Oberlandesgericht Nürnberg:
Urteil vom 26. Mai 2009
Aktenzeichen: 3 U 178/09

(OLG Nürnberg: Urteil v. 26.05.2009, Az.: 3 U 178/09)

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 14. Januar 2009, Az. 4 HKO 6496/08 abgeändert.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf25.000,00 Eurofestgesetzt.

Gründe

A.

Die Beklagte, eine Steuerberatergesellschaft, versuchte durch Stellenanzeigen im Internet und in einer Fachzeitschrift sowie mit Hilfe von persönlichen Anschreiben im gesamten Bundesgebiet Buchführungshelfer als freie Mitarbeiter zu gewinnen.

Die Klägerin, die ... sieht darin eine unlautere geschäftliche Handlung nach § 4 Nr. 11 UWG. Die Unlauterkeit folge daraus, dass nach § 7 BOStB die Beschäftigung von freien Mitarbeitern nur dann zulässig sei, wenn diese weisungsgebunden unter der fachlichen Aufsicht und beruflichen Verantwortung des Steuerberaters tätig seien. Nur wenn sich die freien Mitarbeiter im Nahbereich des eigentlichen Berufsträgers befänden, seien diese Anforderungen des § 7 BOStB gewahrt. Was als Nahbereich anzusehen sei, sei durch die Rechtsprechung zu den §§ 50 Abs. 1 und 34 Abs. 2 Satz 2 StBerG vorgeklärt. Darunter falle ein Umkreis von 50 Kilometern zum Sitz der Steuerberatergesellschaft oder die Erreichbarkeit binnen einer Stunde. Wenn der freie Mitarbeiter außerhalb eines solchen Nahbereichs tätig werde, dann sei die von § 7 BOStB geforderte Kontrolle und Aufsicht nicht mehr sichergestellt.

Da sich die bundesweite Werbung auch nicht mehr an einen überschaubaren Kreis von potentiellen freien Mitarbeitern im Nahbereich richte, sei die Beklagte auch gar nicht mehr in der Lage, solche Mitarbeiter entsprechend § 7 BOStB zu überwachen.

Die Beklagte sei folglich verpflichtet, die Anwerbung von freien Mitarbeitern räumlich einzuschränken.

Die Klägerin hat in erster Instanz einen entsprechenden Antrag, bzw. Hilfsantrag gestellt, mit dem die freie Mitarbeiteranwerbung durch die Beklagte auf den jeweiligen Nahbereich beschränkt werden sollte.

Die Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt.

Sie ist der Ansicht, dass die Nahbereichsregelung des § 34 Abs. 2 Satz 2 StBerG nicht auf die Beschäftigung von freien Mitarbeitern nach § 7 BOStB übertragen werden könne.

Aus den beanstandeten Anzeigen und Schreiben ergebe sich auch in keiner Weise, dass die Beklagte mehr Mitarbeiter einstellen möchte, als sie zu überwachen in der Lage sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des Ersturteils Bezug genommen.

Das Erstgericht hat dem Hilfsantrag, den es lediglich als Klarstellung des Hauptantrages verstanden hat, in vollem Umfang stattgegeben und so die Mitarbeiteranwerbung durch die Beklagte auf den jeweiligen Nahbereich beschränkt; es wird insoweit auf den Tenor des Ersturteils Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt.

Beide Parteien wiederholen und vertiefen in der Berufungsinstanz ihre im Wesentlichen rechtlichen Argumente.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.

Die Klägerin beantragt

die Zurückweisung der Berufung.

Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

B.

Die Berufung ist in vollem Umfang begründet, da die Beklagte mit ihren Beschäftigungsangeboten für freie Mitarbeiter keine unlautere geschäftliche Handlung nach § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG vorgenommen hat.

I.

Stellenangebote, die dem Bezug von Dienstleistungen des Unternehmers dienen, sind als geschäftliche Handlungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG n. F., bzw. als Wettbewerbshandlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG a. F. zu qualifizieren (siehe Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG 27. Auflage 2009, Rdnr. 39 zu § 2 sowie a. a. O., 26. Auflage 2008, Rdnr. 18 zu § 2 UWG).

II.

Eine Unlauterkeit nach § 4 Nr. 11 UWG kann entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts weder aus § 34 Abs. 2 Satz 2 StBerG noch aus § 7 BOStB abgeleitet werden:

1. § 34 Abs. 2 Satz 2 StBerG:

Die in dieser Vorschrift normierte Residenzpflicht im sog. Nahbereich betrifft unmissverständlich nur den Steuerberater selbst, aber nicht seinen freien Mitarbeiter.

Eine analoge Anwendung auf den freien Mitarbeiter scheidet aus:

Denn eine planwidrige Regelungslücke als Voraussetzung für eine Analogie fehlt (Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Auflage, Einleitung 48 vor § 1 BGB). Die Beschäftigung freier Mitarbeiter ist entsprechend der Ermächtigung in § 86 Abs. 2 Nr. 2 StBerG von der Satzungsversammlung in § 7 BOStB geregelt worden. Dort wäre eine Nahbereichsregelung aufzunehmen gewesen. Die Problematik der Nahbereichsregelung nicht nur in § 34 Abs. 2 Satz 2 StBerG, sondern auch in § 50 Abs. 1 StBerG sowie § 55 Abs. 2 BOStB war der Satzungsversammlung, die aus Berufspraktikern besteht, auch hinreichend bekannt. Die fehlende Aufnahme einer entsprechenden Regelung in § 7 BOStB kann deshalb nicht als planwidrige Regelungslücke angesehen werden.

2. Auch § 7 BOStB rechtfertigt eine räumliche Einschränkung bei der Beschäftigung freier Mitarbeiter nicht.

a) Charakteristisch für den in § 7 BOStB genannten freien Mitarbeiter ist es gerade, dass dieser im Gegensatz zum Arbeitnehmer Zeit, Dauer und Ort seiner Tätigkeit frei bestimmen kann. Auch hier wäre zu erwarten gewesen, dass dann, wenn eine räumliche Einschränkung von Seiten der Satzungsversammlung für erforderlich gehalten worden wäre, diese dann in § 7 BOStB selbst unter Einschränkung der gängigen Definition des freien Mitarbeiters geregelt wird.

b) Auch aus der Formulierung in § 7 BOStB, nämlich dass ein freier Mitarbeiter "weisungsgebunden unter der fachlichen Aufsicht und beruflichen Verantwortung des Steuerberaters" tätig sein muss, kann nicht der Schluss gezogen werden, dass der Mitarbeiter seine Tätigkeit im Nahbereich verrichten müsse. Denn die heutigen modernen Kommunikationsmittel, insbesondere die Kontaktmöglichkeiten über E-Mail, Internet und Handy stellen eine jederzeitige Erreichbarkeit und damit sowohl kontrollierende als auch unterstützende Tätigkeit zwischen dem verantwortlichen Steuerberater und dem freien Mitarbeiter über jegliche räumliche Distanz sicher. Es ist keineswegs eine andauernde Anwesenheit des freien Mitarbeiters im Nahbereich nötig.

Aus der von der Klägerin wiederholt zitierten Entscheidung des BFH vom 31. August 1995 € VII R 98/94 ergibt sich ein anderer Hintergrund der gesetzlichen Nahbereichsregelung (vgl. Randziffer 24 € zitiert nach juris):

Der Mandant sollte den Steuerberater in vertretbarer Zeit und Entfernung jederzeit erreichen können. Dies ist nichts anderes als die Kehrseite der vom Gesetzgeber ausdrücklich zu Gunsten des Steuerberaters geregelten Befugnis für die uneingeschränkte Erlaubnis, steuerberatend tätig zu sein. Die Interessenlage des Mandanten an einer schnellen persönlichen Erreichbarkeit seines Steuerberaters unterscheidet sich jedoch ganz wesentlich von def fachlichen Aufsicht über einen freien Mitarbeiter. Letztere ist nach Auffassung des Senats dem Bereich der Bürogeschäfte zuzuordnen, für deren Erledigung auch der BFH in der vorgenannten Entscheidung den Einsatz moderner Telekommunikationsmittel für ausreichend erachtet. Einer Nahbereichsregelung bedarf es daher nicht.

c) Im Übrigen ist zu bedenken, dass eine räumliche Beschränkung der Tätigkeit auch zu einer erheblichen Einschränkung der durch Art. 12 GG geschützten Berufstätigkeit insbesondere der als freien Mitarbeiter gesuchten Finanzbuchhalter führen würde. Auch dieser Gesichtspunkt verbietet es, § 7 BOStB extensiv auszulegen.

d) Soweit die Klägerin damit argumentieren will, dass nur eine räumliche Beschränkung der Stellenangebote die zahlenmäßige Beschränkung freier Mitarbeiter und so die von § 7 BOStB geforderte Kontrolle und Aufsicht sicherstelle, weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass mit einer bundesweiten Werbung keineswegs zwangsläufig eine übergroße Zahl von Einstellungen verbunden ist. Es muss der Beklagten unbenommen bleiben, ihre freien Mitarbeiter aus einem möglichst großen, d. h. bundesweiten Reservoir zu schöpfen.

Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 11 UWG für ein unlauteres Verhalten der Beklagten sind damit nicht erfüllt. Die Klage ist mit der Kostenfolge des § 91 ZPO abzuweisen.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen. Die Entscheidung darüber, ob ein Steuerberater uneingeschränkt freie Mitarbeiter anwerben darf, ist von grundsätzlicher Bedeutung.






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