Oberlandesgericht Hamburg:
Beschluss vom 5. November 2012
Aktenzeichen: 3 W 18/12

(OLG Hamburg: Beschluss v. 05.11.2012, Az.: 3 W 18/12)

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg, KfH 7, vom 11.01.2012 (Az. 407 HKO 2/12) abgeändert.

Im Wege der einstweiligen Verfügung € der Dringlichkeit wegen ohne vorherige mündliche Verhandlung € wird dem Antragsgegner bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,00; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) verboten,

im geschäftlichen Verkehr für das Verfahren der Manuellen Medizin zu werben, insbesondere für das Verfahren €Manuelle Medizin/Osteopathie€, zur Diagnose und Behandlung des KISS- und/oder des KIDD-Syndroms wie folgt zu werben:

1.

Betrachten sie die Manuelle Medizin von zwei Seiten. Sie kommen dabei zu völlig verschiedenen Einschätzungen. Von mir aus gesehen ist diese Art der ärztlichen Tätigkeit eine wunderbare und umfassende Variante, die mir erlaubt, weit von einander entfernte Fachgebiete zu betreuen, wie zum Beispiel das Fachgebiet HNO (Schwindel/Ohrgeräusche/Sprachstörungen), der Neurologie (Kopfschmerzen/Nervenschmerzen unklarer Zuordnung), der innere Medizin (Pseudoangina pectoris, vegetative Dystonie), der Zahn- und Kieferheilkunde (Zervikokraniale und zervikofaziale Dysfunktionen/Schmerzen im Bereich der Kiefer- Gesichts und Zervikalregion) und das wichtigste und sozialmedizinisch herausragende Betätigungsfeld der Pädiatrie (Säuglingskoliose, Schreikinder, Schädelasymmetrie, unklare Entwicklungsverzögerung, später motorische und sensorische Auffälligkeiten) ,

und/oder

2.

€KISS/KIDD - hat mein Kind etwas furchtbares€

... Die Kopfgelenk induzierte Symmetriestörung ... ist eine funktionelle Störung. Ohne Behandlung tritt oft eine mehr oder weniger gute Kompensation durch die Natur ein. Ihr Kind wird deswegen nicht kürzer leben oder offensichtlich behindert sein.

Aber Kompensation ist immer die schlechtere Alternative. Kompensation bindet Ressourcen, die dem Körper Ihres Kindes dann für andere Aufgaben fehlen und die normale Entwicklung verzögert oder stört€,

und/oder

3.

KISS- Kopfgelenk induzierte Symmetrie Störung

Mein Kind zeigt typische Merkmale einer Asymmetrie: Schiefhaltung des Kopfes, Gesichtsasymmetrie, unterschiedliche Benutzung von Armen und Beinen ...

Sie haben ein Asymmetrie-Problem bei Ihrem Kind bemerkt, das Ihnen als auffällig erscheint, und sie wissen nicht, ob und wie ihm geholfen werden kann oder muss€ ...

Ergänzend möchte ich Ihnen im folgenden einige Erläuterungen zur Diagnose und Therapie eine Symmetriestörung der oberen Halswirbelsäule geben.

Wir haben im Laufe der Jahre gemerkt, dass viele Symmetrieprobleme von Kleinkindern sich durch die angepasste Behandlung der oberen Halswirbelsäule günstig beeinflussen lassen ...

Inzwischen sind mehr als 30.000 Babys im Alter unter 2 Jahren behandelt. Auf der Basis der Auswertung dieser Krankengeschichten können wir einige allgemein gültige Aussagen treffen: Im Vordergrund stehen bei den Kopfgelenk induzierten Symmetrie Störungen (kurz KISS) Schiefhals, Überstreckung im Rücken, Gesichtsasymmetrie und unterschiedliche Benutzung von Armen und Beinen. Wir wissen im Einzelfall nie genau, wie viel wir durch die Behandlung der oberen Halswirbelsäule bessern können, doch bei über zwei Drittel der Kinder genügt eine einzige Behandlung, um einen durchgreifenden Erfolg zu erzielen oder eine später noch nötige Krankengymnastik bedeutend zu vereinfachen€,

und/oder

4.

€Risikofaktoren für die Auslösung einer Funktionsstörung der Kopfgelenke

Der Vergleich unserer kleinen Patienten mit Gesamtstatistiken lehrte uns, dass eine lange bzw. erschwerte Geburt mit der Hilfe einer Saugglocke, einer geburtshilflichen Zange oder einem Notfall-Kaiserschnitt ursächlich mit einer Asymmetrie-Symptomatik zusammenhängen können. Auch Schieflagen im Mutterleib (Steißlage, Becken-Endlage) sind als Risikofaktoren ernst zu nehmen. Dazu passt die Beobachtung, dass Zwillinge in dieser Gruppe häufiger als es dem statistischen Durchschnitt entspräche, zu finden sind. Die Genetik spielt eine größere Rolle, als noch vor 10 Jahren vermutet. Der Embryologe und Anatom Prof. Dr. Christ führt aus, das Zellen, aus denen die gesamte Wirbelsäule entsteht, streng seitig im Verhalten sind ...

Die Asymmetrien der Anatomie werden also oft vererbt ...€,

und/oder

5.

€Welche Auffälligkeiten berichten uns die Eltern€

Schiefhaltung des Kopfes bis zur Zwangshaltung

Kopfhalteschwäche und/oder ausgeprägte Kopfrückbeuge

Einseitige Schlafhaltung des Kindes

Asymmetrie der Bewegungen von Armen und Beinen

Einseitige Haltung des Rumpfes

Reifungsprobleme der Hüftgelenke

oft einseitig Fehlstellungen der Füßchen, bis hin zum Sichelfuß

Schlafstörungen

Schreien im Schlaf

€Haare-Raufen€

hohe Tastempfindlichkeit des Nackens

Schädelasymmetrie im Gesicht und/oder am Hinterkopf

Was finden wir als Ärzte€

Auch andere Symptome haben wir bei unseren kleinen Patienten gehäuft beobachtet (und natürlich auch deren Verschwinden nach der Behandlung). Dazu gehören Schlafstörungen, Trinkstörungen, häufiges nächtliches Weinen, motorische Unruhe, einseitiges Bewegen der Extremitäten und des Rumpfes, unklares Fieber und anderes. Diese Beschwerden können andere Ursachen haben. Wir nutzen unsere große Erfahrung, um die, wie wir sagen Differentialdiagnose zu beachten. Wenn Sie unmittelbar im Anschluss an die Behandlung beobachten, dass sich hier etwas ändert, verbessert oder verschwindet, spricht das natürlich für einen Zusammenhang, die Diagnose muss also richtig gewesen sein€,

und/oder

6.

€Ein wichtiges Zeichen der von der Halswirbelsäule kommenden Beschwerden ist die Rückbeuge des Kopfes, eine Schonhaltung für diesen Abschnitt; ein Vorwärtskrümmen der Wirbelsäule wird vermieden. Deshalb sitzen diese Kinder ungern, und auch das Krabbeln wird eher vermieden; sie stehen oft schon sehr früh und wollen sich überall hochziehen ... Nach der Behandlung sollte sich auch diese Bewegungseinschränkung normalisieren€,

und/oder

7.

€Bei Eltern, die den dramatischen Besserungseffekt der Impulsbehandlung miterlebt haben, entsteht manchmal eine Überbesorgtheit. Jede kleine Haltungsstörung treibt sie zum Arzt. Man sollte da nicht übertreiben ...€,

und/oder

8.

€Nochmalige Kontrolle vor der Einschulung

Bitte bringen Sie Ihr Kind spätestens vor der Einschulung nochmals zur Untersuchung zu uns ... um die Halswirbelsäule kontrollieren zu lassen. An diesem einschneidenden Übergang vom freien Spielen zu überwiegendem Sitzen kommt es leicht zu durch Haltung bedingten Beschwerden, die bei Kindern nur schwer als solche zu erkennen sind€,

und/oder

9.

€KIDD- Kopfgelenk induzierte Dyspraxie und Dysgnosie

Mein Kind verhält sich so anders - es ist auffallend ungeschickt, sehr unkonzentriert, auffallend ungeduldig oder gar aggressiv, es ist ein Außenseiter bei anderen Kindern. Koordinationsschwierigkeiten, Kopfschmerzen und Haltungsprobleme sind hier ebenfalls Thema€,

und/oder

10.

€Ein Kind, das - oft schon in der Säuglingszeit -seinen Hals nicht frei bewegen kann, wird dies mit dem Thorax auszugleichen versuchen. Meist ist für Außenstehende kaum sichtbar, das die Mobilität des Halses eingeschränkt ist. Die Koordination von Auge und Hand, das Gleichgewicht halten und ganz allgemein die Orientierung im Raum hängen aber ganz wesentlich von diesem Bereich ab. Wenn hier eine Fehlfunktion stört, hat das Kind mit vielem Schwierigkeiten. Hier scheint die Verbindung zur Wirbelsäule nicht offensichtlich€,

und/oder

11.

€Auffälligkeiten, die fast jedes Kind einmal hat, aber nur in Kombination von Bedeutung sind Balancieren, Fahrradfahren, Stelzenlaufen, werden nur schwer erlernt.

Durch fehlende Sicherheit haben diese Kinder Höhenangst und fürchten sich vor neuen ungewohnten Situationen.

Schlechtere Koordination führt dazu, das sie ungeschickt sind, €wie ein Tölpel€. Das Kind wird von den Erwachsenen gescholten und von den Spielkameraden gehänselt.

Wenn man sich räumlich schlecht orientieren kann, hat man auch mit dem Hören Probleme, da dann das Ausfiltern unwichtiger Nebengeräusche erschwert wird. Deshalb wirken solche Kinder unkonzentriert.

Von der räumlichen Orientierung ist es nur ein kleiner Schritt zum Zahlenraum d.h. dem mathematischen Verständnis.

Wenn man immer wieder an den kleinen Aufgaben des Alltags scheitert, ist schon ein Erwachsener frustriert und reizbar; Kinder um so mehr. Sie reagieren ungeduldig, aggressiv.

Die Wahrnehmungsstörungen behindern auch das Erlernen des emotionalen Kodes, also die Fähigkeit, die Signale der Mitmenschen wahrzunehmen und richtig zu deuten. Das führt dazu, dass die emotionale Intelligenz herabgesetzt ist und die soziale Integration leidet. Die Kinder können mit ihren Emotionen schlecht umgehen, sie benutzen alle nur möglichen Fettnäpfchen, sie sind unbeliebt.

Zu langsam, zu ängstlich, zu tolpatschig: solche Kinder ziehen sich zurück, vermeiden Situationen, in denen sie ein Scheitern fürchten. So werden sie zu Einsiedlern, Eigenbrötlern,

Sie sehen an dieser Aufstellung, daß wir bei einem so breiten Spektrum natürlich sehr oft einen €Treffer€ haben. Fast alle Kinder passen irgendwann irgendwo in dieses Schema. Sie sehen aber auch, wie sich auf einfache motorische Probleme im Laufe der Zeit Schwierigkeiten bis in den Sozialbereich der Kinder aufpfropfen können.€,

und/oder

12.

€Findet man bei ... Kindern eine Funktionseinschränkung der Wirbelsäule ... ist eine weitere Diagnostik sinnvoll und nach Diagnosestellung KiDD ein probeweises Behandeln der beste Test ...€,

und/oder

13.

€Im Einzelfall ist es nie genau zu sagen, was und wie lange wir durch die manuelle Behandlung der Wirbelsäule bessern können, doch bei vielen Kindern stellt sich nach der Behandlung eine Normalisierung der Koordination und Haltung ein. Man kann folgende Hilfevorstellung dabei nutzen: Bei einem Kind liegt die therapeutische Kugel auf einem Berg, wir stoßen hier etwas an und die Bewegung (Entwicklung) läuft in die richtige Richtung. Wir schieben gewissermaßen nur die Normalisierung des Kindes (wieder) an.€,

und/oder

14.

€Hallo Dr. Koch!

Ich möchte mich bei Ihnen für mein neues Leben bedanken!

Endlich kann ich alles genauso gut wie meine Freunde und darüber bin ich super glücklich!!!

Meine Mutter und ich haben zusammen für Sie einen Bericht geschrieben, damit Sie wissen, wie schnell sich €unser€ Leben nach der Therapie verändert hat.

Warum musste ich 13 Jahre lang leiden€ Warum hat vor Ihnen kein Arzt bemerkt, was mir wirklich fehlt€

Vielen Dank für Ihre Hilfe!

Mir geht es endlich gut!

Gruß Torben

P.S. Anbei senden wir Ihnen 2 Berichte

- 1. Die Vorgeschichte

- 2. Das Wunder Atlastherapie ...€,

und/oder

15.

mit dem Beitrag:

15.1.

€Die Vorgeschichte"

"Epikrise Torben W., 13 Jahre, 6. Klasse"

"Das Wunder €Atlastherapie€,

(Anlage 1)

und/oder

15.2.

€Kopfgelenk induzierte Symmetrie Störung (KiSS) und Folgepathologien (KiDD)

Manuelle Therapie bei Kindern und Säuglingen

Von Dr. med. Lutz Erik Koch, Eckernförde€.

(Anlage 2)

und/oder

15.3.

€Kindliche Kopfschmerzen und KiSS

Gibt es eine Verbindung€

Von Lutz Erik Koch€,

(Anlage 3)

und/oder

15.4.

€Messmethode zur Darstellung der isolierten Kopfgelenkbeweglichkeit bei Kindern und Erwachsenen

Lutz Erik Koch, Heike Korbmacher,€

(Anlage 4)

und/oder

15.5.

€Warum Röntgen€

Geht es nicht auch so, schon wegen der Strahlenbelastung€

Ein Text von Lutz Erik Koch€,

(Anlage 5)

und/oder

15.6.

€Können Entwicklungsauffälligkeiten zukünftig Schulprobleme machen€

Was ist Normvarianz, was ist Pathologie in der kindlichen Entwicklung eines Vorschulkindes€

Ein Text nach dem Frühstück / Von Lutz Erik Koch€,

(Anlage 6)

und/oder

16.

€Warum ein kompensiertes KiSS-Problem Folgen haben kann

Die Fähigkeit, Defizite auszugleichen und abzumildern ist der menschlichen Spezies innewohnend. Ohne diese Fähigkeit und die enorme Anpassungsfähigkeit wären die Menschen nicht so dominierend auf diesem Planeten.

Kompensation ist allerdings immer ein Zustand, der Energie und Kapazität bindet. Kompensation ist wie eine Narbe: Es ist nur eine Reparatur, aber keine Heilung. Betrachtet man unter diesem Aspekt die Probleme der Kopfgelenk induzierten Symmetrie-Störung, wird besser verständlich, dass hier Handlungsbedarf besteht.

Warum ist aber nach der Behandlung und Normalisierung eines funktionellen Problems der Kopfgelenke oft auch noch mehr geschehen€ Diese Frage lässt sich vielleicht am besten mit einem einfachen, aber doch anschaulichen Modell beantworten:

Der kleine Flieger

Vereinfachungen sind immer problematisch. Aber sie haben den Vorteil, daß sie ein klares Bild erzeugen und falsche Vorstellungen und Erwartungen daher ausgeräumt werden.

Stellen Sie sich vor, der Patient ist ein Flugapparat, und das Zentralnervensystem (ZNS) ist der Pilot. Der Pilot steuert den Flieger durch die Luft (das ZNS den Menschen). Die Mechaniker haben beim Zusammenbau die Steuereinrichtungen des Fliegers zum Teil schief angebaut (hierher gehören dann die genetisch bedingten oder erworbenen Asymmetrien der Wirbelsäule, speziell in den Kopfgelenken). Eine solche Schiefheit (z. B. der Seitenruder an den Flügeln des Flugzeugs) bedingen jedoch keine instabile Fluglage - wenn die Seitenruder überhaupt funktionieren, kann der Pilot ( das ZNS) den Steuerknüppel etwas anders einstellen, und schon fliegt er ohne Korrektur und kann sich anderen Arbeiten zuwenden wie zum Beispiel der Navigation oder dem Funkverkehr.

Ist aber das Seitenruder verklemmt, muss der Pilot (das ZNS) ständig korrigierend eingreifen, damit die Fluglage stabil bleibt. Er kann seine sonstigen Aufgaben nur stark eingeschränkt ausüben!

Überträgt man dieses Beispiel auf den kleinen Menschen, der sich gegen die Schwerkraft behaupten muß und Bewegungsmuster und sensorische Informationen richtig verarbeiten soll, wird folgendes sichtbar:

Die ständige Kompensation eines funktionellen Problems im Rezeptorenfeld

Kopfgelenke frißt Kapazität.

Diese Kapazität fehlt oft anderswo, z. B. bei der längeren Konzentration, der Verarbeitung von Reizen des vestibulären oder visuellen Systems.

Wird hier Abhilfe geschaffen, wird die Funktion normalisiert, geht es oft an anderen Stellen besser. So ist die Verbindung zu Störungen von Teilleistungen des Gehirns vereinfacht erklärt.

Ich behandele also im Einzelfall immer nur die gestörte Funktion und das dazugehörige Rezeptorenfeld. Wenn dann mehr Kapazitäten für andere Tätigkeiten frei werden, ist dadurch die Verbesserung erreicht€,

jeweils wenn dies geschieht wie in der mit diesem Beschluss verbundenen Anlage A 1 wiedergegeben.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen, nach einem Streitwert von € 30.000,00.

Gründe

Die gemäß §§567 Abs. 1 Nr. 2, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 30. Januar 2012 gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 11. Januar 2012 ist begründet.

Der Antragsteller wendet sich mit der Beschwerde dagegen, dass das Landgericht seine Unterlassungsanträge zurückgewiesen hat, mit denen er ein Verbot der im Einzelnen genannten Abschnitte der aus der Anlage A 1 ersichtlichen Internetwerbung anstrebt.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.

I.

Ein Verfügungsgrund liegt gemäß § 12 Abs. 2 UWG vor.

Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in dringlichkeitsschädlicher Zeit gestellt hätte, bestehen nicht. Der insoweit darlegungs- und glaubhaftmachungspflichtige Antragsgegner hat nichts vorgetragen, was die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG widerlegen könnte.

Der Antragsteller hat vorgetragen und durch anwaltliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass er erstmalig am 15. Dezember 2011 Kenntnis von der streitgegenständlichen Werbung erlangt hat. Die nachfolgende Abmahnung stammt vom 20. Dezember 2011 (Anlage A 2). Der Verfügungsantrag ist am 6. Januar 2012 beim Landgericht Hamburg eingegangen. Diese zeitlichen Abläufe vermögen nicht zu belegen, dass der Antragsteller den monierten Internetauftritt des Antragsgegners bereits längere Zeit kannte, bevor er rechtlich dagegen vorgegangen ist. Die Dringlichkeitsvermutung ist somit nicht widerlegt.

II.

Der Antragsteller hat auch das Bestehen eines Verfügungsanspruchs hinreichend dargelegt.

1.

Der Antragsteller ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG antragsbefugt.

Hiernach steht der Unterlassungsanspruch solchen rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen zu, denen eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Damit sind solche Unternehmen gemeint, die dem Verletzer auf demselben sachlich und räumlich relevanten Markt als Wettbewerber begegnen, also um Kunden konkurrieren können (Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Auflage, 2012, § 8 Rn. 3.35). Als Unternehmen, deren Interessen von dem Verband wahrgenommen werden, können auch solche Unternehmen zu berücksichtigen sein, die Mitglied in einem Verband sind, der seinerseits Mitglied des klagenden Verbands ist (BGH GRUR 1999, GRUR 1999, 1116, 1118 - Wir dürfen nicht feiern; BGH GRUR 2003, 454, 455 - Sammelmitgliedschaft I; BGH GRUR 2005, 522 - Sammelmitgliedschaft II; BGH GRUR 2005, 689, 690 - Sammelmitgliedschaft III).

Der Begriff der Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art ist weit auszulegen. Die beiderseitigen gewerblichen Leistungen bzw. Dienstleistungen müssen sich ihrer Art nach so gleichen oder nahestehen, dass der Absatz des einen durch das wettbewerbswidrige Handeln des anderen beeinträchtigt werden kann. Erforderlich ist das Vorliegen eines abstrakten Wettbewerbsverhältnisses, wofür es ausreicht, dass eine nicht gänzlich unbedeutende (potenzielle) Beeinträchtigung mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit in Betracht gezogen werden kann (BGH GRUR 2006, 778 - Sammelmitgliedschaft IV; BGH GRUR 2000, 438 - Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge).

Der Antragsteller hat durch Vorlage seiner Mitgliederliste (Anlage A 10) sowie der eidesstattlichen Versicherung seiner Geschäftsführerin vom 2. März 2012 (Anlage A 11) glaubhaft gemacht, dass ihm u.a. die Ärztekammer Hamburg und die Ärztekammer Schleswig-Holstein angehören. Mithin sind auch deren Mitglieder, d.h. allein Hamburg und Schleswig-Holstein tätigen Ärzte zu berücksichtigen.

Dazu gehören insbesondere auch Ärzte, die ebenfalls Säuglinge und Kinder behandeln. Allerdings ist bei den relevanten Mitgliedern nicht nur auf Ärzte, die die Behandlung mit manueller Therapie (bei Kleinkindern und Säuglingen) anbieten, abzustellen, da den vom Antragsteller beschriebenen Symptomen unter Umständen auch gerade mit anderen Behandlungsmethoden begegnet wird, so dass eine Einschränkung auf bestimmte Fachbereiche der Medizin für die vorliegende Frage nicht in Betracht kommt.

So weist der Antragsgegner auf seiner Internetseite selbst ausdrücklich darauf hin, dass er weit entfernte Fachgebiete betreue, wie zum Beispiel das Fachgebiet HNO (Schwindel, Ohrgeräusche und Sprachstörungen), der Neurologie (Kopfschmerzen, Nervenschmerzen unklarer Zuordnung), der inneren Medizin (Pseudoangina pectoris, vegetative Dystonie), der Zahn- und Kieferheilkunde (zervikokraniale und zervikofaziale Dysfunktionen, Schmerzen im Bereich der Kiefer-, Gesichts- und Zervikalregion) und das wichtigste und sozialmedizinisch herausragende Betätigungsfeld der Pädiatrie (Säuglingsskoliose, Schreikinder, Schädelasymmetrie, unklare Entwicklungsverzögerung, reduzierte motorische und sensorische Fähigkeiten) (siehe Anlage A 1). Mithin steht er auch mit den Ärzten dieser Fachrichtungen im Wettbewerb.

2.

Der Antragsteller begehrt mit seinen erstinstanzlich gestellten Unterlassungsanträgen ein Verbot der konkreten Internetwerbung des Antragsgegners (Anlage A 1), allerdings nicht insgesamt, sondern beschränkt auf die in den Anträgen entweder wörtlich zitierten oder mit ihren Titeln bzw. Überschriften benannten Teile des Internetauftritts.

Der Senat versteht die Anträge dahin, dass diese sowohl alternativ als auch kumulativ geltend gemacht werden. Das ergibt sich aus unmittelbar aus der Anspruchsbegründung. Weiter ergibt sich aus der Antragsbegründung, dass der Antragsteller die Bewerbung der manuellen Medizin, insbesondere Osteopathie, nicht allgemein, sondern lediglich im Hinblick auf die Diagnose und Behandlung des KISS- bzw. KIDD-Syndrom angreift.

Der Senat hat daher den Unterlassungsantrag, in dem dies nicht hinreichend zum Ausdruck kam, zur Klarstellung entsprechend angepasst. Dies erfolgt gemäß § 938 ZPO kostenneutral.

3.

17Der streitgegenständliche Inhalt der Internetseite des Verfügungsbeklagten ist irreführend und verstößt damit gegen Wettbewerbsrecht, nämlich gegen §§ 3, 4 Nr. 11, 5 Abs. 1 UWG, 3 HWG.

a)

Bei den Darstellungen des Antragsgegners auf seiner Internetseite handelt es sich nicht nur um eine Darstellung aufklärenden Charakters. Vielmehr handelt es sich um Werbung für das durch ihn im Rahmen seiner Arztpraxis angewendete Verfahren der manuellen Medizin bei Symptomen, die er unter dem Oberbegriff KISS- bzw. KIDD-Syndrom zusammenfasst. Die Internetseite verweist eindeutig auf den Antragsgegner in seiner Eigenschaft als Arzt und auf seine Praxis, im Rahmen welcher er diese Therapieform anbietet und anwendet. Somit werden die streitgegenständlichen Angaben von den angesprochenen Verbraucherkreisen, in erster Linie Eltern, als Werbung für dieses Verfahren und die entsprechende ärztliche Tätigkeit des Antragsgegners verstanden. Dieses Verständnis wird auch durch den Namen der Domain €k...de€, auf welcher sich die streitgegenständliche Werbung befindet, bestätigt. Der Domainname weist darauf hin, dass der Schwerpunkt dieser Internetseite auf der Darstellung des sogenannten KISS-Syndroms und seiner Behandlung liegt. Die Ausführungen auf der Internetseite haben auch deutlich werbenden Charakter, denn den angesprochenen Eltern wird nahegelegt, ihre Kinder zur Untersuchung und Behandlung in die Praxis des Antragsgegners zu bringen.

b)

Nach § 3 S. 1 HWG ist eine irreführende Werbung für medizinische Behandlungen unzulässig. Gemäß § 3 S. 2 Nr. 1 HWG ist eine Werbung insbesondere dann irreführend, wenn der Behandlung eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht hat. Verboten ist danach zum einen die objektiv unwahre Werbung mit Wirkungsangaben. Zum anderen entspricht es ganz h.M. in Rechtsprechung und Literatur, dass auch die Werbung mit unzureichend wissenschaftlich gesicherten Wirkungsaussagen von § 3 HWG erfasst wird (BGH GRUR 2002, 273, 275 € Eusovit; Doepner, HWG, 2. Auflage, 2000, § 3 Rn. 36; Bülow/Ring/Artz/Brixius, HWG, 4. Auflage, 2012, §3 Rn. 49; Reese/Holtorf, in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts, 2010, § 11 Rn. 146; Riegger, Heilmittelwerberecht, 2009, Kap. 3 Rn. 23).

aa)

Ob eine Wirkungsangabe den Adressaten der Werbung in die Irre führt, ist in Anwendung des für die gesundheitsbezogene Werbung allgemein geltenden strengen Maßstabs zu entscheiden. Weil das hohe Schutzgut der Gesundheit des Einzelnen und der Bevölkerung tangiert ist und an die Gesundheit anknüpfende Werbeaussagen sich typischerweise als besonders wirksam erweisen, sind an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit gesundheitsbezogener Werbeaussagen besonders strenge Anforderungen zu stellen; sog. Strengeprinzip (BGH GRUR 1980, 797, 799 - Topfit Boonekamp; BGH GRUR 2002, 182, 185 - Das Beste jeden Morgen; BGH GRUR 2012, 647 Rn. 33 € INJECTIO; OLG Hamburg GRUR-RR-2001, 84, 87; OLG Hamburg GRUR-RR 2002, 173, 174f.; Doepner, HWG, 2. Auflage, 2000, § 3 Rn. 22; Reese/Holtorf, in: Dieners/ Reese, Handbuch des Pharmarechts, 2010, § 11 Rn. 140; Riegger, Heilmittelwerberecht, 2009, Kap. 3 Rn. 7.).

Solche Aussagen sind nur dann zulässig, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen (BGH GRUR 1971, 153, 155 -Tampax). Der in Anspruch genommene Stand der Wissenschaft muss bereits im Zeitpunkt der Werbung dokumentiert sein; eine (erstmalige) Erhebung durch Sachverständigenbeweis im Unterlassungsprozess kommt nicht in Betracht, denn auch ein solches Gutachten kann den Vorwurf nicht entkräften, mit einer im Zeitpunkt der Werbung nicht belegten Aussage geworben zu haben (OLG Düsseldorf MD 2008, 49; OLG Frankfurt OLG-RR 2003, 295; OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 88; OLG München MD 2009, 784; Reese/Holtorf, in: Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts, 2010, § 11 Rn. 147).

Der Antragsteller hat das Fehlen einer wissenschaftlichen Grundlage substantiiert vorzutragen und ggf. glaubhaft zu machen. Es tritt jedoch eine Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast ein, wenn der Antragsteller substantiiert vorgetragen und ggf. glaubhaft gemacht hat, dass die angegriffene werbliche Behauptung wissenschaftlich umstritten ist. Das ergibt sich daraus, dass der Werbende, indem er die Angabe als objektiv richtig darstellt, ohne auf vorhandene Gegenstimmen hinzuweisen, die Verantwortung für ihre Richtigkeit übernimmt und diese daher auch belegen muss (BGH GRUR 1958, 485, 486 € Odol; BGH GRUR 1965, 368, 372f. €Kaffee C; BGH GRUR 1971, 153, 155 € Tampax; vgl. auch BGH GRUR 2002, 273, 274 € Eusovit, wonach die noch gegebene fachliche Umstrittenheit eine Irreführung bewirke).

Die Richtigkeit der gesundheitsbezogenen Angabe hat der Werbende auch dann zu beweisen, wenn er mit einer ungeprüften Behauptung oder ohne wissenschaftliche Grundlage wirbt. Auch hier ist es allerdings zunächst Sache des Angreifers, das Fehlen einer wissenschaftlichen Grundlage substantiiert darzulegen und zu beweisen (OLG Hamburg GRUR-RR 2011, 376).

bb)

Die streitgegenständlichen Werbeaussagen des Antragsgegners erwecken bei den angesprochenen Verkehrskreisen den Eindruck, dass es ein Krankheitsbild namens KISS- bzw. KIDD-Syndrom gibt, welches mit manueller Medizin/Therapie, insbesondere Osteopathie, wirksam behandelt werden könne.

Dabei wird die Kopfgelenk-induzierte-Symmetrie-Störung (KISS) im Sinne eines definierten Krankheitsbildes beschrieben, das klinisch vor allem zu Störungen der Körperhaltung im Säuglings- und Kleinkindalter, wie z.B. Schiefhaltung des Kopfes, Gesichtsasymmetrie, unterschiedlicher Benutzung von Armen und Beinen sowie Schlagstörungen, aber zu einer Reihe von Verhaltensstörungen führen kann. Auch die Kopfgelenk-induzierte Dyspraxie und Dysgnosie (KIDD) wird im Sinne eines definierten Krankheitsbildes beschrieben, wonach die fehlende Behebung des KISS-Syndroms bei älter werdenden Kindern zu Schwierigkeiten in der grob- und feinmotorischen sowie kognitiven Entwicklung, aber auch zu Kopfschmerzen und Verhaltensauffälligkeiten, wie z.B. Ungeduld und Aggressivität führen kann.

Weiter erweckt der Antragsgegner mit den streitgegenständlichen Angaben den Eindruck, dass die vorgenannten Erkrankungen mit manueller Medizin/Therapie, insbesondere Osteopathie, wirksam behandelt werden könnten.

Da die Erwartungshaltung des Verkehrs hinsichtlich des Wirkungsbezugs einer Angabe in der Regel dahin geht, dass die Wirkungsangabe wissenschaftlich hinreichend abgesichert ist (Riegger Kap. 3 Rn. 25 u. 33), gehen die angesprochenen Verkehrskreise weiter davon aus, dass sowohl das genannte Krankheitsbild (KISS/KIDD) als auch die Wirksamkeit der beworbenen Behandlung (Manuelle Medizin/Osteopathie) hinreichend wissenschaftlich belegt sind.

Es ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass diese Annahmen falsch, die Werbung mithin irreführend ist.

cc)

Zwar weist der Antragsgegner zu Recht darauf hin, dass der Antragsteller mit den vorgelegten Anlagen A 3 (Wikipedia, Stichwort KISS-Syndrom), A 4 (Artikel "Endlich richtig krank, Das KISS-Syndrom - Oder wie Ärzte aus gesunden Kindern zahlende Patienten machen", ZEIT-online, 01.09.2006), A 5 (Artikel "Biedermanns schiefe Babys", SPIEGEL-online, 16.03.2009) weder die erforderliche Darlegung noch die notwendige Glaubhaftmachung bewirken kann.

Der Antragsteller hat jedoch mit der Vorlage der Stellungnahme der Gesellschaft für Neuropädiae.V. aus dem Jahr 2005 (Anlagen A 6 = Anlage A 14), welche noch heute aufrecht erhalten wird, dargelegt und glaubhaft gemacht, dass weder die Existenz der Krankheitsbilder KISS bzw. KIDD noch die Wirksamkeit der Behandlung dieser Krankheitsbilder im Wege manueller Medizin, insbesondere Osteopathie hinreichend wissenschaftlich belegt sind.

In der Stellungnahme wird ausgeführt, dass die Existenz der Kopfgelenk-induzierten-Symmetrie-Störung (KISS) im Sinne eines definierten Krankheitsbildes, das klinisch vor allem zu Störungen der Körperhaltung im Säuglings- und Kleinkindalter führen oder für eine Reihe von Verhaltensstörungen verantwortlich sein soll, bisher eine unbewiesene Hypothese sei. Die spezielle manualmedizinische Behandlung im Bereich der HWS bei Störungen der Körperhaltung und -symmetrie nach Biedermann sei in ihrer Wirksamkeit bisher nicht ausreichend belegt worden. Auch die theoretischen Grundlagen, die zur Begründung eines Krankheitsbildes angeführt würden, seien nur teilweise nachvollziehbar und würden selbst von der Deutschen Gesellschaft für Manualmedizin in Zweifel gezogen. Diese Feststellung schließe nicht aus, dass im Einzelfall durch die Anwendung der von Biedermann empfohlenen Behandlungstechnik eine positive Wirkung auf die Muskelspannung und Haltung des Körpers erzielt werden könne, insbesondere bei Säuglingen mit asymmetrischer Körperhaltung, welches Wirkprinzip dafür auch immer verantwortlich sein möge (Anlage A 6 = A 14).

Die weitergehenden Vorstellungen über die langfristigen negativen Auswirkungen des unbehandelten KISS-Syndroms (auch leichterer Ausprägung) auf Lernfähigkeit und psychomotorische Entwicklung bis in das Schulalter im Sinne eines KIDD-Syndroms seien unverständlich. Die Risiken der Behandlungstechnik würden von den jeweiligen Autoren als sehr gering eingeschätzt. Bei der Behandlungstechnik von Biedermann bestehe jedenfalls ein größeres Risiko als bei der ebenfalls untersuchten Atlas-Therapie, da hier das Behandlungsziel auch eine Positionsänderung des Atlas bzw. der Wirbelkörper im HWS-Bereich sein solle. Da vor Beginn der Behandlung röntgenologische Kontrollen der Halswirbelsäule und des zervikooccipitalen Übergangs gefordert würden, würden die Kinder jedenfalls einem zusätzlichen Strahlenrisiko ausgesetzt (Anlage A 6 = Anlage A 14). Diese Bewertung steht im Einklang mit der als Anlage A 8 vorgelegten Stellungnahme von PD Dr. med. Stücker "DAS KISS-Syndrom - Fakt oder Fiktion€".

Auch die Veröffentlichung von Happle et al., "Cases against KISS: Ein diagnostischer Algorithmus des frühkindlichen Torticollis", Klin Pädiatr 2009, 221: 430 - 435 (Anlage A 12) kommt zu einer entsprechenden Einschätzung. Dort wird ausgeführt, dass nach systematischer Durchsicht der Literatur keine kontrollierten Studien zur Pathophysiologie des "KISS-Syndroms" oder zur Wirksamkeit des Behandlungskonzepts der Manualtherapie bei "KISS-Syndrom" gefunden worden seien. Das "KISS-Syndrom" sei ein unbewiesenes Krankheitsbild. Im Gegensatz zur Physiotherapie bei frühkindlicher Schiefhaltung sei die Manualtherapie des "KISS-Syndroms" durch nichts gerechtfertigt und gefährlich (Anlage A 12).

Demgegenüber hat der Antragsgegner nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die Krankheitsbilder KISS bzw. KIDD sowie die Wirksamkeit der beworbenen Behandlung hinreichend wissenschaftlich belegt sind.

Für die wissenschaftliche Absicherung bei Werbung mit gesundheitsfördernden Wirkungen verlangt die höchstrichterliche Rechtsprechung als wissenschaftlich fundierten Wirksamkeitsnachweis Studien unter Heranziehung einer ausreichenden Anzahl von Probanden und die Durchführung von randomisierten placebokontrollierten Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung (vgl. OLG Düsseldorf, PharmR 2010, 353 ff.).Die erforderliche wissenschaftlich fundierte Studie hat der Antragsgegner für die von ihm beworbene Wirkung der manuellen Therapie bei Vorliegen der unter dem Begriff KISS-Syndrom bzw. KIDD-Syndrom zusammengefassten Symptome nicht vorgelegt. Das Existieren einer solchen Studie ist auch nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich.

Das führt dazu, dass der Antragsgegner den ihm im Wege einer Umkehr der Beweis- und Darlegungslast obliegenden Beweis - hier die Glaubhaftmachung - der wissenschaftlichen Absicherung seiner Behandlungsform der manuellen Therapie im vorliegenden Fall nicht geführt hat.

Die vorgelegten Veröffentlichungen befassen sie ganz überwiegend nicht ausdrücklich mit der KISS- oder KIDD-Syndrom und seiner Behandlung. Vielmehr stehen einzelne Symptome und deren Behandlung im Wege der Manuellen Medizin im Fokus.

Die Veröffentlichung von Korbmacher et al., Interdisziplinäre Betrachtung eines manualtherapeutischen Patientengutes, Manuelle Medizin, 2006, 44: 12 - 16 (Anlage AG 2), befasst sich nicht mit der Frage, ob es das Krankheitsbild KISS- bzw. KIDD-Syndrom gibt und welche Wirkungen eine Behandlung im Wege der manuellen Medizin auf diese Krankheitsbilder hat. Auf die Frage, ob die zugrundeliegende Untersuchung inhaltlich und methodisch geeignet war, belastbare Ergebnisse zu erzielen, kommt es daher nicht mehr an.

Auch der Beitrag von Saternus et al., Traumatologie der A. vertebralis beim Säugling, Rechtsmedizin 2011, 21: 265 - 271 (Anlage AG 3), befasst sich nicht mit der Frage, ob es das Krankheitsbild KISS- bzw. KIDD-Syndrom gibt und welche Wirkungen eine Behandlung im Wege der manuellen Medizin auf diese Krankheitsbilder hat.

Der Auszug aus dem Buch des Antragsgegners "Manualtherapie bei Kindern", 1999, S. 43 - 51 (Anlage AG 4) befasst sich mit differentialdiagnostischen Problemen beim KISS-Syndrom. Im Rahmen dieser Ausführungen werden die Methode der Diagnoseerhebung sowie zwei entsprechende Fallbeispiele vorgestellt. Mit der grundsätzlichen Frage, ob es das Krankheitsbild KISS- bzw. KIDD-Syndrom gibt und welche Wirkungen eine Behandlung im Wege der manuellen Medizin auf diese Krankheitsbilder hat, befasst sich der Beitrag hingegen nicht.

Der Beitrag von Saedt et al., KISS in den Niederlanden - Aktueller Stand, Manuelle Therapie, 2010, 14: 1 - 7 (Anlage AG 5) befasst sich u.a. mit der Effektivität manueller Therapie bei der Behandlung von Kindern mit Dysfunktionen im oberen Nackenbereich. Dazu wird ausgeführt, dass es keinen auf externer Evidenz basierenden wissenschaftlichen Nachweis für die Effektivität gebe.

Die Veröffentlichung von Biedermann und Koch, Zur Differentialdiagnose des KISS-Syndroms, Manuelle Medizin, 1996, 34: 73 - 81 (Anlage AG 6) befasst sich nicht mit der grundsätzlichen Fragestellung, ob die Existenz des Krankheitsbild KISS- bzw. KIDD-Syndrom und die Wirkungen einer Behandlung im Wege der manuellen Medizin auf diese Krankheitsbilder belegt sind.

Ebenso verhält es sich bei den Beiträgen von Bullinger et al., Die manualmedizinische Behandlung von Haltungs- und Bewegungsasymmetrien im Säuglingsalter, Manuelle Medizin 2012, 1 - 4 (Anlage AG 7) sowie Sacher et al., Manualmedizin bei Säuglingen aus Sicht der Eltern, Manuelle Medizin, 2012, 1 - 3 (Anlage AG 8).

Auch der Beitrag von Philippi, Diagnostik und Therapie der infantilen Haltungsasymmetrie, Neuropädiatrie in Klink und Praxis, 2008, 7. Jg., 32 - 37 (Anlage AG 7) befasst sich nicht mit der grundsätzlichen Fragestellung, ob die Existenz des Krankheitsbilds KISS- bzw. KIDD-Syndrom und die Wirkungen einer Behandlung dieses Syndroms im Wege der manuellen Medizin belegt sind. Vielmehr steht die Behandlung der infantilen Haltungsasymmetrie, welche der Antragsgegner dem Krankheitsbild KISS bzw. KIDD zurechnet, im Wege der Osteopathie im Fokus der der Veröffentlichung. Es wird ausgeführt, dass Säuglinge mit einer Haltungsasymmetrie verstärkt frühzeitig einer physiotherapeutischen, manualtherapeutischen oder osteopathischen Intervention zugeführt würden, dass bisher jedoch keine dieser Behandlungsstrategien einer Evaluierung bezüglich ihres Effekts unterzogen worden sei. Ziel der Therapiestudie sei es daher, den Effekt der osteopathischen Behandlung auf die infantile Haltungsasymmetrie festzustellen. Nach Auswertung der erhobenen Daten kommt die Autorin zu dem Schluss, dass die Ergebnisse der Therapiestudie "einen ersten Hinweis" darauf geben, dass die osteopathische Behandlung in den ersten Lebensmonaten den Asymmetriegrad von Säuglingen mit infantiler Haltungsasymmetrie bei guter klinischer Verträglichkeit signifikant verbessern kann(Anlage AG 7). Entgegen der Ansicht des Antragsgegners kann diesen Ausführungen nicht entnommen werden, dass die Existenz des Krankheitsbild KISS- bzw. KIDD-Syndrom und die Wirkungen einer Behandlung dieses Syndroms im Wege der manuellen Medizin, insbesondere Osteopathie belegt sind.

Auch die in den Schriftsatz des Antragsgegnervertreters vom 27. August 2012 eingeblendeten neun Beiträge vermögen nicht den erforderlichen wissenschaftlichen Beleg zu erbringen. Der Antragsgegner hat sich darauf beschränkt, die Abstracts von neun Studien wiederzugeben. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Studienziel, der verwendeten Methodik, dem Patientenkollektiv, der Behandlungsart sowie den Ergebnissen und Schlussfolgerungen ist nicht erfolgt. Hinzu kommt, dass nicht erkennbar ist, dass diese Beiträge über die Veröffentlichung auf der Internet-Domain "www.osteopathie-akademie.de" hinaus auch in wissenschaftlich anerkannten Fachzeitschriften publiziert worden wären.

Keine der Studien befasst sich mit der Frage, ob es das Krankheitsbild KISS- bzw. KIDD-Syndrom gibt oder ob es hinreichend wissenschaftlich belegt ist. Vielmehr steht die Behandlung von Erkrankungen bzw. einzelner Symptome, welche der Antragsgegner dem Krankheitsbild KISS bzw. KIDD zurechnet, im Fokus der beschriebenen Untersuchungen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen vermögen -auch bei einer Gesamtschau- nicht zu belegen, dass die Existenz des Krankheitsbild KISS- bzw. KIDD-Syndrom und die Wirkungen einer Behandlung im Wege der manuellen Medizin auf diese Krankheitsbilder allgemein belegt sind.

Soweit der Antragsgegner weitere Veröffentlichungen benannt, aber nicht vorgelegt hat, bleiben diese außer Betracht. Gleiches gilt hinsichtlich der schriftsätzlich benannten Internet-Foren in Deutschland und Norwegen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, sich die Glaubhaftmachungsmittel einer der Parteien selbst zu beschaffen.

Der Antragsgegner kann sich für seine Position auch nicht auf die Entscheidung "Vorbeugen mit Coffein!" des BGH (GRUR 2010, 359 ff.) stützen, denn dort ist lediglich ausgeführt worden, dass die hinreichende wissenschaftliche Absicherung der einem kosmetischen Mittel beigelegten Wirkung sich schon aus einer einzelnen Arbeit ergeben kann, sofern diese auf überzeugenden Methoden und Feststellungen beruht. Eine solche methodisch überzeugende Arbeit hat der Antragsgegner jedoch nicht vorgelegt.

Er hat auch nicht dargelegt, dass die Erstellung einer solchen wissenschaftlichen Arbeit im Hinblick auf die Komplexität der Erkrankung und ihrer Behandlung sowie wegen der Einhaltung ethischer Rahmenvorgaben nicht möglich sei. Mit seinem Einwand, bei Säuglingen oder Kleinkindern, die mit der hier beworbenen Behandlung der manuellen Therapie betroffen sind, könne eine solche umfassende Studie grundsätzlich nicht erstellt werden, was in der Natur der Sache liege, kann der Antragsgegner nicht gehört werden. Der Umstand, dass möglicherweise die Wirkung von Behandlungsmethoden und Arzneimitteln auf Säuglinge und Kinder besonders schwer im Rahmen von Studien nachgewiesen werden können, kann nicht dazu führen, dass gerade für die besonders brisante Bewerbung von Behandlungen für Säuglinge und Kleinkinder weniger strenge Maßstäbe gelten sollen. Selbst wenn die genannten methodischen Probleme bestünden, vermag dies eine uneingeschränkte und damit irreführende Bewerbung nicht zu rechtfertigen.

Der Antragsgegner hat gegenüber dem substantiierten und glaubhaft gemachten Vortrag des Antragstellers nicht darlegen und glaubhaft machen können, dass die Existenz des Krankheitsbilds KISS- bzw. KIDD-Syndrom und die Wirkungen einer Behandlung dieses Syndroms im Wege der manuellen Medizin, insbesondere Osteopathie, wissenschaftlich belegt sind. Was fehlt, ist eine Studie, die die Wirksamkeit der von dem Antragsgegner beworbenen Therapieform nach anerkannten wissenschaftlichen Standards an einer ausreichend großen Zahl von Probanden untersucht, den Einfluss etwaiger Begleittherapien vermeidet und zudem Kontrollgruppen einrichtet, um etwaige Placeboeffekte ausschließen zu können.

Mithin täuscht der Antragsgegner die angesprochenen Verkehrskreise darüber, dass die von ihm beworbene Diagnose und Behandlung des KISS- bzw. KIDD-Syndroms und deren wirksame Behandlung im Wege der manuellen Medizin, insbesondere Osteopathie, nicht hinreichend wissenschaftlich belegt sind. Die vorgelegten Glaubhaftmachungsmittel der Parteien zeigen, dass diese Frage hoch umstritten ist. Davon erfahren die angesprochenen Verkehrskreise jedoch nichts.

Die darin liegende Irreführung verstößt gegen § 3 S. 2 Nr. 1 HWG und § 5 UWG.

c)

Ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 3 HWG, welche in erster Linie dem Schutz der gesundheitlichen Interessen der Verbraucher dient, stellt zugleich ein gemäß §§ 3, 4 Nr. 11 UWG unlauteres und auch unzulässiges Marktverhalten dar (BGH GRUR 2009, 984, 988 - Festbetragsfestsetzung; zu § 4 Abs. 3 S. 1 HWG). Besondere Umstände, die hier zu einer anderen Wertung Anlass geben würden, sind nicht ersichtlich.

Das Vorgehen des Antragsgegners ist gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG, § 3 S. 2 Nr. 1 HWG unlauter und unzulässig.

d)

Entgegen der Ansicht des Antragsgegners liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG handelt. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus dem Umstand, dass der Antragsteller nicht auch gegen Dr. B. und den entsprechenden Internetauftritt einer Heilpraktikerin und Physiotherapeutin vorgegangen ist.

Danach war dem Antragsgegner die streitgegenständliche Werbung auf seiner Internetseite zu verbieten und eine entsprechende Unterlassungsverfügung zu erlassen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.






OLG Hamburg:
Beschluss v. 05.11.2012
Az: 3 W 18/12


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