Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Januar 2007
Aktenzeichen: 29 W (pat) 215/03

(BPatG: Beschluss v. 24.01.2007, Az.: 29 W (pat) 215/03)

Tenor

Die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Dezember 2000 und vom 18. Juni 2003 werden aufgehoben und das Deutsche Patent- und Markenamt angewiesen, die Löschung der Marke 399 48 507 anzuordnen für die Waren "Papier, Pappe".

Gründe

I.

Die Wortmarke 399 48 507 FOCUS Faktenist u. a. eingetragen für die Waren der Klasse 16 "Papier, Pappe".

Dagegen hat die A... KG Widerspruch erhoben aus der älteren Wort- marke 1 063 539 Focusdie eingetragen ist für die Waren der Klasse 16

"Papier, Pappe (Karton), Papier- und Pappwaren (soweit in Klasse 16 enthalten)".

Der Widerspruch richtet sich nur gegen die Waren "Papier, Pappe" der jüngeren Marke.

Mit Beschlüssen vom 12. Dezember 2000 und vom 18. Juni 2003 hat die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts den Widerspruch und die Erinnerung der Widersprechenden mangels Verwechslungsgefahr zurückgewiesen Die Marken könnten sich bei Papier und Pappe auf identischen Waren begegnen. Für diese besitze die Widerspruchsmarke eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft, da das Wort "Focus" keinen Warenbezug erkennen lasse. Umstände für eine Steigerung oder eine nachträgliche eingetretene Schwächung der Kennzeichnungskraft seien nicht gegeben. Den danach zu wahrenden erheblichen Abstand zur Widerspruchsmarke halte die jüngere Marke in klanglicher, schriftbildlicher und begrifflicher Hinsicht noch ein. Sie unterscheide sich durch den nicht beschreibenden Bestandteil "Fakten", der gleichwertig neben dem ebenfalls nicht beschreibenden Bestandteil "FOCUS" stehe. Der Verkehr habe keinen Anlass, sich in der jüngeren Marke nur am Begriff "FOCUS" zu orientieren, der diese nicht präge. Für eine mittelbare Verwechslungsgefahr seien weder eine Markenserie der Widersprechenden noch sonstige Umstände dargetan, die darauf schließen ließen, dass "FOCUS" ein besonderer Hinweischarakter auf die Widersprechende zukomme.

Dagegen hat die Widersprechende am 11. Juli 2003 Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass die angegriffene Marke den wegen der vorliegenden Warenidentität und der zumindest normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zu wahrenden großen Abstand nicht einhalte. Die jüngere Marke werde durch ihren Bestandteil "FOCUS" geprägt. Der daneben enthaltene Bestandteil "Fakten" stelle ein bloßes Füllsel dar, das dazu diene, vom identischen und allein kennzeichnungskräftigen Bestandteil "FOCUS" abzulenken. Die Bestandteile "FOCUS" und "Fakten" stünden hinsichtlich der Waren "Papier, Pappe" beziehungslos nebeneinander. Für diese Waren habe die Wortfolge "FOCUS Fakten" keine sinnvolle Bedeutung, so dass sie auch nicht als Gesamtaussage angesehen werden könne. Unabhängig davon habe der Begriff "FOCUS" in der jüngeren Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die angesprochenen Verkehrskreise davon ausgingen, die betreffenden Waren kämen aus demselben oder einem wirtschaftlich verbunden Unternehmen. Gerade auf dem Papiersektor sei es üblich, auf verschiedene Eigenschaften der Papiersorte durch das Hinzufügen von weiteren Bestandteilen zu einer Dachmarke hinzuweisen. Dass "FOCUS" aufgrund einer intensiven Benutzung für Zeitschriften und Druckerereignisse eine starke Marke sei, sei unerheblich. Eine gesteigerte Kennzeichnungskraft sei aus Rechtsgründen nur bei der Widerspruchsmarke zu berücksichtigen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. Dezember 2000 und vom 18. Juni 2003 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke für "Papier, Pappe" anzuordnen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Ihre ursprünglichen Bedenken gegen die Zulässigkeit der Beschwerde hat sie in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufrecht erhalten.

In der Sache ist die Beschwerdegegnerin der Auffassung, dass eine unmittelbare Verwechslungsgefahr wegen offensichtlicher Zeichenunähnlichkeit nicht bestehe. Der Bestandteil "FOCUS" präge die jüngere Marke nicht. Es sei nicht ersichtlich, weshalb der Bestandteil "Fakten" zurücktreten solle, da er für "Papier, Pappe" ebenso wenig beschreibend sei wie "FOCUS". Dem Zeichen komme eindeutig der Sinngehalt zu, dass im Brennpunkt (des Interesses) Fakten stünden. Außerdem verbinde der Verkehr mit "FOCUS" das von der Markeninhaberin herausgegebene Nachrichtenmagazin. Insbesondere Fachkreise würden den Werbeslogan "FAK-TEN, FAKTEN, FAKTEN - UND AN DEN LESER DENKEN" kennen. Insgesamt 25,7 % ordneten die Wortfolge "FAKTEN, FAKTEN, FAKTEN" der Markeninhaberin zu. Sie beruft sich hierzu auf mehrere Umfragegutachten. Daher komme dem Wort "Fakten" in dem Gesamtzeichen prägende Bedeutung zu, denn durch die Bekanntheit modifiziere sich das Verkehrsverständnis. Außerdem habe die Markeninhaberin anerkanntermaßen eine Zeichenserie mit dem Stammbestandteil "FOCUS". Bei Serienzeichen komme dem abweichenden Bestandteil kennzeichenprägende Kraft zu. Dass die bekannte Marke "FOCUS" allein für den Bereich der Druckereierzeugnisse berühmt sei, stehe dem Serienzeichenargument nicht entgegen, da berühmte Zeichen üblicherweise über den Bereich hinaus, aus dem sie stammten, verwertet würden. Eine mittelbare Verwechslungsgefahr scheide aus, da die Widersprechende keine Zeichenserie mit dem Stammbestandteil "Focus" habe. Eine selbständig kennzeichnende Stellung innerhalb des Gesamtzeichens komme dem Bestandteil "FOCUS" nicht zu.

Am 27. Juni 2003 wurde über das Vermögen der ursprünglichen Widersprechenden das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Nach dessen im Beschwerdeverfahren vorgelegten Schreiben vom 8. März 2005 waren die früheren Verfahrensbevollmächtigten zwischen Insolvenzeröffnung und Übernahme der Marken durch die jetzige Beschwerdeführerin in seinem Auftrag tätig. Während des Beschwerdeverfahrens hat der Insolvenzverwalter die Widerspruchsmarke an die B...-Gruppe veräußert. Diese hat sie weiter übertragen auf die C... GmbH & Co. KG. Auf diese wurde die Widerspruchsmarke mit Verfügung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. Dezember 2005 umgeschrieben. Sie hat das Verfahren übernommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Zwar besteht zwischen den Vergleichszeichen keine unmittelbare Verwechslungsgefahr. Da aber der Bestandteil "FOCUS" in der jüngeren Marke neben dem weiteren Bestandteil "Fakten" seine selbständige kennzeichnende Stellung beibehält, besteht angesichts der identischen bzw. im Bereich engster Ähnlichkeit liegenden Waren für die angesprochenen Verkehrskreise die Gefahr, dass die einander gegenüberstehenden Marken i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden.

A. Die Beschwerde ist zulässig.

Die Zustellung des Beschlusses der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. Juni 2003 an die Verfahrensbevollmächtigten der damaligen Widersprechenden erfolgte am 25. Juni 2003, also noch vor Insolvenzeröffnung am 27. Juni 2003, und war damit wirksam. Ebenfalls wirksam war die Beschwerde vom 11. Juli 2003, weil die vormaligen Vertreter der insolventen Widersprechenden zu diesem Zeitpunkt bereits im Auftrag des Insolvenzverwalters tätig waren. Der Senat hat keinen Anlass, an den Angaben des Insolvenzverwalters zu zweifeln.

Nach dem Verkauf der Widerspruchsmarke war die Insolvenzmasse nicht mehr betroffen, so dass das Beschwerdeverfahren fortgesetzt werden konnte. Es ist zunächst mit Schriftsatz vom 21. April 2005 durch die Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Widersprechenden gemäß § 28 Abs. 2 S. 1, S. 2 MarkenG und mit Schriftsatz vom 7. September 2006 durch die jetzige Markeninhaberin übernommen worden.

B. Die Beschwerde ist auch begründet, da für die angesprochenen Verkehrskreise bei den Waren "Papier, Pappe" zwischen den Vergleichszeichen Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 le. Alt. MarkenG besteht. Insoweit war das Deutsche Patent- und Markenamt anzuweisen, die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen (§§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 43 Abs. 2 S. 1 MarkenG).

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und der Identität oder Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; EuGH GRUR 1998, 387 - Sabèl/Puma; GRUR Int. 1998, 875, 876 f. - Canon; BGH GRUR 2004, 598, 599 - Kleiner Feigling; GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder; GRUR 2006, 60 ff. - Rn. 12 - coccodrillo; GRUR 2006, 859 ff. - Rn. 16 - Malteserkreuz).

1. Da Benutzungsfragen im Verfahren nicht angesprochen sind, ist bezüglich der einander gegenüberstehenden Waren von der Registerlage auszugehen. Der Widerspruch richtet sich nur gegen die Waren "Papier, Pappe" der angegriffenen Marke. Diese Waren sind mit den Waren der Widerspruchsmarke "Papier, Pappe (Karton) identisch und mit "Papier- und Pappwaren" hochgradig ähnlich, denn sie stammen aus denselben Herstellerbetrieben, sind einander ergänzende Waren und werden regelmäßig in denselben Vertriebsstätten wie Papier- oder Schreibwarengeschäften oder entsprechenden Abteilungen in Warenhäusern angeboten.

Die hier angesprochenen Verkehrskreise sind sowohl die allgemeinen Verbraucher als auch Fachkreise wie Groß- und Einzelhändler im Bereich der Papier- und Pappwaren.

2. Die Widerspruchsmarke ist bezüglich der verfahrensgegenständlichen Waren uneingeschränkt als Herkunftshinweis geeignet und verfügt daher über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Das Wort "Focus" mit den Bedeutungen "Brennpunkt; Krankheitsherd" hat keinerlei beschreibende Beziehung zu den von der Widerspruchsmarke beanspruchten Waren "Papier, Pappe (Karton), Papier- und Pappwaren (soweit in Klasse 16 enthalten)".

Eine gesteigerte oder nachträglich verminderte Kennzeichnungskraft im Entscheidungszeitpunkt besteht nicht. Soweit Markeneintragungen mit dem Bestandteil "FOCUS" vorliegen für Waren und Dienstleistungen gleicher oder eng verwandter Branchen, deren Benutzung vom Markeninhaber aber nicht im Verfahren vorgetragen ist, kann dies allein keine Schwächung begründen (BGH GRUR 2001, 1161 ff. - CompuNet/ComNet; Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. 2006, § 9, Rn. 199 m. w. N.).

Ohne Auswirkung auf die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist schließlich die von der Markeninhaberin geltend gemachte Berühmtheit der zu ihren Gunsten eingetragenen Marke "FOCUS". Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr kommt es ausschließlich auf die Kennzeichnungskraft der älteren Marke an. Denn Zweck des mit der Eintragung gewährten Schutzes ist es, die Herkunftsfunktion der älteren Marke gegenüber jüngeren, verwechselbar ähnlichen Zeichen zu gewährleisten.

Daher kommt es auf die von der Markeninhaberin in Bezug genommenen Umfragegutachten nicht an. Sie betreffen im Übrigen nur die Bekanntheit des Begriffs "FOCUS" als Titel eines Nachrichtenmagazins bzw. der hier nicht zu beurteilenden Werbeslogans "FAKTEN, FAKTEN, FAKTEN - UND AN DEN LESER DENKEN" und "FAKTEN, FAKTEN, FAKTEN". Die Umfrage zu "Im FOCUS: Onkologie" richtet sich darüber hinaus nur an einen geringen Teil der angesprochen Verkehrskreise.

3. Wegen der Identität bzw. der engen Ähnlichkeit der einander gegenüber stehenden Waren sowie der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke muss die jüngere Marke einen erheblichen Abstand einhalten.

Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Marken ist nach deren Ähnlichkeit im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Um die Markenähnlichkeit zu bejahen, reicht in der Regel bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche aus (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 390 Tz. 23 - Sabèl/Puma; BGHZ 139, 340, 347 - Lions; BGH GRUR 2006, 60 ff. - coccodrillo). Maßgeblich für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist dabei der Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen (BGH a. a. O. - Malteserkreuz Rn. 17). Denn auch der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke normalerweise als Ganzes wahr und achtet nicht auf verschiedene Einzelheiten.

Nach diesen Grundsätzen besteht vorliegend keine unmittelbare Verwechslungsgefahr.

3.1. In klanglicher und in schriftbildlicher Hinsicht unterscheiden sich die Vergleichszeichen in ausreichendem Maße. Die Widerspruchsmarke ist eine Einwortmarke, während die jüngere Marke aus den beiden Begriffen "FO-CUS" und "Fakten" besteht. Dieser Unterschied wird sowohl akustisch als auch visuell eindeutig wahrgenommen.

Auch in begrifflicher Hinsicht weisen die Marken keine Ähnlichkeit vor. Zwar enthalten beide das Wort "Focus", aber aufgrund des zweiten Bestandteils der jüngeren Marke, der in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung hat, fehlt es an einer inhaltlichgedanklichen Gemeinsamkeit der Zeichen. Der Senat folgt insoweit nicht der Auffassung der 4. Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt im Verfahren FOCUS Radio./.Focus (R 268/2005-4), wonach begriffliche Ähnlichkeit auch in Bezug auf einen Markenbestandteil ausreicht (Rn. 30). Denn abzustellen ist jeweils auf den Gesamteindruck der Zeichen (vgl. BGH GRUR 2004, 598, 599 - Kleiner Feigling), es sei denn, die Marke wird durch einen Bestandteil alleine geprägt.

3.2. Die jüngere Marke wird nicht durch ihren Bestandteil "FOCUS" geprägt. Denn eine solche Prägung setzt voraus, dass die übrigen Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck nicht mitbestimmen (vgl. BGH GRUR 2004, 598, 599 - Kleiner Feigling; GRUR 2004, 865, 866 - Mustang). Dies ist bei "FOCUS Fakten" nicht der Fall, was aber nicht darauf beruht, dass das Zeichen die Bedeutung "Brennpunkt Tatsachen" hat, wie die Markeninhaberin vorträgt. Denn in der Wortfolge "FOCUS Fakten" stehen die einzelnen Bestandteile beziehungslos nebeneinander. Um eine Gesamtaussage erkennen zu können, bedürfte es einer inhaltlichen Verknüpfung der beiden Begriffe (vgl. BPatG, 29 W (pat) 195/03, Beschluss vom 24. Januar 2007 - "Im FOCUS: Fakten"). Ein Sinngehalt "Brennpunkt Tatsachen" erschließt sich den angesprochenen Verkehrskreisen nicht aus sich heraus, erst Recht nicht in Verbindung mit den verfahrensgegenständlichen Waren, zu denen keinerlei Bezug besteht. Ebenso wenig hat der Bestandteil "Fakten" der jüngeren Marke für die verfahrensgegenständlichen Waren eine rein beschreibende Bedeutung. Daher wird er beim Zeichenvergleich nicht außer Acht gelassen (vgl. BGH GRUR 2004, 778 - Urlaub direkt).

Danach stehen die beiden Bestandteile in der angegriffenen Marke gleichwertig nebeneinander, ohne dass in der Wahrnehmung des Zeichens als Ganzes ein Element dominiert oder völlig zurücktritt.

3.3. Die Annahme einer Verwechslungsgefahr ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn man berücksichtigt, dass "FOCUS" das Firmenschlagwort der Beschwerdegegnerin ist. Als solches tritt es innerhalb einer aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzten Marke im Gesamteindruck der Marke regelmäßig zurück. Denn der Verkehr erblickt die eigentliche Produktkennzeichnung in den anderen Bestandteilen der Kennzeichnung (vgl. BGH GRUR 2002, 342 ff. - ASTRA/ESTRA-PUREN). Dazu, dass auf dem vorliegenden Warensegment der Firmenname vom Verkehr als zusätzliche Unterscheidungshilfe angesehen wird (BGH a. a. O. - ASTRA/ESTRA-PUREN m. w. N.), hat die Widersprechende nichts vorgetragen.

4. Vorliegend besteht aber Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Markenusurpation i. S. d. der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu "Thomson Life" (GRUR 2005, 1042 ff.) und des Bundesgerichtshofs zu "Malteserkreuz" (GRUR 2006, 859 ff.). Danach kann bei identischen Waren oder Dienstleistungen eine Verwechslungsgefahr für das Publikum bestehen, wenn das streitige Zeichen durch die Verbindung einer Unternehmensbezeichnung eines Dritten mit einer normal kennzeichnungskräftigen eingetragenen Marke gebildet wird und letztere in dem zusammengesetzten Zeichen, ohne allein seinen Gesamteindruck zu prägen, eine selbständig kennzeichnende Stellung behält (EuGH a. a. O., Rn. 30; BGH a. a. O., Rn. 18; vgl. auch BGH GRUR 2002, 171, 174 - Marlboro-Dach; GRUR 2004, 865, 866 - Mustang). Bei Identität oder Ähnlichkeit dieses selbständig kennzeichnenden Bestandteils mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang kann das Vorliegen von Verwechslungsgefahr zu bejahen sein, weil dadurch bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen werden kann, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (EuGH a. a. O., Rn. 31). Wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, löst der durch das jüngere Zeichen hervorgerufene Gesamteindruck beim Publikum die Vorstellung aus, die fraglichen Waren oder Dienstleistungen stammten zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen (EuGH a. a. O., Rn. 31).

Der vorliegende Fall unterscheidet sich zwar von dem vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen dadurch, dass die angegriffene Marke mit der Widerspruchsmarke nicht in dem einem Unternehmenskennzeichen hinzugefügten Teil übereinstimmt, sondern das Unternehmenskennzeichen innerhalb der jüngeren Marke und die ältere Marke identisch sind. Dies führt aber nicht dazu, dass deshalb die Verwechslungsgefahr zu verneinen ist. Die berechtigten Interessen der Abnehmer und Mitbewerber an einer irrtumsfreien Zuordnung der Produkte zu einem Herkunftsbetrieb sowie die Eigentumsrechte des Inhabers der älteren Marke sind nicht nur dann berührt, wenn ein weiterhin kennzeichnungskräftiges Zeichen mit dem Firmenkennzeichen des Inhabers eines jüngeren Zeichens zu einer neuen Marke verbunden wird. Sie werden in gleichem Maße tangiert, wenn überhaupt eine gedankliche Verbindung zwischen den Marken hergestellt wird, die Anlass zu Verwechslungen gibt (vgl. BPatG GRUR 2003, 64 ff. -T-Flexitel/FLEXITEL). Ein derartiger Anlass besteht, wenn die ältere Marke in der jüngeren Marke ihre selbständig kennzeichnende Stellung beibehält und damit nicht ihre Hauptfunktion einbüßt, nämlich dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie es ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von denjenigen anderer Herkunft zu unterscheiden (EuGH a. a. O., Rn. 23 m. w. N., BPatG a. a. O.). Dem Schutz der Herkunftsfunktion dient die Löschung verwechselbarer Zeichen (EuGH a. a. O., Rn. 24). Um den absoluten Schutz umfassend zu gewährleisten, den eine eingetragene Marke gewährt, erstreckt er sich auch auf solche Fälle, in denen die weiterhin selbständig kennzeichnende ältere Marke die jüngere weder prägt noch dominiert (EuGH a. a. O., Rn. 30 - 33). Für die Frage, ob die ältere Marke ihre Herkunftsfunktion verliert, kann es daher auch nicht darauf ankommen, ob sie einem Unternehmenskennzeichen, einem bekannten Handelsnamen oder einer bekannten Marke hinzugefügt wird. Vielmehr ist dies allein anhand der Vergleichsmarken zu beurteilen. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs enthält insoweit keine abschließende Aufzählung, sondern führt nur Beispiele an. Ausgehend von der Vorlagefrage, die sich auf den Fall einer Unternehmensbezeichnung bezog (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2004, 322 - THOMSON-LIFE), hat er lediglich als weitere Möglichkeiten, in denen die usurpierte Marke ihre selbständig kennzeichnende Stellung nicht verliert, die Verbindung mit einem bekannten Handelsnamen oder einer bekannten Marke genannt. Andernfalls könnte der in Art. 5 Abs. 1 MarkenRichtl, § 14 Abs. 1, 2 MarkenG gewährte Schutz allein dadurch unterlaufen werden, dass der älteren Marke beliebige weitere Bestandteile hinzugefügt werden. Auch der Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung "Malteserkreuz" (a. a. O.) für die Frage der selbständig kennzeichnenden Stellung nicht darauf abgestellt, welchen weiteren Bestandteilen die ältere Marke in der jüngeren hinzugefügt wurde, sondern allein auf den mit der älteren Marke übereinstimmenden bzw. ähnlichen Teil.

Eine selbständig kennzeichnende Stellung der älteren Marke ist allerdings dann nicht gegeben, wenn sie ihre Hinweisfunktion in der jüngeren Marke vollständig verliert. Dies setzt aber voraus, dass die ältere Marke mit den anderen Bestandteilen der jüngeren Marke in einer Aussage oder einem Begriff so zusammenwirkt, dass eine Herausnahme aus der Aussage oder dem Begriff nicht möglich ist, ohne deren Sinn zu zerstören. Dies wäre z. B. bei Wortbildungen wie "Focusthema, Focusabstand, Autofocus, Servofocus" oder Gesamtaussagen wie "Im FOCUS des Interesses" oder bei den den Parallelverfahren 29 W (pat) 195/03 und 29 W (pat) 161/02 zugrundeliegenden Marken "Im Focus: Fakten" oder "Im Focus: Fakten, Fakten, Fakten" der Fall. Eine Gesamtaussage liegt hier nicht vor (siehe oben 3.2.), ebenso wenig ein Gesamtbegriff.

Damit ist eine selbständig kennzeichnende Stellung der ältere Marke "Focus" in der jüngeren Marke "FOCUS Fakten" zu bejahen, so dass - insbesondere auch, weil "FOCUS" das Firmenschlagwort der Inhaberin der jüngeren Marke ist - bei den angesprochenen Verkehrskreisen die Vorstellung ausgelöst wird, die fraglichen Waren stammten zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen. Daher ist die Löschung der jüngeren Marke im angegriffenen Umfang anzuordnen (§ 43 Abs. 2 S. 1 MarkenG; im Ergebnis ebenso HABM - R 268/2005-4 FOCUS Radio./.Focus; R 319/2005-4 - TO-MORROW FOCUS./.Focus).

Auf die Frage einer mittelbaren Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt von Serienzeichen (vgl. EuGH GRUR 1998, 387 = WRP 1998, 39 - Sabèl/Puma; BGH GRUR 2002, 542 ff. - BIG) kommt es danach nicht mehr an.

C) Eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen war nicht veranlasst, § 71 Abs. 1 MarkenG.






BPatG:
Beschluss v. 24.01.2007
Az: 29 W (pat) 215/03


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