Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 12. Mai 2009
Aktenzeichen: L 19 B 103/08 AS

(LSG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 12.05.2009, Az.: L 19 B 103/08 AS)

Tenor

Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 18.02.2008 geändert. Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren wird auf 1,4 Millionen Euro festgesetzt.

Gründe

Mit ihrer am 09.07.2007 vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhobenen Klage hat die Klägerin zunächst die Feststellungen beantragt, dass der zwischen ihr und der Beklagten abgeschlossene Vertrag über die Gründung und Ausgestaltung einer Arbeitsgemeinschaft gemäß § 44b SGB II vom 22.02.2005 nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 18.06.2007 beendet worden sei sowie die Verpflichtung der Beklagten, alle etwaigen Schäden zu ersetzen, die der Klägerin aufgrund der zu Unrecht ausgesprochenen Kündigung und der von der Beklagten betriebenen organisatorischen Auflösung der Arbeitsgemeinschaft entstünden. Letzteren Antrag hat die Klägerin für erledigt erklärt, nachdem sich die Beteiligten außergerichtlich vorläufig für die Dauer des Klageverfahrens über eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses geeinigt hatten. Die Beklagte hat daraufhin hilfsweise widerklagend beantragt, den Vertrag über die Errichtung der Arbeitsgemeinschaft dahin anzupassen, dass die Beklagte einen pauschalen Anteil von 12,6 % der Gesamtverwaltungskosten ab dem 01.01.2007 zu erstatten hat.

Das SG hat mit Urteil vom 18.02.2008 der Klage stattgegeben und die Widerklage als unzulässig abgewiesen. Mit Beschluss vom selben Tag hat es den Streitwert sowohl für Klage wie Widerklage auf jeweils 2,5 Millionen Euro festgesetzt.

Die dagegen gerichtete Beschwerde der Beklagten ist gemäß § 68 Abs. 1 S. 1 GKG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Sie ist begründet, weil das SG den Streitwert fehlerhaft ermittelt hat und zu Unrecht den Wert für die mit Klage und Widerklage geltend gemachten Ansprüche getrennt festgesetzt und damit im Ergebnis eine Zusammenrechnung vorgenommen hat.

Da Klägerin und Beklagte nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen zählen, werden Kosten nach dem GKG erhoben.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist dann, soweit wie hier nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Dies erfolgt nach objektiver Beurteilung und nicht nach der subjektiven Betrachtungsweise, die die Klägerin der Sache beimisst (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl. § 52 Rn 9; Straßfeld in Jansen, SGG, 3. Aufl., § 197a Rn 41). In der Regel ist auf das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der Sache abzustellen (vgl. BSG Beschl. v. 14.11.1977; 6 BKa 7/76; = SozR 1930 § 8 BRAGO Nr. 2).

Weder die Kündigungsabwehrklage noch das ursprüngliche Feststellungsbegehren der Klägerin rechtfertigen den Ansatz des Streithöchstwerts von 2,5 Millionen Euro (§ 52 Abs. 4 GKG). Zwar hat die Klägerin den ihr infolge der Kündigung drohenden Schaden mit 9.993.600,00 EUR beziffert, dies hält aber einer objektiven Betrachtungsweise nicht Stand. Die Klägerin hat auf die bis zum Vertragsende (2010) von ihr errechneten Personal- und Sachkosten abgestellt. Dies ist nicht gerechtfertigt, weil es offenkundig war, dass die Beklagte zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach dem SGB II auf die von der Klägerin vorgehaltenen Mittel auch nach Erklärung der Kündigung des Errichtungsvertrages würde zurückgreifen müssen, was durch die außergerichtliche Vergleichsregelung belegt wird. Zum anderen war offen, inwieweit die Klägerin insbesondere ihr Personal anderweitig würde einsetzen können. Die wirtschaftlichen Folgen der Vertragskündigung und eines hierdurch zu erwartenden Schadens sind daher völlig offen gewesen. 0b dies den Ansatz des Auffangstreitwerts (auch als Regelstreitwert bezeichnet) von 5.000,00 EUR gemäß § 52 Abs. 2 GKG rechtfertigt oder ob dieser mangels ausreichender Erfassung des wirtschaftlichen Interesses der Klägerin zu erhöhen ist oder der Streitwert gleichwohl nach § 52 Abs. 1 GKG zu erfolgen hat (vgl. dazu Straßfeld a.a.O. Rn 42), kann dahin stehen. Der Wert der Klageforderung übersteigt jedenfalls nicht denjenigen des mit der Widerklage geltend gemachten Anspruchs, so dass auf diesen abgestellt werden kann, weil keine Zusammenrechnung der Werte gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 GKG stattfindet, sondern nur der Wert des höheren Anspruchs maßgeblich ist (§ 45 Abs.1 S. 3 GKG).

Eine Zusammenrechnung der mit Klage und Widerklage geltend gemachten Ansprüche, wie dies § 45 Abs. 1 S. 1 GKG regelmässig vorsieht, findet entgegen der Auffassung des SG hier nicht statt, weil diese denselben Gegenstand betreffen (§ 45 Abs. 1 S. 3 GKG). Die Identität des Streitgegenstands ist dann anzunehmen, wenn die mit Klage und Widerklage geltend gemachten Ansprüche nicht nebeneinander stehen können und dasselbe Interesse betreffen (vgl. LSG NW Beschl. v. 22.05.2006 - L 5 B 6/06 KR -; Hartmann a.a.O. § 45 GKG Rn 8ff m.w.N.). Die mit der Widerklage verlangte Vertragsanpassung ist aber nur möglich gewesen, wenn die Kündigungsabwehrklage Erfolg gehabt hätte, weil andernfalls die Vertragsbeziehungen der Beteililgten vollständig entfallen wären. Auch das hinter den mit Klage und Widerklage erhobenen Ansprüchen stehende Interesse ist letztlich einheitlich gewesen, weil die Klägerin den Fortbestand des Errichtungsvertrages in seiner ursprünglichen Fassung erreichen wollte, um eine höhere finanzielle Beteiligung an den Verwaltungskosten zu vermeiden. Das Ausmaß der zwischen den Beteiligten streitigen finanziellen Beteiligung entsprach aber gerade dem mit der Widerklage erstrebten Anpassungsprozentsatz.

Liegen damit die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 S. 3 GKG vor, ist allein der Wert des höheren Anspruchs anzusetzen, entsprechend hier derjenige des Gegenstands der Widerklage, der auf 1,4 Millionen Euro zu bemessen ist.

Die von der Beklagten geforderte Vertragsanpassung hätte zu Mehrkosten der Klägerin von jährlich ca. 350.000,00 EUR geführt. Da die Anpassung mindestens 4 Jahre Gültigkeit haben sollte (2007 bis 2010), sieht der Senat die Vervierfachung dieses Betrages als angemessen an, auch wenn ansonsten bei Dauerrechtsstreitkeiten lediglich das Dreifache eines Jahresbetrages zugrunde gelegt wird (vgl. Straßfeld a.a.O.).

Der Streitwert für das Verfahren vor dem SG ist daher mit 1,4 Millionen Euro festzusetzen.

Die Nichterstattungsfähigkeit der Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).






LSG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 12.05.2009
Az: L 19 B 103/08 AS


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