Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 20. Januar 2004
Aktenzeichen: 4a O 92/03

(LG Düsseldorf: Urteil v. 20.01.2004, Az.: 4a O 92/03)

Tenor

I.

Die Beklagte wird verurteilt,

1.

es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzwei-se Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlas-sen

im geschäftlichen Verkehr Waren aus Leder und/oder Lederimitatio-nen, insbesondere Taschen und Rucksäcke, die mit nachstehend wiedergegebenen Muster versehen sind, anzubieten, zu vertreiben und/oder in sonstiger Weise in den Verkehr zu bringen:

2.

der Klägerin Auskunft zu erteilen über Art, Umfang und Dauer der verbotenen Handlungen im Sinne der Ziffer 1. einschließlich des mit dem Vertrieb von Produkten im Sinne der Ziffer 1. in der Bundesrepu-blik Deutschland erzielten Umsatzes sowie des Gewinns und insbe-sondere Angaben zu machen zu Namen und Anschrift des Herstel-lers, des Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie sämtlicher ge-werblicher Abnehmer in der Bundesrepublik Deutschland.

II.

Es wird festgestellt,

dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in der Bundesrepublik Deutschland verüb-ten verbotenen Handlungen im Sinne der Ziffer I.1. entstanden ist und/oder künftig noch entstehen wird.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

IV.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,00 Euro.

Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte und unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin ist Inhaberin der internationalen Bildmarken ......1 und ......2 (Anlage K4) und der am 1. April 1996 beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt angemeldeten Gemeinschaftsbildmarke ......3 (Anlage K5, nachfolgend: Streitmarke), die am 28. November 1997 im Markenregister eingetragen worden ist.

Die seit langem weltbekannte Streitmarke besteht aus einem sog. "Toile-Monogram"-Dekor. Sie ist beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt wie folgt hinterlegt:

Das Warenverzeichnis der Streitmarke umfasst unter anderem folgende Gegenstände:

Leder und Lederimitationen, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, insbesondere Taschen aus Leder und Lederpappe, Reisetaschen und -koffer, Taschen, Koffer für Toilettenartikel, Rucksäcke, Handtaschen, Strandtaschen, Vorratstaschen, Schultertaschen, Köfferchen, Aktentaschen, Aktenkoffer, Schulmappen, Unterarmtaschen, Feinlederwaren insbesondere Geldscheintaschen, Portemonnaies aus Nichtedelmetallen und Schlüsseltaschen.

Wegen Verletzung der Streitmarke nimmt die Klägerin die Beklagte auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.

Die Beklagte betreibt einen Einzelhandel mit Textilien, Süßwaren, Wein und Wohnaccessoires. Ausweislich einer Internet-Präsentation (Anlage K3) gehören zu ihrem bundesweiten Geschäftsbetrieb gegenwärtig 80 Filialen.

Aus ihrem Warenbestand veräußerte sie am 15. Oktober 2002 zu einem herabgesetzten Preis von 29,00 Euro in ihrer Filiale an der Flingerstraße in Düsseldorf einen Rucksack, den die Klägerin als Anlage K8 zur Gerichtsakte gereicht hat und auf den Bezug genommen wird. Der Rucksack ist mit dem nachfolgend wiedergegebenen Dekors bedruckt:

Eine mit dem gleichen Dekors bedruckte Damenumhängetasche wurde von der Beklagten am 7. November 2002 in ihrer Filiale in Frankfurt für 15,00 Euro verkauft (Anlage K11).

Die Klägerin sieht in diesem von ihr angegriffenen Zeichen eine widerrechtliche Nachbildung der Streitmarke und eine offensichtliche Rufausbeutung ihrer sich hoher Wertschätzung erfreuenden Gegenstände.

Die Klägerin beantragt

zu erkennen, wie geschehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie wendet ein, dass angegriffene Zeichen grenze sich infolge der hierbei verwendeten Stilelemente von der Streitmarke deutlich ab. Eine Verwechslungsgefahr sei auch deshalb ausgeschlossen, weil sie ihre mit dem angegriffenen Zeichen bedruckten Gegenstände zu einem Kaufpreis anbiete, der deutlich hinter demjenigen der Klägerin zurückbleibe.

Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Beklagten entgegen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zur Gerichtsakte gereichten Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage hat vorbehaltslos Erfolg.

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz nach den Art. 9 Abs. 1 lit. b) und lit. c), 98 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke (fortan: GMV) i.V.m. §§ 14 Abs. 1 und 6, 19 Abs. 1 und 2 MarkG zu, weil die Gefahr besteht, dass die von der Beklagten vertriebenen Gegenstände infolge des hierbei benutzten angegriffenen Zeichens mit der zugunsten der Klägerin eingetragenen Streitmarke verwechselt werden. Selbst wenn eine solche Verwechslungsgefahr verneint wird, stellt die Verwendung des angegriffenen Zeichens die Benutzung eines zur bekannten Streitmarke ähnlichen Zeichens dar, durch das die Unterscheidungskraft und die Wertschätzung der Streitmarke ohne rechtfertigenden Grund und in unlauterer Weise ausgenutzt und beeinträchtigt wird.

I.

Verwechslungsgefahr für die angesprochenen Verkehrskreise kann sich gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. b) GMV wegen der Identität oder Ähnlichkeit des angegriffenen Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen ergeben.

Nach der Auslegung von Art. 4 Abs. 1 lit. b MarkenRL durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH, GRUR 1998, 387, 389/390 -SABEL; EuGH, GRUR Int. 1999, 734, 736 -Lloyd), die für die Auslegung der in Umsetzung dieser Richtlinienbestimmung erlassenen Vorschriften der §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkG von maßgeblicher Bedeutung ist (vgl. BGH, GRUR 2001, 164, 166 -Wintergarten) und auch für die Auslegung der gleichlautenden Bestimmung des Art. 9 Abs. 1 lit. b) GMV herangezogen werden kann, ist die Frage der Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles umfassend zu beurteilen. Hierzu gehören insbesondere der Bekanntheitsgrad der Marke im Markt, die gedankliche Verbindung, die das benutzte oder eingetragene Zeichen zu ihr hervorrufen kann, sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem Zeichen und zwischen den damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. Bei der umfassenden Beurteilung ist, wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften desweiteren ausgeführt hat, hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken auf den Gesamteindruck abzustellen, den diese hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden (prägenden) Elemente zu berücksichtigen sind. Hierbei kommt es maßgebend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher der jeweils in Frage stehenden Waren wirkt. Darüber hinaus wird eine Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren impliziert, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH, GRUR 1998, 922, 923 Tz. 17 -CANON; EuGH, GRUR Int. 1999, 734, 736 -Lloyd). Diese Auslegung der vorerwähnten Richtlinienbestimmung entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Markengesetz (ständige Rspr., vgl. BGH, GRUR 2000, 608, 610 -ARD-1; BGH, GRUR 2000, 506, 508 -ATTA-CHÉE/TISSERAND; BGH, GRUR 2000, 886, 887 -Bayer/ BeiChem; BGH, GRUR 2001, 158, 159/160 -Drei-Streifen-Kennzeichnung; BGH, GRUR 2001, 164, 165 -Wintergarten; BGH, GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/ REVIAN).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze besteht zwischen der Streitmarke und dem angegriffenen Zeichen eine Verwechslungsgefahr im rechtlichen Sinne.

1.

Der Verfügungsmarke kommt von Hause aus Kennzeichnungskraft zu. Bildzeichen, konkrete Farbzusammenstellungen und selbst konturlose Farben sind grundsätzlich geeignet, kennzeichnend zu wirken, indem sie dem Publikum die Herkunft der Ware anzeigen (vgl. BGH, BGHZ 140, 193, 195 -Farbmarke gelb/schwarz; GRUR 2001, 1154 -Farbmarke violettfarben; WRP 2001, 1315, 1319 -Marlboro-Dach).

Für die Frage, ob die angesprochenen Verkehrskreise einem Bestandteil innerhalb einer Gesamtaufmachung eine selbständig kennzeichnende Funktion beimisst, ist auch die Art und Weise, in der die Bestandteile verwendet werden, insbesondere ihre räumliche Anordnung, heranzuziehen (BGH, WRP 2001, 1315, 1319 -Marlboro-Dach).

Die als Bildmarke eingetragene Streitmarke wird durch die wiederkehrende Anordnung von vier Einzelbildmotiven auf einem dunkel abgesetzten Untergrund bestimmt. Hierbei handelt es sich um eine Raute, deren Innenraum infolge der ihn begrenzenden Linienführung und eines zentral angeordneten hellen Punktes floral ausgestaltet ist. Hinzukommen zwei weitere Floralmuster, von denen das eine durch vier rechtwinklig zueinander angeordnete, auf einen dunklen zentralen Punkt gerichtete längliche Blattformen und das andere durch vier gleichfalls rechtwinklig zueinander angeordnete, auf einen hellen zentralen Punkt ausgerichtete runde Blattformen gebildet ist, wobei die runden Blattformen von einem Kreisbogen eingefasst sind. Das letzte Motiv schließlich wird von zwei stilisierten, zum Teil übereinander angeordneten Buchstaben MM gebildet.

Die Kombination dieser Merkmale ist hinreichend individualisierend, um für den Verbraucher als Herkunftsnachweis wirken zu können. Der Gesamteindruck, den die Streitmarke bei den angesprochenen Verkehrskreisen hinterlässt, wird vor allem durch die wiederkehrende Anordnung der vier auf einem dunklen Untergrund abgehobenen Einzelbildmotiven bestimmt, bei denen es sich in drei Fällen um ein Floralmotiv und bei dem vierten Einzelbildmotiv um ein Buchstabenmotiv handelt.

Aufgrund umfangreicher, langjähriger Benutzung und einer hierdurch erlangten Bekanntheit kommt der Verfügungsmarke eine gesteigerte Kennzeichnungskraft zu. Die Antragstellerin hat unbestritten vorgetragen, dass sie die Streitmarke bereits seit 1896 Jahren für viele ihrer Produkte benutzt und diese sich weltweit als ihr Erkennungs- und Markenzeichen durchgesetzt hat. In ihrem als Anlage K1 vorgelegten aktuellen Katalog sind eine Vielzahl von Gegenständen, beispielsweise Koffer, Taschen, Rucksäcke, Regenschirme und Geldbörsen abgebildet, die mit der Streitmarke bedruckt sind.

Wie das Gericht für die Bundesrepublik Deutschland aus eigener, bereits vor dem hiesigen Rechtsstreit zuteil gewordener Sachkunde deshalb einzuschätzen vermag, weil seine Mitglieder selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, handelt es sich bei der Streitmarke um eine bekannte Marke. Dies wird von der Beklagten auch nicht in Abrede gestellt und im übrigen bestätigt durch die zahlreichen Nachahmungen der Streitmarke, die der Kammer aufgrund ihrer Zuständigkeit für Gemeinschaftsmarkenverletzungssachen bekannt sind. Weil die Klägerin die Streitmarke europaweit benutzt und keine Anhaltspunkte dafür bestehen und von der Beklagten auch nicht geltend gemacht worden sind, dass die Streitmarke in Teilen der Europäischen Union nicht bekannt ist, kommt es auch nicht darauf an, ob die Kennzeichnungskraft einer Gemeinschaftsmarke einheitlich gemeinschaftsweit zu bestimmen ist (vgl. hierzu Knaak, GRUR Int. 2001, 665, 671; ders., GRUR 2001, 21, 23). Dessen ungeachtet wird es im Rahmen des Art. 95 Abs. 1 lit. c) GMV als ausreichend angesehen, wenn Bekanntheit im Sinne der Vorschrift in einem wesentlichen Teil der Gemeinschaft vorliegt (vgl. Knaak, GRUR 2001, 21, 23). Dieser Bekanntheitsgrad genügt dann auch für die Annahme einer gesteigerten Kennzeichnungskraft im Hinblick auf die Frage einer Verwechslungsgefahr nach Art. 9 Abs. 1 lit. b) GMV.

2.

Zwischen den Waren, für welche die Streitmarke eingetragen ist, und den Gegenständen, die mit dem angegriffenen Zeichen bedruckt sind, besteht Warenidentität in dem Segment "Leder und Lederimitationen, insbesondere Taschen aus Leder und Lederpappe und Rucksäcke".

3.

Die Gefahr einer Verwechslung über die Herkunft der mit dem angegriffenen Zeichen bedruckten Gegenstände ist gegeben, weil das genannte Zeichen keinen hinreichend großen Abstand zu der Streitmarke einhält.

Hierbei ist zu beachten, dass den angesprochen Verkehrskreisen, bei denen es sich um Interessenten an eleganten und exklusiven Lederwarenartikeln handelt, erfahrungsgemäß besonders kennzeichnungskräftige, insbesondere bekannte Kennzeichnungen eher in der Erinnerung bleiben und daher solche Kennzeichen auch eher in einer anderen Kennzeichnung wiederzuerkennen glaubt. Demgemäß genießen derart besonders kennzeichnungskräftige oder sogar bekannte Marken grundsätzlich einen umfassenderen Schutz als Marken, deren Kennzeichnungskraft geringer ist (vgl. BGH, GRUR 2001, 158, 159 -Drei-Streifen-Kennzeichnung; WRP 2001, 1315, 1320 -Marlboro-Dach).

Ebenso wie die Streitmarke weist das angegriffene Zeichen eine wiederkehrende Anordnung von drei Floraleinzelbildmotiven und einem Buchstabeneinzelbildmotiv auf, wobei die einzelnen Motive von einem dunklen Untergrund abgesetzt sind.

Das zum angegriffenen Zeichen gehörende rautenförmig eingefasste Floralmotiv unterscheidet sich von demjenigen der Streitmarke lediglich darin, dass die rautenförmige Einfassung weniger spitz verlaufend zum zentralen hellen Punkt ausgebildet ist, so dass die vier Blätter in ihrer Formgebung weniger abgerundet erscheinen. Diese Abweichung lässt sich nur bei einer eingehenden vergleichenden Betrachtung erkennen. Das weitere Floralmotiv der Streitmarke mit den länglichen Blattformen ist bei dem angegriffenen Zeichen lediglich zusätzlich von einer quadratischen Linienführung unterlegt. Das Motiv mit den runden Blattformen unterscheidet sich bei dem angegriffenen Zeichen von demjenigen der Streitmarke dadurch, dass in den dunklen Blättern elipsenartige helle Flächen angeordnet sind. Anstelle der Buchstabenkombination MMschließlich verfügt das angegriffene Zeichen über ein Motiv, in dem die angesprochenen Verkehrskreise einen stilisierten Buchstaben C erkennen.

Das angegriffene Zeichen unterscheidet sich daher von der Streitmarke lediglich durch geringfügige Abänderungen in der Gestaltung der Einzelbildmotive. Diese Abweichungen fallen den angesprochenen Verkehrskreisen allerdings nur bei genauer und eingehender vergleichender Betrachtung auf. Sie stehen der Annahme einer Verwechslungsgefahr jedoch nicht entgegen. Der Gesamteindruck der Streitmarke wird durch die wiederkehrende Anordnung von drei Floraleinzelbildmotiven und einem Buchstabenmotiv geprägt, wobei diese Motive von einem dunklen Untergrund abgesetzt sind. Die bei dem angegriffenen Zeichen vorhandenen geringen gestalterischen Abweichungen führen angesichts der überwiegenden Übereinstimmungen, der gesteigerten Kennzeichnungskraft der Streitmarke und der vorhandenen Warenidentität nicht aus dem Schutzbereich der Streitmarke heraus.

Ohne Erfolg wendet die Beklagte hiergegen ein, das zu dem angegriffenen Zeichen gehörende Buchstabenmotiv unterscheide sich grundlegend von der Buchstabenkombination MMder Streitmarke, die eine Herkunftsbezeichnung darstelle.

Wie sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 lit b) GMV erschließt, setzt der dort geregelte Verletzungstatbestand keine vollständige Identität sondern Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem angegriffenen Zeichen voraus. Auch bei Bildzeichen ist für die Frage der Ähnlichkeit auf den Gesamteindruck abzustellen (EuGH, GRUR 1998, 387 -SABEL, Tz. 23; BGH, GRUR 2000, 608, 610 -ARD-1; BGH, GRUR 2001, 158, 160 -Drei-Streifen-Kennzeichnung).

Weil der Verkehr die Zeichen regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seine Auffassung aufgrund seines Erinnerungsbildes gewinnt, ist maßgeblich nicht so sehr auf die Unterschiede, als auf die Übereinstimmungen der Kollisionsmarken abzustellen. Denn im Erinnerungsbild treten erfahrungsgemäß die übereinstimmenden Merkmale stärker hervor, als die Unterschiede (BGH, GRUR 2000, 506, 509 -ATTACHÈE/TISSERAND). Deshalb ist bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr mehr auf die gegebenen Übereinstimmungen der zu vergleichenden Zeichen abzustellen, als auf die Abweichungen (vgl. BGH, GRUR 1990, 450, 452 -St. Petersquelle; BGH, GRUR 1993, 972, 974 -Sana/Schosana; BGH, GRUR 1998, 924, 925 -Salvent/Salventerol; BGH, GRUR 1999, 735, 736 -MONOFLAM/POLYFLAM; BGH, GRUR 2000, 506, 509 -ATTACHÉ/TISSERAND). Außerdem gilt auch der Erfahrungssatz, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (BGH, GRUR 2000, 506, 509 -ATTACHÉ/TISSERAND).

Ausgehend von diesen Voraussetzungen besteht an einer Ähnlichkeit im markenrechtlichen Sinne zwischen der Streitmarke und dem angegriffenen Zeichen kein Zweifel.

Wie bereits oben ausgeführt, wird der für die Streitmarke maßgebende Gesamteindruck in erster Linie durch die wiederkehrende Anordnung von drei Floraleinzelbildmotiven und einem Buchstabenmotiv geprägt. Dass den konkret gewählten Buchstaben in dieser Hinsicht ausschlaggebende Bedeutung beikommt, ist nicht einzusehen und von der Beklagten auch nicht schlüssig dargetan worden. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass die angesprochenen Verkehrskreise in dem zur geschützten Bildmarke gehörenden Gestaltungsbestandteil der sich teilweise überlagernden stilisierten Buchstaben MM ohne weiteres einen Herkunftsnachweis auf die Klägerin erkennt, der eine Zuordnung von in anderer Weise gekennzeichneter Waren zur Klägerin sicher vermeidet.

Der Annahme einer Verwechslungsgefahr steht nicht entgegen, dass unter der Streitmarke relativ hochwertige Produkte im hohen Preissegment vertrieben werden, der mit dem angegriffenen Zeichen bedruckte Rucksack von der Beklagten hingegen für 29,00 Euro und die Handtasche für 15,00 Euro veräußert worden sind.

Durch diese Preisunterschiede wird eine Verwechslungsgefahr nicht ausgeschlossen.

Für die Frage einer Verwechslungsgefahr ist auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Warenart (vgl. EuGH, GRUR Int. 1999, 734, 736 -Lloyd; BGH, GRUR 2000, 506, 508 -ATTACHÉ/ TISSERAND; BGH, GRUR 2001, 158, 160 -Drei-Streifen-Kennzeichnung). Dessen Aufmerksamkeit kann je nach Art der in Frage stehenden Waren unterschiedlich hoch sein (EuGH, GRUR Int. 1999, 734, 736 -Lloyd; BGH, GRUR 2000, 506, 508 -ATTACHÉ/ TISSERAND; BGH, GRUR 2001, 158, 160 -Drei-Streifen-Kennzeichnung). Hiernach wird bei Konsumartikeln des täglichen Massenbedarfs, die regelmäßig flüchtig nach der Marke gekauft werden, die Markenähnlichkeit eher anzunehmen sein, weil auf Unterschiede in den Markenbestandteilen weniger geachtet wird als bei hochpreisigen Produkten, die in der Regel erst nach längerfristiger Überlegung und zumeist fachkundiger Beratung erworben werden (vgl. Fezer, a.a.O., § 14 MarkenG Rz. 153). Bei höherwertigen Produkten im Modebereich findet ein Kauf hingegen zwar regelmäßig erst nach Überlegung, aber nicht regelmäßig nach fachkundiger Beratung und unter Berücksichtigung der Herstellerangaben statt. Die hier angesprochenen Verkehrskreise sind Verbraucher, die modisch interessiert sind, und nicht ausschließlich diejenigen Kunden, welche die eigenen Verkaufsstellen der Klägerin aufsuchen. Diese unterliegen wegen der festgestellten hohen Ähnlichkeit zwischen der Streitmarke und dem angegriffenen Zeichen der Verwechslungsgefahr. Denn für die angesprochen Verkehrskreise gilt, dass sie nur selten die Möglichkeit haben, die verschiedenen Zeichen unmittelbar miteinander zu vergleichen. Vielmehr müssen sie sich auf das unvollkommene Bild verlassen, das sich ihnen von den Zeichen im Gedächtnis eingeprägt hat (vgl. EuGH, GRUR Int. 1999, 734, 736 -Lloyd; BGH, GRUR 2000, 505, 509). Weil der Verkehr die Zeichen regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seine Auffassung aufgrund seines Erinnerungsbildes gewinnt, ist - wie bereits oben ausgeführt - nicht so sehr auf die Unterschiede, sondern auf die zwischen der Streitmarke und dem angegriffenen Zeichen bestehenden Übereinstimmungen abzustellen. Denn im Erinnerungsbild treten die übereinstimmenden Merkmale erfahrungsgemäß stärker hervor, als die Unterschiede (BGH, GRUR 2000, 506, 509 -ATTACHÈE/ TISSERAND). Überdies gilt der Erfahrungssatz, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (BGH, GRUR 2000, 506, 509 -ATTACHÉ/ TISSERAND).

Hiernach schließen Preisunterschiede wegen der zwischen dem angegriffenen Zeichen und der Streitmarke bestehenden weitgehenden gestalterischen Übereinstimmungen, der gesteigerten Kennzeichnungskraft der Streitmarke und der vorhandenen Warenidentität die Gefahr einer Zuordnungsverwechslung nicht aus. Dies gilt auch deshalb, weil nicht ausgeschlossen ist, dass auch hochwertige Artikel im Rahmen von Sonderverkaufsaktionen zu deutlich herabgesetzten Preisen angeboten werden, so dass zumindest ein nennenswerter Teil der angesprochenen Verkehrskreise angesichts der genannten Umstände einer Verwechslungsgefahr unterliegen kann.

II.

Selbst wenn man eine Verwechslungsgefahr zwischen dem angegriffenen Zeichen und der Streitmarke verneint, stellt der Gebrauch des angegriffenen Zeichens in jedem Fall einen Verstoß gegen den Art. 9 Abs. 1 lit c) GMV dar.

Hiernach ist es einem Dritten verboten, ein mit der Gemeinschaftsmarke identisches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Gemeinschaftsmarke eingetragen ist, wenn diese in der Gemeinschaft bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Gemeinschaftsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.

Entgegen dem Verordnungswortlaut ist der Art. 9 Abs. 1 lit. c) GMV nicht auf Fälle der Benutzung eines Zeichens für nichtähnliche Waren oder Dienstleistungen beschränkt. Die Vorschrift gewährt einen besonderen Schutz gegen Beeinträchtigungen der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der betroffenen Marke. In solchen Fällen muß die bekannte Marke bei der Benutzung eines Zeichens für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen einen mindestens genauso umfassenden Schutz genießen, wie im Fall der Benutzung eines Zeichens für nichtähnliche Waren oder Dienstleistungen (EuGH, EuZW 2003, 347, 348f. -Davidoff).

Ausgehend von diesen Voraussetzungen besteht kein Zweifel daran, dass die Benutzung des angegriffenen Zeichens unter Verstoß gegen den Art. 9 Abs. 1 lit. c) GMV erfolgt.

Mit dem angegriffenen Zeichen nutzt die Beklagte die Unterscheidungskraft der zutreffend unbestritten gemeinschaftsweit bekannten Streitmarke, mit der die angesprochenen Verkehrskreise Exklusivität, Qualität und hohe Wertschätzung verbinden, dadurch aus, dass sie sich den Aufmerksamkeitswert der Streitmarke zu eigen macht. Infolge der nahezu identischen Übernahme der vier oben beschriebenen Einzelbildmotive vermag das angegriffene Zeichen bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine erhöhte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, indem es mit der bekannten Streitmarke in gedankliche Verbindung gebracht wird. Die Benutzung des angegriffenen Zeichen beeinhaltet somit den Versuch der Herbeiführung eines Imagetransfers, durch den die mit der Streitmarke verbundene Wertschätzung auf die Gegenstände der Beklagten projiziert werden soll. Hierdurch nutzt das angegriffene Zeichen nicht nur den wirtschaftlichen Wert der Streitmarke aus. Durch die Verwendung dieses Zeichens wird überdies die Unterscheidungskraft der Streitmarke beeinträchtigt, indem sich die angesprochenen Verkehrskreise einem Zeichen gegenüber sehen, das zu der Streitmarke ähnlich ist.

Hinzu kommt, dass die der Streitmarke entgegen gebrachte Wertschätzung durch das angegriffene Zeichen beeinträchtigt wird. Wie bereits oben erläutert, werden von den angesprochenen Verkehrskreisen mit der Streitmarke Exklusivität, Qualität und eine hohe Wertschätzung in gedankliche Verbindung gebracht. Weil die von der Beklagten mit dem angegriffenen Zeichen bedruckten Gegenstände in einem eher niedrigen Preissegment angeboten werden, besteht die Gefahr, dass sie dem exklusiven Image der Streitmarke schaden.

Die Benutzung der Streitmarke, zu welcher die Beklagte keinen rechtfertigenden Grund darzutun vermochte, geschieht unlauter. Die nahezu identische Übernahme der geschützten vier Einzelbildmotive lässt keinen Zweifel daran, dass sich das angegriffene Zeichen bewusst an die Streitmarke anlehnt. Durch diese Anlehnung macht sich die Beklagte die Bekanntheit, Wertschätzung und Exklusivität der Streitmarke zunutze, indem sie versucht, diese wirtschaftlichen Werte auf ihre eigenen Gegenstände zu beziehen.

III.

Aus der Verletzung der Streitmarke ergeben sich folgende Rechtsfolgen:

1.

Weil die Beklagte mit dem angegriffenen Zeichen von der Streitmarke unberechtigt Gebrauch gemacht hat, ist sie der Klägerin gegenüber nach den Art. 9 Abs. 1 lit. b) und c), 98 Abs. 1 GMV zur Unterlassung verpflichtet.

2.

Weiter kann die Klägerin von der Beklagten nach Art. 98 Abs. 2 GMV i.V.m. § 14 Abs. 6 MarkG Schadensersatz verlangen.

Denn als Fachunternehmen hätte die Beklagte die Verletzung der Streitmarke unter Beachtung der im Verkehr gebotenen Sorgfalt (§ 276 BGB) zumindest erkennen können. Weil hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die schutzrechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, den sie indes noch nicht zu beziffern vermag, weil sie den Umfang der Verletzungshandlungen ohne eigenes Verschulden nicht kennt, ist der Klägerin ein rechtliches Interesse an einer Feststellung der Schadensersatzpflicht zuzuerkennen, § 256 ZPO.

3.

Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch beziffern zu können, ist die Beklagte ihr gegenüber nach Art. 98 Abs. 2 GMV i.V.m. § 19 Abs. 1 und 2 MarkG, 240 BGB zur Auskunft bzw. Rechnungslegung verpflichtet. Denn die Klägerin ist auf die ihr zuerkannten Angaben angewiesen und es nicht zu erkennen, dass die Beklagte durch diese Auskunft unzumutbar belastet wird. Auch ist nicht geltend gemacht worden, dass die Angaben unverhältnismäßig seien.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Enscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 709, 108 ZPO.

V.

Der Streitwert wird auf € 250.000,00 festgesetzt.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 20.01.2004
Az: 4a O 92/03


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