Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. April 2002
Aktenzeichen: 7 W (pat) 02/01

(BPatG: Beschluss v. 10.04.2002, Az.: 7 W (pat) 02/01)

Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse F 16 B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. September 2000 aufgehoben und das Patent erteilt mit den am 10. April 2002 überreichten Unterlagen (Patentansprüche 1 bis 4, 7 Seiten Beschreibung und 1 Blatt Zeichnungen (Figuren 1 bis 5)).

B e z e i c h n u n g : Verfahren zum Fügen von Blechen A n m e l d e ta g : 16. Januar 1997

Gründe

I Die Patentanmeldung 197 01 252.3-12 ist am 16. Januar 1997 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen.

In einem Prüfungsbescheid vom 10. September 1997 hat die Prüfungsstelle für Klasse F 16 B des Deutschen Patent- und Markenamts zum Stand der Technik die Druckschriften DE-AS 19 58 058 (1)

DE 43 33 052 A1 (2)

DE-GM 71 32 776 (3)

DE-GM 17 84 501 (4)

DE 36 13 324 A1 (5)

DE-AS 12 94 333 (6)

DE 23 34 385 A1 (7)

genannt und die Auffassung vertreten, daß demgegenüber die Gegenstände der Ansprüche vom Anmeldetag nicht patentfähig seien und deshalb ein Patent nicht erteilt werden könne.

Am 2. April 1998 hat der Anmelder neue Patentansprüche 1 bis 5 eingereicht.

Mit Beschluß vom 18. September 2000 hat die Prüfungsstelle die Anmeldung wegen fehlender Patentfähigkeit ihres Gegenstandes zurückgewiesen. Die Beschlussbegründung ist im wesentlichen auf den Stand der Technik nach den oben genannten Entgegenhaltungen (2), (5) und (7) gestützt.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde des Anmelders. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht tritt der Anmelder der Auffassung des Beschlusses entgegen. Er legt neue Patentansprüche 1 bis 4, eine daran angepasste Beschreibung sowie eine Zeichnung vor und stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu erteilen mit den am 10. April 2002 überreichten Unterlagen (4 Patentansprüche), Beschreibung (7 Seiten) und 1 Blatt Zeichnung (Figuren 1 bis 5).

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"Verfahren zum Herstellen einer Fügeverbindung, bei der ein Fügedorn unmittelbar in zu verbindende Bleche eingepresst wird, während diese auf der dem Fügedorn entgegengesetzten Seite mit einer zu diesem konzentrischen Matrize abgestützt werden, so dass die Bleche durch den Fügedorn sacklochartig vertieft eingedrückt werden und der so ausgebildete Sack des fügedornseitigen Bleches in einem Sackloch des matrizenseitigen Bleches kraft- und formschlüssig verankert steckt, dadurch gekennzeichnet, dass der Fügedorn mit dem Bolzen eines Bolzenschußgerätes in die Bleche vorgetrieben wird, wobei während des Stoßes des Schusses die Matrize mit einem Gegenhalter durch deren träge Masse einen Gegenhalt bieten ebenso wie die träge Masse des Bolzenschußgerätes währenddessen einen Rückhalt gewährt."

Der geltende Patentanspruch 2 lautet:

"Verfahren zum Herstellen einer Stanznietverbindung, bei der mit einem Fügedorn ein Stanzniet mit einem Sackloch mit seiner offenen Seite auf zu verbindende Bleche aufgesetzt in diese ringförmig divergierend und eines der Bleche durchsetzend eingepresst wird, während diese auf der dem Fügedorn entgegengesetzten Seite mit einer zu diesem konzentrischen Matrize abgestützt werden, so dass die Bleche durch den Stanzniet unmittelbar verbunden werden, dadurch gekennzeichnet, daß der Fügedorn zusammen mit dem Stanzniet mit dem Bolzen eines Bolzenschussgerätes in die Bleche vorgetrieben wird, wobei während des Stoßes des Schusses die Matrize mit einem Gegenhalter durch deren träge Masse einen Gegenhalt bieten ebenso wie die träge Masse des Bolzenschussgerätes währenddessen einen Rückhalt gewährt."

Gemäß geltender Beschreibung (S 3 Abs 2) liegt die Aufgabe vor, bekannte Durchsetzfügeverfahren und Stanznietverfahren für dickere und zähere Bleche mit schwer zugänglicher Rückseite einsetzbar zu machen.

Nachgeordnete Patentansprüche 3 und 4 sind auf die weitere Ausgestaltung der Verfahren nach den nebengeordneten Patentansprüchen 1 und 2 gerichtet.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig. Sie hat auch Erfolg.

Der Anmeldungsgegenstand stellt in der geltenden Fassung der Patentansprüche eine patentfähige Erfindung iSd §§ 1 bis 5 PatG dar.

Die geltenden Ansprüche 1 bis 4 sind zulässig. Ihre Merkmale sind ursprünglich offenbart.

Die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 2 sind neu. Keine der aufgezeigten Entgegenhaltungen offenbart sämtliche Merkmale dieser Ansprüche, insbesondere beschreibt keine ein Verfahren zum Herstellen einer nietlosen Fügeverbindung oder zum Herstellen einer Stanznietverbindung unter Verwendung eines Bolzenschussgerätes für den Vortrieb des Fügedorns.

Die Verfahren nach den Patentansprüchen 1 und 2, deren gewerbliche Anwendbarkeit nicht in Zweifel steht, beruhen auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

1. In der deutschen Offenlegungsschrift 36 13 324 (5) ist ein (nietloses) Verfahren zum Verbinden dünner Platten beschrieben, das alle Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 aufweist. Es verwendet eine Preßvorrichtung mit einem Fügedorn (Fig. 1 bis 4, Formstempel 1 bestehend aus Trägerschaft 6 und Arbeitszapfen 7), der in Richtung eines als Matrize ausgebildeten Gesenks (2) bewegbar ist, das zur rückseitigen Abstützung der zu verbindenden, aufeinanderliegende Bleche (Platten 4, 5) dient (Sp 3 Z 52 bis Sp 4 Z 3). Beim Preß- bzw. Arbeitsvorgang werden die Bleche durch den Formstempel gemeinsam derart sacklochartig eingedrückt, dass die Blechausformung des formstempelseitigen Bleches in der Blechausformung des matrizenseitigen Bleches kraft- und formschlüssig verankert ist (Sp 4 Z 4 bis 34).

Das Verfahren nach Anspruch 1 unterscheidet sich von dem bekannten durch die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs angegebenen Merkmale, dh im wesentlichen dadurch, dass der Fügedorn bzw. Formstempel mit dem Bolzen eines Bolzenschussgerätes vorgetrieben wird. Gegenüber dem herkömmlichen, für geringere Vortriebsgeschwindigkeiten ausgelegten Pressstempeltrieb lässt sich durch die Anwendung des Schussverfahrens mit seinen kurzen Schusszeiten der Lateral- oder Winkelversatz zwischen Fügedorn und Matrize vermeiden und damit die Qualität der Verbindung verbessern (Beschreibung S 4 le Abs übergehend auf S 5 iVm Fig. 4). Entsprechend dem höheren Energieeintrag lassen sich durch Anwendung des Schussverfahrens aufgabengemäß auch dickere und zähere Bleche verbinden und bei hinreichend großer Masse von Bolzenschussgerät und Matrize (als oder in Verbindung mit einem Gegenhalter) und den hierdurch bedingten großen Trägheitskräften auf eine herkömmliche starre Verbindung der Fügevorrichtungsteile beidseits der Bleche verzichten, so dass die Möglichkeit einer separaten Matrizenpositionierung besteht, die Vorteile bei schwer zugänglicher Rückseite der Bleche bietet (S 5 Abs 2 iVm S 3 Abs 2).

Der entgegengehaltene Stand der Technik vermag dem Fachmann - als hier zuständig wird ein Fachhochschulingenieur des Maschinenbaus angesehen, der auf dem Gebiet der Fügetechnik mehrjährige Berufserfahrung aufweist, - weder Vorbild noch Anregung zur diesbezüglichen Lehre des Anspruchs 1 zu vermitteln.

Soweit gemäß vorliegendem Stand der Technik Bolzenschussgeräte für das Verbinden von Blechen zum Einsatz kommen (deutsche Offenlegungsschrift 23 34 385 (7) und deutsches Gebrauchsmuster 71 32 776 (3), ua Fig. 1 bis 3 und zugehörige Beschreibungsteile), sind Verfahren betroffen, bei denen die zu verbindenden Bleche mittels eines Schussnietbolzens durchschossen, ein Nietbolzen bzw. ein Hohlniet dabei bis zum Anschlag seines rückwärtigen Schließrings bzw. Kragens in das Schussloch der Bleche eingefügt und auf der aufgespreizten Rückseite der Bleche schließlich ein Schließkopf des Niets gebildet wird (in Druckschrift (7), Fig. 1 bis 6, durch Rückziehen des Bolzens 1 und Andrücken der das Schussloch überkragenden Rückseite der Bolzenspitze gegen die Blechrückseite; in Druckschrift (3), Fig. 3, durch weiteres Vortreiben eines Spreizteils in den Hohlniet). In keinem Fall wird von einem vollständigen Durchschiessen der Bleche abgesehen oder gar die zusätzliche Verwendung einer Matrize auch nur in Erwägung gezogen. Der Fachmann hatte somit keine Veranlassung, das bekannte, für Nietverbindungen eingesetzte Bolzenschussverfahren in gedankliche Kombination mit einem nietlosen Fügeverfahren gemäß Druckschrift (5) zu bringen, bei dem ein vollständiges Durchstoßen der beiden zu verbindenden Bleche gerade nicht beabsichtigt ist. Die Lehre des Anspruchs 1 war am Anmeldetag daher nicht ohne erfinderische Anstrengungen auffindbar.

2. Die deutsche Offenlegungsschrift 43 33 052 (2) offenbart ein Stanznietverfahren mit allen Merkmalen des Oberbegriffs des geltenden Patentanspruchs 2. Gemäß diesem Verfahren beaufschlagt ein Fügedorn (Stößel 13) einen Niet (3), der mit seiner sacklochseitigen Öffnung (Ausnehmung 8) auf die zu verbindenden Bleche (1, 2) aufgesetzt und ringförmig divergierend sowie eines der Bleche durchsetzend in die Bleche eingepresst wird, wobei zur Abstützung der Bleche gegen die Vortriebskräfte des Stößels ein Gegenhalter bzw. eine Matrize (15) verwendet wird (Fig. 2 und 4 iVm zugehörigen Beschreibungsteilen).

Das Verfahren nach Anspruch 2 unterscheidet sich von dem bekannten durch die im kennzeichnenden Teil aufgeführten Merkmale, im wesentlichen dadurch, dass der Fügedorn mit dem Bolzen eines Bolzenschussgerätes vorgetrieben, der Stanzniet mittels des Fügedorns quasi in die Bleche eingeschossen wird. Die sich daraus ergebenden Vorteile gegenüber dem bekannten Verfahren entsprechen denen, die vorstehend unter 1. zu den kennzeichnenden Merkmalen des Anspruchs 1 angeführt sind.

Die unter 1. genannten Argumente, die die erfinderische Tätigkeit des Verfahrens nach Anspruch 1 stützen, gelten daher in entsprechender Weise für das Verfahren nach Anspruch 2. Die Entgegenhaltungen (3) und (7) liefern danach dem Fachmann keinen Hinweis, den herkömmlichen Vortrieb des Fügedorns einer Stanznietvorrichtung gemäß deutscher Offenlegungsschrift 43 33 052 (2) durch ein Bolzenschussgerät zu ersetzten, um damit ein Stanznietverfahren zu ermöglichen, das die Verbindung dickerer und zäherer Bleche gestattet.

Die übrigen Entgegenhaltungen beschreiben Fügeverfahren mit herkömmlichen Stanznietvorrichtungen (deutsche Auslegeschriften 1 294 333 (6) und 1 958 058 (1) ) oder manuelle Nietverfahren (deutsches Gebrauchsmuster 1 784 501 (4) ), die den Fügeverfahren nach den Ansprüchen 1 oder 2 nicht näher kommen als die vorstehend gewürdigten Druckschriften. Gleiches gilt für die in der ursprünglichen Beschreibung genannten Veröffentlichungen "Nietsysteme, Verbindungen mit Zukunft" (1994) und "Innovative Fügetechniken für Leichtbaukonstruktionen" (1996), welche weder im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt noch im Beschwerdeverfahren erörtert worden sind.

Nach alledem sind die Patentansprüche 1 und 2 gewährbar.

Die geltenden Patentansprüche 3 und 4 sind auf Merkmale gerichtet, durch die die Verfahren nach den Ansprüchen 1 und 2 vorteilhaft weitergebildet werden. Sie werden von der Patentfähigkeit diese Ansprüche mitgetragen und sind somit ebenfalls gewährbar.

Dr. Schneggzugleich für den wegen Urlaubs verhinderten Vorsitzenden Eberhard Eberhard Dr. Pösentrup Frühauf Ff /Cl






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