Verwaltungsgericht München:
Beschluss vom 17. November 2014
Aktenzeichen: M 8 M 14.4922

(VG München: Beschluss v. 17.11.2014, Az.: M 8 M 14.4922)

Tenor

I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 23. Oktober 2014 im Verfahren M 8 K 11.5150, soweit dort sowohl eine Erledigungsgebühr als auch eine Einigungsgebühr nicht als erstattungsfähig abgelehnt wurden.

Gegenstand des Verfahrens M 8 K 11.5150 war die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung einer Werbeanlage. In der mündlichen Verhandlung am 15. Juni 2012 wies das Gericht auf die fehlende Ermessensausübung im Rahmen des Denkmalschutzrechts hin. Daraufhin erklärte die Vertreterin der Beklagten, dass sie den streitgegenständlichen Bescheid aufhebt. Im Anschluss erklärten die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt, woraufhin das Verfahren durch Beschluss eingestellt wurde. Nach Verkündung dieses Beschlusses verzichteten die Beteiligten auf Begründung, förmliche Zustellung sowie auf Rechtsmittel gegen den Streitwertbeschluss. Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass im Anschluss der Bevollmächtigte der Klägerin gegenüber der Beklagten erklärte, dass er den Bauantrag zurückziehe und damit keine Neuverbescheidung notwendig sei.

Mit Antrag vom 20. September 2014 auf Kostenfestsetzung beantragte der Bevollmächtigte der Klägerin und nunmehrigen Erinnerungsführerin u.a. die Festsetzung einer Erledigungsgebühr in Höhe von Euro 301,--. Mit Schreiben vom 24. September 2014 fragte die Urkundsbeamtin beim Bevollmächtigten nach, wie dieser die geltend gemachte Erledigungsgebühr begründe. Die Erledigungsgebühr falle nicht schon mit Abgabe der Erledigungserklärung oder durch das Einlenken der Behörde unter dem Eindruck schriftlicher oder mündlicher Ausführungen im Verfahren an. Vielmehr müsse der Rechtsanwalt eine besondere Tätigkeit entfaltet haben, die auf die Beilegung der Sache ohne Entscheidung gerichtet war und zur Erledigung nicht nur unwesentlich beigetragen habe. Der Bevollmächtigte teilte daraufhin mit Schreiben vom 1. Oktober 2014 mit, dass sich aus dem Protokoll ergebe, dass die Beklagte nicht die streitige Baugenehmigung erteilt und damit eine Erledigung herbeigeführt habe, sondern lediglich ihren Bescheid aufgehoben habe, da dieser nach Ansicht des Gerichts ermessensfehlerhaft gewesen sei. Damit wäre in der Sache ein Bescheidungsurteil ergangen. Um dies zu vermeiden, hätten sich die Parteien geeinigt, das Verfahren unstreitig zu erledigen und die Kosten zu teilen, was die Erledigungsgebühr begründe. Daraufhin fragte die Urkundsbeamtin mit Schreiben vom 2. Oktober 2014 bei der Beklagten und nunmehrigen Erinnerungsgegnerin an, ob von ihrer Seite Einverständnis mit der Festsetzung einer Erledigungsgebühr bestehe. Mit Schreiben vom 16. Oktober 2014 teilte die Erinnerungsgegnerin mit, dass sie mit einer Erledigungsgebühr nicht einverstanden sei. Die Aufhebung des Bescheids sei allein im Hinblick auf den Hinweis des Gerichts auf die fehlende Ermessensausübung erfolgt und habe zum Ziel gehabt, eine erneute Ablehnung zu erlassen. Die Voraussetzungen für die Entstehung einer Erledigungsgebühr im Sinne von Nr. 1002 VV RVG lägen nicht vor.

Im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23. Oktober 2014 wurden von der Urkundsbeamtin sowohl die Festsetzung der beantragten Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 und Nr. 1003 VV RVG als auch einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG als nicht erstattungsfähig abgelehnt.

Mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2014 hat der Bevollmächtigte der Erinnerungsführerin gegen den Beschluss vom 23. Oktober 2014 insoweit Beschwerde eingelegt, als dort die geltend gemachte Erledigungs- bzw. Einigungsgebühr abgesetzt worden ist. Ein ausdrücklicher Antrag wurde nicht gestellt. Die Entstehung der Einigungsgebühr ergebe sich bereits daraus, dass der gerichtliche Hinweis auf die Ermessensfehlerhaftigkeit des Versagungsbescheids und die damit verbundene Empfehlung an die Beklagte, diesen aufzuheben, keine Erledigung der auf die Verpflichtung zur Erteilung der Baugenehmigung - und nicht auf Aufhebung des ablehnenden Bescheids oder auf die Verpflichtung zur Neubescheidung - gerichteten Klage herbeigeführt hätte. Auch stelle die Aufhebung des Versagungsbescheids kein Anerkenntnis dar, insoweit wäre die Erteilung der beantragten Baugenehmigung durch die Beklagte erforderlich gewesen. Für eine unstreitige Beilegung des Verfahrens sei deshalb zwingend die Mitwirkung der Klägerin erforderlich gewesen, ohne deren Mitwirkung eine streitige gerichtliche Entscheidung hätte erfolgen müssen. Die Vermeidung einer streitigen Entscheidung sei erst durch die freiwillige, da ohne erledigendes Ereignis allein zur Vermeidung einer streitigen Entscheidung abgegebene Erledigungserklärung möglich geworden. Dies stelle einen Sachverhalt dar, der die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG begründe.

Mit Schreiben vom 30. Oktober 2014 teilte die Urkundsbeamtin mit, dass dem Antrag nicht abgeholfen werde, da die Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit einer Einigungsgebühr nicht vorlägen.

Mit Schreiben vom 12. November 2014 beantragte die Erinnerungsgegnerin,

die Erinnerung gegen die Absetzung der Erledigungs- bzw. Einigungsgebühr zurückzuweisen.

Inhaltlich wurde ihr bisheriges Vorbringen zum Nichtanfall einer Einigungsgebühr sowie einer Erledigungsgebühr weiter vertieft.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, auch im Verfahren M 8 K 11.5150, Bezug genommen.

II.

Da das Kostenfestsetzungsverfahren nach § 164 VwGO ein von der Kostenlastentscheidung in der Hauptsache abhängendes Nebenverfahren darstellt, hat das Gericht über die Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss in der Besetzung zu entscheiden, in der die zu Grunde liegende Kostenentscheidung getroffen wurde (BayVGH, B.v. 19.1.2007 - 24 C 06.2426, NVwZ-RR 2007, 497 - juris RdNr. 18; Kopp/Schenke, 17. Auflage 2011, VwGO, § 165 RdNr. 3). Nachdem die Kostengrundentscheidung bzw. der Beschluss mit der Kostengrundentscheidung vom Berichterstatter als Einzelrichter entschieden worden war, ist auch über die Kostenerinnerung durch den Berichterstatter als Einzelrichter zu entscheiden.

Die mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2014 erhobene Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23. Oktober 2014 ist bei verständiger Würdigung als Kostenerinnerung auszulegen. Der gemäß §§ 165, 151 VwGO statthafte Antrag auf gerichtliche Entscheidung (Kostenerinnerung) ist zulässig, aber unbegründet, da die Urkundsbeamtin die Kosten im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23. Oktober 2014 zutreffend festgesetzt hat, insbesondere zu Recht weder eine Erledigungsgebühr nach Nrn. 1002 und 1003 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (Vergütungsverzeichnis zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - VV RVG) noch eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG angesetzt hat.

Im Kostenfestsetzungsverfahren gemäß § 164 VwGO werden auf der Grundlage der Kostengrundentscheidung nach §§ 154 ff. VwGO auf Antrag die zu erstattenden Kosten festgesetzt. Erstattungsfähig sind nach § 162 Abs. 1 VwGO die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Beteiligten. Der Höhe nach sind gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO im Falle der Zuziehung eines Rechtsanwalts Aufwendungen im Umfang der gesetzlichen Gebühren und Auslagen notwendig. Maßstab für die Notwendigkeit der Aufwendungen sind die Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG).

Vorliegend ist in der Sache allein streitig, ob die Urkundsbeamtin zu Recht sowohl eine Einigungsgebühr als auch eine Erledigungsgebühr abgelehnt hat.

1. Nach Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 VV RVG entsteht eine Einigungsgebühr, wenn der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis durch Abschluss eines Vertrags unter Mitwirkung des Rechtsanwalts beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Der Vertrag kann auch stillschweigend geschlossen werden und ist nicht formbedürftig, sofern dies materiell-rechtlich nicht besonders vorgeschrieben ist. Mit der Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG wurde die frühere Vergleichsgebühr des § 23 BRAGO ersetzt und gleichzeitig inhaltlich erweitert (vgl. BGH, B.v. 13.4.2007 - II ZB 10/06, NJW 2007, 2187 - juris RdNr. 6). Während die Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO durch Verweisung auf § 779 BGB ein gegenseitiges Nachgeben voraussetzte, soll die Einigungsgebühr jegliche vertragliche Beilegung eines Streits der Parteien honorieren und dadurch einen Anreiz schaffen, diesen Weg der Erledigung eines Rechtsstreits zu beschreiten. Durch den Wegfall der bis dahin geltenden Voraussetzung des gegenseitigen Nachgebens soll nach dem Willen des Gesetzgebers insbesondere der in der Vergangenheit häufig ausgetragene Streit darüber vermieden werden, welche Abrede noch und welche nicht mehr als gegenseitiges Nachgeben zu bewerten ist (BT-Drs. 15/1971, S. 147, 204). Unter der Geltung des RVG kommt es deswegen nicht mehr auf einen Vergleich im Sinne von § 779 BGB, sondern nur noch auf eine Einigung an (BGH, B.v. 13.4.2007, a.a.O., m.w.N.). Durch die zusätzliche Gebühr soll die mit der Einigung verbundene Mehrbelastung und erhöhte Verantwortung des beteiligten Rechtsanwalts vergütet werden; zudem soll die Belastung der Gerichte gemindert werden (BGH, B.v. 13.4.2007, a.a.O.; U.v. 10.10.2006 - VI ZR 280/05, NJW-RR 2007, 359 - juris RdNr. 5 m.w.N.).

Eine Einigungsgebühr kann auch bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen anfallen, wenn gleichzeitig eine Einigung über den in Frage stehenden materiell-rechtlichen Anspruch erzielt wird (vgl. BayVGH, B.v. 11.6.2008 - 10 C 08.777 - juris RdNr. 10; VG München, B.v. 13.3.2012 - M 2 K 12.928 - juris RdNr. 14; B.v. 2.7.2012 - M 8 K 12.30424 - juris RdNr. 13; B.v. 8.11.2012 - M 8 M 12.4172 - juris RdNr. 12). Die Einigungsgebühr setzt die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages voraus, durch den der Streit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird. Dabei setzt eine Einigungsgebühr keinen protokollierten Vergleich, sondern nur eine Einigung über materielle Ansprüche voraus (BayVGH, B.v. 11.6.2008, a.a.O.). Dementsprechend kann eine Einigungsgebühr auch anfallen, wenn der Rechtsstreit durch übereinstimmende Erledigungserklärungen der Parteien beendet wird. Zwar stellen die übereinstimmenden Erledigungserklärungen als solche bloße Prozesshandlungen dar, die lediglich die Rechtshängigkeit der bisher streitigen Ansprüche beseitigen. Wenn jedoch gleichzeitig eine Einigung über die in Frage stehenden materiell-rechtlichen Ansprüche erzielt wird, ist eine Einigungsgebühr anzunehmen (BayVGH, B.v. 11.6.2008, a.a.O., m.w.N.).

Vorliegend fehlt es jedoch an einer über die Form der übereinstimmenden Erledigungserklärung hinausgehenden Einigung auch über das zu Grunde liegende materiell-rechtliche Rechtsverhältnis. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin hatte zum Zeitpunkt der Abgabe der übereinstimmenden Erledigungserklärungen mit der Antragsgegnerin keinerlei materiell-rechtliche Einigung getroffen, durch den der Streit oder die Ungewissheit über das materiell-rechtliche Rechtsverhältnis € die Frage der Genehmigungsfähigkeit der Werbeanlage - beseitigt worden wäre. Die Vertreterin der Antragsgegnerin bzw. Beklagten hatte auf den Hinweis des Gerichts, der streitgegenständliche Ablehnungsbescheid sei im Hinblick auf die erforderliche Ermessensausübung defizitär, erklärt, sie nehme hiermit den Ablehnungsbescheid zurück. Die daraufhin abgegebenen übereinstimmenden Erledigungserklärungen beendeten damit ausschließlich das bis zu diesem Zeitpunkt anhängige Klageverfahren, umfassten aber keinerlei materiell-rechtliche Einigung der beiden Prozessparteien.

Mit der beiderseitigen übereinstimmenden Erledigterklärung im Sinne von § 161 Abs. 2 VwGO endete die Rechtshängigkeit der Verpflichtungsklage im Verfahren M 8 K 11.5150 unmittelbar und ipso jure. Die anschließende Einstellung des Verfahrens entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO war lediglich deklaratorisch, da allein aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärung dem Gericht eine weitere Entscheidung zur Hauptsache aufgrund der insoweit bestehenden Dispositionsbefugnis der Parteien entzogen war (vgl. Kopp/Schenke, 17. Auflage 2011, VwGO, § 161 RdNr. 15).

Von daher kann auch in der nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen und nach dem deklaratorischen Einstellungsbeschluss erfolgten Zurückziehung des Bauantrags keine Einigung für eine materiell-rechtliche streitige Frage gesehen werden, da zu diesem Zeitpunkt das Hauptsacheverfahren bereits beendet war.

2. Auch eine Erledigungsgebühr gemäß Nr. 1002 VV RVG ist im vorliegenden Verfahren nicht angefallen. Nach Nr. 1002 VV RVG entsteht eine Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt.

Nach dem Wortlaut ist Voraussetzung, dass eine Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts erfolgt, was im Hinblick auf die Rücknahme des ablehnenden Bescheids durch die Beklagte der Fall ist. Darüber hinaus bedarf es für den Anfall dieser Gebühr einer anwaltlichen Mitwirkung an der Aufhebung des Verwaltungsakts. Daran fehlt es vorliegend, da die Beklagte allein auf den richterlichen Hinweis zum Fehlen einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung den ablehnenden Bescheid aufgehoben hat. Die Erledigung des Verfahrens war damit nicht kausal auf die Mitwirkung des Anwalts der Klägerin bzw. nunmehrigen Erinnerungsführerin zurückzuführen.

Die Erinnerung der Antragstellerin gegen die erfolgte Kostenfestsetzung bleibt somit ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Eine Gerichtsgebühr wird, da das Verfahren nach § 66 Abs. 8 Satz 1 GKG gerichtskostenfrei ist, im erstinstanzlichen Erinnerungsverfahren nicht erhoben, so dass eine Streitwertfestsetzung entbehrlich ist.






VG München:
Beschluss v. 17.11.2014
Az: M 8 M 14.4922


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