Landgericht Dortmund:
Urteil vom 6. Januar 2015
Aktenzeichen: 25 O 184/14

(LG Dortmund: Urteil v. 06.01.2015, Az.: 25 O 184/14)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Die Beklagte wurde verurteilt, es zu unterlassen, die Klausel "Übernahme der Kosten für die Gutachtenerstellung" in ihren Verträgen zu verwenden. Zuwiderhandlungen können mit einem Ordnungsgeld oder einer Ordnungshaft geahndet werden. Zusätzlich muss die Beklagte dem Kläger 250,00 € zuzüglich Zinsen zahlen. Die übrigen Klageansprüche wurden abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Das Urteil kann vorläufig vollstreckt werden, wenn eine Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,00 € erbracht wird.

Der Kläger ist eine qualifizierte Einrichtung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG. Die Beklagte verwendet in ihrem Geschäftsbetrieb ein Formular, in dem unter anderem "Kosten gemäß Honorartableau" und "Die Kosten für die Gutachtenerstellung ... sind auch dann von mir / uns zu bezahlen, wenn ein Kredit der Bank ... nicht zur Verfügung gestellt wird..." aufgeführt sind. Der Kläger hält diese Inrechnungstellung der Kosten für verbraucherschutzwidrig.

Der Kläger hat einen Unterlassungsanspruch nach dem UKlaG geltend gemacht. Die Beklagte verwendet Allgemeine Geschäftsbedingungen, die nach § 307 bis 309 BGB unwirksam sind. Das Formular der Beklagten ist als Allgemeine Geschäftsbedingung anzusehen, da es für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert ist. Die Vertragsbedingungen wurden nicht zwischen der Beklagten und ihren Kunden ausgehandelt. Die Vertragsbedingungen unterliegen daher der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle.

Die Beklagte versucht, die Kosten für die Gutachtenerstellung auf den Kunden abzuwälzen, obwohl dies eigentlich in ihren eigenen Pflichten als Bank liegen würde. Dadurch wird der Kunde unangemessen benachteiligt. Das Wertgutachten wird im Interesse der Beklagten und nicht des Kunden erstellt. Auch die Möglichkeit, eine Ausfertigung des Wertgutachtens zu bekommen, ändert nichts an der unangemessenen Benachteiligung des Kunden.

Der Antrag des Klägers ist nicht zu weitgehend, da er nur inhaltsgleiche Klauseln erfasst und nicht Individualvereinbarungen. Der Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten ergibt sich aus dem UKlaG und dem UWG. Zinsen müssen jedoch erst ab dem 13.02.2014 gezahlt werden, da die Beklagte erst zu diesem Zeitpunkt in Verzug war.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte, und das Urteil kann vorläufig vollstreckt werden, wenn eine Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,00 € erbracht wird.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LG Dortmund: Urteil v. 06.01.2015, Az: 25 O 184/14


Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, zu verhängen gegen den Vorstand der Beklagten, zu unterlassen, die folgende und/oder eine dieser inhaltsgleiche AGB-Klausel in Bezug auf Darlehensverträge zu verwenden, sofern nicht der Vertrag mit einer Person abgeschlossen wird, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer):

"Übernahme der Kosten für die Gutachtenerstellung" mit nachstehendem Formular:

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 250,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Februar 2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,00 €.

Tatbestand

Bei dem Kläger handelt es sich um eine qualifizierte Einrichtung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG.

Die Beklagte benutzt in ihrem Geschäftsbetrieb ein Formular gegenüber ihren Kunden, wie es sich beispielhaft aus der Anlage K 6, Blatt 19 der Akten, ergibt. In diesem Formular ist unter anderem aufgeführt "Kosten gemäß Honorartableau" sowie "Die Kosten für die Gutachtenerstellung ... sind auch dann von mir / uns zu bezahlen, wenn ein Kredit der Bank ... nicht zur Verfügung gestellt wird...". Wegen der Einzelheiten wird auf das in der Klagebegründung in Bezug genommene Formular, Bl. 3 der Akten bzw. die Anlage K 6, Blatt 19 der Akten, Bezug genommen.

Der Kläger hält die Inrechnungstellung der Kosten für die Gutachtenerstellung für verbraucherschutzwidrig.

Der Kläger begehrte mit Schriftsatz vom 23.01.2014 die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie den Ersatz von Abmahnkosten in Höhe von 250,00 €. Mit Schreiben vom 11.02.2014, bei dem Kläger eingegangen am 12.02.2014 lehnte die Beklagte beide Ansprüche ab.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, zu verhängen gegen den Vorstand der Beklagten, zu unterlassen, die folgende und/oder eine dieser inhaltsgleiche Klausel in Bezug auf Darlehensverträge zu verwenden, sofern nicht der Vertrag mit einer Person abgeschlossen wird, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer):

"Übernahme der Kosten für die Gutachtenerstellung" mit nachstehendem Formular:

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 250,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Februar 2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die angegriffene Kostenübernahme für die Gutachtenerstellung durch Kunden AGB-rechtlich nicht überprüfbar sei, gem. § 307 Abs. 3 BGB, da es sich insoweit um eine Hauptleistungspflicht im Austausch zu der Gutachtenerstellung handele. Es bestehe insofern ein von einem Darlehensvertrag losgelöster, gesonderter Auftrag. Dies ergebe sich auch schon daraus, dass auch dann die Kosten für die Gutachtenerstellung zu zahlen seien, wenn die Entscheidung über eine Kreditgewährung negativ ausfalle. Insofern liege jedoch eine nicht überprüfbare Preishauptabrede vor und nicht eine überprüfbare Preisnebenabrede.

Sie ist darüber hinaus der Ansicht, dass die Gutachtenerstellung nicht allein in ihrem Interesse erfolge. Vielmehr habe auch der Kunde ein Interesse an der Gutachtenerstellung. Hierzu weist die Beklagte zum einen darauf hin, dass dem Kunden auf Wunsch eine Ausfertigung des Gutachtens überlassen werde, zum anderen sich das Interesse des Kunden aber auch aus dem gesonderten Auftrag ergebe. Dem Kunden sei es unbenommen, einen entsprechenden Auftrag zur Gutachtenerstellung nicht zu erteilen.

Die Beklagte ist ferner der Ansicht, dass der Antrag des Klägers zu weitgehend sei, da er auch den Abschluss von Individualverträgen erfasse.

Das Gericht hat die Akte des Landgerichts Dortmund, Az.: 8 O 199/08 beigezogen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und mit Ausnahme der Zinsforderung auch begründet.

Der begehrte Unterlassungsanspruch steht dem Kläger aus § 1 UKlaG zu.

Die Beklagte verwendet in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestimmungen, die nach den §§ 307 bis 309 BGB unwirksam sind.

Bei dem streitgegenständlichen "Auftrag zur Erstellung eines Gutachtens" handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Gemäß § 305 Abs. 1 S. 1 BGB sind nämlich allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Das Formular, das die Beklagte für die Auftragserteilung verwendet, ist generell ausgestaltet und für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert.

Dass die Vertragsbedingungen zwischen der Beklagten und ihren Kunden ausgehandelt wären im Sinne des § 305 Abs. 1 S. 3 BGB ist weder ersichtlich noch von der Beklagten vorgetragen.

Die Vertragsbedingungen unterliegen auch entgegen der Ansicht der Beklagten der Inhaltskontrolle. Eine Inhaltskontrolle findet, gem. § 307 Abs. 3 BGB, nicht statt, wenn es sich bei den Allgemeinen Geschäftsbedingungen um eine Regelung der Hauptleistungspflicht handelt, da diese nach dem Grundsatz der Privatautonomie zwischen den Parteien frei ausgehandelt werden können und daher einer Kontrolle nicht unterliegen (Palandt/Grüneberg, 72. Aufl., § 307, Rn. 41).

Bei der streitgegenständlichen Klausel handelt es sich jedoch nicht um eine Preishauptabrede, sondern um eine Preisnebenabrede, die der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegt.

Insofern kann sich die Beklagte nicht erfolgreich darauf berufen, dass die gerügte Kostentragungspflicht für die Erstellung eines Wertgutachtens Hauptleistungspflicht des abgeschlossenen Werkvertrages über die Erstellung des Wertgutachtens sei. Dies wäre nur dann möglich, wenn der Auftrag zur Erstellung eines Wertgutachtens losgelöst von dem begehrten abzuschließenden Darlehensvertrag zu betrachten wäre. Eine solche Betrachtungsweise scheidet im vorliegenden Fall jedoch aus, da die beiden Verträge inhaltlich miteinander verknüpft sind.

Die Beklagte geht selbst davon aus, dass Sinn und Zweck der Beauftragung zur Gutachtenerstellung einzig und allein die anschließende Verhandlung über den Abschluss eines Darlehensvertrages ist. Insofern heißt es auch bereits wörtlich in dem Auftragsformular: "Mir / Uns ist bekannt, dass das Gutachten speziell für die von mir / uns beantragte Kreditaufnahme bei der Bank oder einem ihrer Kooperationspartner erstellt wird und der ermittelte Marktwert keinen Verkehrswert im Sinne von § 194 des Baugesetzbuches (BauGB) darstellt.". Der Auftrag ist damit speziell gerichtet auf eine Wertgutachtenerstellung, die ausschließlich für den Abschluss eines Darlehensvertrages verwendet werden kann.

Zudem ist das in Auftrag gegebene Gutachten Voraussetzung für die Gewährung eines Darlehens. Die Beklagte kann sich insoweit nicht erfolgreich darauf berufen, dass es einem Kunden freistehe, den Auftrag zu erteilen, und er anderenfalls auch ohne Wertgutachten in Verhandlungen mit der Bank über die Gewährung eines Darlehens eintreten könne. Nach der insoweit maßgeblichen kundenfeindlichsten Auslegung der streitgegenständlichen Klauseln entsteht für den Kunden der Eindruck, dass die Erstellung eines Wertgutachtens erforderlich ist, um überhaupt einen entsprechenden Beleihungswert des Grundstücks feststellen zu können. Diese Annahme wird auch gestützt durch die Finanzierungsbestätigung der Beklagten (Anlage K 1 = Bl. 12 d.A.), die die Zusage des Darlehens ausdrücklich unter den "Vorbehalt des noch zu erstellenden Gutachtens durch einen Taxator unseres Hauses" stellt.

Aus dem Umstand, dass im Falle einer negativen Entscheidung über die Kreditgewährung die Kosten für die Gutachtenerstellung trotzdem zu zahlen seien, ergibt sich ebenfalls keine Eigenständigkeit des Auftrags. Die Auftragserteilung zur Gutachtenerstellung stellt sozusagen eine Vorfrage der späteren Kreditgewährung dar. Fällt ein entsprechendes Wertgutachten negativ für den Kunden aus, löst das den Gutachtenauftrag nicht von dem aus Kundensicht angestrebten Abschluss des Darlehensvertrages los. Vielmehr verbleibt es bei einem einheitlichen Vorgang aus Sicht des Kunden, der nunmehr aber trotzdem für die Wertgutachtenkosten aufkommen soll. Insofern entsteht sogar eine Besserstellung der Beklagten im Vergleich zu früheren Praktiken, in denen in AGB des Darlehensvertrages die Kosten für die Gutachtenerstellung auf die Kunden abgewälzt wurden.

Auch aus der Möglichkeit des Kunden, eine Ausfertigung des Gutachtens zu bekommen, folgt keine Eigenständigkeit des Auftrages. Hierbei ist bereits zu berücksichtigen, dass dem Kunden eine solche Ausfertigung lediglich "auf Wunsch" überlassen wird. Würde es sich tatsächlich um einen losgelösten Werkvertrag handeln, dann stände dem Kunden als Gegenleistung für die Bezahlung des Werkvertrages die Aushändigung des Gutachtens im Original zu, nicht lediglich eine Ausfertigung. Einer zusätzlichen Aufforderung durch den Kunden bedürfte es hierzu nicht.

Die streitgegenständliche Klausel ist auch unwirksam, da sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB.

Zu den Grundgedanken des dispositiven Rechts gehört es, dass jeder seine gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen hat, ohne hierfür ein entsprechendes Entgelt verlangen zu können (vgl. LG Stuttgart, Urteil v. 24.04.2007, Az.: 20 O 9/07). Eine allgemeine Geschäftsbedingung, die vorsieht, dass eine Bank Aufwendungen für die Erfüllung eigener Pflichten oder für Zwecke des Verwenders auf den Kunden abzuwälzen versucht, stellt eine Abweichung von Rechtsvorschriften dar (BGH NJW 2001, 1419 [1420]).

Das einzuholende Wertgutachten wird nicht im Interesse des Kunden, sondern im Interesse der Beklagten erstellt. Der beklagten Bank geht es bei Einholung des Wertgutachtens darum, beurteilen zu können, in welcher Höhe ein Darlehen gewährt und entsprechend dinglich gesichert werden kann. Das Interesse des Kunden besteht lediglich an der Gewährung eines Darlehens, nicht hingegen der Bewertung des Grundstücks, da ein solches Wertgutachten, wie die Beklagte in ihrem verwendeten Auftrags-Formular ja selbst ausführt, nur für die beantragte Kreditaufnahme erstellt wird.

Auch folgt aus der Möglichkeit der Überlassung einer Ausfertigung des Wertgutachtens auf Wunsch des Kunden kein Interesse des Kunden an der Gutachtenerstellung. Hier ist wiederum zu beachten, dass das Gutachten für anderweitige Zwecke als die Kreditaufnahme nicht verwendet werden kann.

Da die Beklagte Kosten auf Kunden abwälzt, die der Bank grundsätzlich als Aufwendungen zur Erfüllung eigener Pflichten entstehen würden, liegt eine unzulässige Abweichung von Rechtsvorschriften im Sinne des § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB vor.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Antrag des Klägers auch nicht zu weitgehend. Der Antrag selbst spricht von inhaltsgleichen Klauseln und nimmt sodann Bezug auf das von der Beklagten verwendete Formular. Insofern sind Fälle von Individualvereinbarungen von dem Antrag jedoch gerade nicht erfasst.

Der Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 250,00 € ergibt sich aus § 5 UKlaG i.V.m. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Zinsen hierauf sind jedoch erst ab dem 13.02.2014 zu zahlen, da sich die Beklagte erst ab diesem Tag in Verzug befand, §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte lehnte erst mit Schreiben vom 11.02.2014, beim Kläger am Folgetag eingegangen, die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ab und verweigerte damit die Leistung ernsthaft und endgültig , gem. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 ZPO.






LG Dortmund:
Urteil v. 06.01.2015
Az: 25 O 184/14


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/9ab1685a7aea/LG-Dortmund_Urteil_vom_6-Januar-2015_Az_25-O-184-14




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