Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Februar 2000
Aktenzeichen: 17 W (pat) 18/99

(BPatG: Beschluss v. 15.02.2000, Az.: 17 W (pat) 18/99)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung ist am 22. Januar 1997 beim Deutschen Patentamt mit der Bezeichnung

"Verfahren und Anordnung zur Verfolgung und Kontrolle der Auslieferung und/oder Abholung von Waren/Warenbehältern"

eingereicht worden.

Die Prüfungsstelle für Klasse G07C des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluß vom 26. Februar 1999 mangels erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie verfolgt ihre Anmeldung auf der Grundlage der am 14. April 1999 eingereichten und gemäß Sitzungsprotokoll fehlerbereinigten Ansprüche 1 bis 9 weiter.

Der Anspruch 1 lautet:

"Verfahren zur Verfolgung und Kontrolle der Auslieferung und/oder Abholung von Waren/Warenbehältern (221a, 221b, 222a, 22Na,22Nb, 22Nc,...),gekennzeichnet durch die nachstehenden Schritte:

a) Übernehmen eines mobilen Datenterminals (1) in einer Zentrale (28), wobei das mobile Datenterminal (1) einen integrierten Barcodescanner (10) besitzt, mit dem die für die Verfolgung und Kontrolle erforderlichen Daten eingelesen werden;

b) Einlesen der in Form eines Barcodes vorliegenden Daten eines die Abholung oder Auslieferung durchführenden Fahrers (24), eine Tour und eines dazu benutzten Transportfahrzeugs (26);

c) Speichern der in Schritt b) eingelesenen Daten in einem Speicher des mobilen Datenterminals (1) und Anzeigen der in Schritt b) eingelesenen Daten in lesbarer Form;

d) Einlesen der Barcodes der Waren/Warenbehälter (221a, 221b, 222a, 22Na,22Nb, 22Nc,...), die auf einer Tour ausgeliefert werden; Überprüfen der eingelesenen Daten auf Zugehörigkeit zur vorbestimmten Tour und Speichern der Daten bei Übereinstimmung im Speicher des mobilen Datenterminals (1);

e) Anfahren sämtlicher Kunden (201, 202, ...., 20N) der Tour und Einlesen bei jedem Kunden die in Form eines Barcodes vorliegenden Daten dieses Kunden und der bei diesem abzuholenden oder zuzustellenden Waren/Warenbehälter, wobei gleichzeitig das Datum und die Uhrzeit erfaßt werden;

f) Speichern der in Schritt e) eingelesenen Daten und des Datums und der Uhrzeit im Speicher des mobilen Datenterminals (1) und Anzeigen der in Schritt e) eingelesenen Daten in lesbarer Form auf einem Display (4) des mobilen Datenterminals (1); undg) Übertragen der Daten bei Beendigung der Tour aus dem Speicher des mobilen Datenterminals (1) an ein Datenverarbeitungssystem (29) in der Zentrale (28)."

Zur Begründung ihrer Beschwerde trägt die Anmelderin vor, daß aus dem im bisherigen Verfahren herangezogenen Stand der Technik zwar die im Anspruch 1 enthaltenen Merkmale teilweise bekannt seien, daß jedoch der durch die Gesamtheit der Anspruchsmerkmale charakterisierte Gegenstand neu und erfinderisch sei. Mit diesem Gegenstand sei nämlich eine genaue Überwachung des Warenverkehrs möglich. Dieses vermöge der angesprochene Stand der Technik nicht zu leisten.

Die Anmelderin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 9, eingegangen am 14. April 1999, mit der Maßgabe, daß es in Anspruch 1 im Merkmal f) in der ersten und dritten Zeile statt "Schritt d" heißt "Schritt e", sowie daß im Anspruch 7 in der zweiten Zeile vor den Worten "die Anordnung" das Wort "wobei" eingefügt wird, daß es in Zeile 5 "bestimmter" und "Funktionen" heißt, und daß in der vorletzten Zeile hinter "Barcodes" eingefügt wird "des Fahrers, des Fahrzeugs, der Tour, des Kunden und der Waren/Warenbehälter", und nach "darstellbar" das Wort "sind" eingefügt wird, sowie daß im Anspruch 9 in der ersten Zeile nach "daß die " eingefügt wird "Übertragung der";

Beschreibung Seite 2, eingegangen am 29. Januar 1999, Seite 3, eingegangen am 23. Januar 1998 sowie ursprünglich eingereichte Seiten 1 und 4 bis 15, ursprünglich eingereichte 7 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 8b.

II.

Die in rechter Frist und Form eingelegte Beschwerde ist unbegründet, da der beanspruchte Gegenstand nicht patentfähig ist, §§ 1 Abs.1, 4 PatG.

Der Anspruch 1 betrifft ein Verfahren zur Verfolgung und Kontrolle der Auslieferung und/oder Abholung von Waren/Warenbehältern.

Im Anspruch 1 sind demnach drei Verfahrensvarianten enthalten:

1) Auslieferung von Waren/Warenbehältern an Kunden 2) Abholung von Waren/Warenbehältern an Kunden 3) Gemischtbetrieb.

Das Merkmal d) bezieht sich offenbar nur auf Maßnahmen, die mit der Auslieferung von Waren/Warenbehältern - d.h. der Verfahrensvariante 1) - in Verbindung stehen.

Von den im Prüfungsverfahren entgegengehaltenen Druckschriften ist die US 4 628 193 von besonderer Bedeutung.

In dieser Druckschrift wird ein Verfahren zur Verfolgung und Kontrolle der Auslieferung von Waren/Warenbehältern in Gestalt der Ausgabe von Medikamenten an Patienten in einem Hospital oder der Auslieferung von Paketen an Kunden beschrieben.

Hierbei findet - in Übereinstimmung mit Merkmal a) des Anspruchs 1 - ein mobiles Datenterminal 29 Verwendung, das einen integrierten Barcodescanner besitzt, mit dem die für die Verfolgung und Kontrolle der Auslieferung erforderlichen Daten eingelesen werden (Sp.3, Z.15-20; Sp.4, Z.11). Die Übernahme des mobilen Datenterminals in einer Zentrale, in der die auszugebenden Medikamente (Sp.4, Z.4-7) oder Pakete (Sp.5, Z.5) gelagert sind, ist als selbstverständlich anzunehmen.

In das mobile Datenterminal werden die Codes der Ausgabetour ("bed locations", Sp.3, Z.67; "recipient address", Sp.5, Z.8) und die Codes der auszugebenden Medikamente bzw. Pakete eingelesen. Außerdem findet eine Überprüfung der in dieses Terminal eingelesenen Daten in der Weise statt, daß anhand einer datengleichen Tätigkeitsliste ("worklist") die mit Codierungen versehenen Medikamente für die Ausgabe zusammengestellt werden (Sp.3, Z.64 bis Sp.4, Z.7).

Es folgt das Anfahren der Patienten bzw. Kunden und das Einlesen sowie Speichern der in Form eines Barcodes vorliegenden Daten des jeweiligen Patienten bzw. Kunden und der an diesen abzugebenden Medikamente bzw. Pakete, wobei gleichzeitig Datum und Uhrzeit erfaßt werden (Sp.4, Z.6-18; 28, 29; 39-41; Sp.5, Z.13-27). Nach Beendigung der Medikamentenausgabe bzw. der Paketaushändigung wird der Dateninhalt des Speichers des mobilen Datenterminals an ein Datenverarbeitungssystem in der Zentrale übertragen (Sp.3, Z.41-44; Sp.4, Z.53-55; Sp.5, Z.27-31). Zum mobilen Datenterminal gemäß US 4 628 193 gehört außerdem ein Display 3, das die Anzeige von eingelesenen Daten ermöglicht (Fig.1; Sp.3, Z.44-47). Demnach sind bei diesem aus der US 4 628 193 bekannten Verfahren mit Ausnahme der in den Merkmalen b) sowie c) enthaltenen Einlesung und Speicherung von Fahrer und Transportfahrzeug sowie der in Merkmal d) angegebenen Speicherung bei Datenübereinstimmung alle sonstigen Merkmale des Anspruchs 1 realisiert.

Die aufgezeigten Unterschiede begründen jedoch keine erfinderische Tätigkeit. Mit dem bekannten Verfahren wird nämlich das Ziel hoher Genauigkeit und Zuverlässigkeit bei der Medikamentenauslieferung bzw. Paketaushändigung angestrebt (Sp.4, Z.59 bis Sp.5, Z.4; Sp.5, Z.27). Sollten die bereits vorgesehenen Maßnahmen zur Verfolgung und Kontrolle dieser Auslieferung noch nicht genügen, so wird der Fachmann entsprechende Ergänzungen vorsehen. Es ist für den Fachmann - einem FH-Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik/Elektronik mit Kenntnissen in der Logistik - ohne weiteres einsichtig, daß beispielsweise die zusätzliche datentechnische Erfassung der mit der Auslieferung betrauten Person und des Überprüfungsergebnisses der auszuliefernden Medikamente bzw. Pakete geeignet ist, Verfolgung und Kontrolle der Auslieferung zu verbessern. Auch die Hinzunahme des beteiligten Fahrzeuges im Rahmen dieser datentechnischen Erfassung verlangt vom Fachmann nur übliches Handeln. Folglich bedarf es keiner erfinderischen Tätigkeit, um in Kenntnis der US 4 628 193 zu dem im Anspruch 1 enthaltenen Verfahren zur Verfolgung und Kontrolle der Auslieferung von Waren/Warenbehältern zu kommen.

Die im Anspruch 1 angegebene Verfahrensvariante zur Verfolgung und Kontrolle der Abholung von Waren/Warenbehältern beruht gegenüber der US 4 628 193 ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

In dieser Druckschrift wird nämlich ein solches Verfahren in Gestalt der Abholung von Blutproben von Patienten beschrieben. Hierzu dient eine Liste über die aufzusuchenden Patienten, d.h. die Vorgabe einer "Tour" (Merkmal b), die im mobilen Datenterminal eingeschrieben ist und am dortigen Display auch darstellbar ist (Sp.5, Z.39-42 und Z.59-61). Die weiteren in den Merkmalen a) bis c) enthaltenen Verfahrensschritte sind aus den bereits zur Verfahrensvariante "Auslieferung von Waren/Warenbehältern" genannten Gründen als vom Fachmann ohne weiteres anwendbar anzusehen. Merkmal d) bezieht sich nur auf die Auslieferungsvariante und gehört demzufolge für die Abholungsvariante nicht zur auf Erfindungshöhe zu prüfenden Lehre des Anspruchs 1.

Die nach den Merkmalen e) bis g) vorgesehenen Maßnahmen sind auch beim bekannten Abholverfahren gegeben.

Es ist nämlich dort an Schritten vorgesehen - Anfahren sämtlicher Patienten der Tour (Sp. 5,Z.39-42; Sp.6, Z.14,15)

- Einlesen und Speichern bei jedem Patienten die in Form eines Barcodes auf einem Armband vorliegenden Daten dieses Patienten mit Erfassung der Zeit (Sp.5, Z.49-55, 58, 59),

- Einlesen und Speichern der abzuholenden Waren (Sp.6, Z.19-27),

- Anzeigen der eingelesenen Daten auf einem Display (Sp.3, Z.43-47),

- Übertragen der Daten bei Beendigung der Tour an ein Datenverarbeitungszentrum in der Zentrale (Sp.5, Z. 64-67).

Das im Anspruch 1 enthaltene Verfahren zur Verfolgung und Kontrolle der Auslieferung und Abholung von Warenbehältern umfaßt alle bisher in Verbindung mit der "Auslieferungs"- bzw. "Abholungs"-Variante betrachteten Merkmale. Da zu dieser Merkmalsaddition synergistische Effekte weder vorgetragen wurden noch ersichtlich sind, beruht auch die auf den Auslieferungs- und Abholungsbetrieb sich beziehende technische Lehre des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der Anspruch 1 ist demzufolge mangels Erfindungshöhe seines Gegenstandes nicht gewährbar.

Auch das anmelderseitig vorgebrachte Argument bezüglich der durch die beanspruchte Lehre gegebenen Möglichkeit der genauen Überwachung des Warenverkehrs führt zu keiner anderen Beurteilung. Es wird nach der beanspruchten Lehre "bei Beendigung der Tour" der über diese Tour im mobilen Datenterminal gespeicherte Dateninhalt in das zentrale Datenverarbeitungssystem übertragen, wodurch dann die geltend gemachte Warenverkehrskontrolle ermöglicht wird. Derselbe Vorgang der Datenübertragung in die Zentrale am Ende der jeweiligen Auslieferungs- bzw. Abholungstour findet auch nach der Lehre der US 4 628 193 statt, wodurch auch dieselbe Möglichkeit zur Kontrolle des entsprechenden Warenverkehrs eröffnet ist.

Demzufolge läßt sich aus diesem Sachverhalt kein Argument zur Stützung der Erfindungshöhe des beanspruchten Gegenstandes ableiten.

Da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann, sind auch die Unteransprüche 2 bis 6 und der Nebenanspruch 7 mit den Unteransprüchen 8 und 9 nicht gewährbar (BGH in GRUR 1997, 120).

Grimm Prasch Püschel Schuster Pr






BPatG:
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Az: 17 W (pat) 18/99


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