Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Oktober 2001
Aktenzeichen: 10 W (pat) 710/00

(BPatG: Beschluss v. 08.10.2001, Az.: 10 W (pat) 710/00)

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluß des Musterregisters des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. November 1999 aufgehoben.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Am 9. Juni 1999 beantragte der Anmelder die Eintragung einer zwei Muster umfassenden Sammelanmeldung mit der Bezeichnung "Euro-Billy".

Auf die Mitteilung des Musterregisters, daß die Muster wegen der darin enthaltenen Abbildungen von Euro-Münzen gegen die öffentliche Ordnung verstießen und daher nicht eingetragen werden könnten, machte der Anmelder geltend, daß die geschäftliche Ausnutzung einer männchenartigen Halterung für eine 1-Euro-Münze keinen Verstoß gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung begründen könne.

Durch Beschluß vom 11. November 1999 stellte das Musterregister des Deutschen Patent- und Markenamts fest, daß für die Anmeldung Musterschutz nicht erlangt worden sei, und versagte die Eintragung. Zur Begründung führte es aus, daß es sich bei den in der abgebildeten Halterung befindlichen Euromünzen um staatliche Hoheitszeichen handele, deren Verwendung in einem Muster gemäß § 7 Abs 2 GeschmMG gegen die öffentliche Ordnung verstoße. Der Schutz staatlicher Hoheitszeichen gegen ihre Ausnutzung für private geschäftliche Zwecke gehöre zu den tragenden Grundsätzen der Rechtsordnung. Dies ergebe sich aus dem im Markenrecht geltenden generellen Eintragungsverbot staatlicher Hoheitszeichen als Marke oder Bestandteil einer Marke gemäß § 8 Abs 2 Nr. 6 MarkenG. Der Schutzzweck dieser Vorschrift decke sich mit demjenigen des § 7 Abs 2 GeschmMG. Die Darstellungen der Muster enthielten Abbildungen der originalen 1-Euro-Münze; damit sei eine Mißbrauchs- und Verwechslungsgefahr nicht ausgeschlossen. Es werde auch nicht nur für die geschäftliche Ausnutzung einer männchenartigen Halterung für eine 1-Euro-Münze, sondern eben auch für das staatliche Hoheitszeichen Schutz beansprucht. Maßgeblich sei allein, wie weit hoheitlicher Schutz objektiv reichen würde; subjektive Berühmungsabsichten eines Anmelders hätten auf den gesetzlichen Schutzumfang keinen Einfluß. Der Schutz von Hoheitszeichen als Geschmacksmuster könne zu Rechtsstreitigkeiten privater Anmelder über angeblich exklusive Schutzrechte an Hoheitszeichen führen. Diese könnten aber ihre die Zusammengehörigkeit einer politischen Gemeinschaft symbolisierende und damit integrierende Funktion nicht mehr erfüllen, wenn sie zum Streitobjekt privater Vermarktungsinteressen würden.

Hiergegen wendet sich die Beschwerde des Anmelders. Er trägt vor, der angemeldete Gegenstand verfremde die 1-Euro-Münze derart, daß eine Bedrohung bzw. die Gefahr einer Bedrohung des geordneten Gemeinschaftslebens auszuschließen sei. Zudem habe das Musterregister verkannt, daß es die in den Musterabbildungen dargestellten 1-Euro-Münzen so nicht gebe. So fehle bei dem Muster Nr. 080699/2 der charakteristische schmale Rand auf der Frontseite der Abbildung, bei Nr. 080699/1 sei die münzähnliche Abbildung in den Korpus integriert, so daß eine Verwechslung des dem Geschmacksmuster zugrunde liegenden Schutzgegenstandes mit Euro-Münzen grundsätzlich ausscheide.

Der Anmelder beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Geschmacksmuster einzutragen.

Der Präsident des Deutschen Patent- und Markenamts, der dem Verfahren beigetreten ist, beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er regt ferner die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.

Er ist der Ansicht, daß der Schutz deutscher Hoheitssymbole, die ein Teil des Staates und notwendiges Element einer jeden Staatlichkeit seien, zu den tragenden Grundlagen der deutschen Rechtsordnung gehöre, deren Wahrung der Zweck des Eintragungsverbots des § 7 Abs. 2 GeschmMG sei. Die vorliegende Darstellung der originalen 1-Euro-Geldmünze gehöre ebenfalls, auch wenn sie nicht bereits durch die nationale Gesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland hoheitlich geschützt sei, zu den tragenden Grundsätzen der Rechtordnung. Dies ergebe sich auch aus Art 23 GG. Die neuen Euro-Zahlungsmittel stellten ebenso wie die Deutsche Mark staatlich geschützte amtliche Zeichen dar. So dürften nach Art 8 § 2 Euro-Einführungsgesetz iVm der Medaillenverordnung Medaillen und Marken nicht mit dem auf den Euromünzen befindlichen Münzbild übereinstimmen. Das Fehlen eines dem Markenrecht entsprechenden Eintragungsverbots für Muster, die staatliche Hoheitszeichen enthielten, bedeute nicht, daß der Gesetzgeber die Eintragung nach dem Geschmacksmustergesetz als zulässig erachte. Da es sich bei der im Zeitpunkt der Novellierung des Geschmacksmustergesetzes geltenden Vorschrift des § 4 Abs 2 Nr 2 WZG um einen Unterfall des generalklauselartigen Verbots der Eintragung von Zeichen handele, die gegen die öffentliche Ordnung verstießen, sei sie auch im Musterrecht entsprechend anzuwenden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde des Anmelders ist zulässig und begründet. Die Vorschrift des § 7 Abs 2 GeschmMG steht dem Schutz des angemeldeten Musters nicht entgegen. Das Musterregister hat die Eintragung des Musters daher zu Unrecht gemäß § 10 Abs 2 Satz 3 GeschmMG versagt.

1. Gegenstand der zur Eintragung in das Musterregister bestimmten Sammelanmeldung mit zwei Mustern sind Phantasiefiguren, eine davon in Form eines Schlüsselanhängers. Sie bestehen aus einem runden Korpus mit Kopf, Händen und Füßen. In dem Korpus ist je eine Abbildung der Vorderseite einer 1-Euro-Münze eingefügt.

2. Nach § 7 Abs 2 GeschmMG wird durch die Anmeldung eines Geschmacksmusters Schutz gegen Nachbildung nicht erlangt, wenn die Veröffentlichung des Musters oder die Verbreitung einer Nachbildung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde. Liegt eine dieser Voraussetzungen vor, hat das Musterregister gemäß § 10 Abs 2 Satz 3 GeschmMG festzustellen, daß der Schutz für das Muster nicht erlangt worden ist, und die Eintragung zu versagen. Die materiellrechtliche Prüfung nach § 7 Abs 2 GeschmMG stellt eine - dem urheberrechtlich geprägten Geschmacksmusterrecht an sich fremde - Ausnahme von dem Grundsatz dar, daß der Musterschutz mit der Anmeldung entsteht (§ 7 Abs 1 GeschmMG). Sie soll verhindern, daß Muster eingetragen und gemäß § 8 Abs. 2 GeschmMG mit dem Anschein gesetzlichen Schutzes im Geschmacksmusterblatt bekannt gemacht werden, die gegen die öffentliche Ordnung verstoßen (vgl Begründung zu Art 2 Nr 2 des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Geschmacksmustergesetzes, BlPMZ 1987, 50, 55).

Ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung im Sinne des § 7 Abs 2 GeschmMG ist - entsprechend der im Recht der gewerblichen Schutzrechte allgemein geltenden engen Auslegung des Begriffs der öffentlichen Ordnung (vgl Benkard, PatG, 9. Aufl, § 2 Rdn 5; Schulte, PatG, 6. Aufl, § 2 Rdn 17; Singer/Stauder, EPÜ, 2. Aufl., Art. 53 Rdn 11; Althammer/Ströbele/Klaka, MarkenG, 6. Aufl., § 8 Rdn. 264) - nur zu bejahen, wenn tragende Grundsätze der Rechtsordnung verletzt werden (vgl Nirk/Kurtze, GeschmMG 2. Aufl., § 7 Rdn 15; Eichmann/v. Falckenstein, GeschmMG, 2. Aufl., § 7 Rdn. 72). Hierzu gehören insbesondere die Grundrechte und wesentliche Normen zum Schutz der Rechtsordnung und des Gemeinwesens (vgl Benkard, aaO, § 2 Rdn 5 mwRsprNachw). Der Verstoß gegen ein Gesetz oder eine Verwaltungsvorschrift genügt nach § 7 Abs. 2 Halbs 2 GeschmMG für sich allein nicht, um festzustellen, daß die Verbreitung der Nachbildung eines Musters gegen die öffentliche Ordnung verstößt.

Bei der Prüfung, ob ein Eintragungsversagungsgrund nach § 7 Abs 2 GeschmMG vorliegt, darf auch nur das Muster in seiner konkret angemeldeten Form berücksichtigt werden. Nur wenn die Mustergestaltung als solche gesetz- oder sittenwidrig ist, kommt eine Eintragungsversagung in Betracht (vgl Begründung zum Entwurf, aaO, S 55). Die Gefahr einer künftigen ungerechtfertigten Geltendmachung von Verbietungsrechten aus einzelnen Musterelementen - hier etwa den auf den Figuren angebrachten 1-Euro-Münzen - oder gar einer gesetzwidrigen mißbräuchlichen Verwendung von Teilen eines Musters bildet entgegen der Ansicht des Musterregisters keinen Grund für eine Schutzversagung wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung.

4. Ausgehend von diesen Grundsätzen kann nicht festgestellt werden, daß die angemeldeten Muster durch ihre Veröffentlichung oder die Verbreitung einer Nachbildung gegen die öffentliche Ordnung verstoßen.

a) Gegen das Inverkehrbringen und Anbieten eines Gegenstandes, auf dem Euro-Münzen abgebildet sind, die ab 1. Januar 2002 in Deutschland alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel sein werden (vgl. Verordnung (EG) Nr 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 über die Einführung des Euro, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 139 v. 11. Mai 1998, S 1 iVm Art 1 § 1 Drittes Euro-Einführungsgesetz vom 16. Dezember 1999, BGBl Teil I Nr 55, S 2402), bestehen keine rechtlichen Bedenken. Einer Mustergestaltung mit Abbildung von Euro-Münzen stehen insbesondere weder straf-(§ 146 StGB) noch ordnungsrechtliche (§§ 127, 128 OwiG) Vorschriften entgegen.

b) Der Auffassung des Musterregisters, bei Euro-Münzen handele es sich um staatliche Hoheitszeichen, deren Verwendung in einem Muster grundsätzlich als Verstoß gegen die öffentliche Ordnung anzusehen sei, kann nicht gefolgt werden. Nach der Vorschrift des § 8 Abs 2 Nr 6 MarkenG, auf die sich das Musterregister stützt, besteht zwar für Marken, die Staatswappen, Staatsflaggen oder andere staatliche Hoheitszeichen oder Wappen eines inländischen Ortes oder eines inländischen Gemeinde- oder weiteren Kommunalverbandes enthalten, ein generelles Eintragungsverbot, sofern der Anmelder nicht zu der Führung in der Marke befugt ist (§ 8 Abs 4 Satz 2 MarkenG). Das Eintragungsverbot des § 8 Abs 2 Nr 6 MarkenG stellt jedoch keinen für Muster entsprechend geltenden (Unter)Fall eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung dar, wie das Musterregister annimmt. Diese Ansicht beruht auf einem unzutreffenden Verständnis der Bedeutung und des Zwecks des Eintragungsverbots nach § 8 Abs 2 Nr 6 MarkenG.

Bei § 8 Abs 2 Nr 6 MarkenG handelt es sich um eine eigenständige Regelung, die ein Eintragungsverbot staatlicher Hoheitszeichen als Marke oder Bestandteil einer Marke unabhängig von dem Vorliegen sonstiger Schutzversagungsgründe vorsieht, etwa wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung (§ 8 Abs 2 Nr 5 MarkenG) oder der Gefahr einer Täuschung des Publikums (§ 8 Abs 2 Nr 4 MarkenG). Solche Schutzversagungsgründe können je nach der Art des verwendeten Hoheitszeichens und seiner Anordnung im Rahmen der konkreten Gestaltung der Marke zwar anzunehmen sein. Dies ist aber nicht zwangsläufig der Fall. Das Eintragungsverbot des § 8 Abs 2 Nr 6 MarkenG geht damit über den Versagungsgrund des Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung wesentlich hinaus, wie auch aus der Entstehungsgeschichte des Schutzes staatlicher Hoheitszeichen durch die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ) ersichtlich ist. Während der Schutzverweigerungsgrund des Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung einschließlich der Täuschungsgefahr schon in der ursprünglichen Fassung der PVÜ vom 20. März 1883 enthalten war (als Art 6 Abs. 4), ist das Schutzverbot für Marken, die staatliche Hoheitszeichen enthalten, erst durch die Haager Fassung 1925 als Art. 6 ter in die PVÜ aufgenommen worden (vgl Bodenhausen, Guide for the Application of the Paris Convention for the Protection of Industrial Property, 1968, S 94 und S 114). Dies wäre nicht erforderlich gewesen, wenn die Verbandsländer der Ansicht gewesen wären, daß schon das generalklauselartige Verbot des Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung alle Marken erfaßt, die staatliche Hoheitszeichen enthalten.

c) Darüber hinaus darf auch nicht übersehen werden, daß es sich bei § 8 Abs 2 Nr 6 MarkenG um eine kennzeichenrechtliche Vorschrift handelt, die nur die Verwendung staatlicher Hoheitszeichen in einer Marke, dh einer Kennzeichnung verbietet, die der betrieblichen Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen dient (§ 3 Abs 1 MarkenG). Es ist also nicht, wie das Musterregister anzunehmen scheint, jegliche Ausnutzung staatlicher Hoheitszeichen für private geschäftliche Zwecke verboten, sondern nur ihre Ausnutzung zu Zwecken der Betriebskennzeichnung. Dem entspricht auch die Sanktion, die das Markenrecht für den Fall der unbefugten Verwendung staatlicher Hoheitszeichen vorsieht. Nach § 145 Abs 1 Nr 1 MarkenG handelt nur ordnungswidrig, wer im geschäftlichen Verkehr widerrechtlich in identischer oder nachgeahmter Form ein Wappen, eine Flagge oder ein anderes staatliches Hoheitszeichen oder ein Wappen eines inländischen Ortes oder eines inländischen Gemeinde- oder weiteren Kommunalverbandes zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen benutzt. Im Gegensatz dazu ist der Musterschutz kein Kennzeichnungsschutz, sondern gewährt ein mit einem Verbietungsrecht gegen Nachbildungen verbundenes Ausschließlichkeitsrecht an Gestaltungen, die den ästhetischen Formenschatz bereichern (§ 1 Abs 1 iVm § 5 GeschmMG). Auch aus diesem Grund darf das markenrechtliche Verbot einer Monopolisierung staatlicher Hoheitszeichen zugunsten einer einzelnen Person nicht als allgemeiner Rechtsgrundsatz auf Muster übertragen werden. Dies liefe im Ergebnis auf die unzulässige Einführung eines weiteren Eintragungsversagungsgrundes hinaus, die der Gesetzgeber im Musterrecht - trotz der möglichen Identität der tatsächlichen Gestaltung von Mustern und Marken - wegen der grundlegenden Unterschiede der Schutzgegenstände und des Zwecks des Musterschutzes gerade nicht vorgesehen hat. Im Interesse eines möglichst geringen Eingriffs in den urheberrechtlich geprägten Musterschutz ist die Eintragungsversagung vielmehr an die restriktiv zu handhabende Schutzschranke eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung nach § 7 Abs 2 GeschmMG geknüpft worden.

5.a.) Unter diesen Voraussetzungen kann nach Ansicht des Senats - in Weiterführung der "Bierpolizei"-Entscheidung (10 W (pat) 705/00 vom 4. Oktober 2000 - BlPMZ 2001, 154), in der es auf die Problematik der Verwendung eines staatlichen Hoheitszeichens im Ergebnis nicht ankam - ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung nur bei einer ersichtlich mißbräuchlichen gesetzwidrigen Verwendung eines staatlichen Hoheitszeichens in einem Muster angenommen werden. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Hierbei wird darauf abzustellen sein, welches staatliche Hoheitszeichen in dem Muster enthalten und wie es im Rahmen der konkreten Mustergestaltung verwendet ist. Der Begriff der staatlichen Hoheitszeichen umfaßt eine Reihe von Zeichen und Symbolen unterschiedlichen Rangs und unterschiedlicher Bedeutung. Dementsprechend sieht die Rechtsordnung für den Fall der unbefugten Verwendung der einzelnen Hoheitszeichen auch unterschiedliche Sanktionen vor, die bei der Beurteilung, ob eine gegen die öffentliche Ordnung verstoßende gesetzwidrige Verwendung vorliegt, maßgeblich zu berücksichtigen sind. So nehmen die Bundesflagge, das Bundeswappen und die Länderwappen als die den Staat unmittelbar repräsentierenden Staatssymbole innerhalb der staatlichen Hoheitszeichen den obersten Rang ein und genießen damit auch den stärksten Schutz. Sie sind als einzige strafrechtlich gegen Verunglimpfung geschützt (§ 90a StGB). Darüber hinaus ist nach § 124 OWiG auch ihre unbefugte, den Anschein einer amtlichen Verwendung erweckende Benutzung verboten (vgl Göhler, OWiG, 10. Aufl., § 124 Rdn 7), wobei im übrigen die Verletzung der Vorschrift des § 124 OWiG für sich allein nach § 7 Abs 2 Halbs 2 GeschmMG nicht einmal ausreicht, um daraus einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung herzuleiten. Das gilt um so mehr, wenn es sich, wie zB bei § 124 OWiG, um eine Verbotsnorm mit Erlaubnisvorbehalt handelt, die kein absolutes, zu den tragenden Grundlagen der Rechtsordnung gehörendes Rechtsgut schützt (vgl dazu Benkard, aaO, § 2 Rdn 5; Busse, PatG, 5 Aufl, § 2 Rdn 13; Schulte, aaO, § 2 Rdn 18; Moufang in Münchner Gemeinschaftskommentar zu Art 53 EPÜ, Rdn 30 ff).

b.) Bei den hier zu beurteilenden Darstellungen von gesetzlichen Zahlungsmitteln in Form von Euro-Münzen bestehen dagegen schon Zweifel, ob es sich überhaupt um staatliche Hoheitszeichen handelt, die gegen eine unbefugte Verwendung geschützt sind. Das gilt erst recht, wenn das Zahlungsmittel in die Darstellung eines Gegenstands mit bestimmter Funktion, wie zB eine Phantasiefigur oder einen Schlüsselanhänger, integriert ist. Einen Schutz staatlicher Hoheitszeichen ohne Beschränkung auf bestimmte Hoheitszeichen sehen nur die Bestimmungen der §§ 8 Abs 2 Nr 6, 145 Abs 1 Nr 1 MarkenG vor, in denen die Formulierung "Wappen, Flaggen und andere staatliche Hoheitszeichen" enthalten ist. Der gesetzlich nicht definierte unbestimmte Begriff der "anderen staatlichen Hoheitszeichen" umfaßt jedoch nach Ansicht des Senats nicht ohne weiteres sämtliche Zeichen, deren sich der Staat zwar im weiteren Sinne zur Führung eines geordneten Staats- und Gemeinwesens bedient, wie zB Zahlungsmittel, Briefmarken, Verkehrszeichen usw, die jedoch von Haus aus nicht die Vorstellung irgendeiner Beziehung der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu staatlichen Stellen hervorrufen (vgl dazu BPatG Mitt 1981, 122 "Posthorn"). Auch der Gesetzgeber hat bei der Einführung des Eintragungsverbots staatlicher Hoheitszeichen als Warenzeichen bzw als Bestandteil von Warenzeichen nicht zu erkennen gegeben, daß eine derart weite Auslegung beabsichtigt ist (vgl Begründung des Gesetzes vom 31. März 1913 zur Ausführung der revidierten Pariser Übereinkunft vom 2. Juni 1911 - BlPMZ 1913, 176, 177, 178). In der Literatur werden allerdings gesetzliche Zahlungsmittel weitgehend zu den staatlichen Hoheitszeichen gerechnet (vgl Busse, WZG, 6. Aufl. 1990, § 4 Rdn 79; Althammer, WZG, 4. Aufl., § 4 Rdn 63; Fezer, Markengesetz, 2. Aufl., § 8 Rdn 360; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 1995, § 8 Rdn 118).

c.) Letztlich kann diese Frage jedoch dahingestellt bleiben. Auch wenn gesetzliche Zahlungsmittel als staatliche Hoheitszeichen im Sinne der §§ 145 Abs 1 Nr 1, 8 Abs 2 Nr 6 MarkenG zu betrachten sind, stellt jedenfalls das Einbringen der dekorativen Vorderseite einer Euro-Münze in einen Gebrauchsgegenstand für Werbezwecke zu dessen ästhetischer Gestaltung keine mißbräuchliche gesetzwidrige Verwendung dar. Es wird weder, wie es insbesondere bei der Verwendung von Wappen und Flaggen, Amtssiegeln und dergleichen nahe liegen kann, der irreführende Anschein eines Bezugs zu staatlichen Stellen oder einer Ausgabe durch staatliche Stellen erweckt (vgl BPatG aaO "Posthorn"), noch ist ein Verstoß gegen eine sonstige Norm feststellbar.

6. Abschließend ist noch zu bemerken, daß die Verordnung über die Herstellung und den Vertrieb von Medaillen und Marken vom 13. Dezember 1974 (BGBl Jahrgang 1974, Teil I, S 3520), geändert durch Art 4 Nr 1 des Dritten Euro-Einführungsgesetzes, auf die sich das Musterregister ebenfalls maßgeblich gestützt hat, für die Beurteilung des angemeldeten Musters in keiner Weise einschlägig ist. Nach § 2 Abs 1 MedaillV dürfen Medaillen und Marken nicht das Bundeswappen, den Bundesadler oder ein Münzbild tragen, das mit einem auf gültigen Bundes- oder Euro-Münzen befindlichen Münzbild übereinstimmt. Der Begriff "Marken" wird in § 2 Abs 2 MedaillV dabei nicht, wie das Musterregister annimmt, im Sinne von Marken, dh Warenkennzeichen verwendet, sondern als Bezeichnung für münzähnliche Gegenstände, deren Durchmesser, Materialbeschaffenheit und Gestaltung im einzelnen vorgeschrieben ist (§§ 3,4 MedaillV).

Der Beschwerde war nach alledem stattzugeben.

III.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 10a Abs 2 GeschmMG iVm § 100 Abs 2 Nr 1 PatG. Die Frage, ob ein Muster, das die Abbildung von Euro-Münzen enthält, unter dem Gesichtspunkt der Verwendung staatlicher Hoheitszeichen gegen die öffentliche Ordnung verstößt, ist wegen der zu erwartenden Zahl gleichgelagerter Fälle für die Allgemeinheit von grundsätzlicher Bedeutung und bedarf daher höchstrichterlicher Klärung.

Dr. Schermer Püschel Schusterprö






BPatG:
Beschluss v. 08.10.2001
Az: 10 W (pat) 710/00


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