Oberlandesgericht München:
Beschluss vom 7. Oktober 2008
Aktenzeichen: 7 W 1034/08

(OLG München: Beschluss v. 07.10.2008, Az.: 7 W 1034/08)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht München hat mit Beschluss vom 7. Oktober 2008 (Aktenzeichen 7 W 1034/08) die Zurückweisung der Nebenintervention des Beschwerdeführers gegen das Zwischen- und Schlussurteil des Landgerichts München I vom 31.1.2008 bestätigt. Der Beschwerdeführer wurde von der Hauptversammlung der Beklagten als besonderer Vertreter gemäß § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG bestellt, um Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sowie gegen die Mehrheitsaktionärin UC S.p.A. geltend zu machen. Die Ersatzansprüche sollen aus dem Verkauf der B A C AG durch die Beklagte und einem zwischen der Beklagten und UC geschlossenen "Business Combination Agreement" resultieren. In erster Instanz trat der Beschwerdeführer als Nebenintervenient auf Seiten der Kläger bei, jedoch wurde die Nebenintervention vom Landgericht zurückgewiesen, da kein rechtliches Interesse bestehe. Das Oberlandesgericht bestätigt diese Entscheidung mit der Begründung, dass der besondere Vertreter nicht parteifähig sei und kein eigenes rechtliches Interesse habe. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführer. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG München: Beschluss v. 07.10.2008, Az: 7 W 1034/08


Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Nebenintervenienten zu 5) gegen die Zurückweisung seiner Nebenintervention durch Zwischen- und Schlussurteil des Landgerichts München I vom 31.1.2008 wird zurückgewiesen.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Beschwerdewert wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer wurde mit Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 26./27.6.2007 als besonderer Vertreter gemäß § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG bestellt, um Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats der Beklagten sowie gegen deren Mehrheitsaktionärin, die UC S.p.A., und mit dieser verbundene Unternehmen geltend zu machen. Dem Beschluss vom 26./27.6.2007 zufolge sollen sich diese Ersatzansprüche aus dem Verkauf der B A C AG durch die Beklagte sowie aus einem zwischen der Beklagten und UC am 12.6.2005 geschlossenen "Business Combination Agreement" ergeben.

Einem Kaufvertrag vom 12.9.2006 zwischen der Beklagten als Verkäuferin und UC als Käuferin über 113.989.900 Aktien der B A C AG war durch Hauptversammlungsbeschluss der Beklagten vom 25.10.2006 zugestimmt worden. Dieser Beschluss wird im vorliegenden Rechtsstreit von den Klägern angefochten. Darüber hinaus begehren die Kläger unter anderem die Feststellung, dass das "Business Combination Agreement" der Zustimmung der Hauptversammlung bedarf.

In erster Instanz erklärte der Beschwerdeführer seinen Beitritt als Nebenintervenient auf Seiten der Kläger. Die Beklagte beantragte die Zurückweisung der Nebenintervention. Durch das angefochtene, mit dem Schlussurteil verbundene Zwischenurteil wies das Landgericht die Nebenintervention zurück, weil kein rechtliches Interesse i. S. d. § 66 Abs. 1 ZPO bestehe. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde vom 15.2.2008.

II.

Die nach § 71 Abs. 2 ZPO statthafte und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig.

Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet.

Der Beitritt als Nebenintervenient gemäß § 66 ZPO wurde vom Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als gemäß § 147 Abs. 2 AktG bestellter besonderer Vertreter der Beklagten erklärt. Insbesondere im Schriftsatz vom 22.1.2008 stellte er klar, dass er weder als natürliche Person dem Rechtsstreit beitreten noch den Beitritt für die von ihm vertretene Gesellschaft, also die Beklagte, erklären wolle. Der Beitritt solle vielmehr durch den besonderen Vertreter als Organ der Gesellschaft erfolgen.

Die Zulässigkeit dieses Beitritts erfordert zum einen, dass ein besonderer Vertreter als solcher gemäß § 50 ZPO parteifähig ist; denn Nebenintervenient kann nur sein, wer parteifähig ist (Schultes in: Münchener Kommentar zur ZPO, 3 Aufl., § 66 Rn. 23). Zum anderen setzt der Beitritt ein eigenes rechtliches Interesse des besonderen Vertreters voraus: Die Entscheidung des Rechtsstreits muss sich unmittelbar oder mittelbar auf die rechtlichen Verhältnisse des besonderen Vertreters günstig oder ungünstig auswirken (vgl. z. B. Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 66 Rn. 8 m. w. N.). Beides ist nach Auffassung des Senats nicht gegeben.

1. Zur Frage der Parteifähigkeit hat der Beschwerdeführer erstinstanzlich unter anderem auf verschiedene Stellen in der Kommentarliteratur verwiesen, in denen - allerdings ohne nähere Begründung - ausgeführt wird, dass der besondere Vertreter Organ der Gesellschaft sei. Diese vorwiegend begriffsjuristische Argumentation ist wenig fruchtbar: Ob man den besonderen Vertreter als Organ bezeichnet oder nicht, besagt weder etwas über seine Parteifähigkeit noch über den Umfang seiner Kompetenzen.

Den - spärlichen - gesetzlichen Regelungen über den besonderen Vertreter in § 147 Abs. 2 AktG ist eine Parteifähigkeit desselben nicht zu entnehmen. Diese Bestimmungen lassen lediglich erkennen, dass der besondere Vertreter zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft bestellt werden kann. Soweit § 147 Abs. 2 Satz 5 AktG einem gerichtlich bestellten besonderen Vertreter einen Auslagenersatz- und Vergütungsanspruch zuerkennt, betrifft dies Rechte der als besonderer Vertreter bestellten natürlichen Person, aber nicht den besonderen Vertreter als "Organ".

10Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass selbst Organe einer Aktiengesellschaft nicht parteifähig sind. Ausnahmen können gelten, soweit ein Organ eigene Rechte (z. B. Informationsrechte) aus seiner Organstellung gegenüber einem anderen Organ oder der juristischen Person geltend macht (s. BGHZ 164, 254; Semler/Spindler in: Münchener Kommentar zum AktG, 3. Aufl., Band 3, Vorbem. Rn. 130 ff.; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 50 Rn. 25a). Um eine solche Organstreitigkeit handelt es sich vorliegend jedoch nicht. Darüber hinaus sieht § 245 Nr. 4 AktG die Befugnis des Vorstands vor, einen Hauptversammlungsbeschluss anzufechten. Der Meinungsstreit, ob der Vorstand als Organ selbst diese Anfechtungsbefugnis hat oder er nur für die Ausübung des der Aktiengesellschaft zustehenden Anfechtungsrechts zuständig sein soll (zum Meinungsstand s. die Nachweise bei Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 245 Rn. 4), bedarf hier nicht der Entscheidung. Jedenfalls ist eine analoge Anwendung des § 245 Nr. 4 AktG auf den besonderen Vertreter nicht gerechtfertigt. Gegen eine Analogie spricht nicht nur der Ausnahmecharakter der Bestimmung, es fehlt auch an einer vergleichbaren Interessenlage. Die Anfechtungsbefugnis des Vorstands ist Ausfluss seiner Kontrollrechte: Der Vorstand ist zur Anfechtung befugt, weil die Wahrung von Gesetz und Satzung in der Gesellschaft vor allem seine Aufgabe ist. Die Anfechtungsbefugnis des Vorstands stellt eine Konkretisierung seines umfassenden Rechts zur weisungsfreien Leitung der Gesellschaft (§ 76 Abs. 1) dar, die sich nicht in der unternehmerischen Tätigkeit erschöpft, sondern die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der Selbstverwaltungsakte der Gesellschaft einschließt (Hüffer in: Münchener Kommentar zum AktG, 3. Aufl., § 145 Rn. 14). Hinzu kommt, dass der Vorstand von einem Hauptversammlungsbeschluss in der Regel auch insofern selbst betroffen ist, als er ihn als ausführenden Organ umzusetzen hat. Vergleichbare Überwachungsaufgaben und -rechte hat der besondere Vertreter nicht. Auch ist er, abgesehen von der Ausführung eines Beschlusses nach § 147 AktG, nicht mit der Umsetzung von Hauptversammlungsbeschlüssen befasst.

11Selbst wenn man jedoch in analoger Anwendung des § 245 Nr. 4 AktG eine Anfechtungsbefugnis (und damit partielle Parteifähigkeit) des besonderen Vertreters annähme, müsste diese auf den gesetzlich festgelegten Aufgabenbereich des besonderen Vertreters beschränkt bleiben. Nach § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG wird er zur Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft bestellt. Die Anfechtung des streitgegenständlichen Anfechtungsbeschlusses (oder die Unterstützung der Anfechtungskläger durch Beitritt als Nebenintervenient) kann selbst dann, wenn der Beschluss Auswirkungen auf das Bestehen der Ersatzansprüche der Gesellschaft haben sollte, nicht als Geltendmachung der Ansprüche angesehen werden.

122. Zudem fehlt es an einem rechtlichen Interesse i. S. d. § 66 ZPO. Ein rechtliches Interesse des Beschwerdeführer lässt sich nicht damit begründen, es sei nicht ausgeschlossen, dass das Prozessergebnis das Bestehen oder die Durchsetzbarkeit der von ihm geltend zu machenden Ersatzansprüche beeinflusst. Denn dies betrifft nicht eigene Rechte des Beschwerdeführers, sondern die Ansprüche der Gesellschaft, also der Beklagten. Rechtliche Interesse der Beklagten können einen Beitritt nach § 66 ZPO aber schon deshalb nicht rechtfertigen, weil es sich bei der Beklagten nicht um einen Dritten i. S. d. § 66 ZPO, sondern um eine Partei des vorliegenden Rechtsstreits handelt.

13Ein rechtliches Interesse des Beschwerdeführers könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn das Prozessergebnis gerade auf seine Stellung als besonderer Vertreter, also beispielsweise auf seine Informationsrechte, sein Recht zur Prozessführung etc., einwirkt. Dies ist indes nicht der Fall. Selbst wenn sich durch das Ergebnis des Rechtsstreits, etwa durch die Feststellung der Wirksamkeit des angefochtenen Beschlusses, die Erfolgsaussichten der ihm aufgetragenen Rechtsverfolgung verschlechtern würde, ließe dies die Rechtsstellung des besonderen Vertreters unberührt. Anders ausgedrückt: Der besondere Vertreter hat kein eigenes rechtliches (allenfalls ein tatsächliches oder persönliches) Interesse daran, dass die Ersatzansprüche, zu deren Geltendmachung er eingesetzt wurde, tatsächlich bestehen. Ebenso wenig könnte beispielsweise ein Rechtsanwalt einem Rechtsstreit als Nebenintervenient mit der Begründung beitreten, der Ausgang des Prozesses habe Auswirkungen auf eine Rechtsverfolgung seines Mandanten in einem anderen Verfahren.

Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 3 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.






OLG München:
Beschluss v. 07.10.2008
Az: 7 W 1034/08


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