Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 23. Februar 2006
Aktenzeichen: I-10 W 115/05

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 23.02.2006, Az.: I-10 W 115/05)

§§ 3 Abs. 1, 6 Abs. 1 BerHG

1.

Eine Vergütung für nach § 6 Abs. 1 BerHG bewilligte Beratungshilfe aus der Staatskasse ist nur an die zur Gewährung von Beratungshilfe Befugten (§ 3 Abs. 1 BerHG) zu zahlen.

2.

§ 3 Abs. 1 BerHG kann nicht im Wege der Analogie ausgedehnt werden auf Stellen, die im Sinne von § 305 Abs. 1 Nr. InsO als für Verbraucherinsolvenzberatung geeignet anerkannt sind.

Tenor

Die weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 6. Zi-vilkammer des Landgerichts Krefeld vom 14.09.2005 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Dem Antragsteller ist durch das Amtsgericht Kempen unter dem 30.01.2004 ein Berechtigungsschein für Beratungshilfe durch einen Rechtsanwalt erteilt worden (Bl. 7 GA). Mit Antrag vom 08.09.2004 meldete der Antragsteller, der eine nach Art. 1 § 3 Nr. 9 RBerG zugelassene anerkannte Stelle für Verbraucherinsolvenzberatung betreibt, nach dem RVG berechneten Gebühren in Höhe von EUR 412,96 zur Festsetzung an. Diese wurden entsprechend am 16.09.2004 durch das Amtsgericht Kempen gegen die Landeskasse festgesetzt (Bl. 11 GA).

Auf die Erinnerung der Landeskasse (Bl. 14 GA) hat das Amtsgericht Kempen die Festsetzung mit Beschluss vom 25.05.2005 aufgehoben und den Festsetzungsantrag zurückgewiesen (Bl. 43 f GA). Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers (Bl. 47 ff GA) hat das Landgericht Krefeld mit angefochtenem Beschluss zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen (Bl. 73 ff GA), über die nunmehr der Senat zu entscheiden hat.

II.

Die weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den im Tenor genannten Beschluss (Bl. 73 ff GA) ist gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2, § 56 Abs. 2, § 33 Abs. 6 RVG zulässig, jedoch unbegründet.

Der Antragsteller wendet sich ohne Erfolg gegen die im angefochtenen landgerichtlichen Beschluss (Bl. 73 ff GA) ausgesprochene Zurückweisung seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Kempen vom 25.05.2005 (Bl. 43 f GA). Zutreffend hat das Landgericht die Aufhebung des Festsetzungsbeschlusses vom 16.09.2004 (Bl. 11 GA) durch das Amtsgericht Kempen für rechtmäßig erachtet. Die landgerichtlichen Ausführungen lassen keine Rechtsfehler erkennen.

1.

Zu Recht hat das Amtsgericht Kempen es abgelehnt, im Rahmen der Beratungshilfe eine Vergütung für den Antragsteller nach dem RVG festzusetzen. Dem durch den Antragsteller beratenen Rechtssuchenden wurde ausweislich des Berechtigungsscheines vom 30.01.2004 (Bl. 7 GA) gemäß § 6 Abs. 1 BerHG ausdrücklich "Beratungshilfe durch einen Rechtsanwalt" bewilligt. Wer außer einem Rechtsanwalt zur Gewährung von Beratungshilfe befugt ist, regelt § 3 BerHG. Danach wird Beratungshilfe (außer von den Amtsgerichten) gewährt durch Rechtsanwälte und Rechtsbeistände, die Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer sind, sowie durch aufgrund einer Vereinbarung mit der Landesjustizverwaltung eingerichtete Beratungsstellen. Der Antragsteller gehört unstreitig nicht zu dem genannten Personenkreis.

Ohne Erfolg verweist der Antragsteller darauf, dass er eine als geeignet im Sinne von § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO anerkannte Stelle für Verbraucherinsolvenzberatung betreibt und damit nach Art. 1 § 3 Nr. 9 RBerG zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten befugt ist. Darauf, ob dies zur Folge hat, dass seine Tätigkeit über Art. IX. KostÄndG nach dem RVG zu vergüten ist, kommt es vorliegend nicht an. Keinesfalls kann - wie der Antragsteller meint - aus Art. IX. KostÄndG gefolgert werden, dass dem Antragsteller diese Vergütung aus der Staatskasse zu zahlen ist. Wem eine Vergütung im Rahmen der - hier allein fraglichen - Beratungshilfe aus der Staatskasse zu zahlen ist, bestimmen allein die Vorschriften des BerHG.

Eine analoge Anwendung des § 3 BerHG auf im Sinne von § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO anerkannte Stellen für Verbraucherinsolvenzberatung kommt nicht in Betracht. Eine Analogie setzt eine planwidrige Lücke im Gesetz voraus, an der es vorliegend fehlt. Art. 1 § 3 Nr. 9 RBerG wurde durch Art. 1 Nr. 3 EGInsOÄndG vom 19.12.1998 (BGBl. I, 3836) angefügt. § 3 Abs. 1 BerHG wurde zeitlich später, namentlich durch Art. 18 des Gesetzes zur Änderung des Rechts der Vertretung durch Rechtsanwälte vor den Oberlandesgerichten vom 23.07.2002 (BGBl. I, 2850), erweitert. Die Erweiterung erfolgte ausdrücklich nur auf Rechtsbeistände, die Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer sind. Hätte der Gesetzgeber eine Ausdehnung der Befugnis zur Gewährung von Beratungshilfe auf weitere Personen oder Stellen, insbesondere die in Art. 1 § 3 Nr. 9 RBerG genannte anerkannte Stelle für Verbraucherinsolvenzberatung, gewollt, hätte er dieses in der Erweiterung des § 3 Abs. 1 BerHG zum Ausdruck gebracht.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, der Gesetzgeber habe die in Art. 1 § 3 Nr. 9 RBerG genannten Stellen versehentlich nicht in die Erweiterung des § 3 Abs. 1 BerHG aufgenommen. Aus der Begründung des Gesetzentwurfs zur Änderung des § 3 BerHG (BT-Drucksache 14/8763, S. 13 zu Artikel 18) geht hervor, dass allein bezweckt wurde, die bis dato unterschiedliche Behandlung der Kammerrechtsbeistände im Sinne des § 209 BRAO bei der Prozesskostenhilfe und der Beratungshilfe zu beseitigen. Im Rahmen der Prozesskostenhilfe durften diese tätig werden, soweit kein Anwaltszwang besteht, §§ 25 EGZPO, 121 Abs. 2 ZPO. Im Rahmen der Beratungshilfe war dies bis zur Änderung des § 3 Abs. 1 BerHG nicht der Fall.

Für §§ 25 EGZPO, 121 Abs. 2 ZPO - dem Pendant zu §§ 3 Abs. 1, 6 Abs. 1 BerHG auf dem Gebiet der Prozesskostenhilfe - hat der BGH bereits entschieden,

dass eine über die Gleichstellung von Rechtsanwälten und Kammerrechtsbeistände hinausgehende Gleichstellung in Bezug auf sonstige Rechtsbeistände nicht in Betracht komme (BGH; NJW 2003, 2244, 2245 = MDR 2003, 949, 950). Die Ausführungen sind auf die Beratungshilfe übertragbar.

2.

Gründe für eine Aussetzung des Verfahrens nach Art. 100 GG liegen nicht vor. Nach Auffassung des Senats verstößt der hier maßgebliche § 3 Abs. 1 BerHG weder gegen Art. 12 Abs. 1 noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

§ 3 Abs. 1 BerHG enthält eine Regelung, die die Berufungsausübung betrifft. Regelungen der Berufsausübung sind verfassungsmäßig, wenn sie verhältnismäßig sind, das heißt durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt erscheinen, die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sind und die Beschränkung den Betroffenen zumutbar ist. Nach Auffassung des Senats wird die Beschränkung der Beratungshilfe auf Rechtsanwälte und Kammerrechtsbeistände diesen Anforderungen gerecht; ins Gewicht fällt besonders, dass die Beratungshilfe aus der Staatskasse zu vergüten ist, entsprechend auch gewisse Anforderungen an die zur Gewährung von Rechtsberatung zugelassenen Stellen gestellt werden können.

Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt nach Auffassung des Senats nicht vor, weil sachliche Gründe die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Eine nach Art. 1 § 3 Nr. 9 RBerG zugelassene Stelle ist nicht im Besitz einer uneingeschränkt (oder unter Ausnahme lediglich des Sozial- oder Sozialversicherungsrechts) erteilten Erlaubnis zur geschäftsmäßigen Rechtsbesorgung und in der zuständigen Rechtsanwaltskammer aufgenommen. Damit erfüllt sie bestimmte Voraussetzungen nicht, die die Kammerrechtsbeistände für die Beratungshilfe qualifizieren.

III.

Der Kostenausspruch folgt aus § 56 Abs. 2 Sätze 2,3 RVG.






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Beschluss v. 23.02.2006
Az: I-10 W 115/05


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