Landgericht Bielefeld:
Urteil vom 28. März 2006
Aktenzeichen: 15 O 246/05

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Verbraucher ohne ihr vorheriges Einverständnis zu Werbezwecken anzurufen oder anrufen zu lassen. Ihr wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsgeld und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht, wobei das einzelne Ordnungsgeld den Betrag von 250.000,00 €, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf und letztere an dem Geschäftsführer der Beklagten zu vollziehen ist.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 180,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.12.2005 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 17.500,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die in die beim Bundesverwaltungsamt geführte Liste "Qualifizierter Einrichtungen" im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG eingetragene Klägerin nimmt satzungsgemäß die Interessen von Verbrauchern wahr. Die Beklagte betreibt einen Kundenvorteilsclub unter der Bezeichnung "T."; auch erbringt sie Dienstleistungen für rechtlich selbständige Vertriebspartner, denen sie gestattet hat, "T.-Kunden" zu werben. Die Klägerin warf der Beklagten vor, jedenfalls in drei Fällen (O., S. und B.) Verbraucher ohne deren vorheriges Einverständnis angerufen zu haben, um sie für eine Mitgliedschaft in der "T."-Haushaltsberatung zu werben. Der Aufforderung, wegen darin liegender unzulässiger Telefonwerbung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, kam die Beklagte jedoch nicht nach.

Mit vorliegender Klage verfolgt die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren (nebst Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten in Höhe von 180,00 €) weiter und behauptet: Am 19.04.2005 habe ein Mitarbeiter der Beklagten Frau D. O. zu Hause in Berlin angerufen und dabei u.a. danach gefragt, ob sie Interesse an einer "T."-Mitgliedschaft habe. Anfang Juni 2005 sei ein Anruf der Beklagten beim minderjährigen Sohn von Frau D. S. in Berlin erfolgt; der Anrufer habe von einer "T."-Haushaltsberatung gesprochen und die Übersendung von Unterlagen angekündigt. Am 09.08.2005 schließlich habe ein Mitarbeiter der Beklagten Herrn B. in Wolfsburg angerufen. In sämtlichen Fällen habe ein vorheriges Einverständnis der Angerufenen nicht vorgelegen.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie zweifelt die Bestimmtheit des Klageantrags an, da es sich um einen "gesetzeswiederholenden Antrag" handele. Im übrigen trägt sie vor: Im Falle O. sei der Anruf durch die Fa. W. GmbH & Co.KG Dr. O. K. in I. erfolgt. Diese Firma sei rechtlich selbständig und werbe Kunden auf eigene Rechnung. Sie sei deshalb nicht "Beauftragte" der Beklagten. Im übrigen habe Frau O. am 11.12.2004 in einem Mobilfunkantrag gegenüber der Fa. I.-Service darin eingewilligt, daß der I.-Service sie auch telefonisch über weitere interessante Angebote informiere. Den Anruf im Hause S. habe Frau S. selbst entgegengenommen. Der Anruf sei -anders im Fall O.- durch eine von der Beklagten beauftragte Firma, die Firma C. Q. GmbH, durchgeführt worden. Frau S. habe im Rahmen einer sog. Lifestyle-Befragung ihre Zustimmung dazu erklärt, ihr auch andere Angebote zu unterbreiten. Einen von ihr veranlaßten Anruf bei Herrn B. bestreitet die Beklagte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die gem. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG anspruchsberechtigte Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus §§ 3; 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG darauf, daß die Beklagte es unterläßt, Verbraucher zu Werbezwecken ohne deren vorheriges Einverständnis anzurufen.

Entgegen den Bedenken der Beklagten ist der Klageantrag, auf dem der Urteilstenor fußt, als hinreichend bestimmt anzusehen. Zwar handelt es sich letztlich um einen "gesetzeswiederholenden Antrag"; insoweit sind nach der Rechtsprechung (vgl. insbesondere BGH GRUR 2000, 438 ff.) Bedenken nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Diese Bedenken können jedoch zurücktreten, wenn der Anwendungsbereich einer Norm durch gefestigte Auslegung in der Rechtsprechung geklärt ist (vgl. Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 12 UWG RN 2.40). Davon ist vorliegend auszugehen, auch wenn die maßgebende Norm des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG (Verbot von Werbeanrufen bei Verbrauchern ohne deren vorherige Einwilligung) erst seit dem 08.07.2004 in Kraft ist. Denn diese Vorschrift entspricht der bis dahin geltenden Rechtsprechung. Daß im Rahmen der Vollstreckung aus einem solchen Urteil gegebenenfalls Wertungen vorzunehmen sind, wenn es gilt festzustellen, ob etwa ein vorheriges Einverständnis vorgelegen hat, läßt sich nicht vermeiden. Jedenfalls in den Fällen O. und S. liegen Verstöße der Beklagten gegen das Verbot des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG vor, aus denen die erforderliche Wiederholungsgefahr für weitere Verstöße abzuleiten ist. In beiden Fällen steht der Anruf zu Werbezwecken außer Frage. Der Anruf ist auch in beiden Fällen durch "Beauftragte" der Beklagten im Sinne von § 8 Abs. 2 UWG erfolgt. Im Falle S. zieht die Beklagte selbst dies nicht in Zweifel; im Falle O. gilt im Ergebnis nichts anderes, auch wenn die Fa. W. auf eigene Rechnung tätig gewesen sein sollte. Denn nach den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen kam ihr die Tätigkeit der Fa. W. nach dem "T.-Dienstleistermodell" durchaus zugute; darüber hinaus belegen die Unterlagen einen bestimmenden Einfluß der Beklagten auf die Fa. W.. Das reicht hin, um die Fa. W. zur "Beauftragten" der Beklagten zu machen (vgl. Baumbach/Hefermehl/Köhler, a.a.O., § 8 RN 2.41 ff.). Für eine vorherige Einwilligung hat die dafür darlegungspflichtige Beklagte in beiden Fällen nicht hinreichend vorgetragen. Im Falle S. ist der Sachvortrag zur Erteilung einer Einwilligung im Rahmen einer "Lifestyle-Befragung" unpräzise; trotz Hinweises darauf gemäß Schreiben vom 15.02.2006 hat die Beklagte das Vorbringen nicht ergänzt. Weder der konkrete Inhalt der Einwilligung noch die dadurch gegebenenfalls "Berechtigten" sind zu erkennen. Was den Fall O. angeht, bestehen gegen die Wirksamkeit der -formularmäßig- erteilten Einwilligung Bedenken (vgl. Baumbach/Hefermehl/Köhler, a.a.O., § 7 UWG RN 47). Zudem bezieht sich die Einwilligung allenfalls auf die Fa. I.-Service, nicht auch auf die Beklagte. Aus einem Einverständnis gegenüber der Fa. I.-Service auf eine konkludente Einwilligung zugunsten beliebiger Dritter zu schließen, geht nicht an. Nach allem war die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung zu verurteilen; der Fall B. kann auf sich beruhen. Die Androhung der Ordnungsmittel hat ihre Grundlage in § 890 ZPO. Abmahnkosten schuldet die Beklagte gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG; der Betrag von 180,00 € hält sich im Rahmen erforderlicher Aufwendungen. Auch die Beklagte zieht das nicht in Zweifel. Die Zinsentscheidung beruht insoweit auf §§ 291, 288 BGB,. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.






LG Bielefeld:
Urteil v. 28.03.2006
Az: 15 O 246/05


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