Bundesgerichtshof:
Urteil vom 12. Januar 2010
Aktenzeichen: X ZR 139/05

(BGH: Urteil v. 12.01.2010, Az.: X ZR 139/05)

Tenor

Die Berufung gegen das am 20. April 2005 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 769 262 (Streitpatents), das am 15. Oktober 1996 unter Inanspruchnahme der Prioritäten der deutschen Gebrauchsmusteranmeldungen 295 16 629 vom 20. Oktober 1995 und 296 01 805 vom 3. Februar 1996 angemeldet worden ist. Das Streitpatent betrifft eine Gefriertruhe und eine Abdeckhaube zum Nachrüsten einer solchen Gefriertruhe und umfasst zwölf Patentansprüche.

Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Deutsch:

"Gefriertruhe mit mindestens einem von oben zugänglichen und durch eine Umwälzkühlung gekühlten Kühlraum (39), in dessen Wand (15, 16) ein Kaltluft-Einlass (18) und ein Kaltluft-Auslass (19) vorgesehen sind, wobei über dem Kühlraum (39) eine Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit Zugriffsöffnung vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Zugriffsöffnung der Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit mindestens einem als transparente Scheibe ausgebildeten Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) verschlossen ist, der zur Entnahme von Tiefkühlwaren aus dem Kühlraum (39) geöffnet werden kann, und dass der Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) in solcher Höhe gegenüber dem Kaltluft-Einlass (18) und dem Kaltluft-Auslass (19) angeordnet ist, dass sich unter ihm ein im Wesentlichen ruhendes Luftvolumen (42, 42') oberhalb einer Kühlströmung zwischen dem Kaltluft-Einlass (18) und dem Kaltluft-Auslass (19) bildet, dessen Luftgeschwindigkeit nicht größer als 0,2 m/s ist."

Wegen der übrigen unmittelbar und mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 10 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen. Patentanspruch 11, auf den sich Unteranspruch 12 zurückbezieht, schützt gesondert eine "Abdeckhaube zum Nachrüsten einer oben offenen Gefriertruhe nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1", wobei dieser unabhängige Nebenanspruch die vorgenannten kennzeichnenden Merkmale der Abdeckhaube aus Patentanspruch 1 wiederholt.

Der Kläger, der von der Beklagten wegen Patentverletzung in Anspruch genommen worden ist, hat sich mit seiner Nichtigkeitsklage gegen die Patentansprüche 1 bis 7 sowie 11 und 12 gewendet und geltend gemacht, dass der Gegenstand des Streitpatents im angegriffenen Umfang nicht patentfähig sei, da er weder neu sei noch auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Er hat hierzu die bereits im Erteilungsverfahren gewürdigte französische Patentschrift 941 248 (K2) angeführt und sich des Weiteren insbesondere auf die deutsche Patentschrift 914 013 (K7) sowie auf den Zeitschriftenbeitrag "Dämmt den Wärme/Kälte-Durchgang" in Glaswelt 2/1994 S. 49 (K11) berufen.

Die Beklagte hat Klageabweisung begehrt und das Streitpatent hilfsweise mit mehreren geänderten Fassungen verteidigt.

Das Patentgericht hat das Streitpatent im angegriffenen Umfang mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das Streitpatent zuletzt nur noch in folgender Fassung verteidigt (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung kursiv):

"1. Gefriertruhe mit mindestens einem von oben zugänglichen und durch eine Umwälzkühlung gekühlten Kühlraum (39), in dessen Wand (15, 16) ein Kaltluft-Einlass (18) und ein Kaltluft-Auslass (19) zur Bildung einer Kühlströmung vorgesehen sind, wobei über dem Kühlraum (39) eine Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit einer Zugriffsöffnung vorgesehen ist, und die Zugriffsöffnung der Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit mindestens einem als transparente Scheibe ausgebildeten Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) verschlossen ist, der zur Entnahme von Tiefkühlware aus dem Kühlraum (39) geöffnet werden kann, dadurch gekennzeichnet, dass jeder der Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) jeweils in solcher Höhe gegenüber dem Kaltluft-Einlass (18) und dem Kaltluft-Auslass (19) angeordnet ist, dass sich unter ihm ein im Wesentlichen ruhendes Luftvolumen (42, 42') oberhalb der Kühlströmung zwischen dem Kaltluft-Einlass (18) und dem Kaltluft-Auslass (19) bildet, dessen Luftgeschwindigkeit nicht größer als 0,1 m/s ist, dass der Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) derart angeordnet ist, dass das ruhende Luftvolumen (42, 42') auch bei kurzzeitig geöffnetem Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) im Wesentlichen erhalten bleibt unddass mindestens einige der transparenten Scheiben (26-28, 30-32) der Abdeckhaube (11, 12) an ihren Innenseiten eine wärmereflektierende Beschichtung aufweisen."

Mit dem letztgenannten Merkmal ist der erteilte Patentanspruch 4 in Patenanspruch 1 aufgenommen worden, sodass sich infolge der Reduzierung der Zahl der nachgeordneten Ansprüche deren Nummerierung entsprechend verschiebt. Nunmehr wird die "Abdeckhaube zum Nachrüsten einer oben offenen Gefriertruhe" von dem unabhängigen Patentanspruch 10 erfasst, dessen Wortlaut der abgeänderten Fassung des Patentanspruchs 1 entsprechend angepasst worden ist.

Die Beklagte stellt ferner drei Hilfsanträge mit modifizierten Fassungen des Patentanspruchs 1, wobei sich die nachgeordneten Patentansprüche 2 bis 9 jeweils auf die geänderte Fassung des Patentanspruchs 1 zurückbeziehen sollen und Nebenanspruch 10 jeweils eine entsprechende Abänderung erfährt.

Nach Hilfsantrag 1 verteidigt die Beklagte das Streitpatent in folgender Fassung (Änderung gegenüber Hauptantrag unterstrichen):

"1. Gefriertruhe mit mindestens einem von oben zugänglichen und durch eine Umwälzkühlung gekühlten Kühlraum (39), in dessen Wand (15, 16) ein Kaltluft-Einlass (18) und ein Kaltluft-Auslass (19) zur Bildung einer Kühlströmung vorgesehen sind, wobei über dem Kühlraum (39) eine Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit einer Zugriffsöffnung vorgesehen ist und die Zugriffsöffnung der Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit mindestens einem als transparente Scheibe ausgebildeten Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) verschlossen ist, der zur Entnahme von Tiefkühlware aus dem Kühlraum (39) geöffnet werden kann, dadurch gekennzeichnet, dass jeder der Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) jeweils in solcher Höhe gegenüber dem Kaltluft-Einlass (18) und dem Kaltluft-Auslass (19) angeordnet ist, dass sich unter ihm ein im Wesentlichen ruhendes Luftvolumen (42, 42') oberhalb der Kühlströmung zwischen dem Kaltluft-Einlass (18) und dem Kaltluft-Auslass (19) bildet, dessen Luftgeschwindigkeit nicht größer als 0,1 m/s ist, dass der Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) derart angeordnet ist, dass das ruhende Luftvolumen (42, 42') auch bei kurzzeitig geöffnetem Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) im Wesentlichen erhalten bleibt, dass jede transparente Deckel-Scheibe einscheibig ausgebildet ist und dass mindestens einige der transparenten Scheiben (26-28, 30-32) der Abdeckhaube (11, 12) an ihren Innenseiten eine wärmereflektierende Beschichtung aufweisen."

Nach Hilfsantrag 2 verteidigt die Beklagte den Patentanspruch 1 mit folgender Abänderung (Änderung gegenüber Hauptantrag unterstrichen):

"1. Gefriertruhe mit mindestens einem von oben zugänglichen und durch eine Umwälzkühlung gekühlten Kühlraum (39), in dessen Wand (15, 16) ein Kaltluft-Einlass (18) und ein Kaltluft-Auslass (19) zur Bildung einer Kühlströmung vorgesehen sind, wobei über dem Kühlraum (39) eine Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit einer Zugriffsöffnung vorgesehen ist und die Zugriffsöffnung der Abdeckhaube (11, 12, 51, 60) mit mindestens einem als transparente Scheibe ausgebildeten Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) verschlossen ist, der zur Entnahme von Tiefkühlware aus dem Kühlraum (39) geöffnet werden kann, dadurch gekennzeichnet, dass die Strömungsgeschwindigkeit der Kühlströmung (41, 41') zwischen 0,3 und 0,8 m/s eingestellt und jeder der Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) jeweils in solcher Höhe gegenüber dem Kaltluft-Einlass (18) und dem Kaltluft-Auslass (19) angeordnet ist, dass sich unter ihm ein im Wesentlichen ruhendes Luftvolumen (42, 42') oberhalb der Kühlströmung zwischen dem Kaltluft-Einlass (18) und dem Kaltluft-Auslass (19) bildet, dessen Luftgeschwindigkeit nicht größer als 0,1 m/s ist, dass der Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) derart angeordnet ist, dass das ruhende Luftvolumen (42, 42') auch bei kurzzeitig geöffnetem Deckel (27, 28, 31, 32, 63, 64) im Wesentlichen erhalten bleibt und dass mindestens einige der transparenten Scheiben (26-28, 30-32) der Abdeckhaube (11, 12) an ihren Innenseiten eine wärmereflektierende Beschichtung aufweisen."

Nach Hilfsantrag 3 sollen in Patentanspruch 1 die beiden in den Hilfsanträgen 1 und 2 vorgesehenen zusätzlichen Merkmale kumulativ enthalten sein.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils das Streitpatent in der mit dem Hauptantrag, hilfsweise in der mit den Hilfsanträgen verteidigten Fassung, aufrechtzuerhalten und insoweit die Klage abzuweisen.

Der Kläger tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr. H. Q. , Technische Universität D. , Institut für Energietechnik, ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Gründe

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Nachdem die Beklagte das Streitpatent zulässigerweise nur noch in der Fassung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Berufungsantrags verteidigt, ist es, soweit es nicht mehr verteidigt wird, ohne weitere Sachprüfung für nichtig zu erklären (st. Rspr., vgl. etwa BGHZ 170, 215 - Carvedilol II). Im noch verteidigten Umfang fehlt dem Gegenstand des Streitpatents die Patentfähigkeit, da er nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (Art. 56, 138 Abs. 1 Buchst. a, EPÜ, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜbkG).

I. 1. Das Streitpatent betrifft eine Gefriertruhe mit einem von oben zugänglichen Kühlraum, der durch eine Umwälzkühlung gekühlt wird, und eine Abdeckhaube zum Nachrüsten einer solchen Gefriertruhe. Die Beschreibung des Streitpatents gibt an, dass im Stand der Technik insbesondere bei Gefriertruhen mit großen Öffnungen der Kühlraum durch Umwälzkühlung gekühlt werde. Die Kaltluft gelange dabei durch einen Kaltluft-Einlass in der Kühlraumwand in den Kühlraum. An der gegenüberliegenden Kühlraumwand befinde sich ein Luftauslass, durch den Luft angesaugt und einer Luftkühlvorrichtung zugeführt werde, welche die Kaltluft erzeuge. Die an der Oberseite des Kühlraums strömende Kaltluft bilde einen unsichtbaren Vorhang gegen die Umgebungsluft und fülle den Kühlraum von oben, also genau dort, wo die größten Kälteverluste auftreten würden. Umgebungsluft werde von der Kaltluftströmung mitgenommen, weshalb keine Umgebungsluft und keine Feuchtigkeit in den Kühlraum gelangten. Allerdings müsse die Umgebungsluft auf Tiefkühltemperatur abgekühlt werden, was viel Kühlenergie erfordere. Außerdem kondensiere die Feuchtigkeit an der Luftkühlvorrichtung, die daher häufig abgetaut werden müsse, was wiederum Heizenergie verbrauche.

2. Das Streitpatent soll deshalb eine Vorrichtung angeben, mit der sich der Energieverbrauch einer Gefriertruhe wesentlich verringern lässt.

Hierzu schlägt das Streitpatent in dem mit dem Hauptantrag verteidigten Patentanspruch 1 eine mit einer Abdeckhaube versehene Gefriertruhe vor, die folgende Merkmale aufweist:

1. Die Gefriertruhe verfügt übera) mindestens einen von oben zugänglichen undb) durch eine Umwälzkühlung gekühlten Kühlraum;

c) in dessen Wänden ein Kaltluft-Einlass und ein Kaltluft-Auslass zur Bildung einer Kühlströmung vorgesehen sind.

2. Über dem Kühlraum ist eine Abdeckhaube mit einer Zugriffsöffnung vorgesehen.

3. Die Zugriffsöffnung der Abdeckhaubea) ist mit mindestens einem als transparente Scheibe ausgebildeten Deckel verschlossen, b) der zur Entnahme von Tiefkühlware aus dem Kühlraum geöffnet werden kann.

4. Jeder der Deckela) ist jeweils in solcher Höhe gegenüber dem Kaltluft-Einlass und dem Kaltluft-Auslass angeordnet, dass sich unter ihm ein im Wesentlichen ruhendes Luftvolumen oberhalb einer Kühlströmung zwischen dem Kaltluft-Einlass und dem Kaltluft-Auslass bildet, b) dessen Luftgeschwindigkeit nicht größer als 0,1 m/s ist, c) wobei der Deckel derart angeordnet ist, dass das ruhende Luftvolumen auch bei geöffnetem Deckel im Wesentlichen erhalten bleibt.

5. Mindestens einige der transparenten Scheiben der Abdeckhaube weisen an ihren Innenseiten eine wärmereflektierende Beschichtung auf.

Diese Lehre des Streitpatents gilt hauptsächlich der Gestaltung und Anordnung einer Abdeckhaube für Gefriertruhen. Die Abdeckhaube soll so hoch über den Kaltluft-Einlass hinausragen, dass sich oberhalb der jeweiligen Kühlströmung zwischen Kaltluft-Einlass und -Auslass ein (im Wesentlichen) ruhendes Luftvolumen bildet. Dieses Luftkissen soll einerseits wärmeisolierend wirken und andererseits verhindern, dass die Kaltluft mit Scheiben der Abdeckhaube in Berührung kommt. Das soll dazu beitragen, dass die Scheiben nahezu auf Umgebungstemperatur gehalten werden können, so dass sich an ihrer Außenseite kein Kondensat niederschlägt (Streitpatent, Sp. 2 Tz. 0008). Der Erreichung dieses Ziels dient zudem der Vorschlag einer die Wärmestrahlung reflektierenden Beschichtung mindestens einiger der transparenten Scheiben an ihrer Innenseite. Dadurch soll die Wärmeabstrahlung in den Kühlraum hinein wesentlich verringert werden. Gleichzeitig absorbiert die unbeschichtete Außenseite die aus dem Raum kommende Wärmestrahlung, wodurch die betreffenden Scheiben der Abdeckhaube erwärmt und eine Kondensatbildung verhindert wird (Streitpatent, Sp. 3 Tz. 0014). Wenn die zur Umgebungstemperatur abdichtende Abdeckhaube geschlossen ist, gelangt keine Feuchtigkeit in den Kühlkreislauf. Daher kondensiert erheblich weniger Feuchtigkeit an der Luftkühlvorrichtung, so dass sie auch viel seltener abgetaut werden muss (Streitpatent, Sp. 2 Tz. 0009). Die Anordnung des die Zugriffsöffnung verschließenden Deckels in einer Höhe, die unterhalb des Deckels die Bildung eines Luftkissens zulässt, bietet auch den Vorteil, dass bei Öffnung des Deckels zur Entnahme von Tiefkühlware das stehende Luftvolumen im Wesentlichen erhalten bleibt, da es kälter ist als die Umgebungsluft und daher nicht aufsteigt (Streitpatent, Sp. 2 Tz. 0010).

Ein Ausführungsbeispiel der patentgemäßen Gefriertruhe zeigen die nachstehend verkleinert wiedergegebenen Zeichnungen, von denen Figur 1 des Streitpatents eine perspektivische Darstellung einer Gefriertruhe mit einer quaderförmigen Abdeckhaube an ihrer Stirnseite sowie mehreren doppelt pultförmigen Abdeckhauben gibt und die Figuren 2 und 3 des Streitpatents Querschnitte einer quaderförmigen und einer pultförmigen Abdeckhaube abbilden:

An dieser Stelle befindet sich eine Abbildung.

An dieser Stelle befindet sich eine Abbildung.

An dieser Stelle befindet sich eine Abbildung.

II. Das Patentgericht hat zur Patentfähigkeit ausgeführt, dass die Gefriertruhe nach Patentanspruch 1 der erteilten Fassung und auch die Abdeckhaube nach dem nebengeordneten Anspruch zwar neu sein mögen, es darauf aber nicht ankomme, da der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber dem in der Entgegenhaltung K7 (deutsche Patentschrift 914 013) beschriebenen Stand der Technik nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Aus der K7 sei eine Gefriertruhe mit mindestens einem von oben zugänglichen Kühlraum bekannt, der durch eine Umwälzkühlung gekühlt werde und in dessen Wand ein Kaltluft-Einlass und ein Kaltluft-Auslass vorgesehen seien. Über dem Kühlraum sei eine aus Türen bestehende Abdeckhaube mit Zugriffsöffnung vorgesehen. Demgegenüber verblieben die Merkmale eines die Zugriffsöffnung verschließenden Deckels, der zur Entnahme von Ware geöffnet werden könne und der in solcher Höhe angeordnet sei, dass sich unter ihm ein im Wesentlichen ruhendes Luftvolumen bilde, dessen Luftgeschwindigkeit nicht größer sei als (die in der erteilten Fassung des Patents angegebenen) 0,2 m/s. Diese Unterschiede könnten die Patentfähigkeit jedoch nicht stützen. So werde ein Fachmann aufgrund seines Wissens und Könnens allein schon deshalb einen - hinsichtlich der Verkaufssituation zweckmäßigerweise als transparente Scheibe ausgebildeten - Deckel vorsehen, der zur Entnahme von Tiefkühlware aus dem Kühlraum geöffnet werden könne und sonst die Zugriffsöffnung verschließe, um das Eindringen von Feuchtigkeit aus der Umgebung und damit das Vereisen der Kühlanlage zu verhindern. Im Übrigen sei ihm das Vorsehen eines solchen Deckels beispielsweise aus der mit dem Sachverhalt in K7 Figur 3 vergleichbaren K2 (französische Patentschrift 941 248) bekannt, wo beschrieben sei, dass die dortige Öffnung u.a. mit einer oder mehreren Schiebetüren ("guichets coulissantes") verschlossen werden kann, um Wirbel bzw. Strudel ("tourbillons") in der Nähe der Kühlluftschicht ("couche d'air froid") zu verhindern. Wenn der Fachmann in der in K7 Figur 3 dargestellten Kühltruhe die Zugriffsöffnung 38 mit einem Deckel verschließe, so sei dieser Deckel konstruktionsbedingt in solcher Höhe gegenüber dem Kaltluft-Einlass und dem Kaltluft-Auslass angeordnet, dass sich unter ihm zwangsläufig ein Luftvolumen oberhalb der Kühlströmung zwischen dem Kaltluft-Einlass und dem Kaltluft-Auslass bilde, das im Wesentlichen ruhe. Denn erstens verhindere die mit dem Deckel verschlossene Abdeckhaube eine konvektive Bewegung des Luftvolumens durch Strömung von außen. Und zweitens werde auch die Kühlluftströmung der Umwälzkühlung keine wesentliche Strömungsgeschwindigkeit in dem darüber liegenden Luftvolumen erzeugen. In der K7 sei nämlich ausgeführt, dass die Strömungsgeschwindigkeit so begrenzt oder berechnet sei, dass sich eine in Bewegung befindliche Kaltluftschicht ausbildet. Da diese Kühlluft viel schwerer sei als die Umgebungsluft, gebe es keine Tendenz, dass sie nach oben ausweiche und sich mit der wärmeren Luft darüber vermische. Dabei sei es des Weiteren sehr wichtig, die Strömungsgeschwindigkeit genau festzulegen, nämlich einerseits schnell genug, um eine ausreichende Kühlwirkung zu erzielen und andererseits - und darauf komme es in diesem Zusammenhang an - langsam genug, dass die Vermischung mit der wärmeren Luft darüber vermieden werde. Schließlich sei in K7 dargelegt, dass aufgrund der unterschiedlichen Dichte von kalter und warmer Luft die Abgrenzung zwischen der Kaltluftschicht und der umgebenden - darüber liegenden - Luftschicht von höherer Temperatur sehr scharf sei. Daraus erschließe sich dem Fachmann ohne weiteres, dass das Luftvolumen oberhalb der Kühlluftströmung - bis auf eine geringfügige laterale Mitnahme der Randschicht des wärmeren Luftvolumens an der Grenze zur Kühlluftströmung durch Reibung - im Wesentlichen ruhen solle. Nachdem der Fachmann die Bedeutung eines ruhenden Luftvolumens zur Vermeidung von Kühlverlusten durch Vermischung der kalten und wärmeren Luftmassen erkannt habe, werde er selbstverständlich im Idealfall eine Luftgeschwindigkeit von 0 m/s anstreben. Im Realfall werde er im Rahmen zumutbarer Untersuchungen herausfinden, welche - geringen - Luftgeschwindigkeiten in dem Luftvolumen oberhalb der Kühlluftströmung durch die laterale Mitnahme gerade noch tolerierbar seien, damit es nicht zu einer Rückvermischung in die Kühlluftströmung hinein komme. Für die im Unteranspruch 4 der erteilten Fassung angegebene Maßnahme (einer wärmereflektierenden Beschichtung der transparenten Scheiben) finde der Fachmann Anregung etwa in der Druckschrift "Dämmt den Wärme/Kälte-Durchgang" in Glaswelt 2/1994.

III. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Patentgericht zu Recht erkannt, dass sich die Lehre des erteilten Patentanspruchs 1 für den Fachmann in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik ergab; der Senat tritt insoweit dem vom Patentgericht gefundenen Ergebnis bei. Die Beklagte hat nunmehr nach ihrem Hauptantrag mit dem zusätzlichen Merkmal 5 die in der erteilten Fassung in Unteranspruch 4 geschützte Ausführungsform, mit der Abänderung des Merkmals 4b zusätzlich eine in der Patentbeschreibung offenbarte bevorzugte Ausführungsform (Streitpatentschrift, Sp. 7 Tz. 0034 Z. 5 f.) sowie ferner mit dem zusätzlichen Merkmal 4c eine Anordnung mit dem in der Patentbeschreibung offenbarten Vorteil (Streitpatentschrift, Sp. 2 Tz. 0010 Z. 47-50) in eine Neufassung des Patentanspruchs 1 aufgenommen und hierdurch den Schutzbereich des erteilten Patents jeweils und insgesamt in einer unter dem Gesichtspunkt des Art. 138 Abs.1 Buchst. d EPÜ zulässigen Weise beschränkt. Auch damit hat die Berufung indes keinen Erfolg. Hierfür kann die von dem Kläger bestrittene Priorität der Anmeldungen vom 20. Oktober 1995 und vom 3. Februar 1996 ebenso dahinstehen wie das von dem Kläger geltend gemachte Klarheitsbedenken gegen die im zusätzlichen Merkmal 4c enthaltenen Kriterien "kurzzeitig" und "im Wesentlichen". Denn die Lehre des Streitpatents kann auch in der nunmehr hauptsächlich verteidigten Fassung nicht als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend gelten.

1. Als maßgeblicher Fachmann ist in Übereinstimmung mit dem gerichtlichen Sachverständigen ein handwerklich ausgebildeter Kältetechniker anzusehen, der bei seiner Tätigkeit in der Entwicklung von Kühltruhen, mit denen sich sowohl Großunternehmen als auch mittelständische Unternehmen für Zubehör befassten, der Leitung eines Diplomingenieurs unterstand. Er besaß von seiner Tätigkeit her auch gewisse Kenntnisse und Erfahrungen über Wärmeübertragung durch Umgebungsstrahlung und kannte mit der Funktion einer Kältemaschine auch die Einflussgrößen auf deren Energieverbrauch.

2. Ein solcher Fachmann wusste, wie der Sachverständige überzeugend dargelegt hat, dass herkömmliche Tiefkühltruhen mit Umluftkühlung so hohe Seitenwände hatten, dass sich auch ohne Abdeckung schon wenige Zentimeter oberhalb der Kaltluftströmung ein ruhendes isolierendes Luftvolumen einstellte. Auch war dem Fachmann die Möglichkeit vertraut, die Tiefkühltruhe zur Reduzierung des Energieverbrauchs mit einer Abdeckung zu versehen, die - für ihn selbstverständlich - nicht in unmittelbarer Nähe der Kaltluftströmung, sondern entsprechend der Höhe der Truhenwände über dem ruhenden Luftvolumen anzuordnen war; außerhalb der Geschäftszeiten war eine solche Abdeckung von Verkaufstiefkühltruhen bereits gebräuchlich. Aus dem deutschen Gebrauchsmuster 295 09 700 (K3) war dem Fachmann zudem bekannt, dass eine Abdeckung praktischerweise mit Schiebedeckeln konstruiert werden konnte, wobei die Abdeckeinheit vorzugsweise aus durchsichtigem Material, insbesondere aus Glas oder Kunststoff, bestehen sollte, um dem Kunden zu ermöglichen, sich über den Inhalt der Tiefkühltruhe zu informieren, ohne sie zu öffnen (K3, S. 4 Z. 30-34).

Überdies fand der Fachmann im druckschriftlichen Stand der Technik auch ein Vorbild für eine haubenförmige Ausgestaltung der Abdeckvorrichtung, unter der sich ein ruhendes Luftvolumen bilden kann, das beim Öffnen der Deckel im Wesentlichen erhalten bleibt. Ihm war aus der französischen Patentschrift 941 248 (K2) jene gattungsgemäße Gefriertruhe bekannt, die eingangs der Streitpatentschrift als den Stand der Technik kennzeichnend abgehandelt worden ist. Die Merkmale der in der Entgegenhaltung K2 offenbarten Gefriertruhe stimmen weitgehend mit denen der teilweise identisch beschriebenen Vorrichtung derselben Erfinder aus der deutschen Patentschrift 914 013 (K7) überein, deren Lehre das Patentgericht als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit herangezogen hat. Für den Fachmann waren in der Entgegenhaltung K2 mit Ausnahme der durch Merkmal 5 vorgeschlagenen reflektierenden Beschichtung der transparenten Scheiben alle übrigen Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents offenbart.

Die Beklagte stellt dies nur hinsichtlich der Merkmale 4a und 4c in Abrede, wonach jeder der Deckel jeweils in solcher Höhe gegenüber dem Kaltluft-Einlass und dem Kaltluft-Auslass angeordnet ist, dass sich unter ihm ein im Wesentlichen ruhendes Luftvolumen oberhalb einer Kühlströmung zwischen dem Kaltluft-Einlass und dem Kaltluft-Auslass bildet, und das ruhende Luftvolumen auch bei geöffnetem Deckel im Wesentlichen erhalten bleibt. Beide Merkmale drücken den wesentlichen Gedanken der Lehre des Streitpatents aus, unterhalb der Zugriffsöffnung ein isolierendes Luftvolumen zu schaffen, das auch bei kurzzeitigem Öffnen der Abdeckung nur unwesentlich gestört wird. Merkmal 4c besagt hierzu, dass jeder Deckel der Zugriffsöffnung nicht seitlich des stehenden Luftvolumens angeordnet sein darf, sondern sich oberhalb des Luftkissens befinden muss.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist diese Lehre in der französischen Patentschrift offenbart. Dort wird eine horizontale, als "Vitrine" bezeichnete Kühltruhe mit einem horizontalen Kaltluftschleier beschrieben, in dem Lebensmittel, die beispielsweise auf -20¡C tiefgekühlt sind, gut sichtbar präsentiert werden können. Als eine bevorzugte Ausführungsform wird die Ausstattung der Kühltruhe mit einer Abdeckhaube beschrieben und in den Abbildungen nach den Figuren 1, 10 und 11 gezeigt. Hierzu wird in der Patentbeschreibung festgehalten, dass "die Platte, auf der die (...) Produkte ausgestellt werden, nach oben völlig frei liegen (kann), jedoch ist sie vorzugsweise teilweise und über der Kaltluftströmung von transparenten Wänden umgeben, die eine Öffnung auf der Seite belassen, von der aus der Zugang auf die Produkte gewünscht ist, sei es durch das Personal, das diese ausgibt, oder im Fall der Selbstbedienung durch die Kundschaft, wobei die Öffnung stets offen bleiben kann oder durch einen oder mehrere Schiebeläden geschlossen werden kann (...), um die Bildung von Luftverwirbelungen in der Nähe der Stelle, an der die Kaltluftschicht vorbeiströmt, zu vermeiden" (deutsche Übersetzung E7, S. 3 Z. 4-14).

Nach ihrer Figur 1 stellt sich eine von der französischen Patentschrift (K2) beschriebene Ausführungsform, bei der die Kühltruhe mit einer Abdeckhaube versehen ist, graphisch wie folgt dar:

Zur Erläuterung der mit der Figur 1 abgebildeten Kühltruhe gibt die Beschreibung der französischen Patentschrift zu der als Zugangsöffnung ("ouverture d'accs") bezeichneten Öffnung (18) und zum Aufbau der auf dem Gehäuse der Vitrine anzubringenden Abdeckhaube an (deutsche Übersetzung E7, S. 7 Z. 4-14), dass "auf dem Gehäuse (1) Läden oder Klappen (17) aus transparentem Material angeordnet (sind), die eine große Öffnung (18) bilden, die sich über die gesamte Länge der Theke oder Vitrine erstreckt, um den Zugang zu den Fächern (4) und zu den darin ausgestellten oder aufbewahrten Gegenständen zu ermöglichen". Hierzu ist der Querschnittszeichnung in Figur 1 zu entnehmen, dass die linke Seitenwand und die Oberplatte der Abdeckhaube von den Läden oder Klappen (17) gebildet werden, während sich im oberen Teil der rechten Seitenwand die Zugangsöffnung (18) befindet, wobei die beiden Seitenwände der Abdeckhaube um ca. 45¡ geneigt sind. Während nach der weiteren Patentbeschreibung die Läden oder Klappen (17) in ihren Rahmen fixiert sein können, soll die Zugangsöffnung groß sein und ein leichtes Wechseln der Behälter oder Schalen sowie einen leichten Zugang für Kundschaft wie Personal ermöglichen (deutsche Übersetzung E7, S. 8 Z. 1-10). Diese Zugangsöffnung (18) ist nach der zeichnerischen Darstellung in Figur 1 in einer solchen Höhe über der Kühlluftströmung angebracht, die durch die gebogene Leitwand (13) auf die zu kühlende Fläche geleitet wird, dass auch bei einem bloßen kurzfristigen Öffnen des Schiebeladens das unter der Zugangsöffnung (18) befindliche Luftkissen im Wesentlichen erhalten bliebe.

Danach war es der Fachwelt bei Verwendung einer Abdeckung bekannt, diese so in einem Abstand oberhalb der Kaltluftströmung anzuordnen, dass sich dazwischen eine Luftschicht mit isolierender Temperaturschichtung ausbilden kann. Auch der Umstand, dass ein solches Luftkissen beim Öffnen der Abdeckung erhalten bleibt, bildete somit eine selbstverständliche Grundeigenschaft von horizontalen Verkaufskühltruhen im Gegensatz zu vertikalen Kühlschränken, bei denen bei jedem Öffnen kalte Luft heraus fließt.

3. Der Fachmann, der vor dem von der Lehre des Streitpatents zu lösenden Problem stand, mit der zu entwickelnden Abdeckung einer Gefriertruhe deren Energieverbrauch wesentlich zu verringern, hatte sich über geeignete Materialien zu informieren und eine Auswahl zu treffen. Bei Verwendung von Glas zur Herstellung einer transparenten Abdeckung hatte der Fachmann auch Veranlassung, zur Beurteilung der Materialeigenschaften unterschiedlicher Glassorten, für die sein eigenes Fachwissen nicht ausreicht, gegebenenfalls Spezialfachleute zu Rate zu ziehen. Jedenfalls Erkundigungen führten zu der Erkenntnis, dass seit Anfang der 80er Jahre reflektierend beschichtete Glasscheiben für den Fensterbau auf dem Markt angeboten wurden und solches Glas vor dem Prioritätszeitpunkt, wie die Beklagte selbst hat vortragen lassen, auch bei Tiefkühlboxen ohne Umluftkühlung bereits Verwendung fand. Wenn sich der Fachmann kundig machte, blieb ihm überdies auch nicht verborgen, dass vor dem Prioritätszeitpunkt reflektierend beschichtetes Glas zum Einsatz in Tiefkühlvorrichtungen regelrecht beworben wurde.

Insoweit ist für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit hinsichtlich der reflektierenden Beschichtung der transparenten Scheiben (Merkmal 5) entgegen der Auffassung der Beklagten auch die Veröffentlichung "Dämmt den Wärme/Kälte-Durchgang" in Glaswelt 2/1994, Seite 49 (K11) zu berücksichtigen. Dieser Artikel beschreibt unter der weiteren Überschrift "Verglasung von Herden und Gefrieranlagen" ein neues Spezialglas, das mittels einer Beschichtung, die auf einer der Glasoberflächen aufgebracht ist, Hitze reflektiert und thermisch isoliert. Die Veröffentlichung lobt die Eigenschaften des neuen Produkts, das sich "hervorragend" auch für die Öffnungen von Gefrieranlagen und für eine Verwendung in Gefrier- und Kühltheken sowie überall dort eigne, wo die Vermeidung von Kondensat erforderlich sei (aaO 1. Sp.). Die Entgegenhaltung K11 schildert weiter den Nachteil von gewöhnlichem Glas in doppelverglasten Blicköffnungen einer Gefrieranlage, dessen niedrige Temperatur die Außenseite mit der Folge beschlagen lasse, dass die innen befindlichen Waren nicht mehr deutlich sichtbar seien. Demgegenüber hebt die Veröffentlichung K11 als Vorteil eines Einsatzes des beschichteten Glases für gewerbliche Gefrier- und Kühlzwecke hervor, dass sich ebenso wie die Energiekosten auch die Kondensation mit dem Spezialglas, dessen Oberfläche weitaus wärmer als Normalglas sei, erheblich verringern ließe, wodurch Lebensmittel gut sichtbar in Kühl- und Gefriertheken gezeigt werden könnten (aaO 2. Sp.).

Der Senat hat in Übereinstimmung mit dem gerichtlichen Sachverständigen keinen Zweifel, dass der Fachmann dem werbenden Zeitschriftenbeitrag K11 die Idee entnahm, Scheiben mit einer wärmereflektierenden Beschichtung, wie sie zum Prioritätszeitpunkt bereits als Fenstergläser gängig waren und dem Fachmann zur Verfügung standen, zur Abdeckung der Zugriffsöffnung von umluftgekühlten Kühltruhen zu verwenden und damit die in K11 beschriebenen sowie die weiteren von ihm erkannten Vorteile derartiger Scheiben zu nutzen. Der dagegen vorgebrachte Einwand der Beklagten, dass der Autor des Artikels in einem Abschnitt über Tiefkühlschränke (aaO 3. Sp.) fachlich unzutreffende Ausführungen über die Möglichkeit einer Verwendung des Spezialglases auch in nur einfachverglasten Tiefkühlschränken gemacht habe, weil er sich über deren kältetechnisches Verhalten geirrt habe, greift nicht durch. Zwar mag die diesbezügliche Fehlerhaftigkeit des Artikels den Fachmann, der weiß, dass - anders als bei horizontalen Tiefkühltruhen - wegen der fehlenden Dichteschichtung der Luft in einem Tiefkühlschrank dessen von innen unmittelbar der Kaltluft ausgesetzte vertikale Türen stets mit einer Doppelverglasung versehen sein müssen, nicht ohne weiteres auf eine bloße Falschbezeichnung schließen und ihn annehmen lassen, dass mit diesem abschließenden Passus des Artikels einfachverglaste Tiefkühltruhen gemeint seien. Gleichwohl führt ein einzelner von ihm erkannter Fehler am Ende der Veröffentlichung über die Einsatzmöglichkeit beschichteter wärmereflektierender Gläser zur Abdeckung von Gefrieranlagen nicht dazu, dass der Fachmann den Artikel insgesamt nicht ernst nimmt oder den darin beschriebenen Vorteilen des neu entwickelten Glases nicht traut und den Verwendungsvorschlag des Autors ohne weitere Überlegungen zu der physikalischen Wirkungsweise des neuen Produkts und ohne dessen Prüfung verwirft. Hier muss der Fachmann von seinem Können und Wissen her vielmehr als befähigt angesehen werden, den in der Entgegenhaltung K11 angesprochenen Grundgedanken und Nutzen einer wärmereflektierenden Beschichtung von Glas zu erkennen, die dessen Wärmeabstrahlung zur kalten Ware erheblich reduziert und es so warm bleiben lässt, dass es auf der Außenseite nicht mehr beschlägt. Damit war vom Fachmann zur Lösung des sich ihm stellenden Problems nur noch gefordert, die in der Entgegenhaltung K11 beschriebene prinzipielle Idee bei einer Abdeckvorrichtung, wie sie etwa aus der Entgegenhaltung K2 bekannt war, konstruktiv umzusetzen. Derartiges erforderte jedoch nur handwerkliche Fähigkeiten des Fachmanns. Denn die konstruktive Überarbeitung von bekannten Vorrichtungen nach einer als geeignet und vorteilhaft erkannten Idee gehört zu dem, was der hier maßgebliche Fachmann üblicherweise zu leisten hat.

4. Ohne Erfolg macht die Beklagte das Zeitmoment als ein Bewertungskriterium für erfinderische Tätigkeit mit dem Hinweis darauf geltend, dass zwischen dem Zeitpunkt der Offenlegung des Standes der Technik gemäß der französischen Patentschrift 941 248 (K2) bzw. der deutschen Patentschrift 914 013 (K7), deren Veröffentlichung in den Jahren 1949 bzw. 1954 erfolgte, sowie dem Zeitpunkt der Markteinführung reflektierend beschichteter Gläser Anfang der 80er Jahre einerseits und dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatents, nämlich 1995, andererseits jeweils lange Zeiträume lagen. Es kann dahinstehen, ob ein langer Zeitraum, der bis zur Entstehung einer Erfindung verstrichen ist, überhaupt ein verlässliches Beweisanzeichen (Hilfskriterium) für erfinderische Tätigkeit sein kann (vgl. Sen.Urt. v. 30.6.2009 - X ZR 107/05 Tz. 44; Urt. v. 30.7.2009 - Xa ZR 22/06, GRUR 2010, 44 - Dreinahtschlauchfolienbeutel). Im Streitfall können hieraus jedenfalls keine entsprechenden Schlüsse gezogen werden. Denn zum einen bestanden vor dem Prioritätszeitpunkt auf Seiten der Aufsteller von gewerblich genutzten Verkaufstiefkühltruhen erhebliche nichttechnische Vorbehalte gegenüber Abdeckungen; man vermutete mangelnde Akzeptanz bei den Kunden und befürchtete Umsatzeinbußen, wie beispielhaft der Abschlussbericht zum Test von Glasabdeckungen auf offenen Tiefkühltruhen aus Januar 1996 belegt, der unter Mitwirkung der Beklagten im Lebensmittelhandel durchgeführt worden war (K12). Zum anderen hatte sich erst allmählich die Einsicht in die Notwendigkeit der Schonung von Energieressourcen entwickelt, wenn auch für die Hersteller von Tiefkühltruhen noch kein gesteigerter Marktdruck ihrer Abnehmer zur Energiekosteneinsparung entstanden gewesen sein mag.

Das Streitpatent kann daher mit Patentanspruch 1 in der Fassung des Hauptantrages keinen Bestand haben.

IV. Auch der nebengeordnete Patentanspruch 10 nach dem Hauptantrag, der eine zum Nachrüsten einer offenen Gefriertruhe geeignete Abdeckhaube betrifft, deren kennzeichnende Merkmale mit denen in Anspruch 1 identisch sind, beruht aus den genannten Erwägungen ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die auf die Ansprüche 1 und 10 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 9 und 11 haben gleichfalls keinen Bestand; für einen eigenständigen erfinderischen Gehalt ist nichts ersichtlich und auch nichts geltend gemacht.

V. Die hilfsweise verteidigten Fassungen des Streitpatents führen zu keiner abweichenden Beurteilung.

1. Das von der Beklagten im Hilfsantrag 1 zusätzlich aufgenommene Merkmal, dass jede transparente Deckel-Scheibe einscheibig ausgebildet ist, lässt sich der Streitpatentschrift jedenfalls aus den Figuren 2 und 3 entnehmen; in den dortigen Abbildungen erkennt man Abdeckungen, die gegenüber den seitlichen senkrechten Wänden, die doppelscheibig gebildet und in der Patentbeschreibung (Tz. 29 u. 30) auch als solche bezeichnet sind, nur aus einer Scheibe bestehen. Ob die Hinzufügung dieses Merkmals eine bloße Beschränkung des Schutzbereichs gegenüber dem erteilten Patent darstellt, kann hier dahingestellt bleiben, da ihm jedenfalls kein zusätzlicher erfinderischer Gehalt zukommt.

Die Einscheibigkeit der Abdeckung betrifft nämlich nur ein konstruktives Detail, das sich bei einer Verwendung wärmereflektierender Scheiben als sinnvolle und - unter bestimmten Klima- und Raumbedingungen am Aufstellort der Kühltruhe - als fast selbstverständliche Gestaltung im Rahmen einer als naheliegend erkannten handwerklichen Umgestaltung der vorbeschriebenen Abdeckhaube darstellt. Denn aufgrund des vom Fachmann erkannten Vorteils der wärmereflektierenden Scheiben, die im Vergleich zu herkömmlichen Scheiben erheblich weniger Wärme zur kalten Ware abstrahlen und infolgedessen so warm bleiben, dass sie auf der Außenseite nicht mehr beschlagen, bedurfte es zur Kondensationsvermeidung keiner Doppelverglasung mehr, die in der Praxis als zu schwer und damit nicht leicht zu öffnen und auch als relativ teuer angesehen wurde. So wird auch in der Entgegenhaltung K11 den herkömmlicherweise mit gewöhnlichem Glas doppeltverglasten Blicköffnungen einer Gefrieranlage ein Einsatz des in dem Artikel beworbenen neuen Spezialglases gegenübergestellt und hierdurch der Fachmann auf die mit der Neuheit geschaffene Möglichkeit einer Einfachverglasung hingewiesen, obgleich sich deren ausdrückliche Erwähnung in Bezug auf Tiefkühlschränke, wie bereits dargelegt, als fachlich fehlerhaft erweist.

2. Gegen die durch Hilfsantrag 2 eingeschränkte Verteidigung mit dem durch die Patentbeschreibung (Tz. 0033) offenbarten Merkmal, dass die Strömungsgeschwindigkeit der Kühlströmung zwischen 0,3 und 0,8 m/s eingestellt ist, bestehen keine Bedenken. Sachlich wird dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 allerdings nichts hinzugefügt, das eine abweichende, der Beklagten günstigere Beurteilung rechtfertigen könnte.

Bei der Strömungsgeschwindigkeit handelt es sich um einen einstellbaren physikalischen Wert, dessen Wahl - wie dem Fachmann geläufig ist - abhängig ist etwa von dem Abstand der Abdeckung vom Kühlluftstrom und der von der Art der Abdeckung ausgehenden Wärmeeinstrahlung. So wird, wenn der Kaltluftstrom weniger Wärme von der Ware abführen muss, die Geschwindigkeit der Kaltluftströmung reduziert werden können. Soweit mit der durch Hilfsantrag 2 aufgenommenen Bereichsangabe mittelbar gelehrt wird, die aus dem Gebrauch herkömmlicher Tiefkühltruhen bekannte Strömungsgeschwindigkeit zu verringern, zieht der Fachmann den Vorteil einer solchen Reduzierung, wie der Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, ohnehin als selbstverständliche Folge des geringeren Wärmeeinfalls in Erwägung, der aus der Verwendung des beschichteten Glases resultiert. Denn grundsätzlich versucht der Fachmann den Kaltluftstrom so weit zu reduzieren, wie es der zu erreichende Kühlungszweck der Tiefkühlvorrichtung noch zulässt. So war es beispielsweise schon vor dem Prioritätszeitpunkt gängige Praxis, bei einer Nachtabdeckung offener Kühltruhen wegen des damit einhergehenden geringeren Wärmeeinfalls die Kühlstromgeschwindigkeit zu reduzieren. Auch ist bereits in den Entgegenhaltungen K2 (E7, S. 7 Z. 16-20) und K7 (S. 3 Z. 25-30) gelehrt worden, dass es sehr wichtig sei, die Geschwindigkeit der Kaltluft genau zu berechnen, da sie, wenn sie zu rasch zirkuliere, das Bestreben habe, sich mit der umgebenden Luft zu mischen. Im Übrigen bedeutet die mit Hilfsantrag 2 vorgenommene Bestimmung der Ober- und Untergrenze eine willkürliche Auswahl aus einem größeren für den Kühlungszweck in Betracht zu ziehenden Bereich, die als solche nicht geeignet ist, eine erfinderische Leistung zu begründen (vgl. BGHZ 156, 179 - blasenfreie Gummibahn I). Dafür, dass gerade mit der Bereichseingrenzung auf die bestimmte Ober- und Untergrenze ein bestimmter technischer Effekt erreicht wird, der außerhalb dieser Grenzen nicht auftritt, ist nichts ersichtlich.

3. Schließlich spricht nichts dafür, dass die nach Hilfsantrag 3 beanspruchte Kombination der beiden vorgenannten Merkmale zu einem zusätzlichen kombinatorischen Effekt führt und dadurch einen eigenständigen erfinderischen Gehalt begründen könnte.

VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V.m. § 97 ZPO.

Scharen Gröning Berger Bacher Hoffmann Vorinstanz:

Bundespatentgericht, Entscheidung vom 20.04.2005 - 4 Ni 20/04 (EU) -






BGH:
Urteil v. 12.01.2010
Az: X ZR 139/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/92dc7c7664ce/BGH_Urteil_vom_12-Januar-2010_Az_X-ZR-139-05




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