Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. März 2004
Aktenzeichen: 7 W (pat) 327/03

(BPatG: Beschluss v. 17.03.2004, Az.: 7 W (pat) 327/03)

Tenor

Das Patent wird beschränkt aufrechterhalten mit den Patentansprüchen 1 bis 16 und Beschreibung Spalten 1 bis 4, jeweils vom 17. März 2004, Beschreibung ab Spalte 5 und 3 Blatt Zeichnungen (Figuren 1 bis 3) gemäß Patentschrift 101 44 841.

Gründe

I Gegen die am 31. Oktober 2002 veröffentlichte Erteilung des Patents 101 44 841 mit der Bezeichnung "Solarthermisches Gas- und Dampfkraftwerk und Verfahren zur Umwandlung von thermischer Energie in elektrische Energie" ist am 8. Januar 2003 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, daß der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei.

Zum Stand der Technik hat die Einsprechende die in den ursprünglichen Unterlagen des angefochtenen Patents schon berücksichtigte deutsche Offenlegungsschrift DE 41 26 036 A1 sowie die US-Patentschrift 5 727 379 genannt.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin legt in der mündlichen Verhandlung neue Patentansprüche und neue Beschreibungsteile vor und beantragt, das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten mit den jeweils am 17. März 2004 überreichten Patentansprüchen 1 bis 16 mit Beschreibung Spalten 1 bis 4, und Beschreibung ab Spalte 5 und 3 Blatt Zeichnungen (Fig. 1 bis 3) gemäß Patentschrift.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"Solarthermisches Gas- und Dampfkraftwerk, umfassend eine Gasturbine, eine Dampfturbine, einen Abhitzedampferzeuger, welcher an die Dampfturbine gekoppelt ist und durch den Wärmeübertragungsmedium über Abgase der Gasturbine erhitzbar ist, und einen solar beheizbaren Dampferzeuger, welcher ebenfalls an die Dampfturbine gekoppelt ist, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t, daß der solar beheizbare Dampferzeuger einen von dem Abhitzedampferzeuger getrennten Abhitzewärmetauscher umfaßt, mittels dem solar erhitztes Wärmeübertragungsmedium durch Abgase der Gasturbine erhitzbar ist, und daß der Abhitzewärmetauscher des solar beheizbaren Dampferzeugers und der Abhitzedampferzeuger bezüglich ihrer jeweiligen Eingänge und Ausgänge für Wärmeübertragungsmedium parallel angeordnet sind und daß eine Erhitzungsstrecke des solar beheizbaren Dampferzeugers und eine Erhitzungsstrecke des Abhitzedampferzeugers parallel angeordnet sind."

Der geltende Patentanspruch 14 lautet:

"Verfahren zur Umwandlung von thermischer Energie in elektrische Energie in einem solarthermischen Gas- und Dampfkraftwerk mit einem solar beheizbaren Dampferzeuger, bei dem die Abhitze eines Abgases einer Gasturbine mittels eines Abhitzedampferzeugers genutzt wird und bei dem durch den solar beheizbaren Dampferzeuger geführtes Wärmeübertragungsmedium ebenfalls durch Abgasabhitze der Gasturbine erhitzt wird, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t, daß ein Abgasstrom der Gasturbine in einen ersten Abgasstrom und einen zweiten Abgasstrom aufgeteilt wird, daß Wärmeübertragungsmedium zur Durchströmung des Abhitzedampferzeugers in einen ersten Strom und zur Durchströmung des solar beheizbaren Dampferzeugers in einen zweiten Strom aufgeteilt wird, daß die Abgashitze für den solar beheizbaren Dampferzeuger durchströmendes Wärmeübertragungsmedium und den Abhitzedampferzeuger durchströmendes Wärmeübertragungsmedium getrennt genutzt wird und daß der erste Strom und der zweite Strom nach Durchlaufen der jeweiligen Erhitzungsstrecken wieder zusammengeführt werden."

Die Ansprüche 2 bis 13 sind auf Merkmale gerichtet, mit denen das solarthermische Gas- und Dampfkraftwerk nach Patentanspruch 1 weiter ausgebildet werden soll; die Ansprüche 15 und 16 sind auf Merkmale gerichtet, mit denen das Verfahren nach Anspruch 14 weiter ausgebildet werden soll.

Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2004 hat die Patentinhaberin die Teilung des Patents erklärt.

II 1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs 3 Satz 1 Ziff 1 PatG, eingeführt durch das Gesetz zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des Geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 Art 7, durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist zulässig.

3. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt in der geltenden Fassung eine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.

3.1 Die geltenden Patentansprüche sind zulässig. Ihre Merkmale sind ursprünglich offenbart und erweitern auch nicht den Schutzbereich des erteilten Patents. Die Merkmale des Patentanspruchs 1 sind aus den erteilten Ansprüchen 1 bis 3, die Merkmale des nebengeordneten Patentanspruchs 14 aus den erteilten Ansprüchen 20, 21 und 23 hervorgegangen. Die Patentansprüche 2 bis 12 und 13 entsprechen sachlich den erteilten Ansprüche 4 bis 14 und 19, die Patentansprüche 15 und 16 sachlich den erteilten Ansprüche 22 und 24.

3.2 Das solarthermische Gas- und Dampfkraftwerk nach Patentanspruch 1 ist neu.

Das in der DE 41 26 036 A1 beschriebene Kraftwerk (vgl ua Fig. 3 und zugehörige Beschreibungsteile) umfaßt eine Gasturbine 12, eine Dampfturbine - hier mit Hochdruckteil 32 und Niederdruckteil 34 - , einen durch Abgase der Gasturbine 12 beheizbaren Abhitzedampferzeuger 8 sowie einen solar beheizbaren Dampferzeuger 80. Das Arbeitsmittel des Kreislaufs, Wasser bzw. Wasserdampf, in der Streitpatentschrift als Wärmeübertragungsmedium bezeichnet, wird anschließend an den der Niederdruck-Turbine nachgeschalteten Kondensator 38 in paralleler Verzweigung durch den Abhitzedampferzeuger 8 und den solaren Dampferzeuger 80 geführt und die erzeugten Dampfströme vereinigt dem Hochdruckteil der Dampfturbine zugeleitet. Die Nacherhitzung des solar verdampften Arbeitsmittels erfolgt solar (Dampfüberhitzer 78) und/oder über einen fossil beheizbaren Wärmetauscher 128 (Fig. 1 u 3), seine Vorerwärmung über einen dampfbeheizten Wärmetauscher 49 (Fig. 1 bis 3 iVm Sp 5 Z 59 bis 63) bzw. 118 (Fig. 2). Eine Erhitzung des solar erwärmten Arbeitsmittels durch Abgase der Gasturbine in einem separaten Abhitzewärmetauscher gemäß dem ersten kennzeichnenden Merkmal im Anspruch 1 des angefochtenen Patents ist somit nicht offenbart. Damit können auch die weiteren kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 nicht verwirklicht sein.

Bei dem solarthermischen Gas- und Dampfkraftwerk nach der US-Patentschrift 5 727 379 fehlt schon ein durch Abgase einer Gasturbine beheizter, dh ein konventioneller Abhitzedampferzeuger. In der Ausführungsvariante des Kraftwerks nach Figur 7 sind ausschließlich solarbeheizte Verdampfer 13 bzw 41 in parallel zueinander geschalteten Hochdruck- und Niederdruck-Arbeitsmittelsträngen vorgesehen, wobei das den solaren Dampferzeugern vom Kondensator 24 der Niederdruck-Turbine 23 zugeführte Arbeitsmittel jeweils in mit Abgas der Gasturbine 11 beaufschlagten Wärmetauschern 40, 42 bzw 43 auf Verdampfungstemperatur vorgewärmt und die die solaren Dampferzeuger verlassenden Dampfströme jeweils in einem Wärmetauscher 16 bzw 47 oder 17 mittels Abgas der Gasturbine 11 überhitzt und entsprechend ihren Druckunterschieden der Niederdruck- und der Hochdruck-Turbine zugeführt werden. Zwischen Hochdruck-Turbine und Niederdruck-Turbine kann das Arbeitsmittel zudem durch Abgase der Abgasturbine zwischenüberhitzt werden (Wärmetauscher 17). Das Ausführungsbeispiel nach Figur 1 unterscheidet sich von dem nach Figur 7 im wesentlichen durch Wegfall des parallelen Niederdruck-Arbeitsmittelstranges mit Vorwärmer 43, solarem Verdampfer 41 und Überhitzer 47. Somit unterscheidet sich der Patentgegenstand nach Anspruch 1 von dem aus der US-Patentschrift bekannten Kraftwerk durch das auf den Abhitzeverdampfer gerichtete Oberbegriffsmerkmal sowie sämtliche kennzeichnende Merkmale.

Der zweifellos gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Als hier zuständiger Fachmann wird ein auf dem Gebiet der Energie- und Kraftwerkstechnik tätiger Fachhochschulingenieur des Maschinenbaus angesehen, der auch mit der Einkopplung solarer Energie in den ua mit fossilen Energiequellen geführten Kraftwerksbetrieb vertraut ist.

Nach der Patentschrift besteht ein grundsätzliches Problem bei solarthermischen Gas- und Dampfkraftwerken darin, daß aufgrund schwankender Einstrahlungsbedingungen sich der Wirkungsgrad der Energieumwandlung verschlechtern kann. Entsprechend liegt dem angefochtenen Patent die Aufgabe zugrunde, ein gattungsgemäßes solarthermisches Gas- und Dampfkraftwerk und ein gattungsgemäßes Verfahren zur Umwandlung von thermischer in elektrische Energie mit einem derartigen Kraftwerk so zu verbessern, daß der Wirkungsgrad des Kraftwerks bzw. der Wirkungsgrad der Gewinnung der elektrischen Energie möglichst wenig von der Variation der solaren Einstrahlungsbedingungen abhängt (Sp 1 Z 54 bis 64).

Ausgehend von einem aus der DE 41 26 038 A1 bekannten gattungsgemäßen Kraftwerk lehrt Anspruch 1 zur Lösung dieser Aufgabe im Kern, getrennt vom Abhitzedampferzeuger einen Abhitzewärmetauscher anzuordnen, in welchem das Arbeitsmittel des solar beheizbaren Verdampfers mittels der Abgase der Gasturbine erhitzbar ist, wobei diese Erhitzung in einem parallelen Strang zur Erhitzung des den Abhitzedampferzeuger durchströmenden Arbeitsmittels erfolgt. Dies kommt, wie die Patentinhaberin auch in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, durch die auf die parallele Anordnung der Ein- und Ausgänge für Arbeitsmittel sowie durch die auf die Parallelität der Erhitzungsstrecken des Arbeitsmittels beider abgasbeaufschlagter Wärmetauscher gerichteten Merkmale im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 zum Ausdruck.

Der aufgezeigte Stand der Technik gibt dem Fachmann zu diesem Lösungsweg weder Vorbild noch Anregung.

Wie der Neuheitsvergleich ergeben hat, wird beim Kraftwerk nach der DE 41 26 038 A1 das Arbeitsmittel im solarbeheizten Kreislauf nicht mittels Abgasen der Gasturbine erhitzt. Nach Figur 3 ist zwar ein abgasbeaufschlagter Wärmetauscher 128 zur Nacherhitzung des solar erzeugten Dampfes vorhanden, durch den die Qualität dieses Dampfes bei nachlassender solarer Heizleistung der des konventionellen Abhitzedampferzeugers angenähert werden soll, so daß eine problemlose Dampfzusammenführung vor Eintritt in die Dampfturbine erfolgen kann (Sp 7 Z 58 bis Sp 8 Z 7). Das Abgas entstammt jedoch nicht der vorhandenen Gasturbine sondern einer mit fossilem Brennstoff gefeuerten zusätzlichen Brennkammer (130 in Fig. 3). Die hinter dem Wärmetauscher noch vorhandene fühlbare Wärme dieses Abgases kann dabei zusätzlich zur Dampferzeugung im Abhitzedampferzeuger genutzt werden, um bei abnehmendem solaren Energieangebot die Heizleistung des Abhitzedampferzeugers zu verstärken. Damit soll zwar auch die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe (DE 41 26 038 A1 Sp 1 Z 66 bis Sp 2 Z 6) gelöst werden. Dies gelingt hier jedoch mit anderen Mitteln als beim angefochtenen Patentgegenstand und insbesondere unter Inkaufnahme eines nicht unerheblichen baulichen Aufwandes für eine zusätzliche Brennkammer-Anordnung. Gerade dieser bauliche Mehraufwand bei der bekannten Lösung ist als Indiz für das Nichtnaheliegen der patentgemäßen Lehre nach Patentanspruch 1 zu werten. Soweit die Einsprechende die zweifellos vorhandene Verbindung der Abgasleitung zwischen Wärmetauscher 128 und Abhitzedampferzeuger 8 gemäß Figur 3 der DE 41 26 036 A1 als Anregung für den Fachmann versteht, bei Bedarf den Wärmetauscher 128 zur Verbesserung der Qualität des solar erzeugten Dampfes auch mit Abgas der Gasturbine 12 zu beaufschlagen, ist diese Anregung nach Überzeugung des Senats aus der deutschen Offenlegungsschrift nicht ohne weitergehende, erfinderische Tätigkeit erfordernde Überlegungen des Fachmannes sondern allenfalls in Kenntnis der Erfindung in rückschauender Betrachtung herleitbar gewesen.

Die zusätzliche Berücksichtigung der US-Patentschrift 5 727 379 konnte nicht näher zur Lehre des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents führen, da das daraus bekannte solarthermische Gas- und Dampfkraftwerk - wie beim Neuheitsvergleich schon festgestellt - keinen konventionellen Abhitzedampferzeuger aufweist.

3.3 Auch das Verfahren zur Umwandlung von thermischer Energie in elektrische Energie in einem solarthermischen Gas- und Dampfkraftwerk nach Anspruch 14 ist neu und beruht auf erfinderischer Tätigkeit. Denn - wie bereits vorstehend ausgeführt - weder bei dem Kraftwerk nach DE 41 26 036 A1 noch bei dem Kraftwerk nach US-Patentschrift 5 727 379 wird die Abgaswärme der Gasturbine zur Erhitzung sowohl des einen Abhitzeverdampfer durchströmenden Arbeitsmittels (im Anspruch 14 als Wärmeübertragungsmittel bezeichnet) als auch - parallel dazu - des den solar beheizbaren Dampferzeuger durchströmenden Arbeitsmittels genutzt. Aus den zum Anspruch 1 schon genannten Gründen hat eine derartige Verfahrensführung ausgehend vom entgegengehaltenen druckschriftlichen Stand der Technik für den Fachmann daher ebenfalls nicht nahegelegen.

Die geltenden Patentansprüche 2 bis 13 bzw. 15 und 16 sind auf weitere Ausgestaltungen des Kraftwerks nach Patentanspruch 1 bzw. des Verfahrens nach Patentanspruch 14 gerichtet. Die Patentfähigkeit ihrer Gegenstände wird von der Patentfähigkeit der Gegenstände ihrer Bezugsansprüche mitgetragen.

Köhn Eberhard Dr. Pösentrup Frühauf Cl






BPatG:
Beschluss v. 17.03.2004
Az: 7 W (pat) 327/03


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