Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 17. Dezember 2010
Aktenzeichen: I-2 U 20/08

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 17.12.2010, Az.: I-2 U 20/08)

Tenor

I. Auf die Berufungen der Parteien wird - unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel - das am 07.02.2008 verkündete Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.990,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.980 € seit dem 01.02.2005, aus weiteren 2.097,60 € seit dem 01.02.2006 sowie aus weiteren 5.912,80 € seit dem 26.05.2007 zu zahlen.

2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Sachverständigengutachtens hat die Klägerin vorab allein zu tragen. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits (erster und zweiter Instanz) tragen die Klägerin zu 79 % und die Beklagte zu 21 %.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die jeweils andere Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für die erste und die zweite Instanz wird auf jeweils 48.045,60 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patentes 42 24 247 sowie des u.a. mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patentes 0 609 406, die beide einen Absperrschieber betreffen. Anspruch 1 des deutschen Patents 42 24 247 hat folgenden Wortlaut:

"Absperrschieber, bestehend aus einem mit einem Durchflusskanal versehenen Gehäuse, in welchem zwei in Durchflussrichtung und mit Abstand zueinander angeordnete gehäusefeste Dichtsitze ausgebildet sind, zwischen welche eine Absperrplatte einschiebbar ist, die zwei in Durchflussrichtung mit Abstand zueinander angeordnete, in Durchflussrichtung unter der Wirkung elastischer Elemente (15) gegen die ortsfesten Dichtsitze spreizbare Plattenteile aufweist, wobei das Abheben der Plattenteile von den ortsfesten Dichtsitzen durch druckmittelbetätigte Lüftelemente (10) erfolgt, die zu diesem Zweck gleichmäßig über den Umfang verteilt zwischen randseitigen Ansätzen der beiden Plattenteile angeordnet und wirksam sind,

d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t ,

dass jedem Lüftelement (10) zwei unabhängig voneinander wirksame Druckmittelkreise (17, 19 bzw. 18, 20) zugeordnet sind."

Anspruch 1 des europäischen Patents 0 609 406 hat denselben Wortlaut mit der Maßgabe, dass an dem kennzeichnenden Anspruchsteil zusätzlich eine Wirkungsangabe angeschlossen ist, wonach die Zuordnung der Druckmittelkreise

"derart (ist), dass bei Ausfall des einen Druckmittelkreises (17, 19) der andere Druckmittelkreis (18, 20) wirksam ist."

Nachdem die Klägerin im Jahr 2004 der V. A. S. G. in Österreich die Herstellung und Lieferung eines patentgemäßen Absperrschiebers angeboten hatte, der Zuschlag letztlich aber der Beklagten erteilt worden ist, ließ die Klägerin die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 08.02.2006 (Anlage MBP 3) wegen Verletzung beider Klagepatente abmahnen. In dem Schreiben ist ferner ausgeführt, dass dem damaligen Angebot an die V. A. S. G. technische Zeichnungen mit Abmessungen, Materialangaben und dergleichen beigefügt gewesen seien, die betriebsinternes Know how der Klägerin seien. Da bei dem Konkurrenzangebot der Beklagten die betreffenden Unterlagen verwandt worden seien, liege ein Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Nr. 1 UWG, § 18 UWG in Verbindung mit §§ 3, 4 Nr. 11 UWG sowie § 4 Nr. 9 c UWG vor. Die mit der Abmahnung übersandte "Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung" nahm dementsprechend nicht nur Bezug auf Patentanspruch 1 der Klagepatentschriften, sondern - unter einer gesonderten Gliederungsnummer - ferner auf Absperrschieber, die mit Zweikreis-Hydraulik-Zylindern-TF 19 gemäß einer in die vorbereitete Erklärung eingeblendeten Konstruktionszeichnung ausgestattet sind. Ziffer 5 der Erklärung sah neben einem selbstständigen Anerkenntnis der Schadensersatzhaftung die Erstattung von Rechts- und Patentanwaltskosten für die Abmahnung auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 800.000 Euro vor.

Unter dem 10.03.2006 (Anlage MBP 4) gab die Beklagte durch ihre Rechtsanwälte eine auf die Klagepatente und hier auf die Kombination der Ansprüche 1 und 2 beschränkte Verpflichtungserklärung ab. Bezüglich der Abmahnkosten erklärte sich die Beklagte bereit, diese in Höhe des hälftigen Betrages einer 1,8 Geschäftsgebühr auf einen Gegenstandswert von 800.000 Euro zuzüglich Auslagen, insgesamt 7.032,80 €, zu übernehmen. Im Begleitschreiben war hierzu erläutert, dass der mit der Abmahnung geltend gemachte Verstoß gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften zurückgewiesen werde, so dass die auf diesen Teil (nämlich die Hälfte) entfallenden Kosten von der Klägerin selbst zu tragen seien.

Mit Schreiben vom 19.06.2006 (Anlage MBP 5) nahm die Klägerin unter dem Vorbehalt der Geltendmachung weiterer Ansprüche die Verpflichtungserklärung der Beklagten an. Zugleich forderte sie die Beklagte auf, den anerkannten Teil der Abmahnkosten in Höhe von 7.032,80 € bis zum 10.07.2006 auf das Anderkonto ihrer Anwälte einzuzahlen.

Am 07.07.2006 leistete die Beklagte entsprechende Zahlung. Unter dem 04.08.2006 (Anlage MBP 6) legte sie außerdem Rechnung über ihre Benutzungshandlungen. Zwischen den Parteien steht aufgrund dessen außer Streit, dass die Beklagte mit patentgemäßen Absperrschiebern zwei Bestellungen der V. A. S. G. abgewickelt hat, wobei der erste Auftrag ein Gesamtvolumen von 165.000 € bei einem zum 30.04.2004 vorgesehenen Liefertermin und der zweite Auftrag, der ebenfalls im Jahr 2004 erteilt worden ist, ein Gesamtvolumen von 174.800 € bei einem zum 17.02.2005 vorgesehenen Liefertermin gehabt hat.

Mit ihrer am 22.05.2007 bei Gericht eingegangenen Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten eine Schadensersatzlizenz in Höhe von 33.980 €. Als Bezugsgröße legt sie dabei den mit den Absperrschiebern erzielten Gesamtumsatz (339.800 €) zugrunde, auf den sie einen ihrer Auffassung nach angemessenen Lizenzsatz von 10 % anwendet. Unter Hinweis auf das für die Hälfte der geltend gemachten Abmahnkosten abgegebene Anerkenntnis hat sie weitere Anwaltskosten von 7.032,80 € verlangt. Nachdem die Beklagte sich mit der Klageerwiderung darauf berufen hat, dass die entsprechende Forderung bereits vor Klageerhebung durch Zahlung vom 07.07.2006 erloschen sei, hat die Klägerin in ihrer Replik geltend gemacht, dass ihr - ungeachtet des vorgerichtlich nur beschränkten Anerkenntnisses der Beklagten - ein Anspruch auf Ersatz der gesamten Abmahnkosten zustehe, die sich im Hinblick auf die Klagepatente richtigerweise auf 2 x 7.032,80 € beliefen. Für die beiden Klagepatente allein sei nämlich der vorgerichtlich angesetzte Gegenstandswert von 800.000 € gerechtfertigt.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht einen Schadensersatzlizenzbetrag von 1.456 € nebst Zinsen seit dem 01.02.2006 sowie restliche Abmahnkosten in Höhe von 7.032,80 € nebst Zinsen seit dem 26.05.2007 zuerkannt und die weitergehende Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass für die Lizenzberechnung nicht von dem Preis für den gesamten Absperrschieber, sondern auf denjenigen Teil des Umsatzes abzustellen sei, der auf die Lüftelemente entfalle. Auf den insoweit relevanten Betrag von insgesamt 36.400 € sei ein Lizenzsatz von 4 % anzuwenden, so dass sich insgesamt ein Lizenzbetrag von 1.456 € ergebe. Neben dieser Summe stehe der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung restlicher Abmahnkosten in Höhe von 7.032,80 € zu. Er ergebe sich daraus, dass mit Blick auf die beiden abgemahnten Klagepatente ein Gegenstandswert von 800.000 € gerechtfertigt und der in Ansatz gebrachte Gebührensatz von 1,8 nicht zu beanstanden sei. Soweit die Klägerin in ihrer Replik die zweite (ausstehende) Hälfte der Abmahnkosten zum Gegenstand ihres Klagebegehrens gemacht habe, liege keine mit einer Klageerweiterung verbundene Klagerücknahme vor.

Gegen das landgerichtliche Urteil haben beide Parteien selbstständige Berufungen eingelegt, mit denen sie jeweils ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgen.

Die Klägerin hält daran fest, dass ihr eine Schadensersatzlizenz in Höhe von 10 % des mit den Absperrschiebern erzielten Gesamtumsatzes (33.980 €) sowie restliche Abmahnkosten von 7.032,80 € zustehe. Mit Rücksicht auf die vom Landgericht bereits zugesprochene Urteilssumme beantragt sie,

das angefochtene Urteil dahingehend abzuändern, dass die Beklagte verurteilt wird, an sie (die Klägerin) einen weiteren Betrag von 32.524 € (33.980 € abzüglich zuerkannter 1.456 €) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die Benutzung der Klagepatente für die Geschäftsabschlüsse mit der V. A. S. G. nicht ursächlich gewesen seien und deshalb keine Schadensersatzlizenzgebühr geschuldet werde. In jedem Fall sei die Lizenzforderung der Klägerin bei Weitem übersetzt. Abzustellen sei auf den Umsatz mit den Lüftelementen sowie auf einen Lizenzsatz von allenfalls 1 %. Soweit es um die Abmahnkosten gehe, sei die Klage ursprünglich unbegründet gewesen, weil der von der Klägerin geltend gemachte, vorgerichtlich anerkannte Kostenbetrag bereits im Jahr 2006 beglichen worden sei. Insoweit habe die Klägerin ihre Klage mit der Replik zurückgenommen. Ein weitergehender Abmahnkostenerstattungsanspruch stehe der Klägerin nicht zu, weil für die Klagepatente ein Gegenstandswert von 400.000 € angemessen sei.

Die Parteien beantragen,

die Berufung der jeweils anderen Seite zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Patentanwalt Dipl.-Ing. G. vom 26.02.2010 (GA II 337-357) nebst schriftlicher Ergänzung vom 22.09.2010 (GA II 431-436) Bezug genommen.

II.

Die Berufungen der Parteien haben in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Als Schadensersatzlizenz wegen Benutzung der Klagepatente steht der Klägerin gegen die Beklagte ein Betrag von 4.077,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu. Nachdem bereits das Landgericht einen Betrag von 1.456 € zuerkannt hat, ist die Beklagte zur Zahlung von weiteren 2.621,60 € zu verurteilen. Mit ihrer Klage hat die Klägerin zunächst die erste, von der Beklagten vorgerichtlich anerkannte Hälfte der Abmahnkosten in Höhe von 7.032,80 € geltend gemacht. In diesem Umfang ist die Klage abzuweisen, weil die betreffende Forderung infolge vorgerichtlicher Zahlung der Beklagten bei Klageerhebung bereits erloschen war (§ 362 BGB). Über die geleistete Zahlung hinaus steht der Klägerin ein weiterer Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten in Höhe von 5.912,80 € zu, welchen die Klägerin klageerweiternd geltend macht. Der Betrag ergibt sich daraus, dass für die auf die Klagepatente gestützte Abmahnung ein Gegenstandswert von 700.000 € gerechtfertigt ist, weshalb die Beklagte mit dem von ihr vorgerichtlich anerkannten, auf einem Gegenstandswert von nur 400.000 € beruhenden Kostenerstattungsbetrag die der Klägerin zustehenden Abmahnkosten lediglich zu einem Teil erledigt hat. Ein weitergehender Lizenz- und Kostenerstattungsanspruch der Klägerin besteht demgegenüber nicht.

1.

Nachdem die Klägerin das ihr im Rahmen der Schadensliquidation zustehende Wahlrecht zu Gunsten einer Abrechnung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie ausgeübt hat, ist der ihr zustehende Ersatzanspruch auf der Grundlage desjenigen Betrages zu ermitteln, den die Beklagte als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn sie die Erlaubnis zur Benutzung der Klagepatente eingeholt hätte (BGH, GRUR 2006, 143 - Catwalk). Ob es bei korrektem Verhalten des Verletzers tatsächlich zu einer Lizenzerteilung gekommen oder dies an einer grundsätzlichen oder auch nur im Einzelfall in Bezug auf die Beklagte erklärten Lizenzverweigerung der Klägerin gescheitert wäre, ist dabei unerheblich. Entscheidend ist allein, dass der Verletzte die Nutzung seines gewerblichen Schutzrechtes nicht ohne Gegenleistung gestattet hätte, wovon überall dort auszugehen ist, wo die Überlassung von Ausschließlichkeitsrechten zur Benutzung durch Dritte gegen Entgelt rechtlich möglich und verkehrsüblich ist (BGH, GRUR 2006, 143 - Catwalk). Belanglos ist gleichermaßen, ob das konkrete (schadenersatzpflichtige) Umsatzgeschäft des Verletzers tatsächlich deshalb zustande gekommen ist, weil von der Erfindung des Klagepatents Gebrauch gemacht wurde, oder ob der fragliche Gegenstand zu gleichen Konditionen, namentlich zu demselben Preis auch ohne die patentgemäßen Ausstattungsmerkmale verkauft worden wäre. Kausalitätserwägungen dieser Art verbieten sich von vornherein deshalb, weil es sich bei der Lizenzanalogie um keine konkrete, sondern um eine abstrakte Schadensberechnungsmethode handelt und ein gedachter Lizenznehmer für die Benutzung patentrechtlich geschützter Erfindungen allein deshalb eine Lizenzvergütung hätte entrichten müssen, weil der von ihm vertriebene Gegenstand das Patent des Verletzten benutzt.

Dies vorausgeschickt, ist bei der Lizenzberechnung danach zu fragen, was vernünftige Vertragspartner vereinbart haben würden, wenn sie beim Abschluss eines (fiktiven) Lizenzvertrages die künftige Entwicklung und namentlich die Zeitdauer sowie das Ausmaß der Patentbenutzung vorausgesehen hätten (BGH, GRUR 1995, 578, 581 - Steuereinrichtung II). Dies bedingt, dass der Lizenzbetrag so festzusetzen ist, wie er sich aufgrund des tatsächlichen Sachverhaltes am Schluss des im Einzelfall abrechnungspflichtigen Verletzungszeitraumes als angemessen darstellt. Entsprechend der üblichen Lizenzierungspraxis ist dabei in einem ersten Schritt zunächst die Bezugsgröße festzulegen, die der Lizenzberechnung zugrunde gelegt werden soll. In einem zweiten Schritt ist sodann der darauf anzuwendende angemessene Lizenzsatz zu bestimmen. Beides hat gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Falles nach freier Überzeugung des Tatrichters zu geschehen (BGH, GRUR 2009, 407 - Whistling for a train).

Zwar kann und soll auf frühere Lizenzvereinbarungen zurückgegriffen werden, wenn die vertraglich vereinbarte Lizenzgebühr dem objektiven Wert der Nutzungsberechtigung entsprochen hat (BGH, GRUR 2009, 407 - Whistling for a train). Eine Heranziehung des von der Klägerin als Anlage MBP 10 (GA II 324-328) vorgelegten Vertrages scheidet vorliegend jedoch aus. Abgesehen davon, dass die Vereinbarung aus dem Jahr 2008 datiert und damit mehrere Jahre nach dem schadensersatzpflichtigen Zeitraum liegt, betrifft er nicht nur eine Lizenz an den Klagepatenten, sondern eine Vereinbarung über eine umfangreiche technische Zusammenarbeit mit Ausschließlichkeitscharakter. Die Vereinbarung hat darüber hinaus lediglich eine Laufzeit von einem Jahr und betrifft das außereuropäische Ausland. Aufgrund der dargelegten Umstände liegt der Vertragsgegenstand der Vereinbarung dermaßen weit entfernt von einer einfachen Lizenz an den Klagepatenten für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, dass die Vertragskonditionen, insbesondere der vereinbarte Lizenzsatz von 11 %, keinen irgendwie brauchbaren Anhalt dafür liefern können, zu welchen Bedingungen gedachte Vertragspartner die Benutzungshandlungen der Beklagten lizenziert hätten.

a)

Als Bezugsgröße ist ein Anteil von 40 % des mit den Absperrschiebern erzielten Gesamtumsatzes, mithin ein Betrag von 135.920 € (40 % von 339.800 €) anzusetzen.

Zwar sind die Absperrschieber als Ganzes durch die Klagepatente geschützt; auch stellen die Absperrschieber nach den Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen die übliche Verkaufseinheit dar, während Einzel- und Ersatzteillieferungen von Lüftelementen eine nur untergeordnete Rolle spielen. Schließlich tragen die Lüftelemente zur Wertsteigerung des Absperrschiebers als solchem bei, weil sie es sind, die die Betriebs- und Funktionssicherheit des Absperrschiebers maßgeblich gewährleisten. Mit Rücksicht auf den in der Praxis im Vordergrund stehenden Einsatzbereich patentgemäßer Absperrschieber in Hochöfen hat die Ausfallsicherheit hohe Priorität, weil im Falle einer Betriebsunterbrechung, die durch eine Fehlfunktion des Absperrschiebers bedingt ist, ganz erhebliche Kosten drohen. In diesem Punkt schaffen die Klagepatente größtmögliche Sicherheit, weil im Falle einer Leckage des ersten Druckmittelkreises zugleich der zweite Druckmittelkreis eingreifen und die Betriebssicherheit des Absperrschiebers herstellen kann. Die genannten Gesichtspunkte erfordern, dass für die Lizenzberechnung nicht nur an den Umsatz mit den bloßen Lüftelementen angeknüpft wird, sondern als Bezugsgröße grundsätzlich der Umsatz mit den Absperrschiebern in Betracht gezogen wird. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu beachten, dass verschiedene Teile des Absperrschiebers, nämlich das Gehäuse, die Hauben, die Antriebe und der Verfahrrahmen nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen von der Erfindung der Klagepatente völlig unbeeinflusst bleiben, während sich die Erfindung in anderen Teilen des Absperrschiebers, nämlich den Lüftelementen und den diese aufnehmenden Kassetten niederschlägt. Wie der gerichtliche Sachverständige zutreffend ausgeführt hat, ist es ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft und übliche Lizenzpraxis, bei einem äußerlich weitestgehend und in seiner grundlegenden Funktion unveränderten Gegenstand, der gleichwohl eine Wertsteigerung erfahren hat, die für diese Wertsteigerung ursächlichen Bauteile und Elemente als Grundlage für die Lizenzberechnung zu nehmen. Vorliegend sind dies die Lüftelemente nebst Kassetten, die ca. 40 % der gesamten Herstellungskosten eines Absperrschiebers ausmachen.

b)

Der angemessene Lizenzsatz beträgt 3 %.

Ausweislich des gerichtlichen Sachverständigengutachtens ist für den Bereich des Maschinenbaus von einem Lizenzrahmen auszugehen, der üblicherweise zwischen 1 % und 5 % und lediglich in besonderen Ausnahmefällen darüber liegt. Innerhalb der besagten Spanne fällt vorliegend ins Gewicht, dass die Klagepatente einen wichtigen Beitrag zur Betriebssicherheit von Absperrschiebern leisten. Andererseits existiert eine patentfreie Ausweichtechnik in Gestalt der aus dem Stand der Technik geläufigen Ausrüstung des Absperrschiebers mit zwei unabhängig voneinander wirksamen Hydraulikkreisläufen. Trotz dieser Alternative hat der gerichtliche Sachverständige die Erfindung der Klagepatente als lohnenswerte Technik eingeschätzt und dies zutreffend mit der Überlegung begründet, dass die Klagepatente die Vorzüge des bekannten Einkreissystems (relativ geringe Anzahl von Lüftelementen erhöhter Öffnungskraft) und des bekannten Zweikreissystems (gesteigerte Ausfallsicherheit) kombinieren. Als weiteren Anhaltspunkt hat der Sachverständige auf die von der Beklagten geltend gemachten Entwicklungskosten hingewiesen, die belegen, dass die Beklagte Kosten und Mühen auf sich genommen hat, ihre Absperrschieber anstatt mit der patentfreien Alternative entsprechend der Lehre der Klagepatente auszurüsten. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass es sich bei Absperrschiebern um Gegenstände des Sonderkonstruktionsbaus handelt, was tendenziell günstigere Gewinnaussichten und dementsprechend mehr Spielraum für höhere Lizenzzahlungen bedeutet. Nach Abwägung der genannten Umstände ist der Sachverständige zu einem Lizenzsatz von 3 % gelangt, was nicht zuletzt dadurch gestützt wird, dass in dem vorliegend betroffenen Marktsegment mit einer Gewinnerwartung von ca. 12 % gerechnet werden kann. Unter Berücksichtigung der vom Sachverständigen bestätigten Tatsache, dass durchschnittlich ¼ des erzielten Gewinns als Lizenzgebühr vereinbart werden, ergibt sich ein Lizenzsatz von 3 %.

Lizenzerhöhend ist zwar zu berücksichtigen, dass die Beklagte kein Risiko der Zahlung für ein nicht rechtsbeständiges Schutzrecht getragen hat und auch keiner Verpflichtung zu einer gesonderten Buchführung unterlegen ist. In gleichem Maße lizenzmindernd wirkt sich andererseits jedoch aus, dass der Beklagten lediglich ein kurzer Benutzungszeitraum zur Verfügung gestanden hat, der eine Amortisation von Entwicklungskosten für die schutzrechtsverletzenden Absperrschieber nicht ermöglicht hat. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der rechtlichen Beurteilung exakt die von der Beklagten behaupteten Zahlen zugrunde gelegt werden können. Nach den Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen bedarf es bei der Benutzung der Klagepatente eines nicht unerheblichen Anpassungsaufwandes, so dass es im Sinne einer Tatsachenfeststellung nachvollziehbar und plausibel erscheint, dass die Beklagte Entwicklungskosten in nicht unbeträchtlicher Höhe hat aufwenden müssen. Auch die Klägerin hat nicht aufgezeigt, dass die behaupteten Beträge in ihrer Größenordnung nicht zutreffen können.

Soweit die Klägerin eine Lizenzerhöhung unter generalpräventiven Gesichtspunkten sowie deshalb geltend macht, weil die Beklagte die Schutzrechte identisch benutzt hat, hat bereits das Landgericht diesen Überlegungen aus Rechtsgründen eine Absage erteilt. Dem schließt sich der Senat an.

Nach allem ergibt sich ein der Klägerin zustehender Schadenersatzbetrag von 4.077,60 € (3 % von 135.920 €).

c)

Auf die Lizenzsumme schuldet die Beklagte Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, und zwar von 1.980 € für die Zeit seit dem 01.02.2005 und von weiteren 2.097,60 € für die Zeit seit dem 01.02.2006.

Es entspricht gefestigter Senatsrechtsprechung, dass gedachte Lizenzvertragsparteien eine Abrechnung über die Lizenzgebühren innerhalb eines Monats nach Schluss eines jeden Kalenderjahres vereinbart hätten, verbunden mit einer Fälligkeit der Lizenzgebührenansprüche zum 1. Februar des Folgejahres (§ 284 Abs. 2 BGB). Als Teil des Schadenersatzanspruchs erkennt die Rechtsprechung dem Verletzten deshalb einen Zinsanspruch zu, der ab dem 1. Februar des Folgejahres für die im vorausgegangenen Kalenderjahr entstandenen Lizenzgebühren zu zahlen ist (Senat, InstGE 4, 165 - Spulkopf II). Sofern in der betreffenden Branche abweichende Abrechnungszeiträume (und damit auch Zinszeiträume) üblich sein sollten, würden stattdessen zwar die sich hieraus ergebenden Fälligkeits- und Verzinsungszeitpunkte maßgeblich sein. Dass vorliegend besondere, abweichende Usancen bestehen, hat die Klägerin jedoch nicht dargetan.

Nachdem der gesetzliche Verzugszinssatz für ab dem 01.05.2000 fällig gewordene Zahlungen auf 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz angehoben worden ist (Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 EGBGB, § 288 Abs. 2 BGB), ist die Annahme gerechtfertigt, dass Lizenzvertragsparteien jedenfalls im hier fraglichen Zeitraum (ab 2004) gleichlautende Zinsabsprachen getroffen hätten. Dies rechtfertigt es, statt des früher zuerkannten Satzes von 3,5 Prozentpunkten über dem Diskontsatz nunmehr Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zuzusprechen.

Wenngleich bereits das Angebot einer patentgemäßen Lieferung als lizenzpflichtiges Geschäft anzusehen ist, ist der betreffende Umsatz derjenigen Zeitperiode zuzurechnen, in der auf Seiten des Lizenznehmers eine tatsächliche Vermögensmehrung stattgefunden hat. Dies ist regelmäßig im Jahr der Rechnungsstellung der Fall. Vorliegend ist deshalb der erste lizenzpflichtige Auftrag über 165.000 € dem Kalenderjahr 2004 und der zweite lizenzpflichtige Auftrag über 174.800 € dem Kalenderjahr 2005 zuzurechnen. In Bezug auf den letzteren ist - mangels gegenteiliger Anhaltspunkt - davon auszugehen, dass die Beklagte ihre Rechnung erst mit erfolgter Lieferung, d.h. in 2005, gestellt hat. Die auf den Umsatz von 165.000 € entfallende Lizenzgebühr von 1.980 € (165.000 € x 40 % x 3 %) ist dementsprechend seit dem 01.02.2005 und die auf den Umsatz von 174.800 € entfallende Lizenzgebühr von 2.097,60 € (174.800 € x 40 % x 3 %) seit dem 01.02.2006 zu verzinsen.

2.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat die Klägerin mit ihrer Klage den ersten, von der Beklagten vorgerichtlich anerkannten Teil der Abmahnkosten von 7.032,80 € geltend gemacht, obwohl die betreffende Forderung vor Klageerhebung infolge am 07.07.2006 geleisteter Zahlung bereits erloschen war. Indem die Klägerin in ihrer Replik die zweite Hälfte der Abmahnkosten zum Gegenstand ihres Klagebegehrens gemacht hat, hat sie - wie die Beklagte rechtlich zutreffend bemerkt - ihre auf den ersten Teil der Abmahnkosten gerichtete (insoweit wegen § 362 BGB unbegründete) Klage zurückgenommen und ihr Begehren im Wege der Klageerweiterung auf den zweiten Teil der Abmahnkosten erstreckt. Nachdem die Beklagte der Klagerücknahme ihre Zustimmung verweigert hat, ist die Klage hinsichtlich des ersten Teils der Abmahnkosten abzuweisen.

Über den von der Beklagten vorgerichtlich anerkannten und bezahlten Kostenbetrag von 7.032,80 € hinaus steht der Klägerin ein weiterer Kostenerstattungsanspruch von 5.912,80 € zu. Er ergibt sich in rechtlicher Hinsicht aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen Patentverletzung (§ 139 Abs. 2 PatG) und der Höhe nach aus einer jeweils 1,8-fachen Rechtsanwalts- und Patentanwaltsgebühr (gegen welche die Beklagte zurecht keine Einwände erhebt) bei einem Gegenstandswert von 700.000 € (vgl. BGH, MDR 2008, 351). Der besagte Streitwert ist vor dem Hintergrund der Tatsache gerechtfertigt, dass die beiden Klagepatente zum Zeitpunkt der Abmahnung noch eine beträchtliche Restlaufzeit von 6,5 bzw. 7,5 Jahren besaßen und Absperrschieber kostspielige Gegenstände des Sonderkonstruktionsbaus sind. Dementsprechend hatte die Klägerin in ihrer Abmahnung, die allerdings zusätzlich auch auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche gestützt war, einen Gegenstandswert von 800.000 € angegeben, gegen den die Beklagte keine substantielle Einwendungen erhoben hat. Da die beiden Klagepatente wertmäßig eindeutig im Vordergrund stehen, schätzt der Senat den hierauf entfallenden Teil der Abmahnung auf 700.000 € und den auf die wettbewerbsrechtlichen Ansprüche entfallenden Teil auf 100.000 €.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 286 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO. Da die Kosten des Sachverständigengutachtens durch das Beharren der Klägerin auf einer unangemessen hohen Lizenzforderung veranlasst sind, ist es angemessen, die Gutachterkosten vorab der Klägerin allein aufzuerlegen.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung, die keine Rechtsfragen aufwirft, deren Beantwortung durch den Bundesgerichtshof zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist.

Der Streitwert ist für beide Instanzen auf 48.045,60 € festzusetzen. Abweichend vom Streitwertbeschluss des Landgerichts ist zu berücksichtigen, dass die gesamten Abmahnkosten von 2 x 7.032,80 € Gegenstand des Rechtsstreits sind.

Dr. T. K. Dr. B. F.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 17.12.2010
Az: I-2 U 20/08


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