standort des Bauvorhabens Frequenzen aus dem Bereich von 925 bis 960 MHz verwende, seien sicherheitsrelevante Störungen des GSM-R Zugfunksystems der DB-Netz AG zu befürchten. Die DB-Netz AG betreibe in Deutschland auf ca. 25.000 Streckenkilometern ein digitales Mobilfunksystem auf Basis des Funkstandards GSM, das für die spezifischen Anforderungen der Eisenbahn angepasst sei (GSM-R). Der GSM-R Zugfunk diene vornehmlich der Verständigung im Bahnbetrieb zwischen dem Zugpersonal und ortsfesten Teilnehmern sowie zwischen dem Zugpersonal untereinander. Außerdem werde über GSM-R sichergestellt, dass in kritischen Betriebssituationen Notrufe mit hoher Priorität gesendet werden könnten. Seit einigen Jahren komme es vermehrt zu Störungen des GSM-R Zugfunks, die auf Einflüsse durch den Betrieb von Sendeanlagen öffentlicher Mobilfunkbetreiber zurückzuführen seien. Insbesondere durch den Netzausbau der Klägerin entständen laufend neue Störstellen im GSM-R Zugfunknetz. Diese Störungen äußerten sich vor allem dadurch, dass es an den Zugfunkempfangsgeräten in den Eisenbahnfahrzeugen zu funktechnischen Überlagerungen (sogenannte Intermodulationsstörungen bzw. sogenanntes Blocking) komme. Dies verhindere punktuell und kurzfristig den Gesprächsaufbau bzw. führe zu einem Gesprächsabbruch. Bei derartigen Störungen könne somit im Notfall kein Zugfunk-Notruf empfangen oder abgesetzt werden. In einer Stellungnahme des Eisenbahn-Bundesamtes vom 28. November 2007 werde das GSM-R-Mobilfunknetz als Anlage mit Sicherheitsbedeutung für den Eisenbahnbetrieb qualifiziert. Weiterhin werde festgestellt, dass auf Grund des temporären Ausfalls des Zugfunk-Notrufs durch die Störwirkungen von Sendeanlagen öffentlicher Mobilfunkbetreiber die Sicherheit des Eisenbahnbetriebs nicht gegeben sei. Auf Grund dessen habe das Eisenbahn-Bundesamt als verantwortliche Aufsichtsbehörde gegenüber der DB-Netz AG mit Bescheid vom 24. Juni 2008 Maßnahmen zur Gefahrenabwehr verfügt. Das Eisenbahn-Bundesamt sehe eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit insbesondere an neuralgischen Punkten, wie z.B. in Tunneln bzw. im Bereich von Tunneleinfahrten. Die streitgegenständliche Baugenehmigung betreffe die Errichtung einer Funkanlage in unmittelbarer Nähe zu einem Tunnel und damit in einem hochgradig sicherheitssensiblen Bereich. Die Erfahrungen der Beigeladenen im Zuge der Umsetzung des Bescheides des Eisenbahn-Bundesamtes hätten gezeigt, dass für eine wirksame und nachhaltige Lösung des Problems die Kooperation der betroffenen Mobilfunkbetreiber unabdingbar sei, um das Störgeschehen direkt an der Störquelle zu bekämpfen. Hierzu reiche es aus Sicht der Beigeladenen aus, über bilaterale Absprachen mit den Mobilfunkunternehmen eine störungsfreie Ausrichtung ihrer Sendeanlagen sicherzustellen oder das Ausweichen auf unkritische Frequenzbereiche - wie in Auflage Nr. 5 vorgegeben sei - zu vereinbaren (sogenannte Frequenzkoordinierung). Anlässlich der Einbindung im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens für die streitgegenständliche Sendeanlage habe die Beigeladene geprüft, ob hiervon eine schädliche Beeinflussung von GSM-R-Anlagen der DB-Netz AG ausgehen könne. Die Prüfung habe ergeben, dass durch die exponierte Lage des Standortes konkret mit einer sicherheitsrelevanten Störbeeinflussung des GSM-R Netzes zu rechnen sei. Angesichts dieser Sachlage sei der Beklagte gehalten gewesen, die Auflage Nr. 5 in den Bescheid aufzunehmen, da eine einschränkungslose Baugenehmigung gegen einschlägige gesetzliche Anforderungen verstoßen würde. Konkret sei durch die Auflage ein Verstoß gegen die Art. 3 und 11 der Bayerischen Bauordnung (BayBO) ausgeschlossen worden. Durch den Betrieb der geplanten Sendeanlage sei eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit - namentlich für Leib und Leben von Fahrgästen und Mitarbeitern in Zügen - zu befürchten. Die Auflage Nr. 5 im Bescheid des Beklagten verhindere zuverlässig eine Störung des in dem betroffenen Bereich bestehenden GSM-R Zugfunksystems durch Störeinstrahlungen der geplanten Sendeanlage der Klägerin.

Die Auflage Nr. 6 zum Genehmigungsbescheid des Beklagten sei erforderlich, da es nicht sein könne, dass sich die DB-Netz AG möglichen zivilrechtlichen Ansprüchen der Klägerin ausgesetzt sehe, wenn es zu Wechselwirkungen zwischen den Anlagen der Beteiligten kommen sollte. Sollte sich die Klägerin einer solchen Nebenbestimmung nicht einvernehmlich unterwerfen wollen, müsse unter Umständen die Baugenehmigung gänzlich versagt werden. Die Auflage Nr. 7 stelle die Einhaltung der Auflage Nr. 5 auf Dauer sicher und sei aus Sicht der Beigeladenen zwingend erforderlich.

Die Nebenbestimmungen seien für die Klägerin aus sich heraus verständlich, so dass sie nicht näher hätten begründet werden müssen.

Die Klägerin hat hierzu nochmals Stellung genommen: Zwar sei ihr der Betrieb eines Mobilfunknetzes auch im Frequenzbereich von 1.800 MHz möglich. Der Frequenzbereich von 1.800 MHz weise jedoch gegenüber dem Frequenzbereich von 900 MHz gravierende Wettbewerbsnachteile auf. Wegen der deutlich geringeren Sendereichweite bedürfe es für den Aufbau eines Mobilfunknetzes im Bereich von 1.800 MHz einer deutlich größeren Anzahl an Basisstationen. Zum Ausgleich dieser Wettbewerbsnachteile habe die Bundesnetzagentur der Klägerin mit einem sogenannten Frequenzverlagerungsbescheid vom 3. Februar 2006 verschiedene Frequenzen im Bereich von 900 MHz zur Nutzung zugewiesen.

Das von der Klägerin angestrebte Versorgungsziel vom geplanten Sendemast aus sei mit Frequenzen aus dem Bereich von 1.800 MHz nicht möglich. Die Auflage Nr. 5 zum Genehmigungsbescheid der Beklagten mache die geplante Anlage praktisch wertlos, da zum Ausgleich der Nachteile zwei weitere Standorte errichtet werden müssten, was wirtschaftlich nicht mehr vertretbar sei.

Im Übrigen werde bestritten, dass es durch die Nutzung von Frequenzen aus dem Bereich von 900 MHz zu Störungen und Beeinflussungen des Bahnbetriebs komme. GSM-R-Systeme der Beigeladenen fänden sich erst im Abstand von 1.100 m in südlicher und nördlicher Richtung. In unmittelbarer Nähe zur streitgegenständlichen Anlage befinde sich lediglich eine unterirdische Bahntrasse. Am nördlichen Tunnelausgang führe die Trasse im Abstand von ca. 1.200 m an einem von der Klägerin seit Jahren betriebenen Standort vorbei, ohne dass es dabei je zu Störungen gekommen sei.

Selbst wenn es aber zu Störungen kommen sollte, sei hierfür einzig die Beigeladene verantwortlich. Nach Erkenntnissen der Klägerin sowie der Bundesnetzagentur beruhten die eingetretenen Störungen hauptsächlich auf der zu schwachen Netzabdeckung des GSM-R-Netzes der DB-Netz AG sowie auf zu wenig störfesten GSM-R-Endgeräten.

In der mündlichen Verhandlung vom 10. März 2010 hat ein Vertreter der Bundesnetzagentur ausgeführt, seiner Auffassung nach liege im Zusammenhang mit der von der Klägerin vorgesehenen Nutzung der GSM 900-Frequenz eine Störung des Betriebs der Beigeladenen nicht vor. Die möglicherweise nicht gegebene Verträglichkeit sei zumindest nach dem Telekommunikationsgesetz (TKG) nicht maßgeblich.

Die Vertreter der Beigeladenen haben die Befürchtung geäußert, dass es bei Zulassung der geplanten Anlage ohne die angeordneten Einschränkungen zu Störungen kommen könne. Die Beigeladene sei insofern an Auflagen des Eisenbahn-Bundesamtes gebunden. Auf Grund seiner exponierten Lage und seinem Abstand zu den Tunneleinfahrten sei der Standort der geplanten Anlage als problematisch anzusehen. Die Gefahr einer Störung bestehe insbesondere bei der Ein- und Ausfahrt der Züge in den bzw. aus dem Tunnel.

Ein Vertreter des Eisenbahn-Bundesamtes hat ausgeführt, derzeit befänden sich etwa 200 Funklückenbereiche entlang der Bahnlinien in Deutschland. Der größte Teil dieser Funklückenbereich entstehe durch sogenanntes Blocking mit anderen Systemen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 10. März 2010 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

1.

Die Klage ist als Verpflichtungsklage im Sinne von § 42 Abs. 1 Alternative 2 VwGO zulässig. Der Antrag der Klägerin auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer (neuen) Baugenehmigung ohne die im Bescheid vom 12. Februar 2009 unter Ziffer II Nrn. 5 bis 7 enthaltenen Bestimmungen ist statthaft, da eine isolierte Anfechtung jedenfalls der Bestimmung II Nr. 5 ausgeschlossen ist. Eine Teilanfechtung des Bescheides vom 12. Februar 2009 kommt insofern nicht in Betracht, als die Bestimmung II Nr. 5 - gegen die sich die Klägerin in erster Linie wendet - rechtlich keine Nebenbestimmung im Sinne von Art. 36 BayVwVfG zur Baugenehmigung darstellt, sondern unmittelbar deren Inhalt und Reichweite bestimmt.

Die Abgrenzung zwischen einer isoliert anfechtbaren (fast einhellige Ansicht, vgl. nur Happ in: Eyermann, VwGO, § 42 Rd. Nr. 46 ff. m. w. N.) Auflage im Sinne von Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG und einer Inhaltsbestimmung - missverständlich zum Teil auch als €modifizierende€ bzw. €vorhabenbezogene Auflage€ bezeichnet (vgl. zur uneinheitlichen Terminologie Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 36 Rd. Nr. 96 m. w. N.) - richtet sich nicht nach der ausdrücklichen Bezeichnung einer Bestimmung durch die den Verwaltungsakt erlassenden Behörde, sondern nach der jeweiligen Regelungswirkung. Eine Auflage im Sinne von Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG steht selbständig - auch selbständig erzwingbar - neben dem Hauptinhalt eines Verwaltungsaktes und verpflichtet den Begünstigten zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen, ohne dabei Bestand und Wirksamkeit des Verwaltungsakts zu beeinflussen (vgl. nur Stelkens, a.a.O., § 36 Rd. Nr. 82 ff.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 36 Rd. Nr. 29 ff.). Wird hingegen durch eine Bestimmung der Inhalt eines Verwaltungsaktes verändert, ergeht der Verwaltungsakt also mit einem anderen Inhalt als beantragt und stellt insofern im Vergleich mit dem beantragten Verwaltungsakt ein €Aliud€ dar, liegt keine Neben-, sondern eine Inhaltsbestimmung vor. Dasselbe gilt, wenn bei einem Verwaltungsakt bestimmte typische, normalerweise damit verbundene Rechtsfolgen ausgeschlossen oder modifiziert werden (vgl. BVerwG vom 12.3.1982, BVerfGE 65 Seite 139 ff.; Stelkens, a.a.O., § 36 Rd. Nr. 93 ff.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 36 Rd. Nr. 35 ff.; Tiedemann in: Bader/Ronel-lenfitsch, VwVfG, § 36 Ziffer 2 f., jeweils m. w. N.).

Danach handelt es sich bei der Regelung II Nr. 5 im Bescheid vom 12. Februar 2009 - obwohl aufgeführt in Abschnitt €Auflagen und Bedingungen€ - materiell um eine Inhaltsbestimmung. Das Verbot, €Frequenzen aus dem E-GSM und P-GSM-Bereich (925 bis 950 MHz) an dem geplanten Standort€ zu nutzen, tritt nicht als eine selbständige Verpflichtung neben den Regelungsgehalt der Baugenehmigung, sondern ist unmittelbarer Bestandteil ihres Regelungsgehalts. Auch wenn das Verbot der Nutzung bestimmter Frequenzen eine selbständig durchsetzbare Verpflichtung der Klägerin darstellt, beeinflusst diese den Inhalt der Baugenehmigung als solcher. Der insofern nicht eingeschränkte Baugenehmigungsantrag der Klägerin als Betreiberin eines Mobilfunknetzes bezieht sich zumindest konkludent auf die Nutzung des Antennenträgers zum Senden und Empfangen auf allen der Klägerin zur Verfügung stehenden Frequenzen. Dass die Bestimmung II Nr. 5 des Bescheids vom 12. Februar 2009 der Klägerin die Nutzung eines breiten - nach ihrem insoweit unwidersprochenen Vortrag sogar wirtschaftlich unverzichtbaren - Frequenzspektrums untersagt, hat somit unmittelbaren Einfluss auf Inhalt und Reichweite der erteilten Baugenehmigung. Statt der beantragten Genehmigung zum Bau einer unbeschränkt zum Mobilfunkbetrieb nutzbaren Sendeanlage hat die Klägerin nur eine Genehmigung zum Bau einer eingeschränkt nutzbaren Anlage erhalten, an der sie nach eigenem Vortrag wirtschaftlich kein Interesse hat und für die sie vor allem keine Baugenehmigung beantragt hatte. Auf Grund der Bestimmung II Nr. 5 des Bescheids vom 12. Februar 2009 handelt es sich letztlich nicht um die beantragte Baugenehmigung für einen Mobilfunksendemast, sondern um eine Genehmigung für einen Sendemast, der - zumindest in einem nicht unwesentlichen Frequenzbereich - nicht für den von der Klägerin betriebenen Mobilfunk nutzbar ist. Da eine Baugenehmigung regelmäßig die Genehmigung zum bestimmungsgemäßen Gebrauch des Vorhabens einschließt (vgl. BVerwG vom 24.6.1971, DVBl. 1971 Seite 751; Molodovsky in: Koch/Molodovsky/Famers, BayBO, Art. 68 Rd. Nr. 30) und der bestimmungsgemäße Gebrauch eines Mobilfunksendemastes im Senden und Empfangen von Mobilfunksignalen aller Art liegt, hat der Beklagte der Klägerin daher im Ergebnis etwas anderes als von ihr beantragt, also ein €Aliud€, genehmigt.

Als Inhaltsbestimmung ist die Regelung II Nr. 5 des Bescheids vom 12. Februar 2009 nicht isoliert im Wege der Anfechtungsklage im Sinne von § 42 Abs. 1 Alternative 1 VwGO angreifbar. Die prozessuale Besonderheit von Inhaltsbestimmungen zu begünstigenden Verwaltungsakten liegt darin, dass bei ihnen im Fall einer gerichtlichen Aufhebung einzig der jeweils angegriffenen Bestimmung ein Begünstigungsinhalt entstünde, den die Behörde nicht nur - wie bei einer einheitlichen Ermessensentscheidung - so uneingeschränkt nicht gewollt hat, sondern dem es an jeder auch nur bedingten oder abteilbaren Deckung durch den behördlichen Bescheid fehlte. Durch gerichtliches Urteil eine Inhaltsbestimmung in der Form einer €modifizierenden€ bzw. €vorhabenbezogenen Auflage€ (und nur diese) aufzuheben, hätte somit zur Folge, dass die von der Behörde gewährte Begünstigung durch eine Begünstigung anderen Inhalts ersetzt würde; eine solche Entscheidung kann jedoch durch ein Anfechtungsurteil, in dessen Rahmen nur die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes insgesamt zur Überprüfung steht, nicht getroffen werden. Eine Anfechtungsklage gegen einzelne Inhaltsbestimmungen wäre daher nicht statthaft (BVerwG vom 12.3.1982, BVerwGE 65 Seite 139 ff.; vom 3.5.1974, DÖV 1974 Seite 563 f.; vgl. auch Stelkens, a.a.O., VwVfG, § 36 Rd. Nr. 95; Pietzcker in: Schoch/Schmidt-Assmann/Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 1 Rd. Nr. 137; Happ, a.a.O., § 42 Rd. Nr. 42 f.; Lechner in: Simon/Busse, BayBO, Art. 68 Rd. Nr. 390).

Da im Hinblick auf das Klageziel der Klägerin bereits auf Grund des Vorstehenden allein die Verpflichtungsklage statthaft ist, kommt es auf den Rechtscharakter der ebenfalls angegriffenen Bestimmungen II Nrn. 6 und 7 des Bescheids vom 12. Februar 2009 und die Frage ihrer isolierten Anfechtbarkeit nicht an.

2.

Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung. Die der Klägerin erteilte Genehmigung vom 12. Februar 2009 ist im Hinblick auf die in Abschnitt II Nrn. 5 bis 7 getroffenen Regelungen rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Da die Sache außerdem spruchreif ist, war der Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die beantragte Baugenehmigung ohne die genannten Bestimmungen II Nrn. 5 bis 7 zu erteilen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Die Klägerin hat aus Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung, da dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind. Das dem Bauantrag der Klägerin vom 25. August 2008 zugrunde liegende Vorhaben ist nach Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungspflichtig: Angesichts einer Höhe von mehr als zehn Metern kommt eine Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 5 a BayBO, angesichts der Lage des Baugrundstücks außerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans eine Behandlung im Genehmigungsfreistellungsverfahren (Art. 58 BayBO) nicht in Betracht. Da der geplante Sendemast nach dem Eingabeplan vom 25. August 2008 eine Höhe von 30 m nicht überschreitet, handelt es sich nicht um einen Sonderbau im Sinne von Art. 2 Abs. 4 Nr. 2 BayBO, weshalb sich der Prüfungsmaßstab aus Art. 59 BayBO ergibt. Im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO prüft die Bauaufsichtsbehörde nur die Übereinstimmung des Vorhabens mit den Vorschriften über die Zulässigkeit baulicher Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB und den Regelungen örtlicher Bauvorschriften im Sinne von Art. 81 Abs. 1 BayBO, beantragte Abweichungen im Sinne von Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayBO sowie andere öffentlich-rechtliche Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird. Ein Widerspruch des Bauvorhabens der Klägerin zu einer der in Art. 59 BayBO genannten Vorschriften kann das Gericht nicht erkennen. Insbesondere ist das Vorhaben - und zwar in der dem Genehmigungsantrag vom 25. August 2008 zugrundeliegenden Form - nach den §§ 29 ff. BauGB planungsrechtlich zulässig.

2.1

Da sich das Baugrundstück Fl. Nr. ... weder im Geltungsbereich eines Bebauungsplans befindet (§ 30 BauGB) noch einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil zuzuordnen ist (§ 34 BauGB), beurteilt sich die planungsrechtliche Zulässigkeit nach § 35 BauGB. Der geplante Mobilfunk-Sendemast ist am beantragten Standort als privilegiertes Außenbereichsvorhaben im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB zulässig. Nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB ist ein Vorhaben, das der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen dient, im Außenbereich zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen und eine ausreichende Erschließung gesichert ist.

2.1.1

Der geplante Sendemast zur Aufnahme von Mobilfunkantennen dient der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen. Der in § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB verwendete Begriff der €Telekommunikationsdienstleistungen€ umfasst die technische Seite der Übermittlungsvorgänge im Gesamtbereich der Telekommunikation und damit auch die technischen Einrichtungen am Anfang und am Ende des Übermittlungsvorgangs (vgl. BayVGH vom 9.8.2007, Az. 25 B 05.1341 - juris; Söfker in : Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 35 Rd. Nr. 52; Krautzberger in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 35 Rd. Nr. 29).

Es geht auch um eine €öffentliche€ Versorgung. Dieses Kriterium setzt lediglich voraus, dass die Anlage (zumindest auch) der Versorgung der Allgemeinheit und nicht lediglich eines Einzelnen für dessen Eigenbedarf zu dienen bestimmt ist (vgl. BayVGH vom 9.8.2007, a.a.O.; BVerwG vom 18.2.1983, BVerwGE 67 Seite 33 ff.; vom 16.6.1994, BVerwGE 96 Seite 95 ff.). Ein darüber hinaus gehender besonderer Gemeinwohlbezug des Vorhabens ist für die planungsrechtliche Privilegierung nicht erforderlich. Es kommt weder auf die Rechtsform noch auf die Eigentumsverhältnisse des Anlagenbetreibers an. Von der Privilegierung erfasst sind deshalb auch Mobilfunk-Sendeanlagen, die eine privatrechtlich organisierte Gesellschaft wie die Klägerin im privatwirtschaftlichen Interesse betreibt (vgl. Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 35 Rd. Nr. 52 m. w. N.).

Aus dem Kriterium des €Dienens€ ergeben sich keine weiteren Einschränkungen. Sendeanlagen für Mobilfunk, die in ihrer Summe ein zusammenhängendes Netz zur flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Mobilfunkdienstleistungen bilden sollen, dienen ohne Weiteres der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen (vgl. z.B. VGH Baden-Württemberg vom 25.8.1997, NVwZ-RR 1998 Seite 715; Krautzberger, a.a.O., § 35 Rd. Nr. 29; Söfker, a.a.O., § 35 Rd. Nr. 52 m. w. N.).

Vorhaben, die der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen dienen, sind über den Wortlaut des Tatbestands von § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB hinaus allerdings nur dann privilegiert, wenn sie eine der Ortsgebundenheit gewerblicher Betriebe vergleichbare Beziehung zum Standort haben (BVerwG vom 18.2.1983, a.a.O.; vom 16.6.1994, a.a.O.; speziell zu Mobilfunkanlagen BayVGH vom 9.8.2007, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg vom 25.8.1997, a.a.O.). Mit Blick auf den Grundsatz der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs ist im Einzelfall zu prüfen, ob die jeweilige Anlage an einen Standort im Außenbereich gebunden ist (vgl. Krautzberger, a.a.O., § 35 Rd. Nr. 28). Die erforderliche Gebundenheit an den Außenbereich ist bei dem Vorhaben der Klägerin jedoch gegeben. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin dient die geplante Anlage insbesondere der Versorgung der westlich am Baugrundstück vorbeiführenden Bundesautobahn. mit Mobilfunkdienstleistungen. Um eine möglichst weitreichende Versorgung zu gewährleisten - und damit letztlich auch die Anzahl weiterer erforderlicher Sendemasten gering zu halten -, ist ein unmittelbar an der Bundesautobahn ... gelegener Standort wie das von der Klägerin gewählte Baugrundstück besonders geeignet. Da die unmittelbar an die Autobahn angrenzenden Grundstücke fast ausnahmslos dem planungsrechtlichen Außenbereich zuzuordnen sind, liegt der erforderliche spezielle Standortbezug beim Bauvorhaben der Klägerin vor (die Außenbereichsbindung einer Mobilfunksendeanlage an der Autobahn bejahend auch VG Würzburg vom 24.3.2009, Az. 4 K 08.2275 - juris).

2.1.2

Öffentliche Belange stehen dem Vorhaben nicht entgegen. Insbesondere ist nicht anzunehmen, dass der geplante Sendemast bei bestimmungsgemäßem Gebrauch zum Senden und Empfangen von Mobilfunksignalen schädliche Umwelteinwirkungen hervorruft (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB).

2.1.2.1

Das gilt zunächst für eventuelle Gesundheitsgefahren auf Grund der von dem Sendemast ausgehenden Funkstrahlung. Nach der Legaldefinition in § 3 Abs. 1 BImSchG, die im Rahmen von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB herangezogen werden kann (vgl. nur Krautzberger, a.a.O., § 35 Rd. Nr. 54 m. w. N.), sind schädliche Umwelteinwirkungen Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Nach § 3 Abs. 2 BImSchG sind Immissionen u.a. Strahlen, zu denen insbesondere auch die bei Mobilfunkanlagen entstehende Strahlung gehört (vgl. Nöthlichs, Immissionsschutzrecht, § 3 BImSchG, Erläuterung 2). Wann schädliche Umwelteinwirkungen durch Strahlen vorliegen, wird durch die 26. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (26. BImSchV) konkretisiert. Von einer Mobilfunkanlage, die die in der 26. BImSchV bestimmten Grenzwerte einhält, gehen insofern keine gesundheitlichen Gefahren aus (vgl. nur BayVGH vom 5.8.2009, Az. 15 CS 09.971; vom 16.7.2008, Az. 14 B 06.2506; VGH Baden-Württemberg vom 13.11.2003, Az. 5 S 2726/02 - jeweils bei juris). Nach der Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder (BEMFV) sind bestimmte Grenzwerte einzuhalten (§ 3), die sich vor allem aus der 26. BImSchV ergeben. Nach § 4 BEMFV ist ein Nachweis durch eine Standortbescheinigung zu erbringen. Aus der von der Klägerin vorgelegten Standortbescheinigung der Bundesnetzagentur, Außenstelle Augsburg, vom 29. April 2009 für die streitgegenständliche Anlage ergibt sich, dass bei Einhaltung der dort genannten Sicherheitsabstände (Hauptstrahlrichtung: 11,75 m; vertikaler Abstrahlung, bezogen auf 90 Grad: 2,03 m) die Grenzwerte der 26. BImSchV eingehalten werden. Da sich innerhalb der genannten Abstände weder schutzwürdige Bebauung befindet noch sonst mit dem Aufenthalt von Menschen zu rechnen ist, sind von elektromagnetischer Strahlung ausgehende Gesundheitsgefahren vorliegend auszuschließen.

2.1.2.2

Von der geplanten Sendeanlage der Klägerin gehen aber auch ansonsten keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG aus. Insofern kann dahinstehen, ob - wie von der Beigeladenen vorgetragen - bei einem Sendebetrieb am geplanten Standort im Frequenzbereich von 925 bis 960 MHz eine Störung des GSM-R-Zugfunksystems der DB-Netz AG zu befürchten ist. Die Frage der Verträglichkeit bzw. der wechselseitigen Beeinflussung verschiedener Mobilfunksysteme wird abschließend durch das telekommunikationsrechtliche Frequenzzuteilungsverfahren (§§ 55 ff. TKG) beantwortet und ist im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens für eine einzelne Sendeanlage nicht mehr zu prüfen.

Der Beklagte hat der Klägerin für den Standort des geplanten Sendemastes durch die Regelung II Nr. 5 des Bescheids vom 12. Februar 2009 die Nutzung von Funkfrequenzen aus dem Bereich 925 bis 960 MHz untersagt. Diese Regelung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht auf Nutzung einer zugeteilten Frequenz aus § 55 Abs. 1 Satz 2 TKG.

Auf welchen Frequenzen die Klägerin im Rahmen des von ihr unterhaltenen Mobilfunknetzes senden und empfangen darf, betrifft die Frequenznutzung im Sinne von § 3 Nr. 9 TKG. Nach der Legaldefinition des § 3 Nr. 9 TKG ist Frequenznutzung jede gewollte Aussendung oder Abstrahlung elektromagnetischer Wellen zwischen 9 Kilohertz und 3.000 Gigahertz zur Nutzung durch Funkdienste und andere Anwendungen elektromagnetischer Wellen. Dies schließt den Sendebetrieb der Klägerin ein. Die sogenannte Frequenzzuteilung und damit die Entscheidung, wer berechtigt ist, welche Frequenzen zu nutzen, ist nach § 116 i. V. m. § 55 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 TKG alleinige Aufgabe der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen. Das in § 55 TKG geregelte Zuteilungsverfahren bezweckt nach § 52 Abs. 1 und § 2 Abs. 2 Nrn. 7 und 9 TKG sowohl die Sicherstellung einer effizienten und störungsfreien Nutzung von Frequenzen als auch die Wahrung der Interessen der öffentlichen Sicherheit. Als Ausfluss dieses Regelungsziels erfolgt die Zuteilung einzelner Frequenzen nach § 55 Abs. 5 Satz 1 TKG unter den Voraussetzungen, dass sie für die vorgesehene Nutzung im Frequenznutzungsplan ausgewiesen sind (1.), verfügbar sind (2.), die Verträglichkeit mit anderen Frequenznutzungen gegeben ist (3.) und eine effiziente und störungsfreie Frequenznutzung durch den Antragsteller sichergestellt ist (4.). Nach § 55 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 TKG ist also insbesondere die Frage der Verträglichkeit mit anderen Frequenznutzungen Gegenstand des Frequenzzuteilungsverfahrens. Die Voraussetzung der Verträglichkeit mit anderen Frequenznutzungen ist nur dann erfüllt, wenn funktechnische Störungen anderer berechtigter Nutzungen auf Grund frequenztechnischer Umstände nicht zu besorgen sind (vgl. Göddel in: Beck´scher TKG-Kommentar, § 55 Rd. Nr. 15). Bei einer funktechnischen Störung handelt es sich nach der maßgeblichen Definition in Art. 2 Abs. 2 Buchstabe b der Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7.3.2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste (Genehmigungsrichtlinie) um einen Störeffekt, der für das Funktionieren eines Funknavigationsdienstes oder anderer sicherheitsbezogener Dienste eine Gefahr darstellt oder einen Funkdienst, der im Einklang mit den geltenden gemeinschaftlichen oder einzelstaatlichen Regelungen betrieben wird, anderweitig schwerwiegend beeinträchtigt, behindert oder wiederholt unterbricht. Durch § 55 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 TKG wird das objektive Erfordernis der Sicherstellung einer störungsfreien und effizienten Frequenznutzung mit der Person des Antragstellers verknüpft, indem diese €durch den Antragsteller€ zu gewährleisten ist.

Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 55 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 und 4 TKG ist somit die Frage, ob die Nutzung bestimmter Frequenzen mit anderen Frequenznutzungen verträglich ist bzw. ob bei der Frequenznutzung funktechnische Störungen zu erwarten sind, tatbestandliche Voraussetzung für die Zuteilung dieser Frequenzen durch die Bundesnetzagentur. Auf der Rechtsfolgenseite gewährt die Frequenzzuteilung dem Adressaten ein Nutzungsrecht an dem jeweils zugeteilten Abschnitt des Frequenzspektrums (vgl. Göddel in: Beck´scher TKG-Kommentar, § 55 Rd. Nr. 4). Nach Auffassung des Gerichts ergibt sich aus der die Frequenznutzung umfassend regelnden Bestimmung des § 55 TKG, dass ggf. erforderliche Einschränkungen der Frequenznutzung - jedenfalls im Hinblick auf die Verträglichkeit mit anderen Frequenznutzungen - ausschließlich im Rahmen eines Frequenzzuteilungsverfahrens nach den §§ 55 ff. TKG vorgenommen werden können und im Übrigen, d.h. auch in Baugenehmigungsverfahren, unzulässig sind. Die Frage der Verträglichkeit mit anderen Frequenznutzungen wird nach dem Konzept des Bundesgesetzgebers im Rahmen des Frequenzzuteilungsverfahrens abschließend und verbindlich beantwortet. Weder das Telekommunikationsgesetz noch andere Gesetze enthalten ergänzende Befugnisse, um die Verträglichkeit verschiedener Frequenznutzungen zu gewährleisten. Im Gegenteil spricht etwa die Vorschrift des § 59 TKG für die Annahme des Gesetzgebers, dass das Frequenzzuteilungsverfahren wechselseitige Beeinträchtigungen, die allein aus der Nutzung zugeteilter Frequenzen resultieren, von vorneherein ausschließt. Nach § 59 Satz 2 TKG haben die verschiedenen Inhaber einer ihnen - als Ausnahmefall - gemeinsam zugeteilten Frequenz die Beeinträchtigungen hinzunehmen, die sich aus einer bestimmungsgemäßen gemeinsamen Nutzung der Frequenz ergeben. Da eine vergleichbare Vorschrift für den Normalfall der Nutzung unterschiedlicher zugeteilter Frequenzen fehlt, geht der Gesetzgeber offenkundig davon aus, dass das Zuteilungsverfahren in diesem Fall wechselseitige Beeinträchtigungen ausschließt. Dasselbe ergibt sich im Umkehrschluss aus der ausdrücklich geregelten Pflicht der Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen aus § 3 f. BEMFV, bei ortsfesten Funkanlagen u.a. die in der 26. BImSchV festgesetzten Grenzwerte einzuhalten und hierfür jeweils eine Standortbescheinigung einzuholen (vgl. hierzu bereits oben 2.1.2.1): Während die Frage möglicher Gesundheitsgefährdungen auf Grund gesetzlicher Vorschriften für jede einzelne ortsfeste Sende- und Empfangsanlage geprüft werden muss, existiert eine vergleichbare Prüfungspflicht für die Verträglichkeit verschiedener Frequenznutzungen nicht. Das ist zumindest ein starkes Indiz dafür, dass der Gesetzgeber die einmalige Prüfung der Frequenzverträglichkeit im Rahmen des Frequenzzuteilungsverfahrens nach § 55 TKG für ausreichend hält. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Sinn der gesetzgeberischen Entscheidung, die Prüfung der Verträglichkeit verschiedener Frequenznutzungen im Rahmen des jeder Frequenznutzung vorausgehenden Zuteilungsverfahrens durchzuführen, durch eine erneute bzw. weitere Prüfung der Frequenzverträglichkeit für die Situation in jeder einzelnen Anlage grundlegend in Frage gestellt würde. Wenn die Frequenzverträglichkeit in jedem Einzelfall neu zu prüfen wäre, bedürfte es keiner Prüfung im Zuteilungsverfahren. Eine Beschränkung der Verträglichkeitsprüfung auf das Zuteilungsverfahren nach den §§ 55 ff. TKG erscheint im Übrigen auch sachgerecht, um der Gefahr einander widersprechender Sachentscheidungen im Einzelfall entgegenzuwirken und damit eine wirtschaftlich sinnvolle Frequenznutzung zu ermöglichen.

Dem steht auch nicht entgegen, dass der Frequenzzuteilung keine Konzentrationswirkung zukommt, weitere erforderliche Genehmigungen - wie die Baugenehmigung - durch sie also nicht ersetzt werden (vgl. Göddel in: Beck´scher TKG-Kommentar, § 55 Rd. Nr. 4). Zwar lässt die Frequenzzuteilung die bauaufsichtliche Genehmigungsbedürftigkeit einer ortsfesten Sende- und Empfangsanlage unberührt. Jedenfalls die Frage der Verträglichkeit der Nutzung zugeteilter Frequenzen mit anderen Frequenznutzungen an dem jeweiligen Standort ist aber nicht Gegen-stand der bauaufsichtlichen Prüfung, da die Frequenzzuteilung durch die Bundesnetz-Agentur nach dem Vorstehenden insoweit eine abschließende Entscheidung darstellt. Daher ist die telekommunikationsrechtliche Frequenzverträglichkeit kein Gesichtspunkt, der im Rahmen des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB im Hinblick auf das Hervorrufen schädlicher Umwelteinwirkungen von Bedeutung sein kann.

Vorliegend hat die Bundesnetzagentur der Klägerin mit Frequenzverlagerungsbescheid vom 3. Februar 2006 die Funkfrequenzen von 880,1 MHz bis 885,1 MHz (Unterband) sowie 925,1 bis 930,1 MHz (Oberband) zugeteilt. Dieser - zunächst von einer Konkurrentin der Klägerin angegriffene - Bescheid ist mit Ablauf der Rechtsmittelfrist gegen das Urteil des OVG Münster vom 16. September 2009 (Az. 13 A 161/08 - juris) bestandskräftig geworden. Damit steht für das hier zu beurteilende Baugenehmigungsverfahren der Klägerin fest, dass die Klägerin berechtigt ist, die ihr zugeteilten Frequenzen umfassend und generell - und damit auch am streitgegenständlichen Standort - zu nutzen. Der Vortrag der Beigeladenen, im Fall einer Nutzung der Frequenzen 925 bis 960 MHz durch die Klägerin am geplanten Standort komme es voraussichtlich - wie bereits schon an zahlreichen anderen Stellen - zu Störungen des von ihr betriebenen GSM-R-Zugfunknetzes, bedarf im Rahmen dieses Verfahrens keiner tatsächlichen und rechtlichen Bewertung. Er wäre ggf. in einem Frequenzzuteilungsverfahren nach den §§ 55 ff. TKG gegenüber der Bundesnetzagentur geltend zu machen und dort - als zutreffend unterstellt - entsprechend zu berücksichtigen. Im Rahmen eines solchen Frequenzzuteilungsverfahrens wäre dann auch zu klären, ob und inwieweit die Beigeladene in der Lage und rechtlich dazu verpflichtet ist, die von ihr beklagte Störungsproblematik durch technische Maßnahmen an ihren eigenen Anlagen selbst zu beheben.

2.1.3

Durch den am Baugrundstück entlang führenden Feldweg (Fl. Nr. 198) ist eine ausreichende Erschließung des Vorhabens im Sinne von § 35 Abs. 1 BauGB gesichert.

2.2

Ein Verstoß des Vorhabens gegen andere Vorschriften, die im Rahmen des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens nach Art. 59 BayBO zu prüfen sind, ist nicht zu erkennen. Im Hinblick darauf sind schließlich auch die Bestimmungen II Nrn. 6 und 7 des Bescheids vom 12. Februar 2009 rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Beide Bestimmungen sind als Nebenbestimmungen im Sinne von Art. 36 BayVwVfG anzusehen. Nach Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, nur dann mit einer Nebenbestimmung versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden. Bei der Baugenehmigung handelt es sich um einen Verwaltungsakt, auf den - bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des Art. 68 Abs. 1 BayBO - ein Anspruch besteht. Eine Rechtsgrundlage (Art. 36 Abs. 1 Alternative 1 BayVwVfG) der Bestimmungen II Nrn. 6 und 7 des Bescheids vom 12. Februar 2009 ist nicht erkennbar. Dies gilt insbesondere für die Bestimmung II Nr. 6, die einen privatrechtlichen Haftungsausschluss zugunsten der DB AG enthält (vgl. zur Unzulässigkeit nicht einvernehmlicher privatrechtlicher Haftungsausschlüsse im Rahmen von Nebenbestimmungen Lechner in: Simon/Busse, BayBO, Art. 68 Rd. Nr. 312). Beide Bestimmungen dienen auch nicht der Sicherstellung der gesetzlichen Voraussetzungen der Baugenehmigung (Art. 36 Abs. 1 Alternative 2 BayVwVfG), da die Klägerin - wie oben ausgeführt - auch ohne diese Bestimmungen einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung hat.

2.3

Da die Sache schließlich auch spruchreif ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), war der Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die beantragte Baugenehmigung ohne die in II Nrn. 5 bis 7 des Bescheids vom 12. Februar 2009 enthaltenen Bestimmungen zu erteilen.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht nach § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, da die Beigeladene zum einen auf der Seite des unterlegenen Beklagten stand und sich zum anderen mangels Antragstellung auch keinem Kostenrisiko (§ 154 Abs. 3 VwGO) ausgesetzt hat. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. § 709 ZPO.

4.

Die Berufung war zuzulassen (§ 124 Abs. 1 VwGO), da die Rechtssache besondere rechtliche Schwierigkeiten aufweist (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und grundsätzliche Bedeutung hat (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Ob die Frage der Frequenzverträglichkeit im Rahmen des bauaufsichtlichen Verfahrens zur Genehmigung einer ortsfesten Mobilfunk-Sendeanlage geprüft werden kann, ist bisher weder in der Rechtsprechung noch - soweit erkennbar - in der Wissenschaft behandelt worden und im Hinblick auf die von den Beteiligten vorgetragene Zahl bestehender und eventueller künftiger Problemstandorte von grundsätzlicher Bedeutung.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Ziffer 9.1.9 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004.






VG Ansbach:
Urteil v. 22.03.2010
Az: AN 9 K 09.00408


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/9ca58d89cfd9/VG-Ansbach_Urteil_vom_22-Maerz-2010_Az_AN-9-K-0900408




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