Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 11. Mai 1999
Aktenzeichen: 3 UF 124/98

(OLG Hamm: Urteil v. 11.05.1999, Az.: 3 UF 124/98)

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 26. Februar 1998 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bochum wird zürckgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht wegen der vom Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung abgewiesen.

Die dreijährige Verjährungsfrist des geltend gemachten Zugewinnausgleichsanspruches begann gemäß § 1387 Abs. 4 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem die Klägerin von der Beendigung des Güterstandes erfuhr. Dies war am 01. Dezember 1994 der Fall. Denn an diesem Tage wurde die Ehe der Parteien geschieden und die Prozeßbevollmächtigten der Parteien erklärten in deren Anwesenheit unmittelbar nach Verkündung des Scheidungsurteiles zu Protokoll den beiderseitigen Rechtsmittelverzicht und den Verzicht auf die Einlegung sämtlicher Anschlußrechtsmittel gemäß § 629 a Abs. 4 ZPO. Damit waren die Parteien formell rechtskräftig geschieden und der Güterstand beendet. Nachdem die Entscheidung über den Versorgungsausgleich zuvor im allseitigen Einverständnis abgetrennt worden war, war Gegenstand des Urteils nur noch die - einverständliche - Scheidung und die - ebenfalls einverständliche - Übertragung der elterlichen Sorge für die gemeinsamen Kinder auf die Klägerin. Dies ist einer der einfach gelagerten Sachverhalte bei der eine anwaltlich beratene Partei wie die Klägerin nach Erklärung der Rechtsmittelverzichte hinreichend Kenntnis von der Beendigung des Güterstandes hat (BGH FamRZ 1998, 1024, 1026 m. w. N.).

Aber selbst wenn die Klägerin diese Kenntnis nicht gehabt haben sollte, kann davon ausgegangen werden, daß ihre Prozeßbevollmächtigten, die Rechtsanwälte Dr. T4 und T5als Rechtskundige diese Kenntnis gehabt haben. Die Klägerin muß sich deren Kenntnis nach dem Rechtsgedanken aus § 166 BGB als ihre "Wissensvertreter" zurechnen lassen. "Wissensvertreter" ist derjenige Anwalt, den die Partei zur Durchsetzung des Anspruchs, um dessen Verjährung es konkret geht, beauftragt und ihm die insoweit erforderliche Kenntnisnahme der rechtserheblichen Tatsachen übertragen hat (BGH NJW 1997, 2049, 2050). Das waren ihre Prozeßbevollmächtigten. Sie haben schon im Scheidungsverfahren und auch danach die gesamte Korrespondenz mit den gegnerischen Anwälten betreffend den Zugewinnausgleich geführt, und sie waren auch die erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit. Von daher unterscheidet sich der Sachverhalt von dem in der vorgenannten Entscheidung des BGH. Dort hatte ein Anwaltswechsel stattgefunden und es war ein falscher Rechtskraftvermerk vorgenommen worden, auf dessen Richtigkeit der spätere bevollmächtigte Anwalt vertraut hat. Dies verkennt die Klägerin, wenn sie sich auf diese BGH-Entscheidung beruft.

Die dreijährige Verjährungsfrist begann daher am darauffolgenden Tage, also am 02.12.1994 zu laufen und endete am 02.12.1998 (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Innerhalb dieser Frist wurde die Verjährung weder unterbrochen noch gehemmt, noch ist die Berufung des Beklagten auf die Verjährung treuwidrig. Im einzelnen:

a)

Eine demnächst zuzustellende Klage, durch die die Verjährung gemäß §§ 209 Abs. 1 BGB, 270 Abs. 3 ZPO hätte unterbrochen werden können, lag frühestens mit Bewilligung der Prozeßkostenhilfe durch Beschluß vom 09.01.1998 vor, also nach Fristablauf. Zwar hatte die Klägerin innerhalb der Frist, nämlich mit am 26.11.1997 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz um Prozeßkostenhilfe für die Klage nachgesucht. Dieses Gesuch konnte aber zunächst den Lauf der Verjährung nicht hemmen. Ein Prozeßkostenhilfegesuch bewirkt gemäß §§ 203, 242 BGB nur dann eine Hemmung, wenn es ordnungsgemäß begründet und vollständig ist. Dem Gesuch muß also die nach § 117 Abs. 2 ZPO vorgeschriebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei beigefügt werden oder diese Erklärung muß spätestens bis zum letzten Tag der Verjährungsfrist nachgereicht werden (BGH NJW 1989, 1148, 1149 und 3149 m. w. N.). Dies war hier nicht der Fall. Die PKH-Erklärung wurde erst mit Schriftsatz vom 08.01.1998, also nach Fristablauf eingereicht. Wenn - wie es in diesem Schriftsatz heißt - ein früheres PKH-Formular der Klägerin "auf dem Wege zur Kanzlei in Verlust geraten" sein sollte, so ist dies unerheblich. Es hätte sichergestellt werden müssen, daß ein solches Formular rechtzeitig bei Gericht einging (BGH BB 1987, 1706).

Die Einreichung einer solchen persönlichen Erklärung war im vorliegenden Falle auch nicht entbehrlich. Der im November 1997 eingereichten Klageschrift lag nur der Bescheid des Arbeitsamtes C3 vom 25.09.1997 über die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab September 1997 bei. Dieser Bescheid gab keinerlei Auskünfte über die sonstigen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der Klägerin und lag im übrigen auch schon 2 Monate zurück. Ein Parallelverfahren, aus dem das Familiengericht sich hinreichende Kenntnis über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin hätte verschaffen können (vgl. OLG Hamm FamRZ 1998, 1605 und OLG München FamRZ 1996 418), war nicht anhängig. Das Scheidungsverfahren war bereits 1994 und das Verfahren 4 O 194/95 LG Bochum war schon 1995 abgeschlossen worden.

b)

Der Beklagte hat auch kein die Verjährung unterbrechendes Anerkenntnis im Sinne des § 208 BGB abgegeben. Ein solches Anerkenntnis liegt vor, wenn sich aus dem tatsächlichen Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger klar und unzweideutig ergibt, daß dem Schuldner das Bestehen der Schuld bewußt ist und angesichts dessen der Gläubiger darauf vertrauen darf, daß sich der Schuldner nicht auf den Ablauf der Verjährung berufen wird. Der Schuldner muß dabei sein Wissen, zu etwas verpflichtet zu sein, klar zum Ausdruck bringen, wobei allerdings auch ein eindeutiges schlüssiges Verhalten genügen kann. Wie das Verhalten zu verstehen ist, beurteilt sich maßgebend nach dem Empfängerhorizont des Gläubigers (BGH, Urteil vom 27.01.1999 EBE/BGH Nr. 7 S. 53, 56 m.w.N.) Die im Pflichtteilsrecht geltende Rechtsprechung, nach der ein Anerkenntnis auch darin liegen kann, daß der Erbe auf Verlangen des Pflichtteilsberechtigten Auskunft über den Nachlaß gemäß § 2314 BGB erteilt, kann nicht auf den Zugewinnausgleichsanspruch übertragen werden, da es sich beim Zugewinnausgleich um einen Saldierungsanspruch handelt, der erst dann errechnet werden kann, wenn auch das Anfangs- und Endvermögens des anderen Ehegatten feststeht (BGH a.a.O.). Allein darin, daß der Beklagte in der zwischen den Anwälten der Parteien geführten Korrespondenz Auskunft über einzelne Positionen seines Endvermögens erteilt hat, kann also entgegen der Ansicht der Klägerin noch kein Anerkenntnis gesehen werden. Die Korrespondenz enthält auch keine weitergehenden Erklärungen des Beklagten, aus denen die Klägerin hätte entnehmen können, daß dem Beklagten das Bestehen einer Schuld bewußt war, so daß die Klägerin darauf hätte vertrauen können, der Beklagte werde sich nicht auf den Ablauf der Verjährung berufen. Auf die Forderung der Klägerin, Auskunft zu erteilen, hat der Beklagte zunächst mit anwaltlichem Schreiben vom 30.11.1994 nur geantwortet, daß er sich um Auskünfte seines Lebensversicherers bemühen werde und daß er dann über sein Endvermögen vortragen werde. Die Klägerin möge ihrerseits Auskunft erteilen. Dann machte er mit Schreiben vom 09.01.1995 Angaben über sein Endvermögen, was von der Klägerin als nicht ausreichend angesehen wurde, und wies mit anwaltlichem Schreiben vom 20.01.1995 ein Vergleichsangebot der Klägerin über 15.000,00 DM zurück, zeigte sich aber auch vergleichsbereit, falls die Klägerin eine eidesstattliche Versicherung betreffend Auskunft über ihr Vermögen vorlege. Mit anwaltlichem Schreiben vom 13.02.1995 verlangte der Beklagte dann zunächst Auskunft von der Klägerin betreffend deren Pkw und ordnete seinen Pkw seinem Anfangsvermögen zu. Er machte dann der Klägerin in diesem Schreiben weiter "zur Abkürzung der Angelegenheit" das Angebot, sich dahin zu vergleichen, die in dem Schreiben der Klägerin vom 13.01.1995 angesprochenen Positionen 1 - 3 (insgesamt 5.285,54 DM) zu teilen, was einen Betrag von 2.642,77 DM ergab. Auf dieses Angebot ging die Klägerin jedoch in ihrem anwaltlichen Antwortschreiben vom 17.02.1995 nicht ein, zweifelte vielmehr die Richtigkeit der Auskünfte des Beklagten weiter an und unterbreitete ihrerseits - ausgehend von einem Anspruch in Höhe von 18.562,62 DM - ein Vergleichsangebot in Höhe von 14.500,00 DM. Darauf antwortete der Anwalt des Beklagten mit Schreiben vom 22.02.1995 nur, daß er dem Beklagten angeraten habe, nur die 2.647,77 DM zu überweisen, wiederholte also sein altes Vergleichsangebot und teilte abschließend mit, daß eine weitere Korrespondenz nicht beabsichtigt sei, die Sache möge auf dem Gerichtswege entschieden werden. Damit endete die Korrespondenz. Weitere Erklärungen hat der Beklagte nicht abgegeben. Die Erklärungen, die er abgegeben hat, betrafen im wesentlichen seine Auskunftspflicht. Sein Vergleichsangebot war derart niedrig, daß die Klägerin sofort mit einem wesentlichen höheren Angebot geantwortet hat, es also überhaupt nicht für diskussionswürdig gehalten hat. Zudem hatte der Beklagte sich in dem Schreiben vom 13.02.1995, das das ein niedrige Vergleichsangebot enthielt, auf den Standpunkt gestellt, daß die Klägerin ihrerseits nicht hinreichend Auskunft erteilt habe und Klageerhebung anheimgestellt, also zu verstehen gegeben, daß er sich bei der Nichtannahme seines Angebotes auf den Standpunkt stellen werde, überhaupt nichts zu schulden. Sein Gesamtverhalten kann daher auch aus der Sicht der Klägerin nicht als ein Anerkenntnis gewertet werden. Vergleichsangebote, die unter Aufrechterhaltung des Standpunktes, an sich nichts zu schulden, gemacht werden, enthalten kein Anerkenntnis (Pal.-Heinrichs 57. Aufl. § 208 Rdn. 4 m.w.N.).

c)

Die Verjährung war auch nicht in entsprechender Anwendung des § 952 Abs. 2 BGB durch Verhandlungen zwischen den Parteien über den Anspruch der Klägerin unterbrochen worden. Zwar wird in der Literatur zum Teil die Ansicht vertreten, daß § 852 Abs. 2 BGB einen allgemeinen Rechtsgedanken enthalte und daher auf gesetzliche und vertragliche Ansprüche, die einer kurzen Verjährung unterliegen, entsprechend anzuwenden sei (u.a. RGRK-Stein 12. Auflage § 852 Rdn. 67 m.w.N.). Auch hat der BGH (FamRZ 1984, 655, 656) eine solche Analogie bei Zugewinnausgleichsansprüchen einmal erwogen, konnte die Frage aber aus anderen Gründen damals offenlassen. In späteren Entscheidungen hat sich der BGH aber zu Recht auf den Standpunkt gestellt, daß § 852 Abs. 2 BGB nur dort direkt oder analog anwendbar ist, wo deliktische Ansprüche mit anderen Ansprüchen konkurrieren (BGH NJW 1985, 798 zu § 558 BGB, a.A. auch hier LG Braunschweig NJW-RR 1996, 842; BGH NJW 1994, 1220 betreffend das Speditions- und Frachtrecht; BGH NJW 1990, 326 zu § 51 BRAO). Dem ist zu folgen. Die bis dahin schon auf bestimmten Gebieten der Gefährdungshaftung geltende Regelung, wonach Verhandlungen die Verjährung hemmen können, wurde nachträglich durch Einfügung des 852 Abs. 2 BGB für das Deliktsrecht übernommen (ausführlich BGH NJW 1982, 1041). Hätte der Gesetzgeber dieser Regelung eine allgemein geltende Bedeutung beimessen wollen, hätte es nahegelegen, eine solche Bestimmung im ersten Buch, allgemeiner Teil 5. Abschnitt des BGB bei den §§ 202 ff, die sich mit den Voraussetzungen einer Hemmung aus Rechtsgründen oder aus sonstigen Gründen befassen, einzufügen. Da dies nicht geschehen ist, ist eine analoge Anwendung des § 852 Abs. 2 BGB auf Zugewinnausgleichsanprüche, die keinerlei Nähe zum Delikts- oder Gefährdungsrecht haben, nicht gerechtfertigt.

d)

Ein materiellrechtliches Stillhalteabkommen (pactum de non petendo), das gemäß § 202 Abs. 1 BGB zu einer Hemmung der Verjährung führen kann, setzt die Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner voraus, wonach der Schuldner vorübergehend zur Verweigerung der Zahlung berechtigt sein soll (BGH MDR 1999, 468 u. 1998, 856, 857). Es ist nichts dafür ersichtlich, daß die Parteien eine solche Vereinbarung ausdrücklich oder schlüssig getroffen haben. Insbesondere beruhte der Versuch der Klägerin, zunächst in dem Verfahren 4 O 194/95 LG Bochum eine Forderung in Höhe von 11.500,00 DM wegen des Miteigentums an dem Pkw durchzusetzen, nicht auf einer Absprache zwischen den Parteien.

f)

Schließlich hat der Beklagte die Klägerin auch nicht treuwidrig im Sinne des § 242 BGB von der rechtzeitigen Erhebung der Klage abgehalten. Ein solcher Fall kann gegeben sein, wenn der Gläubiger aus dem gesamten Verhalten des Schuldners für diesen erkennbar das Vertrauen geschöpft hat und auch schöpfen durfte, daß der Schuldner die Verjährungseinrede nicht erheben, sondern sich auf sachliche Einwände beschränken werde. Dieser Vertrauensschutz reicht aber nur soweit und gilt nur solange, wie die den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begründenden Umstände fortdauern und den Gläubiger von der rechtzeitigen Klageerhebung abhalten (BGH, Urteil vom 27.01.1999 a.a.O. S. 54 m.w.N.). Ein solcher Vertrauenstatbestand, sofern er hier überhaupt auf Grund der zwischen den Parteien geführten anwaltlichen Korrespondenz bestanden haben sollte, endete spätestens Anfang 1995 mit der Beendigung der Korrespondenz und dem Hinweis des Beklagten, die Sache möge auf dem Gerichtswege entschieden werden, falls die Klägerin sein Angebot nicht annehme (s.o.). Die Klägerin hatte danach noch ausreichend Zeit bis zum Ablauf der Verjährung im Dezember 1997 Klage zu erheben. Im allgemeinen wird insoweit dem Gläubiger nur eine kurze Überlegungsfrist von wenigen Wochen zugebilligt (Pal.-Heinrichs a.a.O., Überblick vor § 194 Rdn. 15 m.w.N.), die die Klägerin hier hat verstreichen lassen.

Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 11.05.1999
Az: 3 UF 124/98


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