Bundespatentgericht:
Urteil vom 20. Dezember 2001
Aktenzeichen: 2 Ni 24/00

(BPatG: Urteil v. 20.12.2001, Az.: 2 Ni 24/00)

Tenor

1.

Die Klage wird abgewiesen.

2.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 18.000,-DM vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 195 752 (Streitpatent), das am 17. März 1986 unter Inanspruchnahme der Priorität der italienischen Patentanmeldung IT 1994185 vom 18. März 1985 angemeldet worden ist. Das in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlichte Streitpatent, das beim Deutschen Patentund Markenamt unter der Nummer 36 67 308 geführt wird, betrifft ein "Verfahren zum Bilden einer Brücke auf Nadelwebstühlen in Bändern, insbesondere für Vorhänge mit Aufund Abbewegung".

Es umfaßt vier Ansprüche, von denen Patentanspruch 1 in der maßgeblichen englischen Fassung gemäß der Patentschrift EP 0 195 752 B1 folgenden Wortlaut hat:

"1. A method of forming, on a needle loom, a bridge in ribbons particularly for updown moving curtains, using to form the bridge on the ribbon at least one warp yarn as a weft yarn, characterised in that said at least one warp yarn is hot preset to exhibit on completion of said bridge a lower hot shrinkage rate than that of said ribbon, said at least one warp yarn being taken from a first side of said ribbon over and across all the warp yarns in said ribbon to engage with at least one warp yarn of the edge of the second side of said ribbon, said warp yarn being then likewise taken back to said first side to engage with at least one warp yarn of the edge of said first side to thereby complete said bridge."

Die deutsche Übersetzung des Anspruchs 1 in dieser Patentschrift weist Fehler auf, eine (analog der englischen Anspruchsfassung ) korrigierte Übersetzung (Abweichungen kursiv) lautet:

"1. Verfahren zur Bildung einer Brücke an Bändern auf einem Nadelwebstuhl, insbesondere für nach oben und unten bewegbare Vorhänge, bei dem man für die Bildung der Brücke mindestens einen Kettfaden als Schussfaden verwendet, dadurch gekennzeichnet, dass der mindestens eine Kettfaden heiß vorgeschrumpft wird, um bei Fertigstellung der Brücke ein geringeres Maß an Heißschrumpfung als das der Kettfäden des Bandes aufzuweisen, dass der mindestens eine Kettfaden an einer ersten Längsseite des Bandes aufgenommen und quer über alle Kettfäden im Band hinweggeführt wird, um an mindestens einem Kettfaden an der Kante der zweiten Längsseite des Bandes anzugreifen, und dass dieser herübergeführte Kettfaden in gleicher Weise zur ersten Längsseite zurückgeführt wird, um an mindestens einem Kettfaden an der Kante der ersten Längsseite des Bandes anzugreifen".

Wegen der Patentansprüche 2 bis 4 wird auf die Patentschrift Bezug genommen.

Mit ihrer Nichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, die angebliche Erfindung sei bezüglich einer sicheren Bindung des Kettfadens an der nadelfernen Seite des Bandes nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen könne. Unterstelle man eine ausreichende Offenbarung, sei der Gegenstand des Streitpatents nicht patentfähig, da er sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergebe. Sie beruft sich hierzu auf folgende vorveröffentlichte Druckschriften:

Anlage K2: EP 0 036 920 A3 (veröffentlicht 7. Oktober 1981)

Anlage K3: DE-GM 83 06 193.2 (bekanntgemacht 16. Februar 1984)

Anlage K4: DE-AS 1 284 591 (bekanntgemacht 5. Dezember 1968)

Anlage K5: Ausbildungsmittel "Textiltechnik, Bandweberei" 1980, S. 85, 88 - 90 Anlage K6: Tabelle "Websysteme NC-Z/3N" (6.78)

Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 195 752 mit Wirkung für den Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und hält das Streitpatent für patentfähig, wie das Europäische Patentamt mit dem Beschluß der Einspruchsabteilung vom 30. November 1992 (Anlage K7) und dem Beschluß der Beschwerdekammer vom 16. Dezember 1998 (Anlage K8) zutreffend entschieden habe.

Gründe

Die erhobene Nichtigkeitsklage ist zulässig, aber nicht begründet. Rechtsgrundlage für die gegen ein europäisches Patent gerichtete Nichtigkeitsklage ist Artikel 138 EPÜ in Verbindung mit Artikel II § 6 IntPatÜG. Danach kann ein europäisches Patent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland gem. Artikel 138 Abs.1 lit a EPÜ, Artikel II § 6 Abs 1 Nr 1 IntPatÜG dann für nichtig erklärt werden, wenn sein Gegenstand nach den Artikeln 52 bis 57 EPÜ nicht patentfähig ist oder nach Artikel 138 Abs 1 lit b EPÜ, Artikel II § 6 Abs 1 Nr 2 IntPatÜG, wenn es die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann. Beide Nichtigkeitsgründe liegen jedoch nicht vor.

I.

Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Bildung von Brücken an Bändern, insbesondere für nach oben und unten bewegbare Vorhänge. Die Brücken nehmen eine am unteren Vorhangende befestigte Zugschnur auf, mit der der Vorhang nach oben oder unten bewegt wird. Bei der Herstellung solcher Bänder auf einem Schiffchen-Webstuhl sind zwei Schiffchen erforderlich. Das eine Schiffchen webt das Band, das zweite bildet die Brücken auf dem Band. Bei Verwendung eines schneller arbeitenden Nadelwebstuhls ist ein weiteres Band aufgewebt, das in regelmäßigen Abständen nicht mit dem Grundband verwebt ist, sodaß Brücken in Richtung der Kettfäden, also mit einer Öffnung quer zur Bandrichtung entstehen, in welche zur gleitenden Aufnahme der Zugschnur Ringe eingehängt werden. Beiden Methoden gemeinsam ist ein hoher Fadenbedarf, weil auch dort eine Gewebebindung erfolgt, wo keine Brücke erforderlich ist. Aus der den Oberbegriff des Anspruchs 1 bildenden EP 0 036 920 A3 (Anlage K2), Fig 1 -7 und Anspruch 1, ist es für Kräuselund Kopfbänder von Vorhängen bereits bekannt, auf einem Nadelwebstuhl nur dort zwei übereinanderliegende Gewebe zu bilden, wo eine Brücke sein soll. Dabei wird mindestens ein Kettfaden des Grundbands als Schussfaden für die Bildung der aus einem weiteren Gewebe bestehenden Brücke verwendet. Auch dieses Verfahren erfordert daher viel Fadenmaterial und erschwert das Anbringen der Zugschnur, weil auch hier die Öffnung der so gebildeten Brücke quer zur Bandrichtung, also in Richtung des Schussfadens verläuft, vgl die Streitpatentschrift Sp 1, Z 48 bis Sp 2, Z 6 (S 2, Z 13 - 34 der K1b).

Demnach ist es sinngemäß die Aufgabe der Erfindung, auf einem schnell arbeitenden Nadelwebstuhl ein Vorhangband mit Brücken herzustellen, das zur Aufund Abwärtsbewegung des Vorhangs in den Brücken eine Zugschnur gleitend aufnehmen kann, wobei pro Brücke nur eine zusätzliche Kettfadenlänge von der doppelten Breite des Bandes erforderlich sein soll, vgl die Streitpatentschrift Sp 2, Z 7 - 14 (S 2, Z35 bis S 3, Z7 der K1b).

Diese Aufgabe wird nach Anspruch 1 gelöst gemäß folgenden Merkmalen 1 bis 7 (M1 - M7), die im wesentlichen der von der Klägerin vorgeschlagenen Merkmalsgliederung entsprechen (Schriftsatz der Klägerin vom 26. Mai 2000, S 3):

Oberbegriff:

1.

Verfahren zur Bildung eines Bandes mit Brücken, insbesondere für nach oben und unten bewegbare Vorhänge, 2.

auf einem Nadelwebstuhl, 3.

wobei zur Bildung der Brücke auf dem Band mindestens ein Kettfaden als Schussfaden verwendet wird, Kennzeichenteil:

4.

wobei der mindestens eine Kettfaden heiß vorgeschrumpft ist, um bei der Fertigstellung der Brücke eine geringere Wärmeschrumpfung als das Band aufzuweisen, 5.

wobei der mindestens eine Kettfaden von einer ersten Seite des Bandes über alle Kettfäden des Bandes hinweggeführt wird, 6.

um mit mindestens einem Kettfaden am Rand der zweiten Seite des Bandes verbunden zu werden, 7.

worauf der Kettfaden in gleicher Weise zur ersten Seite zurückgeführt wird, wo er mit mindestens einem Kettfaden am Rand der ersten Seite verbunden ist.

Damit wird ein Verfahren angegeben, mit welchem auf einem Nadelwebstuhl ein gewebtes Vorhangband mit in Bandrichtung offenen Brücken hergestellt wird, die nur aus mindestens einem Kettfaden des gewebten Bands bestehen und sich aufgrund der Vorschrumpfung des die Brücke bildenden Kettfadens über dem Band aufwölben, sodaß die Zugschnur für die Vorhangraffung darin leicht gleitet.

II.

1. Die Klägerin konnte den Senat nicht davon überzeugen, dass das Verfahren nach Anspruch 1 nicht ausreichend deutlich und vollständig offenbart ist.

Sie beanstandet als nicht ausreichend offenbart die bei Nadelwebstühlen problematische Bindung des nur einen, die Brücke bildenden Schussfadens an der dem Schusseintrag gegenüberliegenden Gewebeseite (zweite Seite 16). Zwar ist es zutreffend, dass bei einem Nadelwebstuhl an der zweiten Seite - im Gegensatz zu einem Schiffchen-Webstuhl - keine Bindung mit dem dortigen Kettfaden wegen des Hinund Rückschusses innerhalb der gleichen Fachbildung (Doppelschuss) erfolgt, vgl die EP 0 036 920 A3 (Anlage K2), Fig 2 -4.

Der Fachmann, ein Fachhochschulingenieur des Textilmaschinenbaus mit einschlägigen Kenntnissen und Erfahrungen in der Webereitechnik, kennt jedoch verschiedene Befestigungen des Schussfadens an der dem Schusseintrag gegenüberliegenden Gewebeseite von Nadelwebstühlen. Dies setzt schon die Gewebebildung des Grundgewebes für das Band voraus und ist sowohl der K2, Fig 5 - 7, insbesondere für das die dortige Brücke bildende Doppelgewebe als auch dem zum Grundwissen des Fachmannes zählenden Ausbildungsmittel "Textiltechnik, Bandweberei", S 85, 88 - 90 (Anlage K5) sowie der Tabelle "Websysteme NC-Z/3N" (Anlage K6) zu entnehmen.

Für den gemäß M3 möglichen Fall der Verwendung nur eines einzigen Kettfadens 9 als Schussfaden sind in der Streitpatentschrift selbst zwei Möglichkeiten seiner Verbindung an der zweiten Seite angegeben -und zwar durch Vermaschen oder durch Verweben. Die Figuren 3, 4 und 5 iVm Sp 3, Z 27 - 40 (S 4, Z 33 bis S 5, Z 8 der K1b), zeigen dem Fachmann die Vermaschung des einzelnen als Schussfaden verwendeten Kettfadens 9 (Brückenfaden) mit dem Kettfaden 15 am Rand der zweiten Seite 16 des Bands 7 gemäß Merkmal M6 des Anspruchs 1. Dabei wird - ähnlich den in K2, K5 und K6 dargestellten Methoden -zur dortigen Bindung gemäß Fig 5 der zwischen den Kettfäden des Grundbands 7 innerhalb der beiden Schüsse des Brückenfadens (Kettfaden 9) verlaufende Schussfaden (ohne Bezugsziffer) an der zweiten Seite 16 nach oben über die Schlaufe des von der Zungennadel 25 gehaltenen Brückenfadens 9 geführt, vgl. insbesondere die Fig 5 iVm Sp 4, Z 8 - 12 (S 5, Z 32 - 35 der K1b), wobei der Begriff "sole function" für die Zungennadel 25 (Sp 4, Z 9) sich offensichtlich nur auf die in Fig 5 gezeigte Bindungsart des Brückenfadens 9 an der zweiten Seite 16 des Bands 7 bezieht. An dieser ausreichend deutlichen Lehre ändern auch nichts die folgenden, für den Fachmann offensichtlichen Zeichnungsfehler :

In Fig 2 ist die Gabel 12 links statt richtigerweise rechts vom Anschlagriet (Weblade) eingezeichnet.

In Fig 5 sind die Bezugslinien der Bezugsziffer 15 für den äußeren Kettfäden an der zweiten Bandseite 16 und der Bezugsziffer 17 für den äußeren Kettfaden an der ersten Bandseite 14 nicht auf die jeweiligen äußeren Kettfäden gerichtet, sondern auf den innerhalb der beiden Schüsse des Brückenfadens (Kettfaden 9) verlaufenden Schussfaden (ohne Bezugsziffer) des Grundbands 7.

Den Figuren 4a und 7 iVm Sp3, Z41 - 48 und Sp 4, Z 13 - 21 (S 5, Z 15 -26 und S 6, Z 1 - 8 der K1b) ist die zweite in der Streitpatentschrift angegebene Möglichkeit der Verbindung des die Brücke 8 bildenden Schussfadens 9 an der zweiten Seite 16 durch Verweben zu entnehmen. Dabei ist die Spannweite der Brücke 8 geringer als die Breite des Grundbands 7. Dies ermöglicht, den Brückenfaden 9 als Schussfaden mit den Kettfäden 23 und 24 nahe den beiden Seiten 14 und 16 des Bands 7 -wegen der zumindest auf der zweiten Seite fehlenden Kantenbindung - in der Art einer Klemmung zu verbinden. Der Einwand der geringeren Festigkeit einer derartigen Verbindung ändert nichts daran, dass damit eine weitere Verbindungsart für den Fachmann ausreichend deutlich offenbart ist, der je nach Anwendungsfall die Wirksamkeit der ihm zur Verfügung stehenden Verbindungsarten abwägt, noch dazu zur Erhöhung der Zugfestigkeit dieser zweiten Verbindungsart aus Sp 3, Z 50 -59 (S 5, Z 16 - 22 der K1b) der Hinweis zu entnehmen ist, den Brückenfaden 9 dann mit mehreren Kettfäden 23 und 24 in den Bereichen beiderseits der Brücke 8 zu verbinden.

Aus diesen Gründen kann es dahingestellt bleiben, ob der englische Begriff "engage" im Anspruch 1, Sp 5, Z 6, mit "verbinden" im Sinne der Webereitechnik oder mit "anlegen, einlegen" bzw mit "angreifen" -wie im Anspruch 1 der deutschen Fassung der Streitschrift (K1b), Sp 5, Z 61 -übersetzt wird.

Auch daß die unterschiedliche Behandlung des zur Brückenbildung verwendeten Schussfadens 9 an den beiden Gewebeseiten 14 und 16 im Anspruch 1, vgl die Merkmale M6 und M7, nicht erwähnt ist, stellt keinen Grund für eine nicht ausreichende Offenbarung dar, weil die an den beiden Gewebeseiten unterschiedliche Bindungsart zum Grundwissen des mit Nadelwebstühlen befassten Fachmanns zählt, vgl. dazu auch K5, S 85.

Daß ein spezieller Nadelwebstuhl zur Durchführung des beanspruchten Verfahrens nicht angegeben ist, steht ebenfalls der Ausführbarkeit des Verfahrens nach Anspruch 1 nicht entgegen, weil mit dem Streitpatent ein Verfahren, aber keine Vorrichtung zu seiner Durchführung beansprucht ist und im übrigen der Aufbau eines derartigen Nadelwebstuhls dem mit der besprochenen Problematik befassten Fachmann klar ist.

Die Ausführbarkeit des Verfahrens nach Anspruch 1 mangels ausreichender Offenbarung steht auch nicht hinsichtlich des Begriffs "mindestens ein Kettfaden" im M4 in Frage, wodurch nach der abschließenden Heißschrumpfung auch zwischen den Brücken eine Auswölbung des Bandes erfolge. Aufgrund der hohen Anzahl der Kettfäden des Grundbands ist nämlich die Vorschrumpfung weiterer Kettfäden vernachlässigbar und hat keinen Einfluss auf die Funktion des Bandes. Abgesehen davon ist es für den Fachmann klar, nur die zur Brückenbildung herangezogenen Fäden vorzuschrumpfen, um bei der Heißschrumpfung nach dem Weben über die unterschiedliche Ausdehnung der die Brücke und der das Band bildenden Schussfäden die zur Aufnahme der Zugschnur gewünschte Auswölbung zu erhalten.

Auch wenn im Merkmal M3 des Oberbegriffs des Anspruchs 1 nicht ausdrücklich angegeben ist, dass der mindestens eine zur Bildung der Brücke verwendete Kettfaden einer der Kettfäden des Gewebes des Grundbands ist, erkennt der Fachmann dies am Ausführungsbeispiel und vor allem am Gewebe gemäß der den Oberbegriff bildenden K2.

Das Verfahren nach Anspruch 1 ist daher so deutlich und vollständig offenbart, dass es ein Fachmann anhand der Streitpatentschrift und der dort genannten sowie abgehandelten K2 aufgrund seines Fachund Allgemeinwissens mit zumutbarem Aufwand verwirklichen kann.

Dies trifft aus den gleichen Gründen auch auf die diesbezüglich beanstandeten Unteransprüche zu. Die Ausführbarkeit des Verfahrens nach Anspruch 2 ist ebenfalls ausreichend deutlich offenbart, weil er sich auf Anspruch 1 rückbezieht, wonach jede Zahl von vorgeschrumpften Kettfäden möglich ist, sodaß der Fachmann die geeignete Anzahl von Kettfäden 23 und 24 in den Randbereichen beiderseits der Brücke 8 sowie im Mittelteil 22 zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 2 auszuwählen in der Lage ist.

Auch die Maßnahmen nach Anspruch 4 sind ausreichend deutlich offenbart, weil die Einführung eines dehnbaren Elements 30 während der Brückenbildung wegen des örtlichen und sich daraus ergebenden zeitlichen Abstands zwischen den Brücken realisierbar ist.

2. Das Verfahren nach Anspruch 1 ist unbestritten neu. Der Senat wurde auch nicht davon überzeugt, dass es dem Verfahren nach Anspruch 1 an erfinderischer Tätigkeit fehlt.

Die zur Bildung des Oberbegriffs herangezogene Druckschrift gemäß der EP 0 036 920 A3 (Anlage K2) lässt schon die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe nicht erkennen, denn mit diesem Verfahren soll ein Kräuseloder Kopfband (Gardinenband) für Zuggardinen geschaffen werden, in dessen in Bandrichtung verlaufenden Brücken Befestigungsmittel wie Haken zum Aufhängen der Vorhänge eingeführt werden, Sp 1, Z 56 - 59, wogegen erfindungsgemäß ein Band für vertikal bewegte Vorhänge mit quer zur Bandrichtung verlaufenden Brücken zur gleitenden Aufnahme einer Zugschnur gebildet werden soll, wobei pro Brücke nur eine zusätzliche Kettfadenlänge von der doppelten Breite des Bandes erforderlich sein soll.

Auch die in K2, Fig 1 -7 und Anspruch 1, enthaltenen Lösungsmittel geben keinen Hinweis, ein Verfahren nach der Lehre des Anspruchs 1 vorzusehen, denn dort wird die Brücke 15 von zwei übereinanderliegenden Geweben gebildet, wobei zwar nur ein Kettfaden 6 des Grundgewebes 16 als Schussfaden verwendet wird, aber eine hohe Anzahl an Kettfäden zur Brückenbildung benötigt wird und der zur Bildung des Doppelgewebes als Schussfaden verwendete Kettfaden 6 mehrmals über die Gewebebreite geführt wird. Dies erfordert -entgegen der erfindungsgemäßen Aufgabe -mehr als eine zusätzliche Kettfadenlänge von der doppelten Breite des Bandes. Für vertikal bewegte Vorhänge ist ein derart hergestelltes Band außerdem schlecht anwendbar, weil die Öffnung der so gebildeten Brücke nicht in Bandrichtung, sondern quer dazu in Richtung des Schussfadens verläuft, was das Hindurchziehen der in Bandrichtung bewegten Zugschnur zumindest erschwert oder - wie beschrieben -Ringe erfordert. Das Verfahren nach K2 gibt daher dem Fachmann keine Anregungen, anspruchsgemäß den als Schussfaden verwendeten Kettfaden 9 flottierend über die Kettfäden des Bandes 7 in einer Anfangsstrecke 20 sowie einer Rückwärtsstrecke zu legen und diesen Kettfaden 9 darüber hinaus auch noch vor zuschrumpfen, damit er bei der Fertigstellung der Brücke 8 eine geringere Wärmeschrumpfung als das Band 7 aufweist und sich daher für eine leichte Aufnahme der Zugschnur auswölbt. Diese Maßnahmen sind nicht ohne erfinderische Überlegungen auszuführen, weshalb der Anspruch 1 gegenüber K2 Bestand hat.

Das nächstkommende DE-GM 83 06 193.2 (Anlage K3) betrifft ein Rolloband 12 für Raffrollos mit einem gewebten Trägerband 14 (Grundband 7), an dessen Rändern die quer zur Bandrichtung verlaufenden Schlaufen16 (Brücken 8) eines zusätzlichen Schlaufenfadens 20 fest verwebt sind. Die Schussfäden des Trägerbands 14 bestehen aus einem bei Hitze mehr schrumpfenden Material als der Schlaufenfaden 20, um bei der abschließenden Wärmebehandlung des Rollobands 12 eine Aufwölbung der Schlaufen 16 zum ungehinderten Durchziehen der Zugschnur 18 zu erreichen.

In K3 ist die Art des Webstuhls zwar nicht angegeben. Aus der Beschreibung, S 5, Z 10 - 17, ist jedoch aufgrund der festen Verwebung des Schlaufenfadens 20 an beiden Rändern des Trägerbands 14 durch ein zweites Schuss-System -unbestritten -auf einen Schiffchenwebstuhl zu schließen, wogegen das erfindungsgemäße Verfahren auf einem Nadelwebstuhl unter Verwendung zumindest eines der Kettfäden des Grundbands 7 zur Brückenbildung erfolgt. Nach K3, S 5, Z 23 - 27, sind außerdem die verwendeten Fäden unterschiedlicher Art. Der zusätzliche Schlaufenfaden 20 besteht aus zB Baumwolle und die Fäden des Trägerbands 14 sind aus zB Polyester, womit ihre voneinander abweichenden Schrumpfeigenschaften erreicht werden. Dies bedeutet einen größeren Materialaufwand als beim erfindungsgemäßen Verfahren, das nur eine Vorschrumpfung des im Grundband 7 bereits vorliegenden, für die Brückenbildung vorgesehenen Kettfadens 9 erfordert. Zudem sind beim Rolloband 12 nach der K3, S 5, Z 6 - 9, zusätzliche Befestigungen 22 des Schlaufenfadens 20 auf dem Trägerband 14 zwischen den Schlaufen 16 notwendig, was beim erfindungsgemäßen Verfahren wegen der Einbindung des als Brückenfaden verwendeten Kettfadens 9 in das Gewebe des Grundbands 7 entfällt.

Aus diesen Gründen wird der Fachmann auch durch die K3 nicht angeregt, nach Anspruch 1 auf einem Nadelwebstuhl für die Brückenbildung einen Kettfaden 9 des Grundbands 7 zu verwenden und nur diesen vorzuschrumpfen, um bei der Fertigstellung der Brücke 8 eine geringere Wärmeschrumpfung als das Band 7 und somit eine Aufwölbung für die gleitende Aufnahme der Zugschnur zu erreichen. Diese Maßnahmen beruhen vielmehr auf erfinderischer Tätigkeit, weshalb der Anspruch 1 auch gegenüber K3 Bestand hat.

Die DE-AS 1 284 591 (Anlage K4), Sp 1, Z 46 - 64 und Sp 2, Z 8 - 49 sowie Fig 2

- 4, beschreibt ein gewebtes Tragband (Faltenlegeband) 10 zum Aufhängen von Vorhängen oder Gardinen. Dabei sind zwar - wie nach dem erfindungsgemäßen Verfahren -quer zur Bandrichtung flottierend über das Tragband 10 gelegte Laschen 11 (Brücken 8) vorgesehen, welche aber zur festen Aufnahme von den Vorhang 4 tragenden Aufhängern 13 am horizontal bewegten Tragband 10 dienen, wogegen die erfindungsgemäßen Brücken zur gleitenden Aufnahme einer Zugschnur gestaltet sind.

Der K4 ist nichts über die Art des Webstuhls und somit nichts Näheres über den Webvorgang bei der Herstellung des Tragbands 10 zu entnehmen. Gemäß dem Streitpatent besteht wegen der Brückenbildung auf einem Nadelwebstuhl die Brücke aus einer Anfangsstrecke 20 (Eintragschuss) und Rückwärtsstrecke (Rückschuss) während einer Fachbildung, also für den Fachmann ersichtlich aus einem doppelt gelegten Faden worüber der K4 nichts Näheres zu entnehmen ist. Vor allem aber bestehen nach K4 die Laschen 11 aus einer zusätzlichen Kordel 12 als zweiter Schussfaden des Tragbandgewebes, Sp 1, Z 62 -64. Somit ist aus K4 das Merkmal M3 des Anspruchs 1 nicht vorbekannt und auch nicht nahegelegt, wonach erfindungsgemäß ein Kettfaden 9 des Gewebes des Bands 7 als Schussfaden für die Brückenbildung verwendet wird. Auch gibt K4 keinen Hinweis auf eine Wärmebehandlung, schon gar nicht auf eine Vorschrumpfung des als Schussfaden verwendeten Kettfadens 9 nach M4, was aufgrund der in K4 völlig anderen Zielsetzung auch nicht zu erwarten ist.

Die K4 läßt nämlich -wie K2 -schon die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe nicht erkennen, denn das zu lösende Problem, Sp 1, Z 39 - 45, liegt in einer in weiten Grenzen frei wählbaren Faltenbildung des hängenden Vorhangs 4 durch Aufreihung mehrerer Laschen 11 auf einen einzigen Aufhänger 13, Sp 1, Z 53 - 55, aber nicht - wie beim Streitpatent -in der Bildung eines Bands für vertikal bewegte Vorhänge mit quer zur Bandrichtung verlaufenden Brücken zur gleitenden Aufnahme einer Zugschnur, wobei pro Brücke nur eine zusätzliche Kettfadenlänge von der doppelten Breite des Bandes erforderlich sein soll. Aus diesen Gründen hat der Fachmann keine Veranlassung, die K4 bei der Lösung der erfindungsgemäßen Aufgabe in Betracht zu ziehen. Nur in unzulässiger retrospektiver Betrachtungsweise kann daher angenommen werden, dass die K4 Anregungen zur Lehre nach Anspruch 1 gibt. Vielmehr bedurfte es erfinderischer Tätigkeit, zum erfindungsgemäßen Verfahren zu gelangen, sodaß der Anspruch 1 auch gegenüber K4 Bestand hat.

Das Ausbildungsmittel "Textiltechnik, Bandweberei", S 85, 88 - 90 (Anlage K5) sowie die Tabelle "Websysteme NC-Z/3N" (Anlage K6) beschreiben - und sind auch nur dazu genannt, vgl Kap. II. 1. - lediglich zum Grundwissen des Fachmanns zählende Methoden zur Bildung von Wirkkanten auf der dem Schusseintrag gegenüberliegenden Gewebeseite bei schützenlosen Webverfahren, also auch auf einem Nadelwebstuhl gemäß Anspruch 1. Anregungen für ein erfindungsgemäßes Verfahren zur Bildung von Brücken sind somit diesen Schriften nicht zu entnehmen, weshalb sie die Patentfähigkeit des Verfahrens nach Anspruch 1 nicht in Frage stellen.

Auch Kombinationen der entgegengehaltenen Druckschriften führen den Fachmann nicht zum beanspruchten Verfahren nach Anspruch 1. Die Kombination der gattungsbildenden K2 mit der Schlaufen für eine Zugschnur aufweisenden K3 veranlasst den Fachmann nicht, den als Schussfaden verwendeten Kettfaden des Grundbands zur Bildung der Brücke zu verwenden und zu ihrer Aufwölbung vorzuschrumpfen. Die mangels Hinweises auf eine gleitende Zugschnuraufnahme weiterabliegende Kombination von K2 mit K4 gibt keinerlei Anregung für irgendeine Wärmebehandlung. Schließlich ist auch die Kombination der eine Zugschnuraufnahme betreffenden K3 mit K4 nicht geeignet, den Fachmann zur erfindungsgemäßen Lehre nach Anspruch zu führen, weil er in beiden Fällen zur Verwendung eines zusätzlichen, aus einem anderen Material bestehenden Fadens (in K3: Schlaufenfaden 20 aus Baumwolle, bzw in K4: Kordel 12) als Brückenfaden angeregt wird. Er entnimmt dieser Kombination keinen Hinweis auf die Bandherstellung mit nur einem einzigen Fadenmaterial auch für die Brücke, wobei er zur Aufwölbung der Brücke den dafür verwendeten Kettfaden lediglich vorschrumpft. Letzteres trifft sogar auf die Zusammenschau aller im Verfahren befindlichen Druckschriften einschließlich K5 und K6 zu.

Da der Fachmann somit auch bei jeder möglichen Kombination der Entgegenhaltungen mehrere erfinderische Änderungen bzw Überlegungen hätte anstellen müssen, um zum Verfahren nach Anspruch 1 zu gelangen, beruht es auf erfinderischer Tätigkeit. Daher hat der Anspruch 1 auch gegenüber den möglichen Kombinationen Bestand.

Diese Sachlage, die keine zweifelsfreie Feststellung eines Nichtigkeitsgrundes zulässt, geht zu Lasten der Klägerin, vgl. BGH GRUR 91, 522 ff mwN.

Mit dem Bestand des Patentanspruchs 1 haben auch die auf ihn rückbezogenen Unteransprüche ohne weiteres Bestand. Im übrigen gibt auch keine der entgegengehaltenen Druckschriften Hinweise auf die Maßnahmen des Anspruchs 2, eine unterschiedliche Anzahl von Kettfäden 23 und 24 beiderseits der Brücke 8 vorzusehen, um damit die Heißschrumpfung des Bandes 7 zu beeinflussen.

Dies trifft auch auf den Anspruch 3 zu, weil aus der diesbezüglich nächstkommenden K4 zwar die Anordnung von Laschen bzw Brücken mit einer gegenüber der Bandbreite geringeren Spannweite bekannt ist, aber dort keine Hinweise auf das hierzu im Anspruch 3 beanspruchte Verfahren, insbesondere mit Rückführung des Brückenfadens 9, zu entnehmen sind.

Schließlich beruht auch der Anspruch 4 auf erfinderischer Tätigkeit, weil ein elastisch ausdehnbares Element 30 zur Verbesserung der Auswölbung der Brücke 8 aus keiner der entgegengehaltenen Druckschriften bekannt oder nahegelegt ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 Satz 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 ZPO.

Gutermuth Püschel Skribanowitz Harrer Schmitzprö






BPatG:
Urteil v. 20.12.2001
Az: 2 Ni 24/00


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