Verwaltungsgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 13. August 1999
Aktenzeichen: 16 L 1708/99

(VG Düsseldorf: Beschluss v. 13.08.1999, Az.: 16 L 1708/99)

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 4.000,00 DM festgetzt.

Gründe

Der Antrag des Antragstellers,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 22. April 1999 wiederherzustellen,

hat keinen Erfolg.

Soweit der Widerspruch des Antragstellers sich gegen Ziffer b) der Ordnungsverfügung richtet, ist der Antrag unzulässig. Denn hinsichtlich dieses Teiles der Ordnungsverfügung ist die sofortige Vollziehung nicht angeordnet worden, so dass die aufschiebende Wirkung mit Einlegung des Widerspruchs eingetreten ist.

Im Übrigen ist der Antrag unbegründet.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs wiederherstellen, wenn die Behörde die sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes im öffentlichen Interesse angeordnet hat.

Voraussetzung für die begehrte Entscheidung ist, dass das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Das ist im Allgemeinen nur dann der Fall, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist oder aus sonstigen Gründen ein überwiegendes privates Interesse vorliegt.

Beide Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Vielmehr spricht nach der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung alles dafür, dass die Ordnungsverfügung des Antragsgegners hinsichtlich der hier streitigen Untersagung des Inverkehrbringens von „Pu-Erh-Tee Kapseln in jeglicher Form von allen Herstellern (z.B. xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx)" rechtmäßig ist.

Die Untersagungsverfügung ist hinreichend bestimmt. Sie bezieht sich zum einen auf die im Reformhaus des Antragstellers angebotenen und beanstandeten Pu- Erh- Tee Kapseln und macht darüberhinaus deutlich, dass auch keine anderen Pu- Erh- Tee Kapseln an Stelle der konkret beanstandeten in Verkehr gebracht werden dürfen. Daher ist die Formulierung „in jeglicher Form von allen Herstellern" nicht zu beanstanden.

Der Antragsgegner hat seine Ordnungsverfügung auf § 69 Abs. 1 Nr. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) gestützt.

Nach dieser Vorschrift treffen die zuständigen Behörden - das ist hier der Antragsgegner (vgl. § 1 Abs. 1 Ziff 3 der Verordnung über die Zuständigkeiten im Arzneimittelwesen vom 11. Dezember 1990, zuletzt geändert durch Verordnung vom 30. April 1996, SGV NW 2121) - die zur Beseitigung festgestellter und zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen, sie können insbesondere das Inverkehrbringen von Arzneimitteln untersagen, wenn die erforderliche Zulassung nicht vorliegt.

Die Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung des Antragsgegners hängt damit entscheidend davon ab, ob die vom Antragsteller in Verkehr gebrachten „Pu-Erh-Tee Kapseln" als zulassungspflichtiges Arzneimittel i.S.d. § 2 AMG zu qualifizieren sind. Einer Zulassung - die hier unstreitig nicht vorliegt - bedürfte es nur dann nicht, wenn es sich bei den Kapseln um ein Lebensmittel i.S.d. § 1 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (LMBG) handeln würde, wie die Antragstellerin meint.

Die materielle Abgrenzungsnorm findet sich in § 1 Abs. 1 LMBG. Danach sind Lebensmittel Stoffe, die dazu bestimmt sind, in unverändertem, zubereitetem oder verarbeitetem Zustand von Menschen verzehrt zu werden, es sei denn, dass sie überwiegend dazu bestimmt sind, zu anderen Zwecken als zur Ernährung oder zum Genuß verzehrt zu werden.

Bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung ist davon auszugehen, dass die fraglichen „Pu-Erh-Tee Kapseln" überwiegend dazu bestimmt sind, zu anderen Zwecken als zur Ernährung oder zum Genuss verzehrt zu werden, nämlich zu arzneilichen Zwecken.

Für die Feststellung der überwiegenden Zweckbestimmung ist die Verkehrsanschauung maßgeblich. Sie wird regelmäßig durch die allgemeine Verwendung seitens der Verbraucher bestimmt, die wiederum davon abhängt, welche Verwendungsmöglichkeiten der Stoff seiner Art nach hat. Dabei kann die Vorstellung der Verbraucher auch durch die Auffassung der pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft beeinflusst sein, ebenso auch die dem Mittel beigefügten oder in Werbeprospekten enthaltenen Indikationshinweise und Gebrauchsanweisungen sowie die Aufmachung, in der das Mittel dem Verbraucher allgemein entgegentritt,

vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 1995 -I ZR 209/92-, BHG LM, UWG § 1 Nr. 678, mit weiteren Nachweisen zu § 2 AMG iVm § 1 LMBG.

Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die streitbefangenen Produkte ihrer überwiegenden Zweckbestimmung nach Arzneimittel.

Dem steht nicht entgegen, dass die Kapseln nach den Vertreiberangaben ein Nahrungsergänzungsmittel und damit ein Lebensmittel sein sollen. Dieser Einordnung vermag sich die Kammer nicht anzuschließen. Nahrungsergänzungsmittel, für die es eine gesetzliche Definition weder im deutschen noch im EG- Lebensmittelrecht gibt, dienen nach der Verbrauchererwartung der Ergänzung einer möglicherweise unausgewogenen Nahrung durch die gezielte Zufuhr essentieller Nährstoffe; der Verbraucher erwartet bei derartigen Mitteln, dass er seine Ernährung sinnvoll ergänzt. Dies mag zwar u.U. für die in dem Produkt xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx enthaltenen Zusätze von Apfelessig und Vitamin C gelten, nicht aber für den bei diesem Produkt in den Vordergrund gestellten Pu- Erh- Tee.

Tee, d.h. das aus bestimmten Teilen des Teestrauchs (camellia sinensis) gewonnene Aufgussgetränk ist nach der allgemeinen Verkehrsauffassung ein Genussmittel, das wegen seiner anregenden und erfrischenden Wirkung Verwendung findet. Diese Zweckbestimmung kann bei einem Präparat, das in Kapselform zum Einnehmen angeboten wird, nicht erreicht werden. Denn die Kapselform ist keine Form, ein Genussmittel zu sich zu nehmen, das Schlucken einer Kapsel bereitet keinen Genuss.

Eine über diese Einstufung als Genussmittel hinausgehende Ernährungsbedeutung hat Tee nach der allgemeinen Verkehrsauffassung nicht. Vielmehr ist Tee im Übrigen allenfalls als Hausmittel bei (geringfügigen) Magen- Darm- Erkrankungen bekannt, erfüllt also in soweit eine arzneiliche Funktion.

Allein durch die Zugabe von möglicherweise als Nahrungsergänzungsmittel einzustufenden Zusätzen wird der Tee nicht schon selbst zum Nahrungsergänzungsmittel.

Auch die Aufmachung des Produktes legt eine Einstufung als Nahrungsergänzungsmittel nicht nahe. Apfelessig und Vitamin C werden nur nebenbei erwähnt, die Anordnung dieser Angaben auf der Verpackung läßt beim Verbraucher den Eindruck entstehen, es handele sich um Kapseln, die im Wesentlichen Tee enthalten und denen lediglich etwas Apfelessig und Vitamin C zum Zwecke der Nahrungsergänzung zugesetzt worden sind; ein Ernährungszweck des Tees wird nicht ersichtlich. Der übrige Text auf der Verpackung beschäftigt sich ebenfalls in der Hauptsache ausführlich nur mit dem roten Pu- Erh- Tee und erwähnt nur am Rande die Ergänzung durch Apfelessig und Vitamin C, ohne überhaupt auf deren Bedeutung für die Ernährung einzugehen. Der Hinweis auf der Verpackung, dass der Tee eine Vielzahl gesundheitsfördernder Pflanzenstoffe und Mineralien enthält, die für seine wohltuende Wirkung verantwortlich seien, knüpft ebenfalls an die Einstufung von Tee als arzneiliches Hausmittel an und nicht als Mittel zur Nahrungsergänzung.

Im Übrigen beziehen sich die auf der Verpackung enthaltenen Angaben ganz allgemein auf den roten Pu- Erh- Tee; es liegt daher nahe, dass der Verbraucher die aus der Werbekampagne für diesen Tee stammenden Werbeaussagen ebenfalls auf die hier streitigen Pu- Erh- Tee Kapseln bezieht. Auch diese Angaben sind durchaus geeignet, bei einem Teil der Verbraucher die Vorstellung einer arzneilichen Wirkung der streitigen Produkte hervorzurufen.

Soweit darin auf die Wirkung als natürlicher Schlankmacher abgestellt wird, mag die Einstufung als Arzneimittel für den Tee als Aufgussgetränk zwar nicht eindeutig sein (da ohnehin allgemein bekannt ist, dass eine Abnahme ernährungsbedingten Übergewichts erzielt werden kann bei Verzicht auf kalorienhaltige Getränke, worauf der Hinweis, dass der Tee in großen Mengen und ansonsten allenfalls Mineralwasser getrunken werden sollte, zielte, vgl. Beschluss der Kammer vom 10. Dezember 1998 - 16 L 4986/98 -). Allerdings sind dem Tee in den Begleitmaterialien über die Wirkung als „Fett- Killer" weitere Wirkungen zugeschrieben worden, nämlich Abhilfe nach übermäßigem Alkoholgenuss bei Kater und natürliche Entgiftung und Entschlackung des Körpers. Dies sind eindeutig gesundheitsbezogene Angaben, die keinen Lebensmittelbezug haben. Darüberhinaus wurde der Pu- Erh- Tee auch noch damit beworben, dass er die schädlichen Blutfette senke und bei Lipämie einen weitaus höheren Heilungseffekt habe als die herkömmlichen Medikamente, die sog. Clofibrate, auch diese Angaben machen den Arzneimittelcharakter deutlich.

Angesichts dieser Werbeaussagen ist gerade ein „Schlankmacher" in Kapselform geeignet, beim Verbraucher die Vorstellung zu erwecken, er nehme ein Arzneimittel ein, was durch die Erscheinungsform und auch die Einnahmeempfehlung noch unterstrichen wird.

Auch die allgemeine Interessenabwägung fällt zum Nachteil des Antragstellers aus. Denn es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse daran, dass die strengen und unumgänglichen Kontrollpflichten und Verantwortlichkeiten des Arzneimittelgesetzes eingehalten werden, um wirksam vor Arzneimittelrisiken zu schützen. Eine Umgehung der Zulassung durch die zuständige Bundesoberbehörde, die erst nach detaillierter Prüfung erfolgt und mit der alle die Arzneimittelsicherheit wesentlichen Punkte festgesetzt werden, muss demgemäß unterbunden werden.

Demgegenüber muss das private, rein wirtschaftliche Interesse des Antragstellers an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes zurücktreten.

Der Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG.






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