Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. Februar 2003
Aktenzeichen: 10 W (pat) 19/02

(BPatG: Beschluss v. 27.02.2003, Az.: 10 W (pat) 19/02)

Tenor

1. Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Anmelderin reichte am 24. März 2000 beim Patentamt die vorliegende Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Verfahren zur Aufbereitung von mechanisch, organisch und/oder biologisch verunreinigtem Wasser" ein (Aktenzeichen 100 14 833.6-41).

Am 14. März 2001 ließ sie der vorgenannten Anmeldung beim Patentamt als Anmeldeamt eine internationale Anmeldung nach dem Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (PCT) folgen, für die sie die Priorität der vorliegenden Patentanmeldung beanspruchte und in der auch Deutschland als Bestimmungsstaat für ein nationales Patent genannt wurde. Am 14. März 2001 erfolgte ua auch die Zahlung der erforderlichen Übermittlungsgebühr. Die Bestimmung Deutschlands in der PCT-Anmeldung führte zu der nationalen Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen 101 91 132.7.

Mit Schreiben des Deutschen Patent- und Markenamts, Patentabteilung 11, vom 19. März 2002 ist der Anmelderin zu der vorliegenden, prioritätsbegründenden Patentanmeldung formlos mitgeteilt worden, dass die Patentanmeldung "wegen Inanspruchnahme der inneren Priorität gemäß § 40 Abs 5 PatG - im Fall der Inanspruchnahme durch eine PCT-Anmeldung in Verbindung mit Artikel III § 4 Abs 3 IntPatÜG - als zurückgenommen" gelte. Das Schreiben schließt mit dem Satz "Diese Mitteilung wurde maschinell erstellt und wird nicht unterschrieben."

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde und trägt vor, die Voraussetzungen für den Eintritt der Rücknahmefiktion gemäß Art III § 4 Abs 3 Int-PatÜG seien nicht erfüllt. Die in Artikel 22 Abs 1 oder 39 Abs 1 PCT vorgesehenen Fristen könnten nicht als abgelaufen gewertet werden, solange der internationale Recherchenbericht als Voraussetzung hierfür nicht vorliege. Sie habe bislang keinen internationalen Recherchenbericht erhalten, den sie aber bei regelkonformen Verlauf Mitte 2001 erhalten hätte. Nach Kenntnis des internationalen Recherchenberichts wäre dann wahrscheinlich entschieden worden, die Bestimmung des Staates Bundesrepublik Deutschland gemäß Art 24 PCT und Artikel 37 PCT in Verbindung mit Regel 90bis AusfOPCT zurückzunehmen.

Die Anmelderin beantragt, die Mitteilung vom 19. März 2002 zu widerrufen und die Anmelderin in die Position zu versetzen, die sie bei regelkonformen Verfahrensablauf (rechtzeitiger internationaler Recherchenbericht) hätte.

Hilfsweise beantragt sie Wiedereinsetzung und weiter hilfsweise, die für die vorliegende Patentanmeldung gezahlte Prüfungsgebühr als Prüfungsgebühr für die Patentanmeldung 101 91 132.7 anzuerkennen, so dass ihr zumindest die zweimalige Zahlung der Prüfungsgebühr erspart bleibe.

Zudem beantragt sie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr, da die Voraussetzungen zur Rücknahmefiktion nicht vorlägen.

Auf den Hinweis des Senats, dass die Beschwerde unzulässig sein dürfte, hat die Anmelderin um Entscheidung gebeten.

II.

Die Beschwerde gegen die Mitteilung der Patentabteilung 11 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. März 2002 ist nicht statthaft und daher unzulässig. Denn es liegt kein mit der Beschwerde anfechtbarer Beschluss vor.

1. Gemäß § 73 Abs 1 PatG findet die Beschwerde an das Patentgericht gegen die Beschlüsse der Prüfungsstellen und Patentabteilungen des Patentamts statt. Ob ein Beschluss im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, ist nicht nach der äußeren Form oder Bezeichnung der Entscheidung zu beurteilen, sondern nach ihrem materiellen Gehalt. Ein Beschluss im Sinne dieser Vorschrift ist danach eine Entscheidung, durch die eine abschließende Regelung erfolgt, die die Rechte eines Beteiligten berühren kann (vgl Schulte, PatG, 6. Aufl, § 73 Rdn 23ff mwNachw).

Diese Voraussetzung liegt bei der angegriffenen Mitteilung nicht vor. Denn ihrem Inhalt nach stellt sie keine endgültige Entschließung über den Eintritt der Rücknahmefiktion für die vorliegende Patentanmeldung dar, sondern sie enthält lediglich einen Hinweis auf die Rechtslage. Wenn in einer Nachanmeldung die Priorität einer inländischen Voranmeldung beansprucht wird, wird dies in der Akte der Voranmeldung vermerkt und führt dort bei wirksamer Inanspruchnahme der inneren Priorität zu der Feststellung, dass diese wegen Inanspruchnahme einer inneren Priorität als zurückgenommen gilt. Regelmäßig - so auch hier - erhält ein Anmelder hierüber mittels eines vorformulierten standardisierten Textes eine Mitteilung, die sich darin erschöpft, die gesetzliche Folge der im Verfahren der Nachanmeldung abgegebenen Prioritätserklärung zu benennen, nämlich dass die Patentanmeldung als zurückgenommen gilt, was kaum über den reinen Gesetzeswortlaut von § 40 Abs 5 PatG hinausgeht. Nähere Ausführungen zum konkreten Fall fehlen gänzlich. Der vorliegende formularmäßige Text ist noch nicht einmal speziell auf die Beanspruchung der inneren Priorität in einer PCT-Anmeldung abgestellt, wie die allgemein gehaltene Formulierung "im Fall der Inanspruchnahme durch eine PCT-Anmeldung in Verbindung mit Artikel III § 4 Abs 3 IntPatÜG", zeigt. Es liegt daher zwar eine Äußerung des Patentamts über den Eintritt einer Rechtsfolge vor, aber ersichtlich eine, die nur der Information bzw als Hinweis dient, nicht aber der abschließenden Regelung im konkreten Fall. Zudem kommt es zwar bei der Beurteilung, ob ein Beschluss im Sinne von § 73 Abs 1 PatG vorliegt, nicht entscheidend auf die äußere Form an, das heißt jedoch nicht, dass diese völlig unbeachtlich wäre. Fehlen wie hier alle Merkmale, die nach § 47 PatG für einen ordnungsgemäß erlassenen und zugestellten Beschluss sprechen, spricht dies jedenfalls zusätzlich dagegen, dass ein Beschluss im Rechtssinne vorliegt.

Derartige formularmäßige Mitteilungen über den Eintritt der Rücknahmefiktion werden daher in ständiger Rechtsprechung, weil sie als Mitteilungen mit reiner Hinweisfunktion Akte ohne Entscheidungscharakter sind, nicht als mit der Beschwerde anfechtbare Beschlüsse angesehen (vgl BPatG BlPMZ 1983, 307; 4 W (pat) 28/96 vom 25. Juni 1997; 4 W (pat) 28/98 vom 20. August 1998, jeweils die Mitteilung über den Eintritt der Rücknahmefiktion wegen Inanspruchnahme einer inneren Priorität betreffend). Hierin kann auch kein unnötiger Formalismus gesehen werden, denn nicht selten werden Anmelder erst nach Erhalt einer solchen Mitteilung auf den Eintritt der Rücknahmefiktion überhaupt aufmerksam und machen Gründe dafür geltend, dass die Rücknahmefiktion nicht eingetreten sei. Dass dann zuerst das Patentamt diese Gründe prüft, ist die ihm als erste Tatsacheninstanz originär obliegende Aufgabe, während mit der Beschwerde eine zweite - jetzt gerichtliche - Tatsacheninstanz eröffnet wird (vgl BGH BlPMZ 1995, 438, 441 reSp - Aluminium-Trihydroxid). Im übrigen muss diese Prüfung nicht notwendigerweise in einen feststellenden Beschluss über den Eintritt der Rücknahmefiktion münden, sondern kann auch zum Ergebnis haben, dass die Rücknahmefiktion doch nicht eingetreten ist, weil deren Voraussetzungen im konkreten Fall nicht vorgelegen haben.

2. Da die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen ist, weil kein mit der Beschwerde anfechtbarer Beschluss ergangen ist, kann nicht geprüft werden, ob die Beschwerde begründet ist. Wenn die Anmelderin daher an einer Entscheidung über die Frage, ob in ihrem Fall die Voraussetzungen für den Einritt der Rücknahmefiktion gemäß Art III § 4 Abs 3 IntPatÜG vorgelegen haben, interessiert ist, wird sie zunächst das Patentamt zum Erlass eines beschwerdefähigen Beschlusses veranlassen müssen. Insoweit weist der Senat lediglich darauf hin, dass keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Ablauf der 20-Monats-Frist des Art 22 Abs 1 PCT (in der hier maßgeblichen Fassung des Art 22 PCT bis 31. März 2002), auf die es hier entscheidend ankommt, von der rechtzeitigen Erstellung des internationalen Recherchenberichts abhängt. Es ist Sache des Anmelders, die für den Eintritt (oder hier den Nichteintritt) in die nationale Phase erforderlichen Handlungen auch dann rechtzeitig vorzunehmen, wenn der internationale Recherchenbericht nicht zu dem Zeitpunkt vorliegt, an dem der Anmelder eine Entscheidung über das weitere Verfahren treffen muss (vgl PCT-Leitfaden für Anmelder, Band 2 Ziffer 15). Da nicht in die Prüfung der Begründetheit der Beschwerde eingetreten werden kann, ist auch kein Raum für die Entscheidung über die hilfsweise gestellten Anträge auf Wiedereinsetzung und hinsichtlich der Prüfungsgebühr, zumal für diese ohnehin das Patentamt erstinstanzlich zuständig ist. Im übrigen sei darauf hingewiesen, dass im Falle einer Rücknahmefiktion infolge Prioritätsbeanspruchung der Antrag auf Wiedereinsetzung nicht statthaft ist, weil keine Fristversäumung gemäß § 123 Abs 1 PatG vorliegt (vgl Senatsentscheidung 10 W (pat) 52/01 vom 10. Juni 2002).

3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist unbegründet. Auch bei unzulässigen Beschwerden fehlt es nicht an einem Rechtsgrund für deren Zahlung (vgl Schulte, aaO, § 73 Rdn 141). Im übrigen ist die Beschwerdegebühr gemäß § 80 Abs 3 PatG nur dann zurückzuzahlen, wenn dies der Billigkeit entspricht, wenn also bei ordnungsgemäßer und angemessener Sachbehandlung der Erlass eines Zurückweisungsbeschlusses nicht in Betracht gekommen wäre und damit die Erhebung der Beschwerde vermieden worden wäre (vgl Schulte, aaO, § 73 Rdn 144). Solche Billigkeitsgründe sind hier nicht ersichtlich, insbesondere liegt weder eine sachliche Fehlbeurteilung noch eine verfahrensfehlerhafte Behandlung des Patentamts vor.

Schülke Knoll Püschel Pr






BPatG:
Beschluss v. 27.02.2003
Az: 10 W (pat) 19/02


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