Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Juni 2010
Aktenzeichen: 15 W (pat) 26/08

(BPatG: Beschluss v. 28.06.2010, Az.: 15 W (pat) 26/08)

Tenor

I. Der Beschluss der Patentabteilung 25 des Deutsche Patentund Markenamts vom 30. Januar 2008 wird aufgehoben.

II. Das Verfahren wird zur weiteren Bearbeitung an das Deutsche Patentund Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I.

Der Antragsteller hat am 18. März 2004 ein Patent angemeldet, das ein Verfahren und eine Vorrichtung zur ... ... betrifft. Die Anmeldegebühr ist am 14. Mai 2004 bezahlt worden.

Mit Schriftsatz vom 19. Januar 2005 hat sich für den Patentanmelder ein anwaltlicher Vertreter bestellt, er hat "Verfahrenskostenhilfe gemäß § 130 PatG" beantragt und um seine Beiordnung als Verfahrensbevollmächtigter gemäß § 133 PatG gebeten. Dem Schriftsatz beigefügt war das ausgefüllte Formblatt über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers.

Mit Schreiben vom 26. Januar 2005 hat die Patentabteilung des Deutschen Patentund Markenamts den Antragsteller darauf hingewiesen, dass derzeit keine Gebühren offen seien. Die Anmeldegebühr sei bereits bezahlt und ein Prüfungsantrag sei bisher nicht gestellt worden. Sollten die künftigen Jahresgebühren in die Verfahrenskostenhilfe einbezogen werden, so bedürfe es hierzu eines gesonderten Antrags. Es werde um Mitteilung gebeten, für welche Gebühren (Prüfungsantragsgebühr oder Jahresgebühren) die Verfahrenskostenhilfe beantragt werde und wie weiter verfahren werden solle. Dieses Schreiben, sowie mehrere Erinnerungsschreiben sind unbeantwortet geblieben.

Mit Beschluss vom 30. Januar 2008 hat die Patentabteilung den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, der Antragsteller habe es trotz mehrfacher Aufforderung versäumt, die fehlenden Angaben nachzureichen.

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt und nunmehr -ausdrücklich -Verfahrenskostenhilfe sowohl für die (zukünftige) Prüfungsantragsgebühr, als auch für die Jahresgebühren beantragt. Eine Begründung enthält die Beschwerde nicht.

In der Zwischenzeit sind vom Anmelder alle fälligen Jahresgebühren bezahlt worden, die vierte Jahresgebühr erst nach Gewährung von Wiedereinsetzung wegen Versäumnis der Zahlungsfrist.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist statthaft (§ 135 Abs. 3 PatG), gebührenfrei (Gebührenverzeichnis zu § 2 Abs. 1 PatKostG, GebVerz-Nr. Nr. 401 300) und auch im Übrigen zulässig.

Die Beschwerde führt zur Aufhebung des patentamtlichen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Patentamt ohne eigene Sachentscheidung des Gerichts (§ 79 Abs. 3 Nr. 1 PatG).

Der Antragsteller hat mit seinem Gesuch vom 19. Januar 2005 alle Voraussetzungen erfüllt, die für eine wirksame Antragstellung zur Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Patenterteilungsverfahren nach §§ 130, 135 Abs. 1 PatG notwendig sind. Nach § 135 Abs. 1 PatG muss der Antrag schriftlich eingereicht werden, aus ihm muss hervorgehen, für welches Verfahren die Verfahrenskostenhilfe beantragt wird und dem Antrag ist gemäß § 136 Satz 1 PatG i. V. m. § 117 Abs. 2 ZPO die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers beizufügen. Weitere Voraussetzungen oder Erklärungen, wie zum Beispiel die Angabe, für welche Gebühren und Auslagen Verfahrenskostenhilfe beantragt wird, sieht das Gesetz nicht vor.

Die Verfahrenskostenhilfe soll demjenigen, der nur über eine geringe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfügt, einen ebensolchen Rechtsschutz ermöglichen wie dem finanziell Bemittelten. Die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe gemäß § 129 ff. PatG bewirkt nicht nur, dass die bei Nichtzahlung einer Gebühr vorgesehenen Rechtsfolgen nicht eintreten (§ 6 Abs. 2 PatKostG), sondern sie führt insbesondere auch zu einer Gebührenbefreiung für alle ansonsten gebührenabhängigen Handlungen der Behörde oder des Gerichts (Busse Patentgesetz 6. Auflage § 130 Rdn. 39, 40). Hierzu zählen beim Patenterteilungsverfahren unter anderem die Anmeldegebühr nach § 34 PatG, GebVerz-Nr. 311 000, Nr. 311 050 und Nr. 311 100, die Recherchegebühr nach § 43 PatG, GebVerz-Nr. 311 200, die Gebühr für das Prüfungsverfahren nach § 44 PatG, GebVerz-Nr. 311 300, aber auch die eher selten anfallenden Gebühren wie die Weiterbehandlungsgebühr nach § 123 a PatG, GebVerz-Nr. 313 000, oder die Recherchegebühr für ein erstrecktes Patent nach § 11 ErstrG, GebVerz-Nr. 314 200. Daneben können im Verlauf des Erteilungsverfahrens weitere Kosten entstehen. Wird zur Aufklärung des Sachverhalts eine Anhörung gemäß § 46 PatG angeordnet, können Kosten für deren Durchführung anfallen, so zum Beispiel die Fahrtund Übernachtungskosten für den Patentanmelder oder die Entschädigung für die Anreise von Zeugen (§§ 46, 128 a PatG in Verbindung mit dem Justizvergütungsund -entschädigungsgesetz), oder, soweit die Erstellung eines Sachverständigengutachtens sachdienlich ist, die Vergütung für den Sachverständigen. Ebenso wie im Zivilprozess stehen Art und Umfang dieser Kosten zu Beginn des Verfahrens nicht fest. Da die Behörde oder das Gericht jedoch erst tätig wird, wenn der entsprechenden Auslagenvorschuss geleistet ist (§ 5 Abs. 1 Satz 1 PatKostG; § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i. V. m. § 379 ZPO, § 122 Abs. 1 ZPO), verlangt eine effektive Rechtsgewährung, dass der Antrag auf Verfahrenskostenhilfe möglichst frühzeitig und bereits zu einem Zeitpunkt gestellt wird, an dem der Umfang der voraussichtlich entstehenden Kosten allenfalls geschätzt werden kann. Nur so ist gewährleistet, dass das Verfahren ohne Zeitverzögerung und unabhängig von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Antragstellers durchgeführt wird.

Der patentamtliche Beschluss hingegen erweckt den Anschein, als könnte Verfahrenskostenhilfe nur für bestimmte und womöglich sogar nur für bereits fällige Gebühren beantragt werden. In dem Schreiben vom 26. Januar 2005 hat das Patentamt ausdrücklich darauf hingewiesen, dass "zur Zeit keine Gebühren" anfallen, für die Verfahrenskostenhilfe beantragt werden könne. Diese Ansicht findet im Gesetz keine Stütze.

Verfahrenskostenhilfe wird für das jeweilige Verfahren gewährt und nicht für die jeweiligen im Verfahren entstandenen Gebühren oder Auslagen. Lediglich die Jahresgebühren sind nicht automatisch Gegenstand eines Verfahrenskostenhilfeantrags, sie müssen vielmehr, da es sich nicht um unmittelbare Verfahrensgebühren handelt, nach § 130 Abs. 1 Satz 2 PatG gesondert beantragt werden. Im Übrigen handelt es sich bei dem Patenterteilungsverfahren um ein einheitliches Verfahren, das von der Anmeldung des Patents bis zu dessen Erteilung oder der Zurückweisung der Anmeldung reicht. Über die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe wird daher in der Regel in einem einzigen Beschluss entschieden (Schulte Patentgesetz 8. Auflage § 130 Rdn. 5). Zwar kann Verfahrenskostenhilfe auch für einen einzelnen Verfahrensschritt, z. B. für das Prüfungsverfahren, beantragt werden, dies muss jedoch aus dem Antrag unmittelbar hervorgehen. Ist ein Antrag, wie hier, allgemein formuliert, so umfasst er zumindest sämtliche im Verlauf des Patenterteilungsverfahrens zum Zeitpunkt der Antragstellung rückständigen und in Zukunft entstehenden Gebühren und Auslagen (§ 130 Abs. 2 Satz 2 PatG i. V. m. § 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Der Regelungsgehalt der Verfahrenskostenhilfe umfasst also sämtliche Tatbestände, die im Verlauf des jeweiligen Verfahrens gebührenund kostenmäßige Auswirkungen haben können.

Hier wurde "Verfahrenskostenhilfe nach § 130 PatG" beantragt, was bedeutet, dass der Antragsteller jedenfalls um die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für alle Kosten nachsucht, die im Verlauf des Patenterteilungsverfahrens entstehen können. Ob dieser Antrag darüber hinaus auch einen Antrag auf Übernahme der Jahresgebühren nach § 130 Abs. 1 Satz 2 PatG beinhaltet, braucht hier nicht entschieden zu werden, denn der Kerngehalt des Antrags, nämlich das Ersuchen um Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe für das laufende Patent-Erteilungsverfahren, war unzweideutig. Es spricht jedoch vieles dafür, dass mit diesem Antrag auch die zukünftigen Jahresgebühren umfasst sein sollten. Zum einen regelt § 130 Abs. 1 PatG die Verfahrenskostenhilfe sowohl für die Verfahrenskosten (§ 130 Abs. 1 Satz 1 PatG) als auch für die Jahresgebühren (§ 130 Abs. 1 Satz 2 PatG), zum anderen hat der Antragsteller durch sein Gesuch um die die Beiordnung eines Patentanwalts nach § 133 PatG erkennen lassen, dass es ihm um einen möglichst umfassenden Verfahrenskostenhilfeschutz für das Patenterteilungsverfahren geht. Dass die beiden Anträge für das Verfahren und die Jahresgebühren nicht in einem einzigen Antrag zusammengefasst sein könnten, ergibt sich aus dem Gesetz nicht. Bei dieser Sachlage hätte die Prüfungsstelle des Patentamts, ausgehend von erkennbar wesentlichen Inhalt des Antrags, zunächst über die Frage der Verfahrenskostenhilfe für das Verfahren und gegebenenfalls über die Beiordnung eines anwaltlichen Vertreters entscheiden müssen. Bei Stattgabe dieser Anträge hätte sodann ohne weiteres die Frage geklärt werden können, ob darüber hinaus Verfahrenskostenhilfe auch für die Jahresgebühren begehrt wird.

Der Beschwerdeführer hat nunmehr ausdrücklich Verfahrenskostenhilfe für die Prüfungsgebühr und die Jahresgebühren beantragt. Die Prüfungsstelle hat in der Sache selbst noch nicht entschieden (§ 79 Abs. 3 Nr. 1 PatG), sodass die Streitsache ohne eigene Sachentscheidung zurückzuverweisen war. Nunmehr kann unter Berücksichtigung der weiteren Voraussetzungen für die Verfahrenskostenhilfe über den Antrag entschieden werden.

Feuerlein Schwarz-Angele Zettler Lange Bb






BPatG:
Beschluss v. 28.06.2010
Az: 15 W (pat) 26/08


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