Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg:
Beschluss vom 27. Mai 2004
Aktenzeichen: 1 N 8.04

(OVG Berlin-Brandenburg: Beschluss v. 27.05.2004, Az.: 1 N 8.04)

Tenor

Die Anträge des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 5. Dezember 2003 zuzulassen und ihm für das Zulassungsverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren, werden abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens auf Zulassung der Berufung werden dem Kläger auferlegt.

Der Wert des Streitgegenstands wird unter Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Berlin vom 5. Dezember 2003 für beide Rechtsstufen auf jeweils 10000 EUR festgesetzt.

Gründe

Mit Bescheid vom 31. März 2003 widerrief die Beklagte unter Berufung auf §§ 131 b, 20 Abs. 2 Nr. 5 WPO die Bestellung des Klägers als vereidigter Buchprüfer. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 5. Dezember 2003 abgewiesen. Der Kläger hat die Zulassung seiner Berufung beantragt und begehrt, ihm für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist nicht begründet. Mit den von ihm vorgetragenen und hier allein zu prüfenden Gründen hat der Kläger die von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO nicht aufgezeigt.

Das Rechtsmittelvorbringen begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Kläger beruft sich darauf, dass § 20 Abs. 2 Nr. 5 WPO anders als die entsprechenden Regelungen in der Bundesrechtsanwaltsordnung (§ 14 Abs. 2 BRAO) und dem Steuerberatergesetz (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG) keine Vermutungsregelung dahingehend beinhalte, dass mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ungeordnete Vermögensverhältnisse vorlägen. Da es in der Wirtschaftsprüferordnung an einer entsprechenden Vermutungsregelung fehle, hätte das Verwaltungsgericht prüfen müssen, ob durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ungeordnete wirtschaftliche Verhältnisse ohne weiteres gegeben seien. Dieser Einwand ist schon deshalb nicht geeignet, die Richtigkeit des angefochtenen Urteils ernstlich in Zweifel zu stellen, weil auch das Verwaltungsgericht von einer derartigen Vermutungsregel nicht ausgegangen ist. Vielmehr hat es seine Annahme, der Kläger befinde sich in nicht geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen, darauf gestützt, dass infolge seiner erheblichen Verbindlichkeiten (etwa 3,5 Mio. Euro) und der vergleichsweise geringen Einkunfts- (geschätzter Nacherwerb von 28500 Euro jährlich) und Vermögenspositionen (30000 Euro) eine Rückführung der Zahlungsverpflichtungen in einem überschaubaren Zeitraum ausgeschlossen erscheine. Damit hat das Verwaltungsgericht keine Vermutungsregel zu Grunde gelegt, sondern eine Einzelfallwürdigung vorgenommen. Soweit es auf das Insolvenzverfahren abgestellt hat, ist dies mit der Fragestellung geschehen, ob es insbesondere unter dem Aspekt einer eventuellen (Rest-)Schuldbefreiung die Wiederherstellung geordneter Vermögensverhältnisse erwarten lässt. Dies hat das Verwaltungsgericht mit der Begründung verneint, dass selbst nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung weder ein Insolvenzplan vorgelegt geschweige denn von den Gläubigerbanken angenommen oder vom Gericht bestätigt worden sei. Dem entsprechend sei der Ausgang des Insolvenzverfahrens auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch völlig ungewiss gewesen. Hiergegen trägt der Kläger in der Begründung seines Zulassungsantrags lediglich vor, dass der Insolvenzverwalter "derzeit" einen Insolvenzplan gemäß § 217 InsO erarbeite. Dieser nachträglich eingetretene Umstand begründet ebenfalls keine ernstlichen Richtigkeitszweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, denn bei dem Widerruf der Bestellung als vereidigter Buchprüfer handelt es sich um einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt, für dessen gerichtliche Beurteilung es auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens ankommt (vgl. Beschluss des OVG Münster vom 20. Mai 2003 € 4 A 1673/02 €; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26. August 1997 € 1 C 1.96 €, jeweils bei JURIS).

Ferner macht der Kläger gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend, es liege keine Gefährdung von Mandanteninteressen vor. Die Rechtsprechung stelle bei der Prüfung der Gefährdung der Interessen der Auftraggeber und Dritter regelmäßig darauf ab, dass der Berufsträger angesichts der Finanznot dazu neigen könne, unzulässige oder überhöhte Gebührenforderungen geltend zu machen und die weitere Gefahr bestehe, dass er, um möglichst große Umsätze zu erzielen, Mandate übernehme, denen er wegen des Umfangs der rechtlichen Schwierigkeiten und/oder der Zahl der Fälle nicht ausreichend gewachsen sei. Da er ohnehin nur über den pfändungsfreien Teil seines Vermögens verfügen könne, bestehe eine solche Besorgnis nicht. Diesem Einwand ist nicht zu folgen, weil das potentielle Interesse des Klägers an der Verminderung seiner Schulden auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortbesteht. Im Übrigen handelt es sich nach der Formulierung des § 20 Abs. 2 Nr. 5 WPO ("es sei denn") um eine Ausnahme, sodass grundsätzlich den Kläger die Darlegungslast trifft, dass eine Interessengefährdung nicht vorliegt (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 9. Februar 2001 € 4 A 5645/99 € bei JURIS). Für diese Darlegung genügt der Hinweis auf eine langjährige beanstandungsfreie berufliche Tätigkeit nicht.

Der Zulassungsantrag zeigt auch keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf. Die sinngemäß aufgeworfene Frage, ob ungeordnete wirtschaftliche Verhältnisse im Sinne des § 20 Abs. 2 Nr. 5 WPO auch dann vorliegen, wenn ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und sich ein Insolvenzplan in der "Aufstellungsphase" befindet, ist nicht klärungsbedürftig, weil die Wirkungen eines Insolvenzplans erst mit dessen Rechtskraft eintreten (§ 254 Abs. 1 Satz 1 InsO).

Dem Prozesskostenhilfegesuch kann nicht entsprochen werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den angeführten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§§ 166 VwGO, 114 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 3, 25 Abs. 2 Satz 2 GKG. Der Senat bemisst das Interesse an der Anfechtung des Widerrufs der Bestellung zum Wirtschaftsprüfer mangels näherer Anhaltspunkte regelmäßig mit 10000 EUR (vgl. Beschluss vom 1. November 2002 € OVG 1 L 25.02). Die Besonderheiten des vorliegenden Falls (Widerruf der Bestellung zum vereidigten Buchprüfer) rechtfertigen keine abweichende Bewertung.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.






OVG Berlin-Brandenburg:
Beschluss v. 27.05.2004
Az: 1 N 8.04


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