Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 18. März 2004
Aktenzeichen: 1 K 2630/00

(VG Köln: Urteil v. 18.03.2004, Az.: 1 K 2630/00)

Tenor

Der Bescheid der RegTP vom 24. Februar 2000 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass eine Genehmigungspflicht der Entgelte für die Leistung "Voranfrage" nicht besteht.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des bei-zutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Die Revision unter Óbergehung der Berufungsinstanz wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin, die , ist Rechtsnachfolgerin der E. . Sie ist Eigentümerin der Telekommunikationsnetze der ehe- maligen E. und der hierzu gehörenden technischen Ein- richtungen.

Sie schloss mit mehreren Unternehmen Verträge über den Zugang zur Teilneh- meranschlussleitung (TAL). In diesen Verträgen finden sich Regelungen über den Zugang zur TAL, den räumlichen Zugang und die dafür zu erbringenden Entgelte. Darüber hinaus wird die Leistung "Voranfrage" verabredet, in deren Rahmen der Car- rier vor der Bestellung eines Zugangs zur TAL eine Aussage über die Realisierbarkeit der nachgefragten Ausführungsvariante für die konkrete TAL erhält. Voraussetzung ist, dass es sich um eine Voranfrage im Rahmen der Begründung/Änderung eines Vertragsverhältnisses handelt, d.h. es müssen zwischen dem Kunden, der die Voran- frage stellt, und dem potentiellen Endkunden bereits konkrete Kontakte mit dem Ziel des Vertragsabschlusses bestanden haben. Die Voranfrage wird in der Regel inner- halb von sechs Tagen beantwortet. Sie wird unter dem Vorbehalt beantwortet, dass sich jederzeit Änderungen der Realisierbarkeit im Hinblick auf die in Frage stehende TAL ergeben können. Eine Reservierung dieser TAL erfolgt nicht.

Unter dem 15. Dezember 1999 beantragte die Klägerin bei der Regulierungsbe- hörde für Telekommunikation und Post (RegTP) vorsorglich rückwirkend zum 07. Dezember 1999 die einzelvertragsunabhängige Genehmigung der Entgelte für die Leistung Vorabfrage, die sie erstmals in einem Vertrag mit der O. vom 07. Dezember 1999 vereinbart hatte. Sie stellte diesen Antrag vorbehaltlich der Klärung, ob derartige Entgelte der exante Regulierung unterlägen.

Durch Bescheid vom 24. Februar 2000, zugestellt am 24. Februar 2000, geneh- migte die RegTP das beantragte Entgelt teilweise, befristet bis zum 31. März 2001, jedoch ohne Rückwirkung und nicht unabhängig vom Einzelvertrag. Die Genehmi- gung umfasste die geschlossenen Vereinbarungen über den Zugang zur TAL sowie bis zum 08. März 2000 abzuschließende Vereinbarungen, soweit ein Entgelt für die Leistung Voranfrage vereinbart werde. Die Entgelte seien nach § 39 1. Alternative des Telekommunikationsgesetzes (TKG) genehmigungspflichtig, demzufolge die Entgelte für alle über das Netz verfügbaren Leistungen der Genehmigungspflicht unterlägen. Die Leistung Voranfrage sei in be- stimmten Fällen für die Gewährung des Netzzugangs unentbehrlich, wie sich daraus ergebe, dass der Vertragspartner der Klägerin bereits im Vorfeld des Vertragsab- schlusses mit einem Endkunden wissen müsse, was auf der bestehenden TAL reali- sierbar sei, um dem Endkunden ein verbindliches Angebot unterbreiten zu können. Die Tatsache, dass mit der Voranfrage keine Reservierung der Leitung bzw. eine Netzverträglichkeitsprüfung verbunden sei, stehe der Erforderlichkeit nicht entgegen. Aufgrund des engen zeitlichen Rahmens - Bearbeitung innerhalb von sechs Tagen; Voranfrage nur bei sich konkret anbahnendem Vertrag - sei davon auszugehen, dass in der Regel Kapazitäten, die laut Voranfrage vorhanden seien, dies auch bei der nachfolgenden Bestellung noch seien. Damit werde durch die Voranfrage das Risiko, den Vertrag mit dem Endkunden nicht erfüllen zu können, auf ein wirtschaftlich ver- tretbares Maß minimiert. Die Netzverträglichkeitsprüfung sei technisch zwingende Voraussetzung für die Gewährung des Netzzugangs, die Voranfrage wirtschaftliche. Hiergegen spreche auch nicht der Umstand, dass die Voranfrage nur in geringem Umfange in Anspruch genommen werde.

Der Höhe nach sei das beantragte Entgelt nur teilweise genehmigungsfähig.

Die Klägerin hat am 24. März 2000 Klage erhoben, mit der sie sich zum einen gegen die Annahme wendet, die Entgelte für die Voranfrage seien genehmigungs- pflichtig. Es gehe nicht um Entgelte für die Gewährung eines Netzzuganges, auch sei die Voranfrage nicht erforderlich für die Schaltung des Netzzuganges. Vielmehr stehe eine zusätzliche Serviceleistung in Rede, die zwar nützlich sein möge, nicht aber notwendig. Dies ergebe sich schon daraus, dass die TAL unabhängig davon bereit gestellt werde, ob zuvor eine Voranfrage stattgefunden habe oder nicht. Aufgrund der Voranfrage werde auch keine Garantie abgegeben, dass die TAL in der nachge- fragten Version später tatsächlich zur Verfügung stehe. Entsprechend werde diese Leistung auch nur in weniger als 0,1% der Fälle in Anspruch genommen.

Zum anderen habe sie auch der Höhe nach Anspruch auf Erteilung einer rück- wirkenden und vom konkreten Einzelvertrag losgelösten Genehmigung des beantragten Entgelts.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der RegTP vom 24. Februar 2000 aufzuheben und festzustellen, dass eine Genehmigungspflicht für die Entgelte für die Leistung "Voranfrage" im Zusammenhang mit dem Zugang zur TAL nicht besteht,

hilfsweise,

die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des vorgenannten Bescheides zu verpflichten, die Entgelte für die Leistung Voranfrage im Zusammenhang mit dem Zugang zur TAL entsprechend ihrem Antrag vom 15. Dezember 1999 bis zum 31. März 2001 zu genehmigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides und weist darüber hinaus darauf hin, die Voranfrage spiele eine besondere Rolle bei ISIS/OPAL- Varianten der TAL. Wo diese Varianten existierten, könne kein DSL realisiert werden. Vertragspartner der Klägerin, die ihren Kunden DSL anbieten wollten, hätten deshalb ein großes Interesse daran, das Vorliegen von ISIS/OPAL auszuschließen. Nur die Klägerin als ehemalige Monopolistin wisse, welche Varianten der TAL in ihrem Festnetz im Einzelnen realisiert seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der RegTP Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Nach § 39 1. Alt. TKG gilt § 25 Abs. 1 TKG, und damit die dort geregelte Rechtsfolge der Genehmigungspflicht, für die Regulierung der Entgelte "für die Gewährung eines Netzzugangs nach § 35". Diese Voraussetzung ist hinsichtlich der vorliegend in Rede stehenden Leistung "Voranfrage" nicht erfüllt.

Zwar stellt der Zugang zur TAL einen besonderen Netzzugang im Sinne der §§ 35 Abs. 1 Satz 2, 39 1. Alt. TKG dar,

vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 25. April 2001 - 6 C 6.00 -, UA Seite 22 f., Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2001, 1399, 1402 f.; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 07. Februar 2000 - 13 A 180/99 -; Urteil der Kammer vom 09. November 2000 - 1 K 10406/98 - .

Jedoch unterfällt die "Voranfrage" nicht dem Begriff der Gewährung des Netzzugangs. Unter dem Begriff der "Gewährung" des Netzzugangs ist all das zu verstehen, was die Nutzung des Netzzugangs erst ermöglicht. Das folgt daraus, dass § 39 TKG auf § 35 TKG Bezug nimmt und dass dort in Absatz 1 die Gewährung eines Netzzugangs mit den Worten beschrieben wird: "..hat anderen Nutzern Zugang zu seinem Telekommunikationsnetz oder zu Teilen desselben zu ermöglichen". Ferner ist auf den Wortlaut des § 35 Abs. 5 Satz 1 TKG hinzuweisen, wonach durch Rechtsverordnung geregelt wird, "in welcher Weise" ein besonderer Netzzugang zu ermöglichen ist. Dementsprechend regelt die Netzzugangsverordnung nicht nur die Herstellung des physischen und logischen Netzzugangs als solche. Vielmehr betrifft sie auch die Art und Weise des räumlichen Zugangs am Zugangspunkt, d.h. an der übertragungs-, vermittlungs- oder betriebstechnischen Schnittstelle. Das ergibt sich bereits aus der Überschrift des § 3 NZV: "Räumlicher Zugang (Kollokation)". Noch deutlicher heißt es in § 3 Abs. 2 NZV, der Betreiber habe der Verpflichtung zur entbündelten Leistung nach Absatz 1 "durch die Unterbringung der für die Nutzung der Leistung nach Absatz 1 erforderlichen Einrichtungen in seinen Räumen nachzukommen ("physische Kollokation") und dem Nutzer oder dessen Beauftragten jederzeit Zutritt zu diesen Einrichtungen zu gewähren." § 39 TKG ordnet die Geltung der Entgeltregulierungsvorschriften in denjenigen Bereichen, in denen - wie hier im Festnetzbereich - die ehemalige Monopolstellung der Klägerin fortwirkt, für alle Leistungen an, die wesentlich sind für die Gewährung eines (besonderen) Netzzugangs nach § 35 TKG,

vgl. Urteile des Gerichts vom 30. August 2001 - 1 K 9669/98 und 1 K 10404/98 -, vom 06. April 2000 - 1 K 7606/97 - sowie vom 21. Februar 2002 - 1 K 807/00 -.

Dabei kann nach der Rechtsprechung der Kammer auch eine in der zeitlichen Abfolge der konkreten technischen Schaltung der Netzverbindung vorausgehende, aber für die Gewährung des Netzzugangs essentiell notwendige Leistung - wie etwa die der Netzverträglichkeitsprüfung -,

vgl. Urteile der Kammer vom 07. November 2002 - 1 K 4767/98 und 1 K 9130/02 -,

dem Begriff der "Gewährung von Netzzugang" im Sinne des § 39 1. Alternative TKG unterfallen, wenn sie der realen Verbindung der Netze unmittelbar vorausgeht und für diese erforderlich ist. Dies ist indes bei der Leistung "Voranfrage" nicht der Fall. Die Leistung "Voranfrage" vermittelt zwar dem anfragenden Wettbewerber gewisser- maßen eine Momentaufnahme über Verfügbarkeit und technische Ausstattung der konkreten TAL im Zeitpunkt der Beantwortung. Sie bildet jedoch keinen notwendigen Schritt vor der eigentlichen Gewährung des Netzzugangs, der im Übrigen auch ohne Inanspruchnahme der "Voranfrage" gewährt wird. Da nämlich eine Reservierung der konkret angefragten TAL mit der "Voranfrage" nicht verbunden ist und die Beantwor- tung unter dem Vorbehalt erfolgt, dass sich jederzeit Änderungen der Realisierbarkeit im Hinblick auf die bewusste TAL ergeben können, ist ein strikter Kausalzusammen- hang zwischen - positiv beantworteter - "Voranfrage" und Gewährung des Netzzugangs nicht gegeben.

Insofern ist es sachgerecht, die Leistung "Voranfrage" als zusätzliche, möglicherweise nützliche, aber nicht zwingend erforderliche Maßnahme im Vorfeld der Gewährung eines Netzzugangs zu qualifizieren, die nicht unter den Begriff der "Gewährung von Netzzugang" subsumiert werden kann.

Eine abweichende Sichtweise ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage der Genehmigungspflichtigkeit von Entgelten gemäß §§ 39 1. Alternative, 35 TKG,

vgl. Urteil vom 25. Juni 2003 - 6 C 17.02 -, NVwZ 2004, 233 ff.,

da dieses sich lediglich zu - hier nicht in Rede stehenden - Verbindungsleistungen verhält.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 709 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Zulassung der Berufung beruht auf § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, die der Sprungrevision auf § 134 i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.






VG Köln:
Urteil v. 18.03.2004
Az: 1 K 2630/00


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