Landgericht Bielefeld:
Urteil vom 8. Dezember 2004
Aktenzeichen: 25 O 355/04

(LG Bielefeld: Urteil v. 08.12.2004, Az.: 25 O 355/04)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils beizutrei-benden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist eine Autovermietung mit Sitz in Bielefeld. Die Beklagte ist eine bundesweit tätige Versicherung, insbesondere im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung.

Die Beklagte versandte in der Vergangenheit an Unfallgeschädigte, denen gegenüber eine Eintrittspflicht der Beklagten in Betracht kam, Schreiben, in denen sie gegenüber diesen Netto-Mietwagenpreise nannte; zu diesem Mietzins könne sie einen Mietvertrag vermitteln. Die Beklagte hatte insoweit zuvor eigene Markrecherchen vorgenommen und Angebote von Mietwagenunternehmen eingeholt. Soweit möglich informierte sie die jeweils Geschädigten vor der Anmietung eines Pkw über entsprechende Anmietungsmöglichkeiten.

So versandte die Beklagte nach einem Unfall vom 11. Februar 2004 zwischen einem Versicherungsnehmer der Beklagten und dem Geschädigten I. an Letzteren ein Schreiben am 12. Februar 2004. In diesem Schreiben, das sich zur Schadensabwicklung verhält und wegen dessen weiteren Inhalts auf die zu den Gerichtsakten gereichte Kopie (Bl. 26 f.) verwiesen wird, teilt die Beklagte dem Geschädigten folgendes mit:

"Wenn Sie ein Mietfahrzeug benötigen, rufen Sie uns bitte an. Wir helfen Ihnen gern. Wir können Ihnen ein Mietfahrzeug zu einem Tagespreis von netto Euro 29 vermitteln (inkl. aller Kilometer- und Haftungsbefreiung). Im Bedarfsfall rufen Sie uns bitte an."

Ein ähnlich lautendes Schreiben hatte die Beklagte zuvor dem Zeugen K. nach einem Unfall mit einem Versicherungsnehmer der Beklagten vom 23. Oktober 2003 zugesandt, in dem ihm ein Mietwagen für netto täglich 50,00 € angeboten wurde. Dieses schriftliche Angebot wurde fernmündlich am 10. November 2003 wiederholt.

Die Klägerin ist der Auffassung, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten aus dem UWG zu haben. Sie behauptet, die Beklagte habe mit ihren Maßnahmen zur Förderung fremden Wettbewerbs gehandelt.

Die Klägerin beantragt,

I.

1.

es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern Netto-Mietwagenpreise anzubieten;

2.

der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die vorstehend in Ziffer I. 1. bezeichnete Handlung begangen hat, und zwar unter Angabe der Art, des Zeitpunkts und der Anzahl der Werbemaßnahmen;

II.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I. 1. beschriebenen Handlungen bisher entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, nicht zur Förderung fremden Wettbewerbs gehandelt zu haben, sondern nur das eigene Interesse, die anfallenden Schadenskosten gering zu halten, verfolgt zu haben. Sie habe es dem jeweils Geschädigten freigelassen, ob sie eines der von ihnen offerierten Angebote annähmen.

Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten der begehrte Unterlassungsanspruch nicht zu.

Ein entsprechender Unterlassungsanspruch ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 8 Abs. I, Abs. III Nr. 1, 3, 4 Nr. 11 und 5 UWG. Ein Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. I UWG setzt eine unlautere Wettbewerbshandlung im Sinne des § 3 UWG voraus. Da § 3 UWG n.F. keine inhaltliche Veränderung zu § 1 UWG a.F. herbeiführen soll, setzt eine Wettbewerbshandlung eine Handlung "im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs" voraus. Ein solches Handeln der Beklagten ist hier nicht festzustellen.

Unstreitig besteht ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien des vorliegenden Verfahrens nicht, da die Beklagte nicht - wie die Klägerin - eine gewerbliche Autovermietung betreibt.

Auch lässt sich nicht feststellen, dass die Beklagte mit den beanstandeten Verhaltensweisen zur Förderung fremden Wettbewerbs - was ausreichend wäre - gehandelt hat. Die hierfür erforderliche Wettbewerbsförderungsabsicht wird, wenn es - wie hier - nicht um den eigenen Wettbewerb geht, nicht vermutet (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 164). Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat insoweit auch nicht Umstände dargelegt, die eine entsprechende Wettbewerbsförderungsabsicht indizieren. Insoweit unterscheidet sich der hier zu entscheidende Fall in erheblichem Maße von dem Fall, den das OLG Düsseldorf in der zitierten Entscheidung zu entscheiden hatte; dort war die beklagte Versicherung an der Autovermietung, auf die sie die Geschädigten hingewiesen hat, nicht unbeträchtlich beteiligt, so dass weiter anzunehmen war, dass die dortige Beklagte am wirtschaftlichen Erfolg dieses Unternehmens interessiert war; zum anderen verwies die dortige Beklagte immer nur auf dies eine Mietwagenunternehmen, an dem sie beteiligt war. Solche oder ähnliche Indizien liegen nach dem Parteivortrag unstreitig in dem hier zu entscheidenden Fall nicht vor. Dass die Beklagte immer nur ein einziges Unternehmen benennt, wird von der Klägerin nicht behauptet. Auch behauptet sie nicht, dass zwischen der Beklagten und den von ihr empfohlenen Mietwagenunternehmen bilaterale Abkommen bestehen, in denen besonders günstige Preise vereinbart worden sind.

Mangels entsprechender Indizien ist eine Wettbewerbsförderungsabsicht nicht festzustellen. Der Beklagten ist insoweit nicht zu widerlegen, dass sie im Interesse der Schadensminderung sich frühzeitig mit Geschädigten in Verbindung setzt, um diese auf günstige Alternativangebote hinzuweisen und so lediglich ihre ureigenste Aufgabe als Schadensabwickler wahrnimmt.

Da eine Wettbewerbshandlung im Sinne des § 3 UWG der Beklagten nicht vorliegt, kam es hier nicht auf die Frage an, ob die Beklagte mit der Angabe von Nettopreisen gegen § 1 Preisangabenverordnung und damit gegen eine gesetzliche Vorschrift im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG verstoßen hat.

Die Klägerin kann einen Unterlassungsanspruch auch nicht auf §§ 823 Abs. I, 1004 BGB analog stützen. Ein insoweit erforderlicher betriebsbezogener Eingriff als unmittelbare Beeinträchtigung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes liegt nicht vor. Zwar kann ein solcher Eingriff unabhängig von einem bestehenden Wettbewerbsverhältnis durch geschäftsschädigende Äußerungen eines Haftpflichtversicherers gegenüber Unfallgeschädigten, die bei einem Autovermieter einen Ersatzwagen angemietet haben, grundsätzlich in Betracht kommen (vgl. BGH NJW 1999, 279 ff). Bei der insoweit erforderlichen Bestimmung des Schutzbereiches des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes ist jedoch zu berücksichtigen, dass eine Haftpflichtversicherung grundsätzlich nicht daran gehindert ist, im Rahmen ihrer eigenen geschäftlichen Betätigung, zu der die versicherungsrechtliche Abwicklung von Schadensfällen gehört, an den Geschädigten heranzutreten, um mit diesem gemeinsam eine möglichst rationelle, den rechtlichen Verpflichtungen aller Beteiligten entsprechende Handhabung und Abrechnung zu erreichen (vgl. BGH a.a.O.). Danach ist davon auszugehen, dass der Autovermieter noch keine gesicherte Rechtsposition erlangt hat, wenn ein Mietvertrag zwischen ihm und dem Geschädigten in dem Zeitpunkt noch nicht zustande gekommen ist, in dem der Haftpflichtversicherer auf den Geschädigten zutritt.

Die Klägerin hat schon nicht behauptet, dass die Beklagte erst an die Geschädigten herangetreten ist, als diese bereits einen Mietvertrag mit der Klägerin abgeschlossen hatte. Schon aus diesem Grund ist die erforderliche Rechtsgutverletzung nicht gegeben.

Aus Sicht der Kammer ist die Verhaltensweise der Beklagten zudem nicht zu beanstanden, wenn sie auf günstige Mietwagenpreisangebote hinweist. Soweit diese Mietwagenpreise marktgerechtgerecht zustande gekommen sind, das heißt nicht zum Beispiel auf entsprechender Subvention durch die Versicherungswirtschaft beruhen, verstößt ein Geschädigter gegen seine Schadensminderungspflicht, wenn er in Kenntnis eines solchen günstigeren Angebotes ein teureres Mietwagenangebot annimmt. Dass die von der Beklagten mitgeteilten Angebote nicht marktgerecht sind, wird von der Klägerin nicht substantiiert behauptet. Anhaltspunkte hierfür sind auch nicht ersichtlich.

Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch, den sie mit dem Auskunftsbegehren und dem Feststellungsantrag verfolgt, ebenfalls nicht zu. Ein solcher ergibt sich weder aus § 9 UWG noch aus § 823 Abs. I BGB. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden, da weder eine unlautere Wettbewerbshandlung i.S.d. § 3 UWG - wie von § 9 UWG vorausgesetzt - noch ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vorliegt. Es kann damit dahinstehen, ob die weiteren Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs vorliegen und ob aufgrund einer eventuellen Verjährung Einschränkungen zu machen sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. I Satz 1 1. Halbsatz ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit rechtfertigt sich aus § 709 ZPO.






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