Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. April 2001
Aktenzeichen: 30 W (pat) 222/00

(BPatG: Beschluss v. 09.04.2001, Az.: 30 W (pat) 222/00)

Tenor

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung Secatonist am 3. April 1996 für "Arzneimittel, pharmazeutische Erzeugnisse sowie chemische Erzeugnisse für die Gesundheitspflege, diätetische Erzeugnisse für Kinder und Kranke" in das Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 20. Juli 1996.

Widerspruch erhoben hat ua die Inhaberin der älteren, seit dem 16. Dezember 1985 für "Arzneimittel, nämlich Appetitzügler" eingetragenen Marke 1 085 569 RECATOL N.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in dem angefochtenen Beschluß die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Ihrer Ansicht nach reichen angesichts möglicher identischer bzw in einem engen Ähnlichkeitsbereich liegender Waren die geringfügigen Unterschiede der Marken in klanglicher Hinsicht nicht aus, um Verwechslungen mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen zu können.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat Beschwerde erhoben. Sie hält im Gesamteindruck die Gefahr von Verwechslungen nicht für gegeben.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Widerspruch aus der Marke 1 085 569 zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Beschluß der Markenstelle für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluß der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist in der Sache ohne Erfolg. Es besteht Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, so daß die Markenstelle zu Recht wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 085 569 die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke angeordnet hat.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von in Wechselbeziehung zueinander stehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (stRspr, zB EuGH MarkenR 1999, 22 - CANON; BGH MarkenR 1999, 297 - HONKA).

Der Senat geht bei seiner Entscheidung mangels anderweitiger Anhaltspunkte von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke RECATOL N aus.

Die Marken können nach der Registerlage, soweit sich "Arzneimittel, pharmazeutische Erzeugnisse sowie chemische Erzeugnisse für die Gesundheitspflege" und "Arzneimittel, nämlich Appetitzügler" gegenüberstehen, zur Kennzeichnung von identischen bzw eng ähnlichen Waren verwendet werden, da die jeweiligen Waren bei der Behandlung gleicher Krankheiten (Fettleibigkeit) eingesetzt werden können. Auch bei den Waren "diätetische Erzeugnisse für Kinder und Kranke" der angegriffenen Marke bestehen erhebliche Berührungspunkte zu den Waren "Arzneimittel, nämlich Appetitzügler" der Widerspruchsmarke. Anders als Arzneimittel dienen "diätetische Erzeugnisse" zwar nicht direkt der Behandlung von Krankheiten in einem engen funktionalen Sinne, sondern in erster Linie der Ernährung. Allerdings sollen durch die Zuführung oder Vermeidung bestimmter Nährstoffe bzw Nahrungsbestandteile bei einer diätetischen Ernährung auch Krankheiten oder krankhafte Beschwerden zumindest gelindert oder vermieden werden. Insoweit entspricht die Zielrichtung einer diätetischen Ernährung jedenfalls teilweise durchaus der einer Behandlung mit Arzneimitteln, wie vorliegend auch aus dem Warenverzeichnis aus der Bestimmungsangabe "für Kranke" ohne weiteres ersichtlich (vgl dazu auch die Definition des Arzneimittelbegriffs in § 2 Abs 1 Nr 1 AMG). Vorliegend jedenfalls können sich die Anwendungsbereiche überschneiden: der Einsatz von Arzneimitteln als Appetitzügler kann von der Anwendung der im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke enthaltenen diätetischen Erzeugnisse begleitet und unterstützt werden. Trotz der bestehenden Unterschiede zwischen diesen Vergleichswaren ist nach Auffassung des Senats daher von einem engeren Warenähnlichkeitsgrad auszugehen. Verwechslungsfördernd kommt hinzu, daß es sich - auch im Bereich der identischen Waren "Arzneimittel" mangels Rezeptpflicht - um Waren handeln kann, die von den allgemeinen Verkehrskreisen im Wege der Selbstmedikation erworben werden. Andererseits ist auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen (vgl EuGH WRP 1999, 806, 809 Tz 26 - Lloyd/Loint's; BGH MarkenR 2000, 140, 144 - ATTACHÉ/TISSERAND), der zudem erfahrungsgemäß gerade bei Waren, die den Gesundheitssektor betreffen, eine gesteigerte Aufmerksamkeit aufzubringen pflegt (vgl dazu BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).

Unter Berücksichtigung der genannten Umstände ist von strengen Anforderungen an den erforderlichen Markenabstand auszugehen. Der danach erforderliche Abstand zur älteren Widerspruchsmarke reicht nach Auffassung des Senats - zumindest in klanglicher Hinsicht - nicht mehr aus, um Verwechslungen der Marken mit hinreichender Sicherheit ausschließen zu können. Selbst wenn von einem gewissen Abstand zwischen diätetischen Erzeugnissen und Arzneimitteln und damit an den zur Vermeidung von Verwechslungen erforderlichen Markenabstand zugunsten der Inhaberin der angegriffenen Marke von etwas reduzierten Anforderungen auszugehen wäre, würde die angegriffene Marke in klanglicher Hinsicht diesen Anforderungen nicht gerecht. Wegen der klanglichen Ähnlichkeit der Markenwörter besteht Verwechslungsgefahr, so daß die weitere Frage einer schriftbildlichen Verwechslungsgefahr dahingestellt bleiben kann (vgl BGH MarkenR 1999, 57, 59 - LIONS).

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Marken ist der angegriffenen Marke das Wort RECATOL allein ohne den zusätzlich in der Widerspruchsmarke enthaltenen Buchstaben "N" gegenüberzustellen. Denn das auf vielen Medikamenten hinter der eigentlichen Präparatebezeichnung stehende "N" bedeutet lediglich eine veränderte Zusammensetzung eines bereits zugelassenen Medikaments und wird in Arzneimittelkennzeichnungen häufig verwendet (vgl Rote Liste 2000 Nr 37 050, 37 059, 37 063, 37 065, 37 066, 37 067, 37 069); ihm kommt somit keine kennzeichnende Bedeutung in der Gesamtmarke zu (vgl PAVIS PROMA Kliems, CD-ROM, 25 W (pat) 227/94 - Levatol/RECATOL N; auch BPatG MarkenR 2000, 430 - ATLAVIT C/Addivit zur Verwendung von Buchstabenbestandteilen in Arzneimittelkennzeichnungen, auch zu Packungsgrößenklassifizierungen wie N1, N2 und N3).

Bei dem Markenvergleich Secaton/RECATOL kann zunächst nicht ganz außer Betracht bleiben, daß die Endungen der Marken "-on" bzw "-ol" angesichts ihres überaus häufigen Vorkommens auf vorliegendem Warengebiet als verbraucht anzusehen sind. Damit liegt das Schwergewicht der beiderseitigen Kennzeichnungen auf den ohnehin stärker beachteten Wortanfängen. Gerade hier aber weisen die beiden Marken - abgesehen von den Anfangsbuchstaben - völlige Übereinstimmung in dem Lautbestand "-ecat-" auf. Unter diesen Umständen kann, auch unter einer angemessenen Mitberücksichtigung der Endungen "-on" bzw "-ol", der Unterschied in den Anfangslauten "S" gegenüber "R" nicht mehr als noch ausreichend angesehen werden, um - auch angesichts des gleichen Sprech- und Betonungsrhythmus - bei der gegebenen Warenlage Verwechslungen in markenrechtlich erheblichem Umfang auszuschließen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Winter Schramm Voit






BPatG:
Beschluss v. 09.04.2001
Az: 30 W (pat) 222/00


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