Landgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 30. Juli 2008
Aktenzeichen: 2-06 O 173/08, 2-6 O 173/08, 2-06 O 173/08, 2-6 O 173/08

(LG Frankfurt am Main: Urteil v. 30.07.2008, Az.: 2-06 O 173/08, 2-6 O 173/08, 2-06 O 173/08, 2-6 O 173/08)

Tenor

1

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von EUR 250.000,€. ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu verhängen gegen die Vorstandsmitglieder der der persönlich haftenden Gesellschafterin, zu unterlassen

Verbraucher, die vertraglich die Nutzung einer Telefonflatrate vereinbart haben und diese ausschließlich zur Abdeckung ihres privaten Telefonbedarfs nutzen, aufzufordern, die Telefongespräche umgehend und erheblich zu reduzieren und/oder einen Tarifwechsel vorzunehmen.

2.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von EUR 200,€ nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 17.4.2008 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 13.000,€ vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf EUR 10.000,€ festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens auf Unterlassung und Auslagenerstattung für eine Abmahnung in Anspruch.

Der Kläger ist eine rechtsfähige Verbraucherorganisation, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrnehmung sowie der Schutz der Interessen der Verbraucher gehört.

Die Beklagte ist ein bundesweit bekanntes Unternehmen im Bereich der Telekommunikationsdienstleistung.

Sie bietet einen Telefontarif "Telefon flat" für die Zugangsarten "Pre-Selection" und ISDN an, bei denen der Kunde einen festen Tarif unabhängig von der Dauer der geführten Gespräche zahlt. Für diesen Tarif warb die Beklagte in der seinerzeitigen Werbung mit der Aussage "egal wie viel sie telefonieren"; "endlos telefonieren" sowie "Festpreissurfen und Telefonieren mit voller Kostenkontrolle", "Mit ... telefonieren Sie auf Wunsch rund um die Uhr zum Festpreis ins deutsche Festnetz" und "Endlos telefonieren ins deutsche Festnetz (alle Anbieter)". Dieser Tarif erfasst unstreitig Anrufe in das nationale Festnetz und unstreitig nicht Sonderrufnummern und Verbindungen in Mobilfunknetze. Ob Anrufe in das internationale Festnetz erfasst sind, ist zwischen den Parteien streitig.

Die allgemeinen Geschäftsbedingungen für die "Telefon-flat" (Bl. 29 d. A.) sehen in Ziff. 10.1. vor, dass jede der Vertragsparteien berechtigt ist, mit einer Frist von einem Monat zum Ende eines Kalendervierteljahres frühestens jedoch zum Anlauf der vereinbarten Mindestlaufzeit zu kündigen.

Die Zeugen ... und ... sind Kunden der Beklagten, die mit der Beklagten die Geltung der "Telefon flat" vereinbart hatten.

Mit Schreiben vom 25.9.2007 wandte sich die Beklagte an den Zeugen ... Sie teilte dem Zeugen mit, es sei ihr aufgefallen, dass er in außergewöhnlich hohem Maße telefoniere, was den Schluss nahelege, dass er die Leistungen nicht ausschließlich zur Abdeckung seines privaten Telefonbedarfs nutze. Sie behalte sich vor, diese Verbindungen nach ihrem Standardtarif zu berechnen. Diese außergewöhnlich hohe Nutzung entspreche nicht dem gemeinsamen Verständnis bei Vertragsschluss. Für eine derartige Nutzung des Anschlusses biete sie dem Zeugen einen minutenbasierenden Tarif an. Sollte er den Tarif nicht umstellen, fordere sie ihn auf, die Inlandsgespräche umgehend und erheblich zu reduzieren. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Anlage K3, Bl. 21 d. A, verwiesen.

Mit weiterem Scheiben vom 18.10.2007 wiederholte sie ihre Vermutung, der Zeuge habe die Leistung nicht nur zur Deckung des privaten Bedarfs in Anspruch genommen und verwies erneut auf die weiteren Tarife, die insbesondere dann in Betracht kämen, wenn das außergewöhnlich hohe Maß an Verbindungen durch lokale Internet-Einwahlen, Verbindungen zu Datendiensten oder gewinnbringende Anrufe entstanden sei. Schließlich forderte sie den Zeugen erneut auf, den Tarif umzustellen oder die Inlandsgespräche umgehend zu reduzieren (Anlage K6, Bl. 25 ff. d. A.).

Dies wies der Zeuge ... zurück und verwies in einem Schreiben an die Beklagte darauf hin, dass er € unstreitig € sein Telefonverhalten nicht geändert habe und € ebenso unstreitig € die beanstandeten Einwahlnummern nicht nutze. Er machte außerdem geltend, den Anschluss nur privat zu nutzen.

Am 13.4.2007 wandte sich die Beklagte mit einem Schreiben an die Zeugin ... das dem an den Zeugen ... gerichteten Schreiben vom 25.9.2007 im Wesentlichen inhaltlich entsprach. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Anlage K10, Bl. 31 d. A., Bezug genommen.

Mit weiterem Schreiben vom 10.12.2007 an die Zeugin ... (Anlage K11, Bl. 32 d. A.) verwies die Beklagte auf die vorherige Aufforderung und erklärte die Kündigung des Vertrags zum 31.3.2008, da die Zeugin weder den Tarif umgestellt noch ihre Verbindungen reduziert habe.

Unstreitig hat die Zeugin und ihre Familie kostentreibende Einwahlnummern nicht genutzt.

Der Zeuge ... erhielt von der Beklagten ein Schreiben vom 19.11.2007 (Anlage K8, Bl. 27 d. A.), das den beiden Schreiben der Beklagten an den Zeugen ... im Wesentlichen entsprach. Der Zeuge ... benutzt unstreitig die besonders kostentreibenden Einwahlnummern nicht.

Die Beklagte hält inzwischen die in diesem Schreiben geäußerte Auffassung nicht aufrecht.

Mit Schreiben vom 19.12.2007 mahnte der Kläger die Beklagte erfolglos ab. Hierdurch entstanden ihm Aufwendungen in Höhe von EUR 200,€.

Der Kläger meint, die Aufforderungen zum Tarifwechsel an die Zeugen ... und ... stellten eine irreführende Werbung dar (§§ 3, 5 Abs. 3 UWG). Denn sie erweckten den Eindruck, dass ein Kunde, der den Tarif Telefon flat gewählt habe, ein bestimmtes Tarifvolumen nicht überschreiben dürfe, obwohl ein durchschnittlich informierter Kunde einer "Telefon-Flatrate" davon ausgehe, mit diesem Tarif beliebig telefonieren zu können. Er meint, ebenso wenig, wie die Beklagte berechtigt sei, durch AGB die Nutzungsmöglichkeit durch den Verbraucher zu reglementieren, dürfe sie ihn auffordern, sein Telefonieverhalten zu verändern und/oder weniger zu telefonieren. Die streitgegenständlichen Schreiben suggerierten darüber hinaus, dass die Kunden sich nicht an den Vertrag mit der Beklagten hielten, obwohl sie sich vertragstreu verhielten. Er behauptet, die Beklagte wende sich mit solchen Schreiben auch an "normale" Vieltelefonierer.

Er behauptet, der Zeuge Brentano, die Zeugin ... und ihre Familie sowie der Zeuge ... hätten den Tarif "Telefon flat" ausschließlich zu privaten Zwecken genutzt.

Der "Telefon flat" Tarif der Beklagten umfasse auch Anrufe in das ausländische Festnetz. Dies gelte jedenfalls für den Zeugen ..., der die Extraoption "Euro flat" abgeschlossen habe.

Er meint, zudem seien die Schreiben gemäß § 4 Ziff. 1 UWG wettbewerbswidrig, da die Beklagte versuche, eine Vertragsänderung zu erschleichen, indem sie vorgebe, der Verbraucher müsse sein Telefonieverhalten ändern oder den Tarif umstellen, obwohl sich die Kunden tatsächlich vertragstreu verhielten.

Der Kläger beantragt,

1.

€ wie erkannt €

2.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von EUR 200,€ nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, der Antrag sei unbestimmt, da unzulässigerweise die Frage, wann ein Kunde den Anschluss privat nutze, in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert werde und der Antrag mangels Bezug auf die konkrete Verletzungsform zu weit gefasst sei.

Sie behauptet, der Tarif "Telefon flat" umfasse nur Verbindungen in das deutsche, nicht in das internationale Festnetz. Ein durchschnittlich informierter Verbraucher erwarte bei einer Telefon-Flatrate nicht, ohne jede Einschränkungen beliebig telefonieren zu können. Er wisse, dass Sonderrufnummern, Anrufe in das internationale Festnetz und Verbindungen in Mobilfunknetze gesondert berechnet und damit keine Möglichkeit auf unbeschränktes Telefonieren bestehe.

Lediglich 0,01% aller Kunden der Beklagten, die ihr Produkt "Telefon flat" nutzen, erhielten entsprechende Schreiben wie die Zeugen ... und ... Bei den so angeschriebenen handele es sich um Extremfälle, bei denen der Verdacht naheliege, dass das Privatkundenprodukt "Telefon flat" vertragswidrig gewerblich genutzt werde oder der Kunde zulasse, dass der Anschluss von einer Vielzahl von Personen (Verwandtschaft, Nachbarschaft) regelmäßig genutzt werde.

Bei den Zeugen ... und ... handele es sich um solche außergewöhnlichen Vieltelefonierer. Der Zeuge ... habe den Anschluss im August 2007 insgesamt 219,75 Std. und im Monat September 2007 309,93 Stunden genutzt. Die weiteren Anschlussinhaber ... und ... hätten über den Anschluss im Mai 2007 199,98 Std., im Oktober 2007 217,67 Std. und im November 2007 insgesamt 243,8 Std. telefoniert.

Der Zeuge ... habe den Anschluss im Oktober 2007 50,32 Stunden genutzt.

Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass die Zeugen ... und ... ihren Anschluss ausschließlich oder überwiegend zu privaten Zwecken genutzt hätten.

Sie meint, die beanstandeten Schreiben hätten lediglich hinweisende Funktion für den Kunden gehabt, da die ordentliche Kündigung durch die Beklagte, zu der sie unstreitig berechtigt ist, letztes Mittel bleiben solle.

Es fehle bereits an einer Wettbewerbshandlung, da die Durchführung von Verträgen keine unmittelbare Auswirkung auf den Wettbewerb habe.

Jedenfalls sei ein Wettbewerbsverstoß nicht erheblich im Sinne von § 3 UWG, da lediglich 0,01% der Kunden der "Telefon flat" in dieser Weise angeschrieben würden.

Ein Verstoß gegen §§ 3, 5 UWG liege nicht vor, da bereits keine Werbung vorliege. Denn das Schreiben habe lediglich informierenden und warnenden Charakter und diene nicht der Kundengewinnung. Auch fehle es an einer Irreführung, da bei den Verbrauchern durch die genannten Schreiben nicht der Eindruck werde, sie dürften ein bestimmtes Telefonvolumen bei diesem Tarif nicht überschreiten. Dies ergebe sich bereits aus der Reaktion der Zeugen ... (K7 und K12).

Auch ein Verstoß gegen § 4 Ziff. 1 UWG fehle, da die Beklagte nicht den Eindruck erwecke, die Kunden müssten einen anderen Tarif wählen. Auch dies ergebe sich aus der Reaktion der Kunden ... und ...

Die Klage ist der Beklagten am 16.4.2008 zugestellt worden.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den zu den Akten gelangten Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat in vollem Umfang Erfolg.

Sie ist zulässig.

Der Klageantrag zu 1) ist hinreichend bestimmt.

Der Antrag benennt hinreichend konkret die wesentlichen Kernpunkt der beanstandeten Schreiben, nämlich die Aufforderung, die Telefongespräche umgehend und erheblich zu reduzieren und/oder einen Tarifwechsel vorzunehmen, und stellt damit eine zulässige Abstrahierung des beanstandeten Verhaltens dar. Der Antrag ist daher auch ohne Bezugnahme auf die konkret an die Zeugen ...und... gerichteten Schreiben hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 ZPO.

Der Begriff der Abdeckung des privaten Telefonbedarfs ist € ebenso wie z. B. die weitere Beschränkung des Verbots auf das Handeln der Beklagten im geschäftlichen Verkehr € hinreichend konkret bestimmt. Sollte im Rahmen der Zwangsvollstreckung streitig werden, ob ein Kunde den Anschluss zur Abdeckung des privaten Telefonbedarfs nutzte, wäre hierüber ggf. Beweis zu erheben.

Die Klage ist auch begründet.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich aus §§ 3, 5 Abs. 2 Ziff. 1, 8 UWG.

Der Kläger ist gemäß §§ 8 Abs. 3 Ziff. 3 UWG, 4 UKlaG aktiv legitimiert, die Beklagte gemäß § 8 Abs. 3 Ziff. 1 UWG passiv legitimiert.

Die angegriffenen Schreiben an Kunden (Anlage K 10, Bl. 31 d. A.; Anlage K8, Bl. 27 d. A. und Anlagen K3 und K6, Bl. 21 und 25 d. A.) stellen jeweils irreführende Werbung im Sinne von § 5 Abs. 2 Ziff. 1 UWG dar.

Es handelt sich um eine irreführende Äußerung der Beklagten. Durch die angegriffenen Äußerungen täuscht die Beklagte über die Merkmale der Waren und Dienstleistungen, nämlich über die Berechtigung der Kunden, im Rahmen dieses Tarifs den Telefonanschluss generell zeitlich unbeschränkt zu nutzen.

Der Kunde der Beklagten, der mit dieser den Tarif Telefon-flat vereinbart hat, ist unstreitig unbeschränkt berechtigt, den Telefonanschluss unbeschränkt zu nutzen, wenn er den Anschluss zu privaten Zwecken nutzt, Anrufe in das nationale Festnetz tätigt und keine Verbindungen zu Sonderrufnummern vornimmt. In diesen Grenzen ist generell der Kunde auch berechtigt, über den Anschluss mit exorbitanten Gesprächszeiten Gespräche zu führen. Darüber hinaus gehende weitere vertragliche Beschränkungen hat auch die Beklagte, die den Tarif mit "endlos telefonieren" ausdrücklich beworben hat, nicht vorgetragen.

Die Schreiben, mit denen die Beklagte die Kunden auffordert, die Telefongespräche umgehend und erheblich zu reduzieren und/oder einen Tarifwechsel vorzunehmen, täuschen den Kunden hierüber. Denn diese Schreiben sind darauf gerichtet, bei den angesprochenen Kunden den Eindruck zu erwecken, dass der Tarif "Telefon-flat" einen sehr hohen Nutzungsumfang nicht rechtfertigt und die Kunden daher entweder ihren Tarif umstellen oder den Umfang ihrer Inlandsgespräche reduzieren müssen, obwohl tatsächlich keine solche Verpflichtung besteht, sondern die Kunde ihre vertragsgemäße Leistungen in Anspruch nehmen.

Eine solche Täuschung ergibt sich ohne weiteres aus den vorgelegten Schreiben Anlage K3 (Bl. 21 d. A.), Anlage K8 (Bl. 27 d. A.) und K10 (Bl. 31 d. A). Denn diese Schreiben knüpfen ausdrücklich an die "außergewöhnlich hohe Nutzung" des Anschlusses den Hinweis, dass ein solcher Umfang nicht dem gemeinsamen Verständnis bei Vertragsschluss entsprach. Bereits diese Erklärung ist dahin zu verstehen, dass der Nutzer zu einer solch außergewöhnlich hohen Nutzung nach der getroffenen Vereinbarung nicht berechtigt ist und zwar unabhängig davon, ob die von der Beklagten im Schreiben geäußerte Vermutung einer nicht privaten Nutzung zutrifft. Dies entspricht aber unstreitig für den Fall der privaten Nutzung des Anschlusses nicht der Rechtslage. Als Konsequenz dieses Nutzungsumfangs sehen die genannten Schreiben zwingend den Wechsel zu einem anderen Tarif oder die Reduktion des Umfangs der Nutzung genannt. Auch dies soll bei dem Kunden den € unzutreffenden € Eindruck erwecken, sein Verhalten sei nicht vertragsgemäß, so dass er entweder den Umfang reduzieren oder den Vertrag durch Vereinbarung eines anderen Tarifs ändern müsse.

Da die Beklagte in den angegriffenen Schreiben bei den Kunden den Eindruck eines vertragswidrigen Handelns alleine an den Umfang der Nutzung knüpfte (K3, K8, K10: "Diese außergewöhnlich hohe Nutzung entspricht nicht unserem gemeinsamen Verständnis bei Vertragsabschluss...") und nicht an eine möglicherweise vertragswidrige Nutzung der Anschlüsse für gewerbliche Zwecke, kommt es nicht darauf an, ob € wie die Klägerin behauptet € die angesprochenen Kunden die Verbindung tatsächlich ausschließlich zur Abdeckung ihres Telefonbedarfs nutzten.

Zudem hat die Beklagte, die für die Voraussetzungen einer Vertragsverletzung durch den Kunden oder für ein Verhalten, das ihr einen Anspruch auf Vertragsanpassung durch Vereinbarung eines anderen Tarifs oder eine Änderung des Telefonieverhaltens des Kunden geben könnte, keine substantiierten Anhaltspunkte für ein vertragswidriges Verhalten der Kunden ... und ... vorgetragen. Allein der Umfang der von der Beklagten behaupteten Nutzung lässt nicht den Schluss auf eine nicht private Nutzung des Anschlusses zu. Das gilt € wie die Beklagte selbst einräumt € von vorneherein für den Kunden ... der nach ihrem eigenen Vortrag im Monat Oktober 2007 den Anschluss 50,32 Stunden und damit im Schnitt täglich etwa 97 Minuten nutzte. Auch die von ihr behauptete Nutzung durch die Zeugen ... und ... von bis zu etwa 300 Stunden im Monat lässt nicht ohne weiteres den Schluss auf eine nicht private Nutzung zu, wenn man die (zulässige) Nutzung des Anschlusses durch mehrere Familienmitglieder berücksichtigt. Weitere Anhaltspunkte für eine nicht private Nutzung hat die Beklagte aber nicht vorgebracht.

Eine Irreführung ist auch nicht deswegen zu verneinen, weil die Beklagte in dem Falle einer umfangreichen Nutzung des Anschlusses berechtigt wäre, den Vertrag gemäß Ziff. 10.1 der vorgelegten AGB (K9, Bl. 29 d. A.) ordentlich zu kündigen. Die Beklagte kann nicht geltend machen, die Schreiben seien als letzte Warnung oder Hinweis zu verstehen, bevor sie von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch machten. Denn die Beklagte weist in den angegriffenen Äußerungen (K3, K8 und K10) gerade nicht darauf hin, dass sie als Folge der "übermäßigen Nutzung" die Kündigung des Vertragsverhältnisses in Betracht ziehe, sondern lediglich auf die Handlungsalternativen der Reduzierung der Nutzung oder eine Änderung des Tarifs, die beide voraussetzen, dass das Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und den Kunden mit für die Beklagte günstigeren Bedingungen fortbesteht.

Eine Kündigung ist erstmals in dem vorgelegten zweiten Schreiben der Beklagten an den Zeugen ... (Anlage K11, Bl. 32 d. A.) als Folge des Verhaltens ausgesprochen worden, die Kündigung selbst wird aber von der Beklagten aber nicht als wettbewerbswidrig beanstandet.

Die irreführende Äußerung ist auch als Werbung im Sinne von § 5 UWG anzusehen.

Nach der Definition des Begriffs der Werbung in Art. 2 Nr. 1 der Irreführungsrichtlinie (84/850/EWG), die auch der Auslegung von §§ 5, 6 UWG zugrunde zu legen ist (Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 25. Auflage, § 2, Rz. 49), ist Werbung jede Äußerung bei der Ausübung des Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern.

Eine solche Äußerung zu Zwecken des Wettbewerbs liegt in den angegriffenen Äußerungen. Zwar stellt die Abwicklung eines konkreten Vertragsverhältnisses, das vorliegend zwischen der Beklagten und den Zeugen ...und... besteht, grundsätzlich kein Handeln und damit auch keine Äußerung zur Förderung des eigenen Wettbewerbs im Sinne des UWG dar. Denn Voraussetzung für ein Handeln bzw. eine Äußerung zu Zwecken des Wettbewerbs ist eine Marktbezogenheit dieses Handelns. Es muss sich um eine auf Außenwirkung im Markt gerichtete Förderung eigenen oder fremden Wettbewerbs handeln, zu dem die bloße Abwicklung eines Vertragsverhältnisses in der Regel nicht gehört (OLG Frankfurt am Main, GRUR 2002, S. 727, 728 € Irreführung eins Reiseveranstalters bei einseitiger Preiserhöhung, zum Begriff der Wettbewerbshandlung). Ein Verhalten des Unternehmers im Rahmen der Vertragsabwicklung kann aber dann ausnahmsweise von einer Wettbewerbsabsicht getragen sein, wenn es darauf abzielt, planmäßig den Kunden zu übervorteilen (OLG Frankfurt am Main, MMR 2007, S. 322,323 € Link auf Widerrufsbelehrung; zur Einordnung einer Wettbewerbshandlung).

So liegt der Fall hier. Denn die Irreführung der Kunden über ihre Berechtigung zur vertragsgemäßen Nutzung des Anschlusses stellt eine planmäßiger Übervorteilung des Kunden ab. Durch diese Schreiben soll bei den Kunden der Eindruck erweckt werden, durch die Flatrate sei keine quantitativ unbeschränkte Nutzung abgedeckt (und zwar unabhängig von einer privaten oder gewerblichen Nutzung).

Diese Übervorteilung erfolgte auch planmäßig. Zwar hat die Beklagte geltend gemacht, sie habe lediglich 0,01 % der Kunden, die die Telefon-flat mit ihr vereinbart hätten, entsprechend angeschrieben. Sie trägt aber selbst vor, solche Kunden planmäßig in dieser Weise zu kontaktieren, die ein außergewöhnlich intensives Telefonieverhalten an den Tag legten. Damit wendet die Beklagte sich in der angegriffenen Weise generell an alle ihre Kunden, die mit ihr eine solche Flatrate vereinbart haben und die den Anschluss über ein bestimmtes Maß € dass die Beklagte vorliegend auch nicht konkret darlegt € hinaus nutzen.

Diese Äußerung zielt auf eine planmäßige Übervorteilung der Kunden ab, auch wenn die Zeugen ... das Schreiben nicht zum Anlass genommen, ihr Telefonieverhalten zu ändern oder den Tarif zu wechseln. Dies ändert aber nichts an der generellen Zielrichtung und Geeignetheit des Schreibens zur Täuschung über die Vertragsbedingungen und das planmäßige Vorgehen.

Das Verhalten der Beklagten beeinträchtigt Verbraucher auch nicht nur unerheblich im Sinne von § 3 UWG. Auch insoweit kann dahinstehen, ob die Beklagte tatsächlich nur 0,1% ihrer Kunden in dieser Weise anschreibt. Denn es handelt sich gleichwohl nicht nur um Einzelfälle, sonder € wie die Beklagte selbst einräumt € ein planmäßiges und zielgerichtetes Verhalten, das sich gegen alle die Kunden der Beklagten richtet, die diesen Tarif vereinbart haben und über einen bestimmten Umfang hinaus den Telefonanschluss nutzen.

Da die Abmahnung berechtigt erfolgte, ist der Kläger auch zum Ersatz seiner Aufwendungen nach den Grundsätzen der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag in Verbindung mit §§ 683, 670 BGB berechtigt. Die Höhe der geltend gemachten Aufwendungen von EUR 200,€ wird von der Beklagten nicht beanstandet und erscheint auch angemessen.

Soweit der Kläger beantragt hat, die Beklagte hinsichtlich der geltend gemachten Aufwendungen auch zur Erstattung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verurteilen, ohne einen Zinsbeginn anzugeben, ist der Antrag dahin auszulegen, dass der Kläger Ersatz der Prozesszinsen gemäß § 291 ZPO und damit Zinsen seit Rechtshängigkeit der Klage verlangt.

Der geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich damit aus §§ 280 Abs. 1, 286, 288, 291 BGB.

Der Kläger ist auch berechtigt, von der Beklagten Ersatz der Umsatzsteuer zu verlangen (BFH GRUR 2003, S. 718 f. € Abmahngebühren als umsatzsteuerbare Leistungen).

Die Beklagte hat die Kosten zu tragen, da sie unterliegt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwerts erfolgte gemäß § 3 ZPO.






LG Frankfurt am Main:
Urteil v. 30.07.2008
Az: 2-06 O 173/08, 2-6 O 173/08, 2-06 O 173/08, 2-6 O 173/08


Link zum Urteil:
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