Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Januar 2005
Aktenzeichen: 19 W (pat) 313/02

(BPatG: Beschluss v. 05.01.2005, Az.: 19 W (pat) 313/02)

Tenor

Das Patent 100 13 158 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 5, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 5. Januar 2005, Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Gründe

I Für die am 17. März 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Anmeldung ist die Erteilung des nachgesuchten Patents am 21. März 2002 veröffentlicht worden.

Das Patent betrifft eine Feldsammelschienenanordnung für einen Schaltschrank.

Gegen das Patent hat die A... GmbH in L..., am 14. Juni 2002 Einspruch erhoben.

Sie verweist im Einspruchsschriftsatz auf die DE 32 43 079 C2, gegenüber der die Anordnung gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, und im Schriftsatz vom 17. Juni 2002 zusätzlich auf die drei im Prüfungsverfahren bereits entgegengehaltenen Druckschriften.

Der geltende, in der mündlichen Verhandlung übergegebene Patentanspruch 1 lautet:

"Feldsammelschienenanordnung für einen Schaltschrank mit einer Mehrzahl von voneinander elektrisch getrennt angeordneten Stromzuführungselementen (4, 9) zum Zuführen von Strom zu einem Geräteraum des Schaltschrankes, die sich vertikal über die gesamte Höhe des Schaltschrankes erstrecken, wobei die einzelnen Stromzuführungselemente aus einer Mehrzahl von einzelnen Feldsammelschienen (4, 9) zusammengesetzt sind, wobei sich die Feldsammelschienen über die gesamte Höhe des Schaltschrankes erstrecken, undwobei die Feldsammelschienen eines Stromzuführungselementes parallel geschaltet sind, wobei die Stromzuführungselemente aus einer L-förmigen Feldsammelschiene (4) und einer oder mehreren flachen Feldsammelschienen (9) zusammengesetzt sind, undwobei die flachen Feldsammelschienen eine Breite und Lochung aufweisen, die der inneren Breite und Lochung der L-förmigen Feldsammelschiene entsprechen."

Der Patentschrift entnimmt man hierzu das Problem, auf einfache Weise unterschiedliche Stromzuführungselemente realisieren und diese auch ändern zu können (Abschn [0009] und [0010] der PS).

Die ankündigungsgemäß nicht erschienene Einsprechende hat den Antrag gestellt (Eingabe vom 3. Januar 2005 iVm S 1 Z 4 vom 13. Juni 2002), das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1 bis 5, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 5. Januar 2005, Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II 1. Einspruchsverfahren Die Entscheidungsbefugnis über den zulässigen Einspruch liegt gemäß § 147 Abs 3 PatG bei dem hierfür zuständigen 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts.

Dieser hatte - wie in der Entscheidung 19 W (Pat) 701/02 (BPatGE 46, 134 mwN) ausführlich dargelegt ist - aufgrund öffentlicher mündlicher Verhandlung zu entscheiden.

Gegenstand des Verfahrens ist das erteilte Patent.

Der Einspruch hat insoweit Erfolg, als das Patent mit dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentanspruch 1 und den übrigen geltenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten war.

Als Fachmann bei der Beurteilung der Lehre des Streitpatents und dessen Patentfähigkeit ist hier ein Diplomingenieur der elektrischen Hochspannungs-/Energietechnik mit Fachhochschulabschluß und Berufserfahrungen in Entwicklung, Montage und Betrieb von aus einzelnen Schaltschränken aufgebauten Schaltanlagen anzusehen.

2. Offenbarung Zulässigkeit und Lehre des geltenden Patentanspruchs 1 Der geltende Patentanspruch 1 ist zulässig.

Er beinhaltet die Merkmale der - mit den ursprünglichen Ansprüchen gleicher Nummer insoweit übereinstimmenden - erteilten Patentansprüche 1 und 2 und ist darüber hinaus auf Feldsammelschienenanordnungen beschränkt, bei denen die flachen Feldsammelschienen eine Breite und Lochung aufweisen, die der inneren Breite und Lochung der L-förmigen Feldsammelschiene entsprechen.

Letzteres Merkmal entnimmt der Fachmann den Abschnitten [0023] und [0024] (insbes Sp 3 Z 39 bis 44) der Streitpatentschrift, die insoweit mit den ursprünglichen Unterlagen übereinstimmt, als zur Erfindung gehörend offenbart.

Denn die Parallelschaltung mehrerer Feldsammelschienen durch Anordnung mindestens einer flachen Sammelschiene auf der Innenseite eines Schenkels einer L-förmigen Sammelschiene ist anhand der Figur 6 beschrieben und fällt auch schon unter den erteilten Patentanspruch 1.

Aus dem Anspruchswortlaut entnimmt der Fachmann, daß patentgemäß unter dem "Stromzuführungselement" - entgegen üblichem Sprachgebrauch - eine Mehrzahl von Bauteilen zu verstehen ist.

3. Neuheit Die Anordnung gemäß dem geltenden Patentanspruch 1 ist neu, da aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik keine Anordnung mit allen in diesem Patentanspruch angegebenen Merkmalen bekannt ist.

Die DE 195 11 358 A1 offenbart im Zusammenhang mit einem montagefreundlichen Stromschienenträger für Feldsammelschienensysteme (Zusammenfassung), die in einem Schaltschrank angeordnet sind (Sp 1 Z 9 bis 13 und Sp 4 Z 2 bis 7 und Fig 22 iVm Sp 5 Z 2ff) auch eine Feldsammelschienenanordnung für einen Schaltschrank.

Für diese Anordnung entnimmt der Fachmann (Fig 22 und 23 iVm Sp 3 Z 65 bis 68 und Sp 4 Z 56 bis 61) auch eine Mehrzahl von voneinander elektrisch getrennt angeordneten Stromzuführungselementen zum Zuführen von Strom zu einem Geräteraum (innerhalb des Schienenkanals 21) des Schaltschrankes, wobei die einzelnen Stromzuführungselemente 20 aus einer Mehrzahl von einzelnen Feldsammelschienen 23 zusammengesetzt sind, wobei die Feldsammelschienen 23 eines Stromzuführungselementes 20 parallel geschaltet sind.

L-förmige Feldsammelschienen sind dort nicht erwähnt, und die bekannten Feldsammelschienen 23 erstrecken sich nur bis unterhalb des oben im Schaltschrank angeordneten Hauptsammelschienensystems 19.

Die anspruchsgemäße Feldsammelschienenanordnung unterscheidet sich demnach von der bekannten dadurch, daß sich die Stromzuführungselemente und damit auch die Feldsammelschienen vertikal über die gesamte Höhe des Schaltschrankes erstrecken, daß die Stromzuführungselemente aus einer L-förmigen Feldsammelschiene und einer oder mehreren flachen Feldsammelschienen zusammengesetzt sind, wobei die flachen Feldsammelschienen eine Breite und Lochung aufweisen, die der inneren Breite und Lochung der L-förmigen Feldsammelschiene entsprechen.

Die DE 32 43 079 C2 zeigt eine Feldsammelschienenanordnung für einen Schaltschrank 10 mit einer Mehrzahl von voneinander elektrisch getrennt angeordneten Stromzuführungselementen 106, 108, 110, 124 zum Zuführen von Strom zu einem Geräteraum 40 des Schaltschrankes 10, die sich vertikal über die gesamte Höhe des Schaltschrankes 10 erstrecken (Fig 1 iVm Sp 3 Z 14 bis 49 und Sp 5 Z 1 bis 3).

Die Stromzuführungselemente sind entweder L-förmig oder flach (Sp 5, Z 3 bis 13).

Aus einzelnen Feldsammelschienen zusammengesetzte Stromzuführungselemente sind dort - entgegen der Auffassung der Einsprechenden (insbes S 3 dritter Abs von unten vom 13. Juni 2002) - nicht vorgesehen.

Denn die dort beschriebene Nebeneinander-Anordnung zweier vollständiger 3-Phasensysteme mit Nulleiter (Fig 1 iVm Sp 5 Z 3 bis 34) ist keine Parallelschaltung, da die 3-Phasensysteme von getrennten Abdeckteilen abgedeckt sind, und damit über deren Kontaktstellen verschiedenen Geräten Strom zuführen. Auch besteht jedes der insgesamt acht Stromzuführungselemente nur aus einer einzigen Schiene.

Der Gegenstand gemäß dem geltenden Patentanspruch 1 unterscheidet sich demnach von der bekannten Feldsammelschienenanordnung durch alle Merkmale, die die Zusammensetzung der einzelnen Stromzuführungselemente aus einer Mehrzahl von einzelnen Feldsammelschienen betreffen, die aus einer L-förmigen Feldsammelschiene und mindestens einer flachen Feldsammelschiene mit jeweils der anspruchsgemäßen Breitung und Lochung bestehen.

Die weiteren im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen wurden in der mündlichen Verhandlung nicht aufgegriffen. Sie bringen auch keine neuen Gesichtspunkte, so daß auf sie nicht eingegangen zu werden braucht.

3. Erfinderische Tätigkeit Der Gegenstand des Patenanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.

Ausgehend von der elektrischen Schaltanlage nach der Figur 1 der DE 195 11 358 A1 mag der Fachmann zwar schon allein auf Grund seines Fachwissens daran denken, die aus einer Mehrzahl von einzelnen Feldsammelschienen 23 zusammengesetzten Stromzuführungselemente 20 vertikal über die gesamte Höhe des Schaltschrankes erstreckend auszubilden.

Denn je nach Anordnung des Geräteraums ist es bei Schaltschränken üblich (vgl dazu die DE 32 43 079 C2) die Hauptsammelschienen auch an dessen Hinterwand anzuordnen, so daß in diesem Fall die Nutzung der gesamten Schaltschrankhöhe für eine vertikale Stromverteilung auf der Hand liegt.

Jedoch bekommt der Fachmann aus dem Stand der Technik keinen Hinweis, jedes Stromzuführungselement aus einer L-förmigen und mindestens einer flachen Feldsammelschienen zu bilden mit den im Anspruch 1 angegebenen Abmessungen und Lochungen.

Denn die DE 195 11 358 A1 zeigt ausschließlich Flachsammelschienen, so daß der Fachmann den Hinweis auf mehrere Stromschienen pro Phase dahingehend versteht, ein Paket aus mehreren Flachsammelschienen zu verwenden, das in die im wesentlichen rechteckförmigen Ausnehmungen der Trägerteile eingesetzt wird (Fig 4 bis 19, 28 und 29).

Die DE 32 43 079 C2 zeigt zwar sowohl flache als auch L-förmige Stromzuführungselemente, jedoch in getrennter Zuordnung zu den spannungsführenden Phasen bzw. dem Nulleiter und immer nur als einzelne Schiene.

Das Problem der Realisierung unterschiedlicher Stromstärken ist nicht angesprochen, und die labyrinthartige Verschachtelung der die Stromzuführungselemente umgebenden Isolierteile zum Zwecke der Verhinderung von Überschlägen (Sp 1 Z 63 bis Sp 2 Z 40) läßt den Fachmann nicht daran denken, die Stromzuführungselemente aus zwei oder mehr Schienen zusammenzusetzen, weil damit eines oder beide Isolierteile, zwischen denen die Stromschienen gehalten sind, ebenfalls geändert werden müßte.

Die Erfinder haben demgegenüber erkannt, daß das Problem, auf einfache Weise unterschiedliche Stromzuführungselemente realisieren und diese auch ändern zu können, dadurch gelöst werden kann, daß jedes Stromzuführungselement aus einem L-förmigen und einer oder mehreren flachen Feldsammelschienen mit den anspruchsgemäßen Abmessungen und Lochungen gebildet wird.

Diese Anordnung erlaubt es, wie beispielsweise in Figur 6 des Streitpatents gezeigt ist, die flachen Sammelschienen auf der Innenseite eines der Schenkel der L-förmigen Feldsammelschiene zu montieren, so daß der andere L-Schenkel zur Kontaktierung der elektrischen Geräte auch bei unterschiedlichen Stromstärken freibleibt.

Solches Tun übersteigt übliches fachmännisches Handeln; es erfordert vielmehr eine erfinderische Tätigkeit.

Mit der Anordnung nach Anspruch 1 sind auch die Anordnungen nach den geltenden Unteransprüchen 2 bis 5 patentfähig.

Dr. Mayer Schmöger Dr. Kaminski Dr. Scholz Be






BPatG:
Beschluss v. 05.01.2005
Az: 19 W (pat) 313/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/8f71591cc09c/BPatG_Beschluss_vom_5-Januar-2005_Az_19-W-pat-313-02




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share