Landgericht Aachen:
Urteil vom 25. Juli 2008
Aktenzeichen: 43 O 13/08

(LG Aachen: Urteil v. 25.07.2008, Az.: 43 O 13/08)

Tenor

Die Kläger werden mit der Klage abgewiesen.

Die Kläger zu 1., 2. und 3. sowie Frau X, K-Straße ... in ... L, haben jeweils zu ein Viertel die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger und Frau X dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheits­leistung oder Hinterlegung von 110 % des jeweils für die Beklagte vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

Die Klage ist, soweit sie für die Beklagte zu 4. erhoben wurde, unzulässig (unten I.). Im übrigen ist sie unbegrün­det (unten zu II.).

I.

Die Beklagte zu 4. besteht nicht mehr und ist deshalb nicht parteifähig im Sinne von § 50 Abs. 1 ZPO. Laut Eintragung in das bei dem früheren Amtsgericht H3 geführte Handelsregister (HRB 21) ist sie "auf Grund des Thüringischen Landesgesetzes vom 24.07.2946 sowie der von der Landeskommission zur Durchführung des Befehls 124 vom 6. Februar 1948 und der Landesregierung vom 5.3.1948 gefassten Beschlüsse, welche durch die SMAD Karlshorst mit Befehl 64 vom 17.4.48 bestätigt wurden, mit Wirkung vom 18. Juli 1946 in das Eigentum des Volkes übergegangen." Dieser Sachverhalt wurde am 27.08.1948 in dem Handels­register des früheren Amtsgerichts H3 (HRB 21) nieder­gelegt mit dem weiteren Vermerk: "Die Firma ist aufgelöst und deren Eintragung gelöscht." Dadurch ist hinreichend erwiesen, dass nicht etwa die Aktien der früheren H4, sondern deren gesamtes Vermögen in Volkseigentum überführt und die Gesellschaft auf­gelöst worden ist. Sie ist damit einer kraft Hoheits­aktes eintretenden Vollbeendigung zugeführt worden mit der Folge, dass für eine Liquidation kein Raum mehr ist. Daran ändert der Umstand nichts, dass das Amtsgericht N durch Beschluss vom 03.04.2003 Frau X ‑ beschränkt auf die Ein­berufung einer Haupt­versammlung ‑ zur Nachtragsliquidatorin bestellt hat (siehe unten V.).

II.

In der Sache können nach § 245 Nr. 1 AktG die Kläger zu 1.‑3. mit der Anfech­tungs­klage nur durchdringen, wenn sie ‑ wie sie behaupten ‑ zum Zeit­punkt der Beschluss­fassung Aktionäre der Beklagten waren. Nähere Feststellungen hierzu erübrigen sich, denn die Klage ist schon deshalb un­begründet, weil der angefochtene Be­schluss weder gesetz­liche Vorschriften noch die Satzung der Beklagten verletzt.

Die Beklagte war nicht nach § 327c Abs. 3 Nr. 2 AktG verpflich­tet, vor der Beschlussfassung Lageberichte für die letzten drei Geschäfts­jahre auszulegen. Die genannte Bestim­­mung erfasst nur solche Gesellschaften, die nach § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB oder auf Grund ihrer Satzung ver­pflichtet sind, Lageberichte aufzustellen (Schnorbus in: K. Schmidt/Lut­ter, AktG, § 327c Rn. 28). Beides trifft auf die Beklagte nicht zu. Sie ist eine sog. kleine Kapital­gesellschaft im Sinne von § 267 Abs. 1 HGB, weil sie ‑ wie sie unwidersprochen vorträgt ‑ in dem nach dieser Vor­schrift maßgeblichen Zeitraum keine höheren Umsatz­erlöse als 8.030.000,00 € erzielt und im Jahres­durchschnitt nicht mehr als fünfzig Arbeitnehmer beschäftigt hat. Die Vorschrift des § 264 Abs. 1 HGB findet deshalb auf die Be­klagte keine Anwendung (§ 264 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 HGB). Auch die Satzung der Beklagten in ihrer am 18.12.2007 geltenden Fassung enthielt keine Verpflichtung zur Aufstellung eines Lageberichts (vgl. dort § 25). Dies ergibt sich aus den Registerakten des Amtsgerichts B zu HRB 92; die vom Amtsgericht übermittelten Abschrif­ten der Satzung in der Fassung vom 16.05.2001 und in der bis heute gültigen Fassung vom 26.11.2003 sind zum Gegenstand der münd­lichen Verhandlung gemacht und mit den Parteien erörtert worden.

Die H war nicht gemäß § 20 Abs. 7 Satz 1 AktG daran gehindert, in der Hauptversammlung vom 18.12.2007 an der Abstimmung über den Aus­schluss der Kläger teilzunehmen. Die H2t setzte mit Schreiben vom 03.04.1970 (Anlage B 5) die Beklagte von ihrer Mehrheitsbeteiligung und deren Umfang in Kenntnis. Mit Schreiben vom 09.08.2007 (Anlage B 6) teilte die E1 der Beklagten ihre Mehrheitsbeteiligung an der H mit. Weder die Umbenennung in H1 am 18.03.1999 noch die am 26.03.2002 in das Handelsregister des Amtsgerichts D (HRB 84046) eingetragene formwechselnde Umwandlung in die H lösten eine erneute Mitteilungspflicht aus (zu der vergleichbaren Mitteilungspflicht nach § 21 Abs. 1 Wertpapierhandels­gesetz siehe Krieger in: Münchener Handbuch des Gesellschafts­rechts, Bd. 4, § 68 Rn. 142; Hüffer, AktG, 7. Aufl., Anh § 21: § 21 WpHG Rn. 8; Widder in BB 2005, S. 1979, 1981). Wenn die Beklagte es unterließ, die ihr zugegangenen Mitteilungen gemäß § 20 Abs. 6 Satz 1 AktG unverzüglich in den Gesellschafts­blät­tern bekannt­­­zumachen, stellte dieser Umstand das Stimmrecht der H und seine Ausübung in der Haupt­versammlung vom 18.12.2007 nicht in Frage (vgl. Hüffer, a.a.O., § 20 Rn. 9).

Hat ‑ wie dies die Kläger behaupten ‑ die H entgegen der Bestimmung in § 21 der Satzung der Beklagten ihre Aktien nicht oder nicht rechtzeitig vor der Hauptversamm­lung bei einer der dafür vorgesehen Stellen hinterlegt, war sie auch nicht aus diesem Grund von der Teilnahme an der Hauptversammlung und der Ausübung ihres Stimmrechts ausgeschlossen (vgl. MünchKomm/Kubis, AktG, 2. Aufl., § 123 Rn. 48). Die ordnungsgemäße Vertretung der H in der Hauptversammlung ist erwiesen durch die von ihren Geschäftsführern ausgestellte schrift­liche Vollmacht vom 18.12.2007 (Anlage B 14).

Entgegen der Auffassung der Kläger gebietet es die Treue­pflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Aktionären nicht, Hauptversammlungen, in denen über den Ausschluss von Minder­heitsaktionären entschieden werden soll, nur zeitnah nach Vorlage eines Jahresabschlusses beziehungsweise nach Fälligkeit der Ausgleichszahlung aus einem Beherrschungs­vertrag, jedenfalls nicht kurz vor Abschluss des Geschäfts­jahrs abzuhalten. Die genaue und umfassende In­forma­tion der Aktionäre ist durch das Auskunftsrecht nach § 131 AktG, von dem hier die Kläger in der Haupt­versammlung am 18.12.2007 ausführlich Gebrauch gemacht haben, ferner durch den in § 327c Abs. 2 Satz 2 AktG vor­geschriebenen Prüfbericht gewährleistet. Das Interesse der Kläger, den auf die Zeit vom 01.01.2007 bis zum Verlust ihrer Aktien durch Beschluss vom 18.12.2007 entfallen­den Anteil der Ausgleichszahlung nicht einzubüßen, ist durch die ordnungsgemäße Bemessung der Barabfindung (§ 327a Abs. 1 AktG) gesichert, auf die allerdings ‑ wie die Beklagte zutreffend hervorhebt ‑ die Anfechtungsklage nicht gestützt werden kann (§ 327f Satz 1 AktG). Dem Prüfbericht der E3 vom 05.10.2007 [Anlage B 3] ist jedoch zu entnehmen, dass hier die Bar­abfindung sich zusammensetzt aus dem Anteil der Kläger an dem Net Asset Value 1 zum 31.12.2006 und einer Auf­zinsung von 4,5 % für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis 18.12.2007. Dadurch erhöht sich die Barabfindung für eine Stückaktie (Nennnwert 26,00 €) von 365,53 € um 15,35 € auf 380,88 € (S. 12, 14 des Prüf­berichts vom 05.10.2007 [Anlage B 3]). Dieser Zu­wachs übertrifft deutlich die für das Jahr 2007 entgehende Ausgleichszahlung von 3,58 €. Für dieses Ergebnis kommt es nicht auf die von den Klägern als rechtswidrig bezeich­nete Bestim­mung in § 5 Abs. 3 des Beherrschungs- und Gewinn­abführungsvertrags vom 30.06.1993 an, wonach die jähr­liche Ausgleichszahlung am Tag nach der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten fällig wird.

Schließlich ist der Beschluss vom 18.12.2007 auch nicht etwa deshalb anfechtbar, weil die von der H bei­gebrachte Bankgarantie für die Zahlung der Barabfindung hinter den dafür in § 327b Abs. 3 AktG aufgestellten Anforderungen zurückbleibt. Entgegen der Auffassung der Beklagten muss die von dem Kreditinstitut übernommene Gewährleistung sich nicht auf die Verzinsung erstrecken, die nach § 327b Abs. 2 AktG anfällt, wenn die Barabfindung nicht spätestens am Tag der Bekanntmachung des Über­tragungs­beschlusses gezahlt wird (vgl. MünchKomm/Grunewald, AktG, 2. Aufl., § 327b Rn. 18). Weder der Wortlaut des § 327b Abs. 3 AktG noch der Schutz der Minderheitsaktionäre setzen voraus, dass der Zinsanspruch von der Bankgarantie umfasst wird (OLG Düsseldorf, NZG 2005, S. 347, 350; Schnorbus, a.a.O., § 327b Rn. 38). Der ausgeschiedene Aktionär hat es in der Hand, nicht nur den Hauptaktionär, sondern gerade das Kreditinstitut hinsichtlich der Zahlung der fälligen Barabfindung möglichst früh in Verzug zu setzen und damit denjenigen Zins- und sonstigen Verzugs­schaden, den er nur vom Hauptaktionär ersetzt verlangen könnte, gering zu halten.

III.

Weil - wie ausgeführt - der angegriffene Beschluss recht­lich nicht zu beanstanden ist, ist auch für die hilfs­weise beantragte Fest­stellung seiner Nichtigkeit oder Unwirksam­keit kein Raum.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Derjenige Kostenanteil, der nur deshalb nicht der Klägerin zu 4. auferlegt werden kann, weil sie nicht mehr existiert, ist von Frau X aufzubringen, die sich gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu 4., wie er in der mündlichen Ver­handlung erklärt hat, als Nach­trags­liquidatorin der H4 bezeichnet und ihm Prozessauftrag erteilt hat. Für eine "Nachtragsliquidation" ist indes nach dem oben (zu I.) Gesagten kein Raum. Weil Frau X die Veranlassung dazu gegeben hat, dass der Prozessbevollmächtigte für die nicht mehr bestehende Klägerin zu 4. Klage erhoben hat, muss sie für die Kostenfolgen aufkommen. Die Gründe dafür sind die­selben wie im Fall einer Klage, die für eine existieren­de Partei ohne deren Vollmacht erhoben wird (OLG Frankfurt in MDR 1997, S. 303; Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 91 Rn. 2): Auch hier fallen die Kosten dem jeweiligen Ver­anlasser zur Last (vgl. BGH in MDR 1993, S. 1249).

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, § 709 Satz 1 und 2, § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

V.

Das nach Schluss der mündlichen Verhandlung von der Klä­gerin zu 4. eingereichte neue Vorbringen gibt zu einer Wiedereröff­nung der mündlichen Verhandlung keinen Anlass (§ 156 ZPO). Welche Gründe das Amtsgericht N bewogen haben, durch Beschluss vom 03.04.2003 (HRB 21 alt H3) eine Nachtragsliquidatorin mit dem Ziel der Ein­berufung einer Hauptversammlung zu bestellen, die mög­licherweise schon stattgefunden hat, ist der Entscheidung nicht zu entnehmen. Die während des Besatzungsregimes eingetretene Vollbeendi­gung der Gesellschaft bleibt davon unberührt.

Streitwert: 30.000,00 €






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