Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 5. November 2009
Aktenzeichen: 6 U 133/09

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 05.11.2009, Az.: 6 U 133/09)

Tenor

Auf die Berufungen der Parteien wird das am 28.05.2009 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Wiesbaden abgeändert.

Den Antragsgegnern wird es im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,-- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monatenverboten,

bei geschäftlichen Handlungen im Bereich des Glücksspielwesens im Land Hessen die Lotterie Lotto 6 aus 49 zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wenn dies geschieht durch Anbieten und/oder Anbietenlassen eines sogenannten LOTTO-MusikDING, wie nachstehend wiedergegeben.

Im übrigen wird der Eilantrag zurückgewiesen.

Von den Kosten des Eilverfahrens haben der Antragsteller 2/3 und die Antragsgegner 1/3 zu tragen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Gründe

Der Antragsteller wendet sich gegen die durch das Anbieten eines €LOTTO-MusikDING€ in einem Flyer und im Internet vorgenommene Werbung für die Lotterie 6 aus 49. Das Landgericht hat die Flyer-Werbung wegen Verstoßes gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 5 GlüStV untersagt und den Eilantrag im übrigen zurückgewiesen, weil es sich bei den beanstandeten Angaben im Internet nicht um Werbung im Sinne von § 5 III GlüStV handele. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt; sie verfolgen ihre erstinstanzlichen Anträge € der Antragsteller unter Konkretisierung auf die konkrete Verletzungsform € weiter. Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 540 II i.V.m. § 313a ZPO abgesehen.

Die Berufungen beider Parteien sind zulässig; sie haben auch in der Sache Erfolg.

Der Antragsteller ist anspruchsberechtigt. Es handelt sich um einen rechtsfähigen, insbesondere wirksam gegründeten, Verein, der als Verband gemäß § 3 Abs. 1 seiner Satzung die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder fördert und hierbei u.a. die Aufgabe wahrnimmt, im Bereich des Glücksspielwesens das Marktverhalten von Marktteilnehmern auf die Einhaltung der geltenden gesetzlichen Vorgaben und Bestimmungen hin zu kontrollieren und unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen. An der zur Wahrnehmung der Verbandsaufgaben ausreichenden personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung des Antragstellers bestehen auf der Grundlage des vorliegenden Prozessstoffs keine Zweifel.

Dem Antragsteller gehört auch eine erhebliche Zahl von Unternehmern an, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben (§ 8 III Nr. 2 UWG).

Die Anforderungen, die nach der neueren Rechtsprechung des BGH an die Erfüllung dieses Merkmals zu stellen sind, sind verhältnismäßig gering. Erheblich im Sinne des § 8 III Nr. 2 UWG ist die Zahl der Mitglieder eines Verbands auf dem einschlägigen Markt dann, wenn diese Mitglieder als Unternehmen € bezogen auf den maßgeblichen Markt € in der Weise repräsentativ sind, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbands ausgeschlossen werden kann (BGH, GRUR 2009, 692, Tz. 12 € Sammelmitgliedschaft VI). Dies kann auch schon bei einer geringen Zahl auf dem betreffenden Markt tätiger Mitglieder anzunehmen sein ( BGH, a.a.O. m.w.N.). Darauf, ob diese Verbandsmitglieder nach ihrer Zahl und ihrem wirtschaftlichen Gewicht im Verhältnis zu allen anderen auf dem Markt tätigen Unternehmen repräsentativ sind, kommt es nicht entscheidend an. Dies ergibt sich schon daraus, dass andernfalls die Klagebefugnis von Verbänden auf oligopolistischen Märkten unangemessen eingeschränkt würde. Daher ist die Gesamtzahl der in der Branche tätigen Unternehmen und deren Marktbedeutung nicht von entscheidender Bedeutung (BGH, a.a.O.). Ein Vortrag des klagenden Verbandes zu Bedeutung und Umsatz seiner (mittelbaren oder unmittelbaren) Mitglieder ist nicht ohne weiteres erforderlich. Dem Zweck des Gesetzes, die Klagebefugnis der Verbände auf Fälle zu beschränken, die die Interessen einer erheblichen Zahl von verbandsangehörigen Wettbewerbern berühren, wird schon dann hinreichend Rechnung getragen, wenn im Wege des Freibeweises festgestellt werden kann, dass es dem Verband bei der betreffenden Rechtsverfolgung nach der Struktur seiner Mitglieder um die ernsthafte kollektive Wahrnehmung der Mitgliederinteressen geht (BGH, a.a.O. m.w.N.).

Im vorliegenden Fall gehören der Fachverband der Lotterie-Einnehmer der A-lotterie und der Zentralverband der Staatlichen Lotterie-Einnehmer der B-lotterie zu den Mitgliedern des Antragstellers. Eine Spielteilnahme ist bei beiden Klassenlotterien bundesweit und damit auch in Hessen, dem hier räumlich relevanten Markt, möglich. Dass die Lotterie-Einnehmer als Unternehmer dem Glücksspielangebot der Antragsgegner gleichartige Dienstleistungen vertreiben, wird von den Antragsgegnern nicht in Zweifel gezogen. Mitglieder der genannten Verbände und damit mittelbare Mitglieder des Antragstellers sind zwar nicht alle, wohl aber die Mehrzahl, nämlich 95% bzw. 74% der Lotterie-Einnehmer der Klassenlotterien. Die absolute Zahl der dem Antragsteller als mittelbare Mitglieder angehörenden Lotterie-Einnehmer bleibt mit insgesamt 139 (bundesweit) zwar weit hinter der Zahl der Lotto-Annahmestellen zurück, die sich allein in Hessen auf rund 2000 beläuft. Ausgehend von den in den Anlagen BB 36 und BB 37 eidesstattlich versicherten Umsatzzahlen entfällt auf einen Lotterie-Einnehmer im Durchschnitt aber immerhin ein jährlicher Umsatz von ca. 5 bis 6 Mio. Euro.

Als weiteres Mitglied des Antragstellers fällt im Lotteriebereich die C GmbH ins Gewicht, bei der es sich € gerichtsbekannt € um ein wirtschaftlich nicht unbedeutendes Unternehmen handelt. Außerdem gehört dem Antragsteller die D GmbH an, die als Spielevermittler (auch) in Hessen tätig ist.

Nimmt man allein den Lotteriesektor in den Blick, so genügen die genannten Mitglieder bereits, um den oben unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH dargelegten Voraussetzungen gerecht zu werden. Hierbei ist besonders zu berücksichtigen, dass das Veranstalten von Lotterien (mit nicht nur geringem Gefährdungspotential) nur dem Staat bzw. staatlichen oder staatlich beeinflussten Unternehmen erlaubt werden darf (§ 10 II, V GlüStV) und dass auch die gewerbliche Spielevermittlung nur mit einer behördlichen Erlaubnis zulässig ist, auf deren Erteilung kein Rechtsanspruch besteht (§ 4 I, II GlüStV). Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Antragstellers wurden in Hessen bislang neun Genehmigungen für gewerbliche Spielevermittler erteilt; von diesen Unternehmern zählen vier zu den Mitgliedern des Antragstellers.

Da es sich um einen teilweise monopolisierten und im übrigen mit erheblichen Zugangsbeschränkungen versehenen Markt handelt, sind die Anforderungen an die Mitgliederstärke eines Verbandes, der sich erklärtermaßen (§ 3 Abs. 1 der Satzung) um die kollektive Wahrnehmung der gewerblichen Interessen privatrechtlicher Unternehmer und Gesellschaften ohne eine maßgebliche Beteiligung juristischer Personen des öffentlichen Rechts bemüht, besonders gering. Diese Anforderungen sind aufgrund der vorstehend erwähnten Mitgliedschaften erfüllt. Auf die Frage, ob auch die Mitgliedschaft potentieller Mitbewerber zu berücksichtigen ist, denen für Hessen keine Vermittlungsgenehmigung erteilt wurde oder die aus anderen Gründen in Hessen noch nicht tätig sind (E GmbH, F GmbH, X GmbH + Co. KG, Y GmbH, P AG), kommt es nicht an.

Der sachlich relevante Markt dürfte allerdings nicht auf den Lotteriebereich zu beschränken, sondern weiter zu ziehen sein. Zwar stehen Marketing-Unternehmen, die für Glücksspielanbieter tätig sind, wie hier die G GmbH, die H GmbH und die J GmbH, nicht im Wettbewerb mit den staatlichen Lotterieanbietern. Hingegen dürften Sportwetten und auch Pferdewetten mit einzubeziehen sein, wobei letztere auch von privaten Unternehmern, die über eine entsprechende Konzession verfügen, und zwar auch im Internet, angeboten werden dürfen.

Auch wenn man den sachlich relevanten Markt dementsprechend weit fasst, gehören dem Antragsteller eine erhebliche Zahl von Wettbewerbern an, da dann auch die (vermittelten) Mitglieder des K-verbandes, die L GmbH und ferner die, in Hessen allerdings nicht mit eigenen Filialen vertretene, M AG zu berücksichtigen sind. Auf dieser Grundlage ist eine ernsthafte kollektive Wahrnehmung der Mitgliederinteressen auch dann gegeben, wenn die dem Antragsteller als Mitglieder angehörenden Anbieter von Sportwetten, die einer den Bestimmungen des GlüStV widersprechenden Tätigkeit nachgehen, unberücksichtigt bleiben.

Die Geltendmachung des Verfügungsanspruchs ist nicht rechtsmissbräuchlich (§ 8 IV UWG). Die Rechtsverfolgung durch einen Wettbewerbsverband wird allerdings verbreitet als missbräuchlich angesehen, wenn der Verband in diskriminierender Weise gegen Nichtmitglieder vorgeht, während er ein vergleichbares Verhalten seiner Mitglieder planmäßig duldet. Soweit sich der Antragsteller im vorliegenden Verfahren auf das Verbot übermäßiger Werbung gemäß § 5 I, II GlüStV stützt, kann (auch unter Berücksichtigung des auf Seite 25 des Schriftsatzes der Antragsgegner vom 27.10.09 präsentierten Einzelbeispiels) eine planmäßige Duldung vergleichbaren Verhaltens eigener Mitglieder auf der Grundlage des vorliegenden Sach- und Streitstandes nicht festgestellt werden. Soweit sich der Antragsteller unter Berufung auf § 5 III GlüStV gegen Werbung im Internet wendet, ist hingegen zu berücksichtigen, dass jedenfalls einige im Bereich der Sportwetten tätige (teils vermittelte) Mitglieder des Antragstellers entgegen § 5 III GlüStV (ebenfalls) im Internet werben.

Nach der Auffassung des Senats kann eine planmäßige Duldung gleichartiger Wettbewerbsverstöße seiner Mitglieder durch einen Verband den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs bei der Verfolgung Außenstehender nahelegen. Ob der Missbrauchsvorwurf in einem solchen Fall tatsächlich berechtigt ist, kann allerdings nicht ohne Berücksichtigung der Gesamtumstände (§ 8 IV UWG) entschieden werden.

Die Annahme, eine €diskriminierende€ Verletzerauswahl bei Schonung der eigenen Mitglieder sei rechtmissbräuchlich, ist nicht aus sich heraus und unabhängig von der Stellung des Verbandes auf dem jeweiligen Markt evident. Sie wird durch den Einwand der €unclean hands€ nicht gerechtfertigt, wenn der von dem Verband verfolgte Wettbewerbsverstoß € wie vorliegend € (auch) Interessen der Allgemeinheit berührt. Einen Anhaltspunkt für Rechtsmissbrauch stellt eine €diskriminierende€ Verletzerauswahl jedoch deshalb dar, weil ein derartiges Verhalten häufig dazu führen kann, dass Verletzer veranlasst werden, dem fraglichen Verband als Mitglied beizutreten, um bei einer Fortsetzung oder Wiederholung des wettbewerbswidrigen Verhaltens das Risiko einer wettbewerbsrechtlichen Inanspruchnahme zu senken. Durch eine solche Wechselwirkung kann die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbsrechts beeinträchtigt werden, wenn der betreffende Verband in seinem Umfeld eine für die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts ausschlaggebende Bedeutung hat. Ist jedoch eine solche Gefahr nach Lage der Dinge auszuschließen, gibt es keine innere Rechtfertigung dafür, eine gezielte Inanspruchnahme außenstehender Mitbewerber als rechtsmissbräuchlich zu unterbinden.

Aufgrund der im Bereich des Glücksspiels bestehenden Marktstrukturen ist die Gefahr, dass einem Unternehmen wettbewerbswidriges Verhalten durch eine Mitgliedschaft beim Antragsteller erleichtert werden könnte, von vornherein auszuschließen. Denn die den staatlichen Glücksspielanbietern zu Gebote stehenden wettbewerbsrechtlichen und darüber hinaus auch verwaltungsrechtlichen Optionen, gegen unlauteren Wettbewerb privater Konkurrenten vorzugehen, reichen offenkundig aus. Die Gefahr eines wettbewerbsrechtlichen Kontrolldefizits besteht aufgrund der Marktstruktur eher im Hinblick auf das Wettbewerbsverhalten staatlicher Glücksspielanbieter. Auf diesem Hintergrund kann der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs gegenüber dem Antragsteller nicht damit begründet werden, dass er nur gegen außenstehende, namentlich staatliche, Mitbewerber vorgehe, während er die eigenen (privatrechtlichen) Mitglieder wegen gleichartiger Verstöße nicht belange.

Das Bestehen eines Verfügungsgrundes wird gemäß § 12 II UWG vermutet.

Vorliegend kann ein Dringlichkeitsverlust deshalb in Erwägung gezogen werden, weil der Antragsteller früher nicht gegen die Werbung für das vom Land Hessen veranstaltete €R€ vorgegangen ist, das sich von der hier in Rede stehenden Veranstaltung €LOTTO-MusikDING€ im wesentlichen nur durch die Art des ausgelobten Sonderauslosungsgewinns unterscheidet. Die Antragsgegner haben jedoch, wie der Antragsteller zu Recht einwendet, nicht konkret dargelegt, gegen welche Lotterieveranstaltungen €R€ der Antragsteller in Hessen hätte vorgehen können. Der Antragsteller wurde am 04.12.2008 im Vereinsregister eingetragen. Im Anschluss daran war ihm noch eine gewisse Anlaufzeit zuzubilligen, so dass als Anknüpfungspunkt für einen Dringlichkeitsverlust nur Lotterien in Betracht kommen, die in den ersten Monaten des Jahres 2009 beworben wurden. Ob und wenn ja wann in diesem Zeitraum eine Lotterieveranstaltung €R€ in Hessen beworben wurde, ergibt sich aus dem Vorbringen der Antragsgegner nicht.

Des weiteren haben die Antragsgegner nicht dargelegt, dass sie in dem vorgenannten Zeitraum Glücksspielprodukte im Internet in einer vergleichbaren Form präsentiert hätten, wie sie vom Antragsteller im vorliegenden Verfahren beanstandet wird. Auch insoweit fehlt daher die tatsächliche Grundlage für die Annahme eines untätigkeitsbedingten Dringlichkeitsverlustes.

In der Sache ist der einstweilige Verfügungsantrag nicht begründet, soweit er sich auf den Werbeflyer bezieht. Dementsprechend hat die Berufung der Antragsgegner Erfolg.

Allerdings steht die beanstandete Werbung für die Lotterie 6 aus 49 durch das Anbieten eines €LOTTO-MusikDING€ nicht in Einklang mit § 5 I, II GlüStV. Bei den aus § 5 GlüStV ersichtlichen Werbebeschränkungen handelt es sich um Marktverhaltensregelungen gemäß § 4 Nr. 11 UWG, so dass ein Verstoß grundsätzlich zugleich eine Wettbewerbsverletzung darstellt.

Das Angebot €LOTTO-MusikDING€ zum Preis von 100 € beinhaltete 100 Lotto-Einzeltipps (€Quicktipps€) und einen sog. Sonderauslosungsgewinn. Gemäß § 6 V des Hessischen Glücksspielgesetzes sind zu Lotterien Sonderauslosungen aus nicht ausgezahlten Gewinnen zulässig, um eine möglichst vollständige Ausschüttung des vorgesehenen Gewinnanteils zu erreichen. Hier war die Sonderauslosung so konzipiert, dass auf jedes der aus 100 Quicktipps bestehenden Quicktipp-Pakete ein Sonderauslosungsgewinn entfiel. Der Gewinn bestand jeweils in einem Ticket für das O Konzert am 11.07.2009. Diese Tickets waren offensichtlich mit den aus verfallenen Lottogewinnen zur Verfügung stehenden Finanzmitteln angeschafft worden (vgl. § 6 V HessGlüSpG). Im Ergebnis erhielt somit jeder Teilnehmer 100 Quicktipps und ein Konzertticket.

Aus dem Gesagten folgt, dass das Teilnahmeangebot zum €LOTTO-MusikDING€ eine Zugabe in Gestalt des Konzerttickets beinhaltete. Eine echte Sonder auslosung fand insoweit nicht statt, da jedem Erwerber des angebotenen Quicktipp-Pakets ein Konzertticket zugeteilt wurde. Demnach stellte die Beigabe des Tickets eine €Wertreklame€ bzw. eine Verkaufsförderungsmaßnahme i.S.v. § 4 Nr. 4 UWG dar.

Verkaufsförderungsmaßnahmen dieser Art sind ebenso wie Rabatte und Gutscheine bei der Glücksspielwerbung nach § 5 II GlüStV unzulässig (vgl. Dietlein/ Hecker/ Ruttig, § 5 GlüStV, Rn 32 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung). Zwei weitere, vom Landgericht bereits zutreffend angesprochene, Gesichtspunkte verdeutlichen die Unvereinbarkeit der hier beanstandeten Werbung mit § 5 GlüStV. Zum einen geht der Erwerb von 100 Quicktipps für eine Ziehung über den üblichen Einsatz eines durchschnittlichen Lottospielers deutlich hinaus. Daher wird das Publikum durch die beanstandete Aktion € außerhalb grundsätzlich zulässiger Kanalisierungsbestrebungen € zu vermehrtem Glücksspiel angereizt. Des Weiteren ist die Koppelung der Glücksspielteilnahme mit dem Ticket für ein Popkonzert geeignet, neue Käuferkreise für das Lottospiel zu gewinnen, die bislang kein Interesse am Glücksspiel hatten. Das widerspricht dem Ziel des Glücksspielstaatsvertrages, das Glücksspielangebot zu begrenzen (§ 1 Nr. 2 GlüStV).

Die vorstehenden Erwägungen rechtfertigen die Annahme einer Verwirklichung des Rechtsbruchtatbestandes (§ 4 Nr. 11 UWG) jedoch deshalb nicht, weil die Sonderauslosung €Das LOTTO-MusikDING€ von der zuständigen Aufsichtsbehörde, dem Hessischen Ministerium des Innern und für Sport, genehmigt wurde (Staatsanzeiger für das Land Hessen 2009, S. 1118 f.).

Der Tatbestand des § 4 Nr. 11 UWG ist nicht erfüllt, wenn das beanstandete Marktverhalten durch einen Verwaltungsakt ausdrücklich erlaubt worden ist und der Verwaltungsakt nicht nichtig ist (BGH, GRUR 2005, 778, 779 € Atemtest). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

Bei der erteilten Erlaubnis handelt es sich um einen Verwaltungsakt. Die Erlaubnis ist allerdings vom Land Hessen (durch das Hessische Ministerium des Innern und für Sport) dem Land Hessen (der Hessischen Lotterieverwaltung) erteilt worden, so dass gefragt werden kann, ob diese Maßnahme auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (§ 35 HVwVfG). Es ist indessen anerkannt, dass eine Maßnahme, die eine Behörde gegenüber ihrem eigenen Rechtsträger trifft, die für einen Verwaltungsakt erforderliche Außenwirkung jedenfalls dann hat, wenn eine vergleichbare Maßnahme auch gegenüber einem Privaten hätte ergehen können (vgl. Stelkens/ Bonk/ Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Auflage, § 35 Rn 190 m.w.N.). Eine Veranstaltungserlaubnis nach § 4 I GlüStV kann auch privatrechtlichen Gesellschaften erteilt werden, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts maßgeblich beteiligt sind (§ 10 II, V GlüStV). Eine solche Erlaubnis wäre in jedem Fall als Verwaltungsakt zu qualifizieren. Für die nämliche Erlaubnis, die einer staatlichen Stelle erteilt wird, gilt dann nichts anderes.

Die erteilte Erlaubnis ist nicht nichtig. Besondere Nichtigkeitsgründe gemäß § 44 II HVwVfG sind nicht ersichtlich. Nach der allgemeinen Vorschrift des § 44 I HVwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Der Fehler muss mithin eminent und evident sein. Der dem Verwaltungsakt anhaftende Fehler muss diesen schlechterdings unerträglich, d.h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar, erscheinen lassen. Der schwerwiegende Fehler muss darüber hinaus für einen verständigen Bürger offensichtlich sein. Die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes ist daher nur dann anzunehmen, wenn die an eine ordnungsmäßige Verwaltung zu stellenden Anforderungen in so erheblichem Maße verletzt werden, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (BVerwG, NVwZ 2000, 1039 f. m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall € jedenfalls hinsichtlich der Evidenz des Fehlers € ersichtlich nicht erfüllt.

Die Tatbestandswirkung des vorliegenden Verwaltungsaktes entfällt nicht deshalb, weil die Notwendigkeit der Erlaubnis nach § 4 I GlüStV davon abhing, dass es sich bei der den Gegenstand der Erlaubnis bildenden Zusatzziehung um eine Lotterie (hier in der Form einer Sonderauslosung nach § 6 V HessGlüSpG) handelt, während die schlichte Zugabe einer Konzertkarte zu der € anderweitig bereits genehmigten € Lotterie €6 aus 49€ keinen geeigneten Gegenstand einer Erlaubnis gemäß § 4 GlüStV darstellt. Denn die Bedingungen, die der genehmigten Zusatzziehung ihren Glücksspielcharakter nahmen (vgl. Abs. 6 der Sonderbedingungen zu den Teilnahmebedingungen vom 27.04.2009), waren in die Erlaubnis ausdrücklich einbezogen, wie sich aus deren Ziff. 6 ergibt.

Bedenkenswert erscheint, auch im Hinblick auf das in Art. 11 I RL 2005/ 29/ EG (UGP-Richtlinie) enthaltene Gebot der effizienten Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken, allerdings die Frage, ob einem Verwaltungsakt die bei der Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG verbindliche Tatbestandswirkung auch dann zuzusprechen ist, wenn die Neutralität der Verwaltungsentscheidung wegen der Identität des begünstigten und des entscheidenden Verwaltungsträgers zweifelhaft erscheinen kann und wenn außerdem keine Möglichkeit einer anderweitigen gerichtlichen Kontrolle besteht.

Ob eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung der Erlaubnis einer Lotterieveranstaltung € wenn auch nicht durch den Antragsteller selbst, so aber vielleicht durch seine Mitglieder als Konkurrenten des durch die Erlaubnis Begünstigten € unter Beachtung von Art. 19 IV GG bei einer Konstellation wie der eben beschriebenen erreichbar ist, konnte im vorliegenden Eilverfahren nicht geklärt werden. Ein entsprechender (erfolgloser) Versuch ist vor den Verwaltungsgerichten bisher offenbar nicht unternommen worden. Bei diesem Erkenntnisstand gibt es keine tragfähige Grundlage für eine teilweise Durchbrechung der durch die Rechtsprechung des BGH anerkannten Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit derartiger Verwaltungsakte ist den Verwaltungsgerichten vorzubehalten. Eine Ausnahme könnte nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn feststeht, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit mit der Überprüfung derartiger Verwaltungsakte sachlich nicht befasst werden kann, weil die Wettbewerber nicht klagebefugt sind. Der im Senatstermin von Antragstellerseite geäußerte Einwand, auf verwaltungsprozessualem Wege sei jedenfalls kein hinreichend effizienter Rechtsschutz zu erlangen, kann es nicht rechtfertigen, die vorrangige Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte zu unterlaufen.

Aufgrund der Tatbestandswirkung der erteilten Erlaubnis kann ein Verstoß gegen §-4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 5 I, II GlüStV nicht damit begründet werden, dass durch die Sonderauslosung €Das LOTTO-MusikDING€ einschließlich der dabei gewährten Zugabe unzulässige Werbung für die Lotterie Lotto 6 aus 49 betrieben worden sei. Das durch den Verwaltungsakt erlaubte und damit der wettbewerbsrechtlichen Überprüfung nach § 4 Nr. 11 entzogene Marktverhalten umfasst das Anbieten der Sonderauslosung und deren Bewerbung in den durch § 5 GlüStV gezogenen Grenzen.

Bei Berücksichtigung der Tatbestandswirkung der erteilten Erlaubnis beinhaltet die Flyer-Werbung, soweit der Antragsteller sie angegriffen hat, keine Verletzung des §-5 I, II GlüStV.

Die beiden ersten Absätze des § 5 GlüStV sind im Zusammenhang zu sehen. Sie enthalten keine separaten, klar voneinander trennbaren Verbotstatbestände. Das normierte Werbeverbot beschränkt sich nicht auf ein Verbot der gezielten Aufforderung, Anreizung oder Ermunterung zur Glücksspielteilnahme. Dies erschließt sich bereits daraus, dass die genannten Handlungsformen in § 5 II GlüStV lediglich beispielhaft (€insbesondere nicht€) aufgeführt werden. Unzulässig ist (auch) eine übermäßige Werbung, weil sie durch das Informations- und Aufklärungsinteresse nach §€5 I GlüStV nicht gerechtfertigt wird. Maßgebend ist letztlich, ob die konkrete Werbung noch von dem Zweck getragen wird, den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken (§ 1 Nr. 2 GlüStV). Verbraucher, die ihren Spieltrieb ausleben möchten, sollen nicht deshalb auf illegale Glücksspielangebote zurückgreifen, weil sie über die legalen staatlichen Angebote und deren Attraktivität nicht hinreichend informiert wurden. Die Werbung darf jedoch nicht darauf ausgerichtet sein, den Spieltrieb der Verbraucher überhaupt erst zu wecken und so dem Glücksspiel neue Interessenten zuzuführen.

Soweit der Antragsteller in seiner Berufungserwiderung formuliert hat, Glücksspielwerbung sei dann unzulässig, wenn infolge der äußeren Form und der Aufmachung von Plakaten, Anzeigen, Faltblättern etc. der informative Gehalt eindeutig hinter der reklamehaften Aufmachung zurücktrete, kann dem wohl im Ansatz gefolgt werden. Eine Beschränkung des Verbots auf unangemessen unsachliche Werbung, wie sie die Antragsgegner vornehmen wollen, erscheint jedenfalls zu eng. Letztlich kommt es im vorliegenden Fall auf eine genauere Abgrenzung aber auch nicht an, weil ein Verstoß auch auf der Grundlage der vom Antragsteller für richtig gehaltenen Umschreibung zu verneinen ist.

Festzuhalten ist, dass die in § 5 I GlüStV vorgeschriebene Beschränkung auf Information und Aufklärung nicht zur Reduktion der werblichen Darstellung auf eine Minimallösung zwingt und somit dazu führt, dass Glücksspielwerbung nur noch nach der Art eines Amtsblattes betrieben werden dürfte. § 5 I, II GlüStV hindert die Glücksspielanbieter nicht daran, dem Verbraucher mit ihren Angeboten in ansprechender Form gegenüberzutreten. Zulässig ist insoweit auch die Verwendung eines Logos, wie sie aus den beanstandeten Seiten des Faltblattes ersichtlich ist.

Unschädlich ist vorliegend die Abbildung des Sängers O. Zwar können in eine Glücksspielwerbung einbezogene Abbildungen durchaus dazu führen, dass die reklamehafte Aufmachung den Informationsgehalt unzulässig überlagert. Dies kann insbesondere bei einer großformatigen Abbildung attraktiver und sichtlich zufriedener Menschen, die sich dem Glücksspiel hingeben oder (vermeintlich) das Ambiente prägen, anzunehmen sein (vgl. OLG München, WRP 2009, 1014). Der hier zu entscheidende Fall liegt jedoch schon deshalb anders, weil die Abbildung ein legitimer Hinweis darauf ist, dass die Eintrittskarte für ein O-Konzert Bestandteil des Angebots ist. Der Auffassung, bei einer Glücksspielwerbung seien Abbildungen von Personen stets übertrieben reklamehaft, kann nicht beigetreten werden. Immerhin werden auch Druckschriften, die nicht der werblichen Kommunikation sondern nur der Information dienen, durch Abbildungen illustriert. Der im Verhandlungstermin geäußerten Einschätzung, der Gesichtsausdruck (€Dackelblick€) des abgebildeten Sängers begründe ein werbliches Übermaß, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Die Abbildung von O in durchaus vertrauter Pose vermittelt dem Durchschnittsverbraucher in visueller Form, um wessen Konzert es geht. Eine darüber hinausgehende, ins Gewicht fallende werbliche Anziehungskraft lässt sich nicht feststellen.

Der Umstand, dass das €LOTTO-MusikDING€ in großer Schrift als €Neu€ bezeichnet wird, begründet gleichfalls keinen Verstoß gegen § 5 I, II GlüStV. Eine Konzertkarte wurde erstmals als Sonderauslosungsgewinn angeboten, so dass die Bezeichnung €neu€ in der Sache zutreffend und auf eine relevante Komponente des Angebots bezogen ist. Die Aufmachung ist auch nicht reißerisch oder übertrieben reklamehaft. Die Bezeichnung der Sonderauslosung €Das LOTTO-MusikDING€ ist in zulässiger Weise durch die Schriftgröße hervorgehoben. Dass die hierauf bezogene Bezeichnung €neu€ in gleicher Schriftgröße erscheint, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

Den auf der Vorderseite des Flyers stehenden Jubiläumshinweis €LOTTO Hessen wird 60€ hat der Antragsteller nicht, jedenfalls nicht (zur Vermeidung des Dringlichkeitsverlustes) rechtzeitig, zum Gegenstand seines wettbewerbsrechtlichen Angriffs gemacht. Daher kann offenbleiben, ob derartige Jubiläumshinweise, die den angesprochenen Verkehr ggf. zu der Annahme veranlassen können, es gebe zur Feier des Anlasses besonders günstige Angebote, eine nach § 5 I, II GlüStV unzulässige Anreizwirkung entfalten. Dahinstehen kann außerdem, ob die Art und Weise, in der derartige Werbeflyer unter das Publikum gebracht werden, zur Annahme eines Verstoßes führen kann. Auch hierauf richtet sich der Angriff des Antragstellers nicht.

Einen Verstoß gegen die in § 5 II 3 GlüStV normierte Hinweispflicht hat bereits das Landgericht zu Recht verneint. Nach der genannten Vorschrift muss die Werbung deutliche Hinweise auf das Verbot der Teilnahme Minderjähriger, die von dem jeweiligen Glücksspiel ausgehende Suchtgefahr und Hilfsmöglichkeiten enthalten. Diesen Anforderungen genügen die in dem Flyer erteilten Pflichthinweise. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass gerade knapp gefasste Hinweise vom angesprochenen Verkehr bereitwilliger zur Kenntnis genommen werden als ausführliche Erläuterungen.

Soweit sich der Antragsteller darauf beruft, die in dem Flyer enthaltenen Preisangaben seien irreführend (§ 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 5 II 3 GlüStV; § 5 I Nr. 2 UWG), hat er gleichfalls keinen Erfolg. Dies gilt schon deshalb, weil auf den in den Unterlassungsantrag einbezogenen Seiten des Flyers keine Preisangaben stehen. Davon abgesehen würde aber auch eine Einbeziehung der beiden weiteren Seiten (d.h. der Innenseiten) des Flyers nichts ändern. Dort wird (zutreffend) angegeben, dass beim Erwerb eines €LOTTO-MusikDING€ der Preis für 100 Lotto-Tipps und ein Konzertticket 100 € beträgt. Diese Information ist nicht irreführend. Zwar kann der Verbraucher 100 Lotto-Tipps auch für deutlich weniger als 100 €, nämlich für 77,25 €, erwerben, wenn er eine entsprechende Menge Spielscheine (mit je 12 Feldern) kauft. Entscheidet er sich aber für den Erwerb 100 einzelner Quicktipps, so kosten diese auch ohne die Zugabe einer Eintrittskarte 100 €. Eine Verpflichtung der Antragsgegner, darauf hinzuweisen, dass der Verbraucher im Ergebnis Kosten sparen kann, wenn er statt der Quicktipps Spielscheine erwirbt, besteht nicht, zumal der verständige Durchschnittsverbraucher ohnehin damit rechnen wird, dass ein Spielschein mit 12 Feldern im Verhältnis gesehen preisgünstiger sein kann als 12 einzelne Quicktipps.

Fraglich erscheint hingegen, ob der verständige Durchschnittsverbraucher dem Flyer (einschließlich der Innenseiten) entnehmen kann, dass das Konzertticket trotz des Hinweises auf eine €Sonderauslosung€ ein glücksspielunabhängiger Bestandteil des €LOTTO-MusikDING€ ist. Sollte sich der Verbraucher in diesem Punkt irren und glauben, er erwerbe nicht das Ticket sondern lediglich eine entsprechende Gewinnchance, so ist das Angebot allerdings vorteilhafter als der Verbraucher annimmt. Eine wettbewerbswidrige Irreführung scheidet insoweit wegen fehlender Relevanz aus.

Die Voraussetzungen für einen Verstoß gegen § 4 Nr. 1 UWG sind gleichfalls nicht erfüllt. Eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers durch unangemessenen unsachlichen Einfluss setzt voraus, dass die Rationalität der Nachfrageentscheidung des Verbrauchers völlig in den Hintergrund tritt. Im vorliegenden Fall kann dies nicht festgestellt werden. Den Umstand, dass Stehplatzkarten für das O Konzert nur bzw. alsbald nur noch über den Erwerb des €LOTTO-MusikDING€ erhältlich waren, hat der Antragsteller nicht oder jedenfalls nicht in ausreichend deutlicher Form in sein Unterlassungsbegehren einbezogen.

Auch ein € von den Tatbeständen in §§ 4 ff. UWG unabhängiger € Verstoß gegen

§ 3 I oder § 3 II UWG ist zu verneinen. Die Vorschrift des § 5 GlüStV entfaltet ihre wettbewerbsrechtlichen Wirkungen über § 4 Nr. 11 UWG. Eine Verletzung des § 5 GlüStV, der besonders strenge Werbebeschränkungen enthält, ist unter lauterkeitsrechtlichen Gesichtspunkten keineswegs so gravierend, dass sie zugleich als Verstoß gegen die wettbewerbsrechtliche Generalklausel zu werten wäre. Eine derartige Rechtsverletzung führt auch nicht zu einem verfassungswidrigen Zustand mit der Folge, dass die Wettbewerbsgerichte dazu berufen wären, durch eine unmittelbare Anwendung des § 3 UWG korrigierend einzugreifen und rechtswirksame Verwaltungsakte zu überspielen. Welche Auswirkungen derartige Rechtsverletzungen auf die Beurteilung der Vereinbarkeit des staatlichen Glücksspielmonopols mit dem Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht haben können, ist in der vorliegenden Sache nicht zu erörtern.

Begründet ist der € in der Berufungsverhandlung konkretisierte € einstweilige Verfügungsantrag, soweit er sich gegen die Angaben zur Sonderauslosung €LOTTO-MusikDING€ im Internetauftritt der Antragsgegnerin zu 2) richtet. Somit hat auch die Berufung des Antragstellers Erfolg.

Der Unterlassungsanspruch des Antragstellers folgt aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 5 III GlüStV. Gemäß § 5 III GlüStV ist Werbung für öffentliches Glücksspiel im Internet verboten.

Bei den beanstandeten Angaben handelt es sich um Werbung. Gemäß Art 2 lit a der Richtlinie 2006/114/EG fällt unter den Begriff der Werbung €jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu fördern€ (s.a. Dietlein/ Hecker/ Ruttig, § 5 GlüStV, Rn 17). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, insbesondere liegt eine € objektiv erkennbare € Absatzförderungsabsicht vor.

Das Begriffsmerkmal der Absatzförderungsabsicht ist weit auszulegen; bereits die bloße Mitteilung einer Adresse kann, soweit sie nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, Werbung sein (vgl. Hefermehl / Köhler / Bornkamm, UWG, 27. Auflage, § 6 Rn 30). Im vorliegenden Fall hat die Antragsgegnerin zu 2) unter der Rubrik €Aktuell€ auf die bevorstehende Sonderauslosung unter Bezeichnung der Veranstaltung und der angebotenen Leistung (100 Lotto-QuickTipps sowie ein Konzertticket als Sonderauslosungsgewinn) hingewiesen und über einen Link erreichbare weitere Informationen zur Verfügung gestellt. Dem Verkehr, der die Mitteilung ungeachtet ihrer sachlichen und zurückhaltenden Aufmachung ohne Mühe zur Kenntnis nehmen kann und der mit ihr bei einem Besuch auf der Website der Antragsgegnerin zu 2) ohne langwierige Suche konfrontiert wird, wird auf diese Weise eine konkrete und aus sich heraus attraktiv anmutende Spielmöglichkeit aufgezeigt, die geeignet ist, das Teilnahmeinteresse zahlreicher Verbraucher zu wecken. Damit sind die Voraussetzungen des € richtlinienkonform auszulegenden € Begriffs der Werbung erfüllt.

Soweit die Antragsgegner einwenden, es sei im Wesentlichen nur um eine Information der Annahmestellen und der Presse gegangen, überzeugt dies nicht. Derartige Informationen können auch auf anderem Wege, beispielsweise in einem zugangsbeschränkten Bereich des Internetauftritts, gegeben werden.

Der Auffassung der Antragsgegner, der Begriff der Internetwerbung in § 5 III GlüStV sei dergestalt einschränkend auszulegen, dass er Angaben, die wie die hier beanstandeten aufgemacht sind, nicht erfasse, folgt der Senat nicht. Dabei kann offenbleiben, ob auch eine bloße Imagewerbung, die keine Werbung für ein konkretes Glücksspielangebot beinhaltet, als €Werbung für öffentliches Glücksspiel€ i.S.v. § 5 III GlüStV anzusehen ist. Die hier angegriffene Werbung bezog sich auf ein konkretes Glücksspielangebot.

Eine inhaltliche Einschränkung dergestalt, dass eine €rein informative Werbung€ zulässig sein solle, ist abzulehnen. Eine derartige Einschränkung ließe sich mit der Systematik des Glücksspielstaatsvertrages nicht vereinbaren, da eine Beschränkung auf informationsbezogene Werbung bereits durch § 5 I GlüStV € unabhängig von dem verwendeten Werbemedium € vorgeschrieben wird (vgl. KG, Urteil vom 30.03.2009 € 24 U 145/08 € ZfWG 2009, 174, Juris-Rn 97; Dietlein/ Hecker/ Ruttig, § 5 GlüStV, Rn 63). Das Internetwerbeverbot lässt sich auch nicht auf Banner-Werbung und ähnliche Werbung auf Drittseiten beschränken (vgl. KG, a.a.O., Juris-Rn 99; OLG Oldenburg, GRUR-RR 2009, 67, juris-Rn 26 ff.).

Aber auch eine Freistellung der Internetwerbung für offline angebotene Produkte (befürwortend: Dietlein/ Hecker/ Ruttig, a.a.O.) lässt sich angesichts des klaren Gesetzeswortlauts nach der Auffassung des Senats nicht rechtfertigen (so auch KG, a.a.O., Juris-Rn 98), zumal eine Werbung für öffentliche Glücksspiele im Internet bereits durch §§ 4 IV, 5 IV GlüStV untersagt wird.

Gemeinschaftsrechtliche und verfassungsrechtliche Erwägungen zwingen nicht dazu, Ausnahmen von dem in § 5 III GlüStV normierten Werbeverbot im Internet vorzusehen (vgl. KG, a.a.O., Juris-Rn 100; s.a. OLG Oldenburg, GRUR-RR 2009, 67, juris-Rn 34 ff.). Dies gilt jedenfalls für den, hier betroffenen, Bereich des Glücksspiels, der durch ein staatliches Veranstaltungsmonopol geprägt wird. Regelungen, die wie das Werbeverbot im Internet dazu dienen, die Spielleidenschaft zu begrenzen, tragen gerade dazu bei, das staatliche Glücksspielmonopol gemeinschafts- und verfassungsrechtlich zu rechtfertigen.

Angesichts der marktbeherrschenden Stellung, die die staatliche Lotterieverwaltung bei der Veranstaltung von Lotterien in Hessen besitzt, ist auch die Spürbarkeitsschwelle gemäß § 3 UWG überwunden (vgl. hierzu auch KG, a.a.O., Juris-Rn 101; a.A. OLG Brandenburg, Urteil vom 18.08.2009 € 6 U 103/08, Juris-Rn 66 ff.). Eine derartige Mitteilung auf der Website der Antragsgegnerin zu 2) erscheint durchaus geeignet, eine erhebliche Anzahl von Verbrauchern für eine Spielteilnahme zu interessieren.

Der Unterlassungsanspruch richtet sich gegen alle Antragsgegner. Die Haftung des Landes folgt aus § 8 II UWG, da die Antragsgegnerin zu 2) im Interesse der Lotterieverwaltung als deren Beauftragte tätig geworden ist. Der Antragsgegner zu 3) ist passivlegitimiert, da er als Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 2) den Wettbewerbsverstoß entweder selbst veranlasst oder zumindest die Möglichkeit gehabt hat, ihn zu unterbinden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO und berücksichtigt das Maß des wechselseitigen Obsiegens und Unterliegens.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 05.11.2009
Az: 6 U 133/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/9a1bba8b649b/OLG-Frankfurt-am-Main_Urteil_vom_5-November-2009_Az_6-U-133-09




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