Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Januar 2004
Aktenzeichen: 26 W (pat) 79/03

(BPatG: Beschluss v. 28.01.2004, Az.: 26 W (pat) 79/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die für die Waren

"Boissons alcoolisees (à l'exception des bières)"

international registrierte Marke 722 541 siehe Abb. 1 die in Deutschland Schutz erhalten soll, ist Widerspruch erhoben worden aus der Marke 397 02 744 Liondie u.a. für die Waren und Dienstleistungen

"alkoholfreie Getränke; Weine, Spirituosen und Liköre; alkoholische Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische Milchmischgetränke; Cocktails und Aperitifs auf Spirituosen- oder Weingrundlage; weinhaltige Getränke"

geschützt ist.

Die Markenstelle für Klasse 33 IR des Deutschen Patent- und Markenamts hat der international registrierten Marke zunächst durch den Erstprüfer den Schutz im wesentlichen mit der Begründung verweigert, die Wortbestandteile "SILVER" und "LION" würden sich in der angegriffenen Marke nicht zu einer übergreifenden begrifflichen Einheit verbinden, so dass der Zeichenteil "LION" als eigenständig kollisionsbegründend der identischen Widerspruchsmarke "Lion" gegenüberzustellen sei.

Diese Entscheidung hat die Markenstelle auf die Erinnerung der Inhaberin der angegriffenen IR-Marke aufgehoben und den Widerspruch zurückgewiesen. Auch wenn man von der Identität der beiderseitigen Waren und einer normalen Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgehe, seien die Vergleichszeichen nicht verwechselbar, denn eine isolierte Kollisionsprüfung nur anhand des Bestandteils "LION" komme nicht in Betracht. Dieser präge die jüngere Marke nicht derart, dass das weitere Wort "SILVER" für den Gesamteindruck vernachlässigt werden könnte. Dies gelte zunächst für die englischkundigen Verkehrskreise, da diese die Wortfolge "SILVER LION" ohne weiteres als Gesamtbegriff iSv "Silberlöwe" verstehen und die Marke deshalb nicht verkürzen würden. Im übrigen erscheine die angegriffene Marke aufgrund des übereinstimmenden besonderen Schriftbildes auch optisch als Einheit. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei "SILVER" um eine gebräuchliche oder zumindest ohne weiteres in diesem Sinn verständliche beschreibende Angabe für Alkoholika handeln würde. Ebenso wenig habe die Widersprechende etwa dargelegt, den Verkehr an eine ähnlich gebildete Markenserie gewöhnt zu haben.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Ausgehend von der Identität der beiderseitigen Waren und einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hält sie die Vergleichszeichen für verwechselbar. Entgegen der in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Auffassung werde die jüngere Marke von dem Wortbestandteil "LION" geprägt, denn dem weiteren Wort "SILVER" komme keine oder nur eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu, da es sich hierbei um eine Wertschätzung handle, die noch durch den Zusatz "First Quality" verstärkt werde. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass alkoholische Getränke mit den Bezeichnungen "Gold", "Silber" und "Bronze" prämiert würden. Das Wort "LION" werde dagegen noch durch die Darstellung des Löwenkopfs hervorgehoben. Die Entscheidung BGH BlPMZ 1999, 197 - "White Lion" sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil ihr keine identischen Waren zugrunde gelegen hätten. Demgemäss beantragt die Widersprechende, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und der angegriffenen Marke den Schutz für die Bundesrepublik Deutschland zu verweigern.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie tritt der Auffassung der Widersprechenden entgegen, dass die jüngere Marke von dem Wort "LION" dominiert werde. Der Umstand, dass Weine und alkoholische Getränke mit "Gold"-, "Silber"- oder "Bronze"-Medaillen prämiert würden, mache das Wort "SILVER" nicht zu einer beschreibenden Angabe und rechtfertige es nicht, aus der angegriffenen Kombinationsmarke das Element "LION" herauszugreifen, um seine Übereinstimmung mit der Widerspruchsmarke festzustellen. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei ohnehin gering, denn es gebe viele Markeneintragungen, die das Wort "Löwe" enthielten.

Da die Widersprechende als wohltätige Organisation nie mit Alkoholika handeln werde, habe sie offensichtlich nicht die Absicht, ihre Widerspruchsmarke für die betreffenden Waren zu benutzen. Vielmehr solle diese Marke nur dazu dienen, ihren "Club-Namen" "Lions" zu verteidigen. Der fehlende generelle Benutzungswille spreche für eine rechtsmissbräuchliche Eintragung der Widerspruchsmarke.

II.

Die zulässige Beschwerde erweist sich in der Sache als unbegründet, denn auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen den sich gegenüber stehenden Marken keine Verwechslungsgefahr iSd § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Die Gefahr markenrechtlich erheblicher Verwechslungen ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH GRUR 1998, 387 - Sabèl/Puma). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (EuGH GRUR 1998, 922 - Canon).

Bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit ist im vorliegenden Fall von Warenidentität auszugehen, denn beide Kennzeichnungen sind u.a. für alkoholische Getränke bestimmt. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke "Lion" wird als durchschnittlich angenommen (vgl. dazu BGH WRP 1999, 192, 194 - Lions). Selbst wenn danach an den Abstand der sich gegenüber stehenden Marken erhebliche Anforderungen zu stellen sind, ist dieser gewahrt.

Bei der Prüfung der Ähnlichkeit der Vergleichszeichen ist grundsätzlich auf den Gesamteindruck abzustellen, den sie hervorrufen (vg. EuGH aaO. - Sabèl/Puma; BGH GRUR 2000, 506 - ATTACHÉ/TISSERAND m.w.N.). Insoweit weichen die beiden Kennzeichnungen offensichtlich in jeder Richtung so deutlich voneinander ab, dass Verwechslungen ausgeschlossen sind.

Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Übereinstimmung prägender Markenbestandteile besteht ebenfalls nicht. Zwar kann ausnahmsweise einem einzelnen Markenbestandteil eine besondere, das Gesamtzeichen prägende Kennzeichnungskraft zugemessen werden, wenn diesem Bestandteil in der Marke eine selbstständig kennzeichnende Stellung zukommt und er deshalb geeignet ist, die Erinnerung an das Gesamtzeichen wachzurufen, während die weiteren Elemente der Marke nur eine untergeordnete Bedeutung haben. Die Feststellung der Prägung des Gesamteindrucks eines mehrteiligen Zeichens durch einen Bestandteil setzt jedoch voraus, dass die weiteren Bestandteile so in den Hintergrund treten, dass sie für den Verkehr an Bedeutung verlieren und zum Gesamteindruck des Zeichens nicht beitragen (vgl. BGH WRP 2000, 173 - RAUSCH/ELFIRAUCH). Bei dieser Beurteilung ist von einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren abzustellen (vgl. BGH aaO. - ATTACHÉ/TISSERAND).

Entgegen der von der Widersprechenden vertretenen Auffassung kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Zeichenteil "LION" in der jüngeren Marke eine selbstständig kennzeichnende Stellung zukommt. Denn der überwiegende Teil der inländischen Verbraucher wird die englischsprachigen Markenwörter "SILVER LION" mit "Silberlöwe" übersetzen. Für diese Annahme spricht, dass beide Begriffe zum englischen Grundwortschatz gehören und außerdem deutliche Bezüge zu den deutschen Begriffen "Silber" und "Löwe" aufweisen. Darüberhinaus stellt der "Silberlöwe" einen Gesamtbegriff dar, soweit er dem angesprochenen Verkehr als synonyme Bezeichnung für einen "Berglöwen" oder "Puma" bekannt ist. Aber auch ohne diese Kenntnis hat der Verkehr keine Veranlassung, das Wort "LION" ausnahmsweise als dominantes Element der angegriffenen Kombinationsmarke aufzufassen. Dagegen sprechen die Einheitlichkeit der besonderen Schriftart, in der die verwendeten Buchstaben gehalten sind, die relative Kürze der Gesamtbezeichnung "SILVER LION" sowie die U-förmige Umrandung, die die beiden Worte als Einheit erscheinen lässt. Der Bestandteil "SILVER" stellt auch keine beschreibende (Qualitäts-)Angabe dar. Es ist in keiner Weise üblich, Prämierungen von alkoholischen Getränken auf diese Weise ohne Hinzufügung einer Medaille kenntlich zu machen. Die weitere Angabe "First Quality" gibt nur einen Hinweis auf die Qualität des Produkts, - über eine etwaige Prämierung sagt sie nichts aus. Ein Zusammenhang zwischen dieser Angabe und dem Zeichenbestandteil "SILVER" besteht deshalb nicht. Die auch größenmäßig nicht besonders hervortretende Löwenkopfdarstellung wirkt allenfalls als grafische Verzierung und ist deshalb ebenfalls nicht geeignet, dem Wort "LION" zu einer markenrechtlich erheblichen Dominanz des Gesamteindrucks der angegriffenen Marke zu verhelfen.

Die Gefahr assoziativer Verwechslungen der Marken (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 letzter Halbs MarkenG) ist ebenfalls zu verneinen. Es liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Bestandteil "LION" ein Hinweischarakter auf die Inhaberin der älteren Marke zukommt. Weder hat die Widersprechende den Verkehr bereits durch die Benutzung mehrerer eigener, entsprechend gebildeter Serienmarken an dieses Wort als Bestandteil gewöhnt noch liegen sonstige Umstände vor, die für den erforderlichen Hinweischarakter sprechen könnten.

Bei dieser Sachlage musste die Beschwerde der Widersprechenden erfolglos bleiben, wobei die von der Inhaberin der angegriffenen Marke aufgeworfene Frage dahin gestellt bleiben kann, ob eine Benutzung der Widerspruchsmarke für alkoholische Getränke aufgrund der Statuten der Widersprechenden ausgeschlossen erscheint und sich die Eintragung der Widerspruchsmarke wegen eines fehlenden Benutzungswillens als Rechtsmissbrauch darstellt.

Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen (§ 71 Abs.1 MarkenG) bestand kein Anlass.

Albert Reker Kraft Bb Abb. 1






BPatG:
Beschluss v. 28.01.2004
Az: 26 W (pat) 79/03


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