Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Dezember 2002
Aktenzeichen: 29 W (pat) 393/00

(BPatG: Beschluss v. 04.12.2002, Az.: 29 W (pat) 393/00)

Tenor

1. Die Beschwerde der Anmelderin gegen den Beschluss der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. September 2000 zu Punkt 1 wird zurückgewiesen.

2. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. September 2000 wird in Punkt 2 aufgehoben. Die Rückzahlung der Beschleunigungsgebühr wird angeordnet.

Gründe

I Die Wortmarke

"WOMAN"

ist am 13. Oktober 1999 zur Eintragung in das Markenregister für

"Druckereierzeugnisse, Druckschriften, Zeitschriften, Zeitungen, Bücher, Buchbinderartikel, Poster, Aufkleber, Kalender, Schilder, Modelle, Photographien und Lichtbilderzeugnisse, Papier, Pappe, Schreibwaren und Büromöbel (ausgenommen Möbel), Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate), soweit in Klasse 16 enthalten; Werbung; Dienstleistungen einer Werbeagentur, Hörfunk- und Fernsehwerbesendungen sowie Print- und Internetwerbung; Marketing; Verteilung von Waren zu Werbezwecken; Verkaufsförderung; Durchführung von Werbeveranstaltungen; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen, insbesondere von Zeitungen, Zeitschriften und Büchern sowie von Lehr- und Informationsmaterial, einschließlich gespeicherter Ton- und Bildinformation, Produktion von Ton- und Bildaufzeichnungen auf Ton- und Bildträger; Vorführung und Vermietung von Ton- und Bildaufzeichnungen; Unterhaltung, Durchführung von Unterhaltungsveranstaltungen; Durchführung von Schulungsveranstaltungen, Durchführung von Bildungsveranstaltungen und kulturellen Aktivitäten, soweit in Klasse 41 enthalten"

angemeldet worden, wobei die Anmelderin im Anmeldeformular die Rubrik "beschleunigtes Verfahren" angekreuzt und die entsprechende Gebühr entrichtet hat. Auf Beanstandung der Anmeldung vom 4. November 1999 durch die Markenstelle hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 30. November 1999 unmittelbar reagiert, einen 14seitigen Schriftsatz dem Amt vorgelegt und mitgeteilt, dass sie die Anmeldung in vollem Umfang aufrecht erhalte. Auf eine Anfrage der Anmelderin vom 12. Juli 2000 wurde ihr durch die Markenstelle am 28. Juli 2000 mitgeteilt, dass wegen einer Vielzahl zeitlich vorrangiger Vorgänge und erheblichen Personalmangels mit einer Beschlussfassung erst im September 2000 gerechnet werden könne. Mit Schreiben vom 2. August 2000 beantragte die Anmelderin die Rückzahlung der Beschleunigungsgebühr unter Hinweis auf den Prioritätsverlust für die internationale Schutzerstreckung der Marke. Der Beschluss erging sodann am 26. September 2000. Die Anmeldung wurde mit Ausnahme der Waren "Buchbindeartikel, Papier, Pappe, Schreibwaren und Büroartikel (ausgenommen Möbel)" im wesentlichen aus den Gründen des Beanstandungsbescheides vom 4. November 1999 gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen. WOMAN sei dem Verkehr allgemein verständlich als das Wort "FRAU" und es sei nichts anderes als eine Inhaltsangabe für die Waren oder aber das Thema "Frau" stünde in engem Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen.

Der Antrag auf Rückzahlung der Beschleunigungsgebühr wurde ebenfalls zurückgewiesen. Auf die Anmeldung vom 13. Oktober 1999 sei bereits am 4. November 1999 beschleunigt der Beanstandungsbescheid ergangen. Da die Anmelderin trotz der in diesem Bescheid indirekt in Aussicht gestellten Teileintragung eine Teilung der Anmeldung nicht vorgenommen habe, sei die Versäumung der Prioritätsfrist nicht auf ein verzögertes Handeln des Deutschen Patent- und Markenamts zurückzuführen, sondern hätte im Bereich der Anmelderin gelegen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Auffassung, dass der Eintragung von "WOMAN" kein absolutes Schutzhindernis entgegenstehe. Zum einen sei die Allgemeinverständlichkeit des Wortes für die deutschen Verkehrskreise nicht aus der Bekanntheit anderer Werktitel abzuleiten; zum anderen habe WOMAN auch keinen ausschließlich beschreibenden Begriffsinhalt für die zu schützenden Produkte der Klasse 16 bzw. Dienstleistungen der Klassen 35 und 41, denn das Wort sei zu vage um überhaupt eine konkrete Ware oder Dienstleistung zu beschreiben. Eine "FRAU" sei kein Produkt und im übrigen käme auch beim Abstellen auf die Zielgruppe als maßgeblich für die Unterscheidungskraft nicht der Konsumentenbezug, sondern der Produktbezug in Frage. Insoweit sei hier auch die "Koch"-Entscheidung des BPatG miteinzubeziehen. Zu den Waren der Klasse 16 trägt sie vor, dass im Bereich von Publikationen das Publikum an Zeitschriften unter farblosen Gattungsbezeichnungen gewöhnt sei. Hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 35 rügt die Anmelderin den fehlenden Zusammenhang zwischen Zeichenwort und Dienstleistung, der die konkrete Unterscheidungskraft aber begründe. Hinsichtlich der Klasse 41 gelte wiederum, dass das Wort allenfalls einen Rückschluss auf die Zielgruppe ermögliche, nicht jedoch auf die Dienstleistung selbst. Darüberhinaus fehle es auch an einem Freihaltebedürfnis gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 MarkenG, denn angesichts der unüberschaubaren Vielfalt an Produkten aus nahezu allen Klassen und der Tatsache, dass völlig identische Waren für Frauen und Männer im Zuge des modernen Marketing angeboten werden, sei der Begriff WOMAN derart vage, schillernd und banal, dass dies nicht ausreiche um ein Freihaltebedürfnis zu bejahen.

Den Antrag auf Rückzahlung der Beschleunigungsgebühr begründet die Beschwerdeführerin damit, dass ihre Bezahlung eine Beschleunigung des Verfahrens nicht bewirkt habe. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei die Beschleunigungsgebühr daher zurückzuerstatten. Es spiele dabei keine Rolle, dass die Markenstelle die Eintragungsfähigkeit beanstandet habe. Denn nach der in Aussicht gestellten Teileintragungsmöglichkeit hätte ein Beschluss dennoch innerhalb der Sechsmonatsfrist erlassen werden müssen.

Die Beschwerdeführerin beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 16 vom 26. September 2000 aufzuheben und die Zurückzahlung der Beschleunigungsgebühr anzuordnen.

II Die zulässige Beschwerde ist unbegründet hinsichtlich der im Beschluss der Markenstelle zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen. Dem Wort "WOMAN" fehlt jegliche Unterscheidungskraft gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Die Beschwerde ist jedoch hinsichtlich der von der Markenstelle versagten Rückzahlung der Beschleunigungsgebühr begründet.

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden, denn Hauptfunktion der Marke ist es, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 1998, 922 ff - Canon; BGH GRUR 2001, 413 f - SWATCH). Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d.h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihr die vorerwähnte Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (BGH GRUR 2002, 64 - INDIVIDUELLE m.w.N.).

Gemessen an diesen Kriterien fehlt dem Zeichen "WOMAN" für die von der Eintragung mit Beschluss der Markenstelle zurückgewiesenen Waren das Mindestmaß an erforderlicher Unterscheidungskraft.

Der angemeldete Begriff ist den hier angesprochenen breiten Verkehrskreisen ohne weiteres verständlich, denn er gehört zum einfachsten Grundwortschatz des Englischen. Es bedarf keiner weiteren Erörterung der Selbstverständlichkeit dieser Tatsache auch aufgrund der überaus häufigen Verwendung des Englischen in allen Medien.

Dementsprechend werden die angesprochenen breiten Abnehmerkreise bei Begegnung mit dem angemeldeten Zeichen die Vorstellung einer "FRAU" assoziieren. Damit ergibt die angemeldete Wortfolge aufgrund ihrer Nähe zu einem Werktitel bzw. einer Inhaltsangabe bei den Verbrauchern im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren der Klasse 16 Druckereierzeugnissen, Druckschriften, Zeitschriften, Zeitungen, Büchern, Postern, Aufklebern, Kalendern, Modellen sowie den Fotografien und Lichtbilderzeugnissen, Lehr- und Unterrichtsmitteln allein die Vorstellung, dass sich deren Inhalt bzw. Gegenstand mit dem Thema "FRAU" befasst. Das Wort ist damit reine Inhaltsangabe für die Waren. Wie von der Anmelderin angeführt ist das Publikum an derartige themenorientierte Inhaltsangaben, die sich an Gattungsbegriffen orientieren, gewöhnt. Es wird deshalb dieses Wort auch allein in diesem Sinne verstehen können (BGH GRUR 2002, 1070 - Bar jeder Vernunft). Damit stellt es keinen Hinweis auf ein Unternehmen dar.

Dies gilt auch für die begehrten Dienstleistungen der Klasse 35 und 41. Es besteht auch insoweit ein enger Zusammenhang zwischen dem Thema und der jeweiligen Dienstleistung als solcher, denn im Zuge der zunehmenden Präsenz von Frauen in Beruf und in der Gesellschaft im allgemeinen und den damit in Verbindung stehenden politischen Bemühungen der Frauenförderung, haben sich als Folgewirkung unzählige besondere Veranstaltungen, Seminare, Tagungen, sogar ganze Dienstleistungsbereiche, die nur auf Frauen spezialisiert sind, etabliert. Dazu gibt es sogar eigens herausgegebene Publikationen und regelmäßige Fundstellennachweise von Frauenverbänden. Nur als ein Beispiel sei auf "women's net" bei freenet hingewiesen und auf einen eigenen Frauen TV-Sender. Die eigens zu frauenspezifische Themen ausgestrahlten Unterhaltungs- und Informationssendungen in Hörfunk und Fernsehen sind allgemein bekannt, sei es das Notizbuch im Bayrischen Rundfunk oder Mona Lisa im ZDF. Es gibt praktisch keinen wirtschaftlich relevanten Bereich mehr, der nicht für Frauen speziell angeboten würde. Dies gilt auch für eigene Werbeagenturen.

Die Entscheidung des Bundespatentgerichts zu "Koch" (Mitt 1998, 272 f) ist nicht einschlägig, da in dieser für die Schutzfähigkeit der Marke maßgeblich auf die grafische Ausgestaltung abgestellt wurde. Eine vergleichbare eigentümliche Darstellung der Wortfolge ist bei "WOMAN" nicht gegeben.

Insoweit fehlt dem Zeichenwort bereits jegliche Unterscheidungskraft und es bedarf nicht mehr des Eingehens auf das Schutzhindernisses gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschleunigungsgebühr hat Erfolg.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt eine Rückzahlung der Gebühr für einen Antrag auf beschleunigte Prüfung gem. § 38 Abs. 2 MarkenG a. F. aufgrund allgemeiner gebührenrechtlicher Grundsätze und verfassungsrechtlicher Erwägungen aus Billigkeitsgründen im Einzelfall dann in Betracht, wenn es zu keiner beschleunigten Prüfung kommt und die Gründe hierfür überwiegend im Bereich des Deutschen Patent- und Markenamts liegen (vgl. BGH GRUR 2000, 325 ff - Beschleunigungsgebühr I; 421 ff - Rückzahlung der Beschleunigungsgebühr II). Diese Kriterien sind vorliegend erfüllt. Mit Ausnahme des sofortigen Beanstandungsbescheides vom 8. November 1999 ergibt sich nichts für eine Beschleunigung der verfahrensgegenständlichen Anmeldung, so dass eine Gegenleistung für die Beschleunigungsgebühr nicht erbracht wurde. Die Gründe hierfür lagen ausschließlich im Bereich des Deutschen Patent- und Markenamts, wie sich aus dem Bescheid der Markenstelle vom 12. Juli 2000 ergibt, da dort im Zeitpunkt der Bearbeitung des vorliegenden Anmeldeverfahrens ein personeller Engpass bestand.

Gemäß § 38 Abs. 1 MarkenG a. F. ist dem Deutschen Patent- und Markenamt eine vom normalen Verfahrensablauf bei Anmeldungen abweichende, schnellere Sachbehandlung aufgegeben. Dies ist gerechtfertigt durch die zusätzliche Gebühr. Ziel der beschleunigten Prüfung nach § 38 Abs. 1 MarkenG ist im Regelfall nämlich die Eintragung der angemeldeten Marke innerhalb der sechsmonatigen Prioritätsfrist nach Art. 4 Abschn. A Abs. 1, C Abs. 1, D Abs. 1 PVÜ i.V.m. Art. 4 Abs. 2 MMA (BGH GRUR 2000, 325, 328 liSp, letzter Abs. und GRUR 2000, 421, 424 liSp).

Der BGH führt insoweit aus:

"Dabei wird nicht jede Art von beschleunigter Bearbeitung durch das DPA genügen, um als ausreichende, die Beschleunigungsgebühr nach § 38 Abs. 2 MarkenG rechtfertigende Gegenleistung angesehen werden zu können. Die Eintragung muß vielmehr im Regelfall - soweit keine vom Anmelder zu vertretenden Verzögerungen vorliegen - spätestens sechs Monate nach Eingang des Antrags erfolgen.

Zwar regelt das MarkenG nicht, innerhalb welchen Zeitraums eine beschleunigte Prüfung durchzuführen ist. Eine präzise Zeitvorgabe wird auch nicht allen im Anmeldeverfahren auftretenden Besonderheiten Rechnung tragen können. Aus der Begründung zum Regierungsentwurf des MarkenG ergibt sich indes, daß § 38 MarkenG - wie auch schon die vorhergehende Regelung des § 6a WZG - vor allem im Hinblick auf die sechsmonatige Prioritätsfrist der Pariser Verbandsübereinkunft, die in der Praxis für internationale Registrierungen nach dem Madrider Markenabkommen von Bedeutung ist, geschaffen wurde, um eine - im Vergleich zur durchschnittlichen Verfahrensdauer - beschleunigte Prüfung einer Anmeldung erreichen zu können (BT-Drucks. 12/6581, 91 = Bl.f.PMZ, a.a.O., 85; Althammer/Ströbele/Klaka, a.a.O., § 38 Rdn. 1; Fezer, a.a.O., § 38 Rdn. 1). Soweit keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten in der Sache vorliegen, die Anmeldung insbesondere keine dem Anmelder zuzurechnenden Beanstandungen erforderlich macht, die der Anmelder nicht oder nur zögerlich beseitigt, wird die sechsmonatige Frist in aller Regel der Zeitraum sein, den das DPA bei Anträgen auf beschleunigte Prüfung einzuhalten hat, um Rückgewähransprüche auszuschließen. Andernfalls ist die Beschleunigungsgebühr zurückzuzahlen."

Dies gilt auch wenn die Anmelderin nicht ausdrücklich darauf hingewiesen hat, international anmelden zu wollen. Die Markenstelle musste auf Grund des Beschleunigungsantrags und der Bezahlung der Gebühr einerseits und im Hinblick auf die bekannte internationale Ausrichtung der Anmelderin andererseits ohne weiteres davon ausgehen, dass eine internationale Anmeldung beabsichtigt war, zumal es sich bei angemeldeten Wortfolge "WOMAN" um einen englischsprachigen, also international verständlichen und verwendbaren Ausdruck handelt.

Bei der Abwägung der für und gegen eine Rückzahlung sprechenden Gründe ist auch miteinzubeziehen, ob die Verfahrensverzögerung möglicherweise vom Anmelder zu vertreten war. Dies ist jedoch nicht der Fall. Insbesondere liegt darin, dass die Anmeldung nach Auffassung der Markenstelle wegen absoluter Schutzhindernisse beanstandet werden musste, kein vom Anmelder zu vertretender Umstand im Sinne der BGH-Rechtsprechung. Die Eintragung einer Marke setzt deren Prüfung auf das Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen gem. §§ 36 und 37 MarkenG voraus und eine Beanstandung ist nichts anderes als ein Verwaltungsverfahrensschritt zur Wahrung des rechtlichen Gehörs. Gegenstand des beschleunigten Verfahrens ist aber grundsätzlich der vollständige, abschließende Verwaltungsakt der Schutzrechtsgewährung oder -versagung. Eine Beanstandung wegen absoluter Eintragungshindernisse bedeutet demzufolge nicht, dass danach ein weiterer beschleunigter Verfahrensabschluss entbehrlich wäre, wenn wie hier die übrigen Voraussetzungen für eine Entscheidung vorliegen. Mit der unverzüglichen und rechtlich fundierten sowie ausführlichen Reaktion der Anmelderin auf den Beanstandungsbescheid innerhalb von drei Wochen und der ausdrücklichen Erklärung, ihre Anmeldung unverändert weiterverfolgen zu wollen, hat die Anmelderin alles getan, um eine sofortige Entscheidung der Markenstelle herbeizuführen. Damit war das Anmeldeverfahren bereits Anfang Dezember 1999 entscheidungsreif. Zu diesem Zeitpunkt lagen sämtliche für den späteren Zurückweisungsbeschluss notwendigen Voraussetzungen vor und die Anmelderin hatte nichts weiter beizubringen oder zu veranlassen. Irgendwelche Versäumnisse hinsichtlich von Mitwirkungspflichten der Anmelderin sind in keiner Weise zu erkennen. Damit kann die Frage inwieweit auch Anmelder durch möglichst fehlerloses und unverzügliches Handeln zur Beschleunigung beizutragen haben, nicht die hier zu treffende Billigkeitserwägung beeinflussen. Ob und gegebenenfalls durch welche geeigneten Maßnahmen die Markenstelle ihrerseits auf die Anmelderin hätte zugehen können oder müssen, kann ebenso auf sich beruhen, insbesondere ob die in der Entscheidung BPatGE 43, 272 ff aufgestellten strengen Kriterien stets einzuhalten sind. Damit ist die 6 monatige Prioritätsfrist des MMA, die - wie vom BGH in beiden Entscheidungen mit vergleichbaren Sachverhalten in Bezug auf den Gesetzeszweck ausgeführt - in jedem Fall eingehalten werden muss, um die Beschleunigungsgebühr zu rechtfertigen, ohne dass dies der Anmelder verursacht hat, überschritten gewesen. Eine nur "relative" Beschleunigung durch den sofortigen Beanstandungsbescheid, genügt als Gegenleistung für die Beschleunigungsgebühr jedenfalls nicht.

Dass trotz Entscheidungsreife innerhalb der 6 monatigen Frist ein Beschluss nicht erging, liegt im vorliegenden Fall ausschließlich im Bereich des Deutschen Patent- und Markenamts, wie sich aus dem Schreiben vom 12. Juli 2000 - also bereits nach Ablauf der Frist - ergibt.

Dies gilt auch für Beschlüsse, in denen nur für einen Teil des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses Schutz gewährt wird. Vor dem Hintergrund, dass jeder Anmelder einen Rechtsanspruch auf Schutz für diejenigen Waren und Dienstleistungen hat, denen keine Eintragungshindernisse entgegenstehen, ist es in einem Fall wie dem vorliegenden erforderlich, dass auch der Teil-Zurückweisungsbeschluss innerhalb der Prioritätsfrist ergeht. Nur auf dessen gesicherter Grundlage kann der Anmelder entscheiden, ob er den Beschluss durch Erklärung eines Rechtsmittelverzichts rechtskräftig werden lässt und damit für die nicht zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen die Prioritätsfrist zu wahren in der Lage ist, oder ob er auf der Basis des Zurückweisungsbeschlusses die Teilung erklärt. Eine derartige, nahe am Ablauf der Sechsmonatsfrist getroffene kurzfristige Entscheidung wird nach der Praxis des Deutschen Patent- und Markenamts ohne weiteres berücksichtigt. Dem Anmelder kann jedoch nicht, wie im angegriffenen Beschluss ausgeführt, zugemutet werden, allein aufgrund des Beanstandungsbescheides die Anmeldung zu teilen. Sinn der Beanstandung als Anhörung im Rahmen eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens begriffen, ist es gerade, dass die Behörde sich mit den Argumenten des Anmelders ernsthaft auseinandersetzt und daraufhin erst den Verwaltungsakt erlässt. Folgte man der Begründung der Markenstelle, liefe das Anhörungsverfahren leer. Ohne eine endgültige Entscheidung der Markenstelle war für die Anmelderin nicht abzusehen, ob oder inwieweit, ihre umfangreichen Gegenargumente erfolgreich sein würden. Der von der Markenstelle angeführte Personalmangel kann auch bei Teilzurückweisungen nicht zu Lasten des Anmelders gehen. Der gebührenpflichtige Beschleunigungsantrag muss also insgesamt eine deutlich schnellere Verfahrenserledigung in Gang setzen, jedenfalls insoweit, dass innerhalb der 6 monatigen Prioritätsfrist, auch unter Einbeziehung der Möglichkeit des §§ 108 Abs. 2, 120 MarkenG für den Antrag einer erst angemeldeten Marke auf internationale Registrierung nach dem PMMA, die abschließende Entscheidung und Eintragung erfolgen kann.

Zu berücksichtigen ist auch, dass die Eintragungsregelungen nach dem MMA und dem PMMA zu einer Ungleichbehandlung führen, da für die Länder des PMMA die Priorität unabhängig von einer erfolgten Eintragung der deutschen Basismarke bestimmt wird. Für die MMA-Länder ist die Eintragung der Basismarke hingegen zwingend erforderlich, damit der Antrag überhaupt bearbeitet wird (Art. 1 Abs. 2 MMA im Gegensatz zur Art. 2 Abs. 1 PMMA). Diese Ungleichbehandlung von Anträgen auf Internationale Registrierung nach dem MMA und dem PMMA würde durch die fehlende tatsächliche Beschleunigung im Anmeldeverfahren noch verschärft.

Insgesamt ergibt sich daher für das vorliegende Verfahren, in dem erst nach Ablauf von 11 Monaten entschieden wurde, ohne dass dafür Gründe auf seiten des Anmelders vorlagen, dass aus Gründen der Billigkeit die Beschleunigungsgebühr zurückzuzahlen war (BGH a.a.O.). Einer Zurückverweisung an das Deutsche Patent- und Markenamt zur erneuten Ausübung ihres Ermessens im Rahmen der Billigkeitsentscheidung bedurfte es nicht, da hier aufgrund des eindeutigen Sachverhalts das Ermessen auf Null reduziert ist und nur die ausgeführte Entscheidung ergehen kann.

Dem Präsident des Deutschen Patent- und Markenamts war nicht gem. § 68 Abs. 2 MarkenG anheimzugeben dem Beschwerdeverfahren beizutreten, da keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu klären war. Die vorliegende Entscheidung war auf der Grundlage der beiden erst kürzlich ergangenen Beschlüsse des BGH zur Beschleunigungsgebühr getroffen worden und warf kein darüber hinausgehendes Problem auf.

Grabrucker Baumgärtner Richterin Pagenberg ist im Urlaub und daher verhindert zu unterschreiben.

Grabrucker Cl/Fa






BPatG:
Beschluss v. 04.12.2002
Az: 29 W (pat) 393/00


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