Landgericht Köln:
Urteil vom 1. März 2010
Aktenzeichen: 33 O 423/10

(LG Köln: Urteil v. 01.03.2010, Az.: 33 O 423/10)

Tenor

Die einstweilige Verfügung vom 02.12.2010 - 33 O 423/10 - wird

bestätigt.

Die weiteren Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin

auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Antragsstellerin nimmt die Antragsgegnerin unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren Herkunftstäuschung in Anspruch.

Die Parteien sind Wettbewerber. Sie vertreiben Bier, insbesondere Kölsch, schwerpunktmäßig in dem Regierungsbezirk Köln.

Seit März 2010 vertreibt die Antragsstellerin ein aus Limonade und alkoholfreiem A Kölsch bestehendes Getränk mit dem Namen "A1". Im Jahr 2010 setzte die Antragsstellerin hiervon 8,7 Mio. Flaschen schwerpunktmäßig im Regierungsbezirk Köln ab.

Am 28.10.2010 erfuhr die Antragsstellerin, dass die Antragsgegnerin plane, mit einem alkoholfreien Getränk namens "B1" an den Markt zu gehen. Am 17.11.2010 erhielt die Antragsstellerin durch die Antragsgegnerin Kenntnis von der Ausstattung der "B1" und damit auch von dem Design der Etiketten und dem Design der Sixpack - Umverpackung.

Die Antragsstellerin ist der Ansicht gewesen, die Ausstattung der "B1" sei eine wettbewerbswidrige sklavische Nachahmung der Ausstattung der "A1", wie sich aus der Gegenüberstellung der Modelle ergebe.

Die Antragstellerin hat am 02.12.2010 eine im Beschlusswege erlassene einstweilige Verfügung der Kammer erwirkt, mit der der Antragsgegnerin untersagt worden ist,

33 O 423/10

Landgericht Köln

BESCHLUSS

(einstweilige Verfügung)

hat die Antragstellerin die Voraussetzungen für die nachstehende einstweilige Verfügung glaubhaft gemacht durch Vorlage von Produktausstattungen der Parteien sowie weiterer Unterlagen.

Die vorgerichtliche Korrespondenz hat vorgelegen.

Auf Antrag der Antragstellerin wird gemäß §§ 3, 4 Nr. 9, 8, 12, 14 UWG, 91, 890, 936 ff. ZPO im Wege der einstweiligen Verfügung, und zwar wegen der Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung, folgendes angeordnet:

1.

Die Antragsgegnerin hat es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € - ersatzweise Ordnungshaft - oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,

im Wettbewerb handelnd, im Regierungsbezirk Köln, ein alkoholfreies Getränk unter dem Namen "B1" mit folgender Ausstattung anzubieten und/oder zu vertreiben:

(Es folgt eine Darstellung)

und/oder

(Es folgt eine Darstellung)

2.

Die Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Streitwert: 100.000 Euro

Köln, den 02.12.2010

Landgericht, 33. Zivilkammer

Nachdem die Antragsgegnerin gegen diese einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt hat, beantragt die Antragstellerin nunmehr,

- wie erkannt -

Die Antragsgegnerin beantragt,

unter Zurückweisung des Antrags der Antragstellerin vom 30.11.2010 die Beschlussverfügung des Landgerichts Köln vom 02.12.2010 aufzuheben.

Sie ist der Ansicht, die Ausstattung der "A1" der Antragsstellerin verfüge bereits nicht über eine hinreichende wettbewerbliche Eigenart, da der Verkehr auf die Ausstattung eines Biermischgetränkes keinen Wert lege und daher die Ausstattung des Erzeugnisses überhaupt nicht geeignet sei, auf einen bestimmten Hersteller hinzuweisen. Zudem würde keine Nachahmung vorliegen, da die Produktausstattungen nicht ähnlich seien. Eine Herkunftsverwechslung sei auch deshalb ausgeschlossen, da auf dem Etikett und der Umverpackung ihres Biermischgetränkes der deutliche Hinweis "B" und daher eine Firmenkennzeichnung angebracht sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

I. Der Beschluss vom 02.12.2010 war zu bestätigen. Der Antrag ist zulässig und zu Gunsten der Antragstellerin ist auch ein Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht.

1. Der geltend gemachte Verfügungsanspruch steht der Antragsstellerin aus §§ 3, 4 Nr. 9 a), 8 Abs. 1 S. 2 UWG als vorbeugender Unterlassungsanspruch unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren betrieblichen Herkunftstäuschung zu. Mit dem beabsichtigten Vertrieb der "B1" in der vorgelegten Produktausstattung beabsichtigt die Antragsgegnerin ein Produkt anzubieten, welches aufgrund der weitgehenden Identität der Gestaltung mit der Produktausstattung der bereits auf dem Markt befindlichen, von der Antragstellerin vertriebenen "A1", die Gefahr einer Herkunftstäuschung begründet.

Die Übernahme einer Gestaltungsform kann nach § 4 Nr. 9 UWG wettbewerbswidrig sein, wenn das Erzeugnis von wettbewerblicher Eigenart ist und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung als unlauter erscheinen lassen. Eines dieser Unlauterkeitsmomente, dessen Vorliegen das Inverkehrbringen einer Nachahmung als wettbewerblich unlauter im Sinne von § 4 Nr. 9 a) UWG erscheinen lässt, liegt dann vor, wenn hierdurch bei einem mehr als nur unbeachtlichen Teil des angesprochenen Verkehrs die Gefahr betrieblicher Herkunftsverwechslungen begründet wird, obwohl diese durch geeignete und zumutbare Maßnahmen hätte vermieden werden können. Bei der Prüfung dieser Frage ist von einer Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen auszugehen. (vgl. nur BGH GRUR 2003, 359 ff - Pflegebett; BGH WRP 2002, 1058 ff - Blendsegel; BGH WRP 2001, 153, 155 - Messerkennzeichnungen; BGH GRUR 2000, 521, 523 - Modulgerüst; BGH GRUR 1999, 1106, 1108 - Rollstuhlnachbau).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze erweist sich der beabsichtigte Vertrieb der angegriffenen Produktausstattung der Antragsgegnerin als wettbewerbswidrig.

a) Die Ausstattung des Produkts der Antragsstellerin der "A1" verfügt über wettbewerbliche Eigenart.

aa) Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten des Erzeugnisses hinzuweisen (BGH WRP 07, 1455, 1457 - Gartenliege; BGH WRP 07, 1076, 1079 - Handtaschen; BGH WRP 06, 75, 77 - Jeans; BGH GRUR 05, 878, 880 - Handtuchklemmen; BGH WRP 03, 1338, 1340 - Tupperwareparty). Auch wenn nicht anzunehmen ist, dass der Verkehr mit dem Erzeugnis selbst Herkunftsvorstellungen verbindet, liegt die erforderliche wettbewerbliche Eigenart vor, wenn das Erzeugnis die Eignung besitzt, im Verkehr auf die Besonderheiten des Erzeugnisses hinzuweisen (BGH GRUR 95, 581, 583 - Silberdistel). Auch eine besondere Funktion des Erzeugnisses, auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen, ist keine unabdingbare Voraussetzung der wettbewerblichen Eigenart (BGH WRP 07, 1455, 1458- Gartenliege). Es ist auch nicht erforderlich, dass die angesprochenen Verkehrskreise das nachgeahmte Produkt einem bestimmten Hersteller zuordnen können. Für den ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz nach §§ 3, 4 Nr. 9 a) UWG reicht die Gefahr einer vermeidbaren Herkunftstäuschung aus. Es genügt, dass der angesprochene Verkehr aufgrund der Gestaltung oder der Merkmale des Erzeugnisses die Vorstellung hat, es könne wohl nur von einem bestimmten Anbieter oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen stammen, wie auch immer dieser heißen mag (BGH WRP 07, 1455, 1457 - Gartenliege).

bb) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist die Produktausstattung von Biermischgetränken geeignet, wettbewerbliche Eigenart und damit Herkunftshinweisfunktionen zu entwickeln. Dies ergibt sich mit aller wünschenswerten Deutlichkeit aus den von der Antragsstellerin in Anlage AS 3 vorgelegten, auf dem Markt verfügbaren Modellen. Diese verkörpern ein hohes Maß an gestalterischer Vielfalt, die geeignet ist, auf bestimmte Hersteller hinzuweisen.

cc) Die Produktausstattung der "A1" der Antragstellerin unterscheidet sich hinreichend von dem wettbewerblichen Umfeld und ist daher geeignet, auf seine betriebliche Herkunft hinzuweisen. Aus den vielgestaltigen Produktausstattungen des wettbewerblichen Umfelds ragt das innovative Design der Antragsstellerin deutlich hervor. Der Hintergrund der Produktverpackung weist anders als die meisten anderen Produktausstattungen von Biermischgetränken eine rustikale Optik auf, es wird eine Schrift verwendet, bei der man den Eindruck erhält, sie sei mit einer Schablone aufgebracht worden, so dass die Linienführung, anders als bei den Konkurrenzprodukten, nicht gleichmäßig ist, sondern ausgefranst erscheint. Im Etikett bzw. auf der Sixpack-Umverpackung ragen an den Seiten die Zutaten der Fassbrause hinein, wobei die Zutaten nicht als ganze Frucht gezeigt werden, sondern es sich um ausgeschnittene Illustrationen handelt, was ungewöhnlich ist, denn bei Mischgetränken werden die Früchte häufig fotorealistisch abgebildet.

b) Das Produkt der Antragsstellerin verfügt auch über die von der Rechtsprechung geforderte gewisse Bekanntheit. Dieses ergibt sich bereits aus dem von der Antragsstellerin in der Anlage AS 11 vorgelegten Pressespiegel für Februar 2010 bis Oktober 2010, woraus hervorgeht, dass über das Produkt der Antragstellerin intensiv in den Medien berichtet wurde.

c) Die sich gegenüberstehenden Produktausstattungen sind in der relevanten Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise praktisch identisch, so dass die stark ausgeprägte Gefahr einer Herkunftstäuschung besteht. Wie die Antragsstellerin verwendet die Antragsgegnerin eine rustikale Optik und einen beigen Hintergrund. Zudem wird bei beiden Produktausstattungen eine Schrift verwendet, bei der man den Eindruck erhält, sie sei mit einer Schablone aufgebracht worden. Die Schrift ist wie bei der Antragsstellerin nicht gleichmäßig, sondern die Buchstaben sind ausgefranst. Auch wird bei beiden Produktausstattungen der Name des Produkts in drei Wörtern dargestellt, wobei das mittlere Wort "Fass" sehr viel größer abgebildet ist, als die sie umrahmenden beiden anderen Wörter, die dann jeweils dieselbe Schriftgröße haben. Wie bei der Antragsstellerin schließt der Produktname mit einem braunen Unterstrich ab. Die Antragsgegnerin übernimmt von der Antragsstellerin auch die im Vergleich zu der Ausstattung anderer Biermischgetränke sehr ungewöhnliche bildliche Darstellung einiger Zutaten. Zitrone und Hopfen ragen wie bei der Antragsstellerin in das Bild hinein und werden an den Seiten abgeschnitten. Wie bei der Antragsstellerin zieht sich um die abgebildeten Zutaten ein Rahmen. Die von der Antragsgegnerin vorgenommenen Abweichungen sind geringfügig und betreffen solche Bereiche, die nicht vorrangig in der Wahrnehmung der Verkehrskreise liegen, insbesondere die diese nicht als herkunftshinweisend betrachten. In den aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise prägenden Elementen weisen die Produkte indes keine relevanten Unterschiede auf.

d) Der von der Antragsgegnerin auf dem Etikett und der Umverpackung des Sixpacks angebrachte Herstellerhinweis "B" ist ebenfalls nicht geeignet, wettbewerbsrechtlich relevanten Verwechslungen entgegenzuwirken. Denn für die Gefahr einer Herkunftstäuschung reicht es aus, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt wird, es handele sich bei dem Produkt der Antragsgegnerin um eine neue Serie oder eine Zweitmarke der Antragsstellerin oder es bestünden zumindest lizenz- oder gesellschaftsvertragliche Beziehungen zur Antragsstellerin (BGH, GRUR 1977, 614, 616). Da beide Parteien Bier vertreiben, besteht die Gefahr, dass der Verkehr aus der weitgehend übereinstimmenden ungewöhnlichen Produktausstattung zumindest auf das Bestehen von wirtschaftlichen oder betrieblichen Zusammenhängen der Unternehmen der Parteien schließt. Die Antragsstellerin hat ein schutzwürdiges wettbewerbliches Interesse daran, dass dieser unzutreffende Eindruck vermieden und sie nicht mit der Antragsgegnerin in Verbindung gebracht wird.

e) Ohne weiteres besteht für die Antragsgegnerin auch die Möglichkeit ein anderes Design für ihre Produktausstattung zu wählen, so dass die Nachahmung auch vermeidbar ist.

f) Die Antragsstellerin hat die Produktausstattung bereits hergestellt und plant in naher Zukunft das Produkt in der streitgegenständlichen Produktausstattung an den Markt zu bringen, so dass die Antragsstellerin eine Erstbegehungsgefahr gem. § 8 Abs. 1 S. 2 UWG glaubhaft gemacht hat.

2. Der Verfügungsgrund wird gem. § 12 Abs. 2 UWG vermutet.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus Sinn und Zweck der einstweiligen Verfügung.

Streitwert: 100.000,- €






LG Köln:
Urteil v. 01.03.2010
Az: 33 O 423/10


Link zum Urteil:
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