Hessischer Verwaltungsgerichtshof:
Beschluss vom 9. Dezember 1987
Aktenzeichen: 9 Tj 2688/87

(Hessischer VGH: Beschluss v. 09.12.1987, Az.: 9 Tj 2688/87)

Gründe

I.

Der Erinnerungsführer wendet sich gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 29. April 1987. Darin waren die von dem Erinnerungsführer an die Erinnerungsgegnerin zu erstattenden Kosten aus dem vor dem Verwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen VI/1 H 1289/86 geführten Verfahren und dem Beschwerdeverfahren vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof (Az.: 9 TH 2558/86) auf 238,03 DM festgesetzt worden, und zwar nebst 4 % Zinsen von 79,34 DM seit dem 27. Januar 1987 und von 158,69 DM seit dem 13. März 1987. Das der Kostenerstattung zugrundeliegende Verfahren war dem Gebiet der Sozialhilfe im Sinne von § 188 VwGO zugerechnet worden.

Mit einem Schreiben, das am 11. Mai 1987 bei dem Verwaltungsgericht Darmstadt einging, legte der Erinnerungsführer gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß Erinnerung ein. Mit Beschluß vom 25. August 1987 wies das Verwaltungsgericht die Erinnerung zurück.

Gegen diesen Beschluß, der ihm am 1. September 1987 zugestellt wurde, hat der Erinnerungsführer am 14. September 1987 schriftlich Beschwerde eingelegt, der das Verwaltungsgericht nicht abgeholfen hat.

Der Erinnerungsführer macht geltend: Die Kostenfestsetzung sei zu Unrecht erfolgt; denn der Gesetzgeber habe vorgesehen, daß Aufwendungen von öffentlichen Rechtsträgern im sozialrechtlichen Verfahren nicht zu erstatten seien. Im Gesetzgebungsverfahren zur Verwaltungsgerichtsordnung sei man davon ausgegangen, daß bei Verfahren im Sinne von § 188 VwGO ebenso zu verfahren sei wie nach dem Sozialgerichtsgesetz (SGG). Hier sei deshalb die Regelung des § 193 Abs. 4 SGG anzuwenden, nach der die Aufwendungen der Behörden, der Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts nicht erstattungsfähig seien.

Die Erinnerungsgegnerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den angefochtenen Beschluß des Verwaltungsgerichts, die Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der beigezogenen Akte des Verwaltungsgerichts Darmstadt zu dem Verfahren VI/1 H 1289/86 (= Hers. VGH 9 TH 2558/86).

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet, denn das Verwaltungsgericht hat die zulässige Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß zu Recht als unbegründet angesehen und zurückgewiesen. Die Kostenfestsetzung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ist rechtmäßig.

Der Schriftsatz des Bevollmächtigten der Erinnerungsgegnerin vom 26. Januar 1987 (Bl. 118 der Akte des Verfahrens VI/1 H 1289/86 des Verwaltungsgerichts Darmstadt) ist als Antrag auf Kostenfestsetzung zu verstehen, da ausdrücklich die Verzinsung der darin angegebenen Kosten "ab Eingang dieses Antrags bei Gericht" beantragt wurde. Aus dem Zusammenhang des Schriftsatzes ist auch zu entnehmen, daß die Kostenfestsetzung gegenüber dem Erinnerungsführer und nicht gegenüber der Erinnerungsgegnerin erfolgen sollte; denn im Eingangssatz des Schriftsatzes wird darauf hingewiesen, daß die gesamten Kosten des Verfahrens dem Antragsteller und jetzigen Erinnerungsführer auferlegt worden sind.

Der Kostenfestsetzung steht nicht entgegen, daß in dem Verfahren, das ihr zugrundeliegt, nach § 188 Satz 2 VwGO keine Gerichtskosten erhoben werden. Denn aus der Vorschrift des § 188 Satz 2 VwGO folgt nicht, daß außergerichtliche Kosten von öffentlichen Rechtsträgern nicht erstattet werden. Der eindeutige Wortlaut der Vorschrift läßt trotz der von dem Erinnerungsführer angeführten Stellungnahmen im Gesetzgebungsverfahren eine andere Auslegung nicht zu. Die Regelung des § 193 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), nach der die Aufwendungen der Behörden, der Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts nicht erstattungsfähig sind, ist auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren nicht entsprechend anzuwenden, da angesichts der eindeutigen Regelung in § 162 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 VwGO, die nach der des Sozialgerichtsgesetzes erlassen wurde, insoweit keine ausfüllbare Gesetzeslücke in der Verwaltungsgerichtsordnung besteht.

Die von der Erinnerungsgegnerin durch ihren Bevollmächtigten geltend gemachten Rechtsanwaltskosten sind nach § 162 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 VwGO erstattungsfähig. Aus dem eindeutigen Wortlaut des § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO über die Erstattungsfähigkeit der Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts folgt, daß für alle obsiegenden Beteiligten, also nicht nur für Privatpersonen, sondern auch für öffentliche Rechtsträger die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig sind. Die in § 162 Abs. 1 VwGO vorgesehene Prüfung, ob die Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren, beschränkt sich dann, wenn ein Rechtsanwalt beauftragt ist, darauf, ob neben den gesetzlichen Gebühren und der Postgebührenpauschale nach § 26 BRAGO, weitere besondere Aufwendungen für den Rechtsanwalt, etwa für Reisekosten, Schreibauslagen und ähnliches notwendig waren. Dies ergibt der Zusammenhang zwischen § 162 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 VwGO.

Es kommt deshalb für die Erstattungsfähigkeit der Rechtsanwaltskosten nicht darauf an, ob der öffentliche Rechtsträger über rechtskundige Bedienstete verfügte, die anstelle eines Rechtsanwalts in dem gerichtlichen Verfahren hätten tätig werden können.

Die von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle festgesetzten Kosten sind auch zutreffend nach der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte errechnet worden.

Der Erinnerungsführer hat zwar vorgetragen, der Rechtsanwalt, der für die Erinnerungsgegnerin in dem gerichtlichen Verfahren tätig geworden ist, das der Kostenfestsetzung zugrundeliegt, stehe "in einem dauerhaften Dienst- und Arbeitsverhältnis" mit der Erinnerungsgegnerin, "wo er nach geleisteten Arbeitsstunden bezahlt" werde. Die Richtigkeit dieser Behauptung hat der Rechtsanwalt aber bestritten.

Da der Rechtsanwalt in dem gerichtlichen Verfahren, das der Kostenfestsetzung zugrundeliegt, als freier Rechtsanwalt und nicht als bei der Erinnerungsgegnerin angestellter Rechtsanwalt aufgetreten ist und eine Vollmacht der Erinnerungsgegnerin vorgelegt hat, wie sie üblicherweise freien Rechtsanwälten erteilt wird, ist der Senat davon überzeugt, daß der Rechtsanwalt jedenfalls in diesem Verfahren nicht im Rahmen oder aufgrund eines ständigen Dienstverhältnisses oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne von § 46 der Bundesrechtsanwaltsordnung, das einem solchen Auftreten entgegenstünde, tätig geworden ist.

Schließlich bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß die Erinnerungsgegnerin mit dem Rechtsanwalt für das Verfahren, das der Kostenfestsetzung zugrundeliegt, ein niedrigeres Honorar vereinbart hat, als es den Gebührensätzen nach der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung entspricht. Zwar ist es nach den Grundsätzen des anwaltlichen Standesrechts zulässig, eine Pauschalvergütung für eine laufende Beratungstätigkeit zu vereinbaren. Im Falle der Prozeßführung hat der Rechtsanwalt aber nach den Grundsätzen des anwaltlichen Standesrechts die Sätze der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte zu fordern (vgl. Gerold/Schmidt/Eicken/Madert, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, Kommentar 1987, Anm. 3 zu § 3 BRAGO).

Da der Erinnerungsführer mit seiner Beschwerde keinen Erfolg hat, hat er nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Nach § 188 Satz 2 VwGO werden in dem vorliegenden Verfahren keine Gerichtskosten erhoben, da das Erinnerungsverfahren ebenso wie das Verwaltungsstreitverfahren, das der Kostenfestsetzung zugrundeliegt, dem Gebiet der Sozialhilfe im Sinne von § 188 VwGO zuzurechnen ist.

Dieser Beschluß ist nach § 152 Abs. 1 Satz 1 VwGO unanfechtbar.






Hessischer VGH:
Beschluss v. 09.12.1987
Az: 9 Tj 2688/87


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