Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Oktober 2005
Aktenzeichen: 17 W (pat) 21/05

(BPatG: Beschluss v. 20.10.2005, Az.: 17 W (pat) 21/05)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 01 L des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. Mai 2002 aufgehoben und das Patent erteilt. Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 und 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Patentansprüche 2 und 3 vom Anmeldetag, Beschreibung Seiten 1, 2 bis 5 vom Anmeldetagund Seite 1 a, überreicht in der mündlichen Verhandlung, sowie 3 Blatt Zeichnungen mit Figur 1 vom Anmeldetag und Figuren 2 bis 7 vom 21. August 2001, eingegangen am 23. August 2001.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung ist am 26. März 2001 mit der Bezeichnung

"Drucksensoreinrichtung"

beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden.

Die Prüfungsstelle für Klasse G 01 L hat die Anmeldung mit Beschluß vom 2. Mai 2002 mangels erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Sie beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit den folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 und 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Patentansprüche 2 und 3 vom Anmeldetag, Beschreibung Seiten 1, 2 bis 5 vom Anmeldetag und Seite 1a (einzufügen auf Seite 1 nach Zeile 30), überreicht in der mündlichen Verhandlung, sowie Figur 1 vom Anmeldetag und Figuren 2 bis 7 vom 23. August 2001.

Patentanspruch 1 (mit zugefügter Gliederung) lautet:

1. Drucksensoreinrichtung mita) einer Membran (4), die einseitig mit einem Arbeitsmedium (6) beaufschlagt ist, undb) einem Sensorchip (8), der auf der dem Arbeitsmedium (6) abgewandten Seite der Membran (4) angeordnet ist, undc) einer in dem Sensorchip (8) ausgebildeten Messbrücke mit vier Sensorelementen (10-13), c1) die zwei parallel angeordnete Paare bildenc2) und die Paare zueinander im rechten Winkel angeordnet sind, c3) wobei die Sensorelemente eng beabstandet zueinander in dem Randbereich des Sensorchips (8) angeordnet sind, der hingewandt ist zu dem Mittelpunkt der Membran.

Bezüglich der weiteren Unterlagen wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Nach Ansicht der Anmelderin ist die nunmehr beanspruchte Lehre durch den im Erteilungsverfahren genannten Stand der Technik weder bekannt noch nahegelegt und demzufolge patentierbar.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet, da der Gegenstand des nachgesuchten Patents nach den §§ 1 bis 5 PatG patentfähig ist.

1. Die geltenden Patentansprüche sind zulässig.

Die Ansprüche 1 bis 3 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 1 bis 3.

Der Offenbarungsgehalt des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Anspruchs 4 ergibt sich aus Seite 5, Zeile 14 bis 18 der ursprünglichen Beschreibung.

2. Die Erfindung betrifft eine Drucksensoreinrichtung, die insbesondere zur Erfassung hoher Drücke geeignet ist, beispielsweise eines Kraftstoffdrucks in einer Kraftstoffversorgungseinheit eines Kraftfahrzeugs. In der Beschreibungseinleitung wird u. a. auf die aus der Druckschrift DE 198 33 712 A1 bekannte Drucksensoreinrichtung mit Membrankörper, darin befindlicher Ausnehmung für das der Druckmessung zu unterziehende Arbeitsmedium und im Anschluss an die Ausnehmung angeordneter Membran mit Sensorchip eingegangen. Die bekannte Drucksensoreinrichtung wird insoweit als problematisch geschildert, als Durchmesservergrößerungen der Ausnehmung auch größere Sensorchips mit entsprechend erhöhten Herstellungskosten erforderlich machten.

Die der beanspruchten Erfindung zugrunde liegende Aufgabe wird demgegenüber darin gesehenen, eine Drucksensoreinrichtung so auszubilden, daß sie kostengünstig herstellbar ist und eine hohe Empfindlichkeit bei der Erfassung des Drucks aufweist.

Die Lösung dieser Aufgabe wird durch den vorstehend wiedergegebenen Anspruch 1 vermittelt.

Die Lehre des Anspruchs 1 ist für den Fachmann, einen Physiker mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Druckmesstechnik, nachvollziehbar. Hierbei leitet der Fachmann aus der Angabe im Merkmal c3, dass der Randbereich des Sensorchips, auf dem die Sensorelemente eng beabstandet zueinander angeordnet sind, zum Mittelpunkt der Membran "hingewandt" ist , ab, dass ein anderer Randbereich des Sensorchips vom Membran-Mittelpunkt abgewandt ist, woraus sich eine asymmetrische Anordnung des Sensorchips auf der Membran ergibt (vergl. hierzu auch die ursprüngliche Beschreibungsseite 4, 2. Abs.). Zu der nach Merkmal c1) "parallelen" Anordnung der Sensorelemente-Paare gehört für den Fachmann nach S. 2, 2. u. 3. Abs., S. 4, le. Abs. und den Figuren 2 und 3 der ursprünglich eingegangenen Anmeldungsunterlagen auch die fluchtende Anordnung der Sensorelemente eines Paares.

3. Im Verfahren befinden sich folgende Druckschriften:

1) DE 197 14 703 A1, 2) DE 41 37 624 A1, 3) DE 2 123 135 A, 4) DE 42 31 326 A1 5) DE 198 33 712 A1.

Hinsichtlich dieses Standes der Technik ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu, da keine der genannten Druckschriften eine Drucksensoreinrichtung mit allen Merkmalen dieses Anspruchs zeigt. Der beanspruchte Gegenstand beruht darüber hinaus auch auf erfinderischer Tätigkeit.

Die aus D5 bekannte Druckerfassungsvorrichtung weist eine Membran 1b auf, die einseitig (über den Druckaufnahmeanschluss 1a) mit einem Arbeitsmedium beaufschlagbar ist und die auf der dem Arbeitsmedium abgewandten Seite mit einem Sensorchip 2 bestückt ist. Der Sensorchip 2 ist mit einer aus den 4 Sensorelementen 3a...3d bestehenden Messbrücke ausgestattet, wobei die Sensorelemente paarweise parallel angeordnet sind (Zusammenfassung; Fig. 1). Insoweit zeigt D5 eine Drucksensoreinrichtung mit den Merkmalen a, b, c und c1 des Anspruchs 1. Die Sensorelemente der bekannten Drucksensoreinrichtung sind mit zumindest paarweise gleich bleibendem Abstand (Fig. 15, 24, 39) jeweils um den für die Membran 1b und den Sensorchip 2 gemeinsamen Mittelpunkt angeordnet, wodurch sich einerseits eine Verringerung des durch Wärmebeanspruchung hervorgerufenen Erfassungsfehlers und andererseits ein gutes Ansprechverhalten ergibt (Sp. 1, Z. 30 - Z. 40; Sp. 1, Z. 52 bis Sp. 2, Z. 4).

Die nach den Merkmalen c2 und c3 bei der beanspruchten Drucksensorvorrichtung vorgesehenen Maßnahmen, die Sensorelemente-Paare zueinander im rechten Winkel und eng beabstandet zueinander in dem Randbereich des Sensorchips (8), der hingewandt ist zu dem Mittelpunkt der Membran, anzuordnen, geht aus D5 somit nicht hervor. D5 vermag die letztgenannten Maßnahmen auch nicht nahe zu legen, da die in dieser Druckschrift angegebene Zielsetzung (keine nachteilige Wirkung der Wärmebeanspruchung, gutes Ansprechverhalten) die hierzu vorgesehene Mittelpunktsgleichheit von Membrane und Sensorchip und die symmetrisch zu diesem Mittelpunkt vorgenomme Anordnung der Sensorelemente erforderlich macht.

Auch die weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften vermögen die beanspruchte Lehre nicht nahe zu legen.

In D1 zeigen die Figuren 1, 3 und 4 Drucksensorvorrichtungen mit jeweils einem Rahmen 3 und einer Membran 1, wobei zwei fluchtend angeordnete Sensorelemente 11 (vergl. Fig. 2) verwendet werden, die sich jeweils auf einer Siliciumbrükke 2 befinden. Die Siliciumbrücke 2 kann mit der Membran 1 bzw. dem Rahmen 3 direkt (Fig. 1) oder über einen Träger 16 (Fig. 3) oder über eine Stütze 101 mit Sockel 102 (Fig. 4) verbunden sein. Die Sensorelemente sind jeweils symmetrisch zum Mittelpunkt der Siliciumbrücke oberhalb einer Ausnehmung 8, d. h. in einem dünner ausgestalteten Brückenbereich mit entsprechend hohen mechanischen Spannungen, angebracht (Sp. 2, Z. 35-46). In Sp. 2, Z. 62 ff. ist angegeben, daß die Sensorelemente auch in Form einer Vollbrücke vorgesehen sein können, die der Fachmann aus Gründen der Empfindlichkeit der Drucksensorvorrichtung ebenfalls im Bereich der Ausnehmung 8, d.h. im Bereich hoher mechanischer Spannungen und symmetrisch zum Mittelpunkt der Siliciumbrücke anordnet. Diese Konfiguration der Sensorelemente gibt dem Fachmann folglich keine Veranlassung zu einer Umgestaltung der Drucksensoreinrichtung gemäß den Merkmalen c1 bis c3.

D2 zeigt in den Fig. 2a, 2b einen Kraftsensor mit einer Brückenschaltung aus piezoresistiven Sensorelementen 21, die um den Krafteinleitungsbereich 23 angeordnet sind (Sp. 1, Z. 37 - 43) und zwar in der Weise, daß zwei Sensorelemente (Nord/Süd) mit ihrer Längsrichtung zum Krafteinleitungsbereich 23 und zwei (Ost/West) quer dazu orientiert sind (Sp. 3, Z. 44 ff.; Anspruch 2). Der Chip 20 ist vollständig mit dem Gegenlager 38 verbunden. Dieser in D2 gegebene Sachverhalt mit um den Krafteinleitungsbereich herum angeordneten Sensorelementen ist diesbezüglich vergleichbar mit jenem aus D5 und D1 und vermag aus den zu diesen Druckschriften genannten Gründen die Lehre des Anspruchs 1 ebenfalls nicht nahe zu legen.

Die in D2 in den Figuren 7a bis 7b dargestellten Silicium-Chips für Kraftsensoren, bei denen die piezoresistiven Sensorelemente 21 längs einer zur Krafteinleitungsfläche 23 beabstandeten Meßlinie - zwei in Längsrichtung und zwei quer dazu - auf einem einseitig abgestützten Träger angeordnet sind (Sp. 1, Z. 46 - 52; Sp. 6, Z. 28 ff. mit Fig. 7a; Anspruch 4) liegen von der Drucksensoreinrichtung nach Anspruch 1 gattungsmäßig so weit ab, daß der Fachmann hieraus keine Anregungen erhält für die Gestaltung einer Drucksensoreinrichtung mit einer Membran, die auf der einen Seite mit einem Arbeitsmedium beaufschlagt ist und auf der anderen mit einem Sensorchip ausgestattet ist, der asymmetrisch zum Membranmittelpunkt angeordnet ist.

In D3 werden Druckaufnehmer beschrieben, bei denen sich auf einer Hauptmembran 1 an deren Rand gegenüberliegend angeordnet zwei "kleine" (Halbleiter-) Membranen 2 und 3 befinden (vergl. S. 9, Z. 3; Ansprüche 1 und 2), in die jeweils eine Messbrücke aus den (Piezo-)Sensorelementen 4 bis 7 bzw. 8 bis 11 diffundiert (S. 9, Z. 4) ist (S. 4, 2. Abs., Fig. 1). Die Sensorelemente 4 und 6 bzw. 8 und 10 sind zueinander fluchtend und die Elemente 5 und 7 bzw. 9 und 11 zueinander parallel orientiert, so dass die vier Sensorelemente jeder Messbrücke zwei parallel angeordnete Paare bilden, die zueinander im rechten Winkel angeordnet sind. An den Ausgängen beider Messbrücken erhält man jeweils eine von den (Membran-) Deformationen und damit eine vom zu messenden Druck abhängige Spannung. Die Abnahme der Spannungen erfolgt mittels zweier Geräte, deren Resultate zur Erzielung einer höheren Empfindlichkeit zusammengezählt werden (S. 1, le. Abs. mit S. 2, 3. Abs.; S. 9, 1. Abs.; S. 10, 2. Abs).

D3 zeigt somit eine Drucksensoreinrichtung, die mit dem Gegenstand des Anspruchs 1 bezüglich der Merkmale a, c und c1 übereinstimmt. Es besteht für den Fachmann jedoch keine Veranlassung, von der aus D3 ersichtlichen Drucksensoreinrichtung mit zwei symmetrisch zum Hauptmembranmittelpunkt angeordneten Messbrücken abzugehen, da der Einsatz von mindestens zwei Messbrücken (Anspruch 1; S. 10, 2. Abs.) aus Gründen der zu erzielenden Empfindlichkeit erforderlich ist. Demzufolge erhält der Fachmann aus D3 keine Anregung, eine Drucksensoreinrichtung mit nur einer Messbrücke zu realisieren und den zugehörigen Sensorchip entsprechend Merkmal c3 asymmetrisch zum Membranmittelpunkt anzuordnen.

In D4 werden bei Halbleiterdruckdetektoren einsetzbare Druckerfassungschips beschrieben, die auf einem üblicherweise aus Glas hergestellten Sitz befestigt sind (Sp. 1, Z. 3 - 14; Figuren 3 und 4). Bei dem in den Figuren 1 und 2 dargestellten Druckerfassungschip befindet sich auf einem brückenförmigen Träger eine außermittig angebrachte Messbrücke mit 4 Sensorelementen 3 bis 6, die zwei parallel angeordnete Paare 3, 5 und 4, 6 bilden, die zueinander im rechten Winkel angeordnet sind. Insoweit sind die sich auf die Chipausgestaltung beziehenden Merkmale c, c1 und c2 beim Druckerfassungschip nach D4, Figuren 1 und 2 realisiert. Der bekannte Chip lässt sich jedoch nicht auf einer Membran - vergleichbar mit den Merkmalen a, b und c3 - anordnen; die Membran ist vielmehr Bestandteil des Chips. Des weiteren sind die Sensorelemente eng beabstandet und außermittig in Bezug auf einen Membranabschnitt des Druckerfassungschips angeordnet, so daß mechanische Spannungen am Membranabschnitt nur zu geringen Variationen der durch die einzelnen Sensorelemente erfassten Meßwerte führen (Sp. 2, Z. 27 - 35 und Z. 60 - 67). Eine derartige Anordnung der Sensorelemente führt den Fachmann jedoch davon weg, die Sensorelemente in einem Bereich hoher mechanischer Spannungen anzuordnen, da dies zu einer in D4 unerwünschten erhöhten Variation der durch die einzelnen Sensorelemente erfassten Meßwerte führen würde. Damit kann D4 dem Fachmann keine Anregung vermitteln, die Sensorelemente in einem auf den Mittelpunkt einer Membran ausgerichteten Randbereich eines Sensorchips anzuordnen.

Aus den aufgezeigten Gründen vermögen die abgehandelten Druckschriften weder einzeln noch bei verbindender Betrachtung die Drucksensoreinrichtung nach Anspruch 1 nahe zu legen. Diese Drucksensoreinrichtung beruht somit auf erfinderischer Tätigkeit und der auf sie gerichtete Anspruch ist demzufolge gewährbar.

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 4 beinhalten zweckmäßige Weiterbildungen der Drucksensoreinrichtung nach Anspruch 1 und sind somit ebenfalls gewährbar.

Dr. Fritsch Eder Prasch Schuster Na






BPatG:
Beschluss v. 20.10.2005
Az: 17 W (pat) 21/05


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