Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. April 2005
Aktenzeichen: 34 W (pat) 337/03

(BPatG: Beschluss v. 21.04.2005, Az.: 34 W (pat) 337/03)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Beschluss des Bundespatentgerichts vom 21. April 2005 mit dem Aktenzeichen 34 W (pat) 337/03 befasst sich mit einem Einspruch gegen ein Patent für ein Doppelrohrsystem zur Trinkwasserverteilung und -zirkulation. Der Einspruch wurde von einer Partei eingelegt, die widerrechtliche Entnahme geltend gemacht hat, während die Patentinhaberin die Aufrechterhaltung des Patents beantragt hat. Das Gericht hat festgestellt, dass der Einspruch zulässig ist und dem Antrag des Einsprechenden stattgegeben, das Patent zu widerrufen. Das Gericht hat den Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit von Amts wegen aufgegriffen. Der Gegenstand des Patents wurde als neu, aber nicht als erfinderisch angesehen. Das Gericht hat festgestellt, dass die Erfindung naheliegend aus einer Kombination von zwei bekannten Dokumenten abgeleitet werden kann. Die Unteransprüche des Patents fallen mit dem Hauptanspruch.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 21.04.2005, Az: 34 W (pat) 337/03


Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I Gegen das am 19. Dezember 2002 veröffentlichte Patent DE 199 41 285 der Einsprechende am 19. März 2003 Einspruch eingelegt.

Das Patent umfaßt sieben Patentansprüche. Anspruch 1 lautet:

Doppelrohrsystem als Rohr im Rohr zum Erstellen von Verteil- und Zirkulationssystemen für Trinkwasser in Verbindung mit Trinkwassererwärmungsanlagen, mit aus einem Innenrohr und einem Außenrohr bestehenden Doppelrohren, Abzweigfittings im Doppelrohrsystem, Anschlußfittings für Armaturen sowie Abzweigfittings zum Ausfädeln des Innenrohres aus einem Doppelrohrsystem, gekennzeichnet durcham Ende (25c, 26c, 27c) von Doppelrohrsträngen (Steigrohrstrang 25, 26, Stockwerkverteilstrang 27) mit einer durch die äußeren Rohrstränge (25a, 26a, 27a) geführten Warmwasserleitung (29) und einer durch die inneren Rohrstränge (25b, 26b, 27b) geführten Zirkulationsleitung (30) anschließbare Zirkulationsreguliereinheiten (8) zur Herstellung eines hydraulischen Abgleichs von parallel verlegten Doppelrohrsträngen (25, 26, 27) mit Anschlüssen für eine oder mehrere Zapfstellen (28).

Ansprüche 2 bis 7 sind auf Anspruch 1 rückbezogen.

Im Verfahren sind ua folgende Entgegenhaltungen:

E1 DE 35 42 374 A1 E2 DE-Z: IKZ-Haustechnik, Heft 13 (1998), S 60, 61 Der Einsprechende hat als Einspruchsgrund widerrechtliche Entnahme geltend gemacht. Er hat zur Stützung seines Vortrags diverse Unterlagen vorgelegt und Zeugen benannt.

Der Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent aufrechtzuerhalten.

Sie ist der Auffassung, der Einsprechende sei am Anmeldetag nicht im Erfindungsbesitz gewesen; die Erfindung gehe vielmehr auf sie zurück. Die Patentinhaberin sieht im übrigen ausreichenden Abstand des Patents zum Stand der Technik.

Wegen Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

II Der Einspruch ist zulässig.

Er hat auch insofern Erfolg als das Patent - wie vom Einsprechenden beantragt - zu widerrufen war.

1. Der Senat greift von Amts wegen den Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit (PatG § 21 Abs 1 Nr 1) auf (vgl BPatGE 47, 141). Durch diese Prüfung werden Belange des Einsprechenden, der nur den Einspruchsgrund der widerrechtlichen Entnahme (PatG § 21 Abs 1 Nr 3) geltend gemacht hat, hier nicht berührt. Denn der Einsprechende hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass er keine Nachanmeldung gemäß PatG § 7 Abs 2 einreichen wolle. Deshalb kann auch die Streitfrage offen bleiben, ob bei der widerrechtlichen Entnahme die Patentfähigkeit der Erfindung, die Inhalt des Patents ist, gegeben sein muß (vgl dazu Schulte, PatG 7. Aufl § 21 Rdn 47 ff mwN).

2. Anspruch 1 läßt sich in Anlehnung an die Gliederung des Einsprechenden, s S 2 des Einspruchsschriftsatzes, folgendermaßen in Merkmale gliedern:

1 Doppelrohrsystem als Rohr im Rohr zum Erstellen von Verteil- und Zirkulationssystemen für Trinkwasser in Verbindung mit Trinkwassererwärmungsanlagen, a mit aus einem Innenrohr und einem Außenrohr bestehenden Doppelrohren, b Abzweigfittings im Doppelrohrsystem, c Anschlußfittings für Armaturen sowied Abzweigfittings zum Ausfädeln des Innenrohres aus einem Doppelrohrsystem, gekennzeichnet durchf1 parallel verlegte Doppelrohrstränge (Steigrohrstrang 25, 26, Stockwerkverteilstrang 27)

f2 mit einer durch die äußeren Rohrstränge 25a, 26a, 27a geführten Warmwasserleitung 29 undf3 einer durch die inneren Rohrstränge 25b, 26b, 27b geführten Zirkulationsleitung 30 undf4 mit Anschlüssen für eine oder mehrere Zapfstellen 28, e1 sowie durch an die Doppelrohrstränge anschließbare Zirkulationsreguliereinheiten 8 e2 zur Herstellung eines hydraulischen Abgleichs der Doppelrohrstränge 25, 26, 27, e3 wobei die Zirkulationsreguliereinheiten 8 am Ende 25c, 26c, 27c der Doppelrohrstränge anschließbar sind.

3. Das unbestritten gewerblich anwendbare Doppelrohrsystem nach Anspruch 1 mag neu sein, es beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Als Fachmann ist vorliegend ein Dipl.-Ing. (FH) des Maschinenbaus, Fachrichtung Heizung, Lüftung, Sanitärtechnik, anzusehen, der auf dem Gebiet der zentralen Warmwasserversorgung von Gebäuden tätig ist.

Im angegriffenen Patent ist ausweislich der Beschreibung Abs [0001] ausgegangen von dem Doppelrohrsystem nach der im Jahr 1987 veröffentlichten DE 35 42 374 A1 (E1). Die Schrift zeigt und beschreibt ein Doppelrohrsystem mit den Merkmalen des Oberbegriffs, s Merkmale 1, a bis d. In Fig 1 der Druckschrift sind zwei Rohrim-Rohr Doppelrohrstränge als parallel verlegte Stockwerksverteilstränge dargestellt, die jeweils bis zu den einzelnen Verbrauchern geführt sind. Der die Druckschrift lesende Fachmann unterstellt, dass der gezeigte Wärmeerzeuger 1 wie üblich im Keller des versorgten Gebäudes angeordnet ist bzw sein kann, so dass Steigrohrstränge ebenfalls vorliegen, womit auch Merkmalsgruppe f des Kennzeichens insgesamt verwirklicht ist.

Bei dem in Fig 3 dargestellten Detail eines Doppelrohrstrangs sind in der Wasserleitung 2 und der Zirkulationsleitung 4 jeweils Ventile eingesetzt. Das rechte Ventil 17 ist als Schieber bezeichnet und dient der Absperrung der äußeren Leitung 2. Das in der Fig links daneben liegende Element (ohne Bezugszeichen) erkennt der Fachmann als normales Absperr-Ventil bzw -Schieber, angeschlossen an die innere Leitung 4 des Doppelrohrstrangs. Eine Zirkulationsreguliereinheit ist daher nicht verwirklicht.

Als Unterschied verbleiben somit die Merkmale e1 bis e3 des Anspruchs 1.

Vor dem Hintergrund einer gebotenen Einsparung von Wasser und Energie und dem als notwendig angesehenen Schutz vor Legionellenausbreitung, s Abs [0002] bis [0005] der Patentschrift des angegriffenen Patents, ist der Erfindung die Aufgabe zugrundegelegt, das gattungsgemäße Doppelrohrsystem im Hinblick auf eine optimale Betriebsweise von mit diesem Rohrsystem zu erstellenden Verteil- und Zirkulationssystemen von Trinkwasser zu verbessern, s Abs [0006] der Patentschrift.

Zur Lösung der gestellten Aufgabe konnte der Fachmann den einschlägigen Artikel "Legionellenfeindlich planen" in der Fachzeitschrift IKZ-Haustechnik (E2) aus dem Jahr 1998 in Betracht ziehen. Dieser zeigt in der Figur auf S 61 ein Zweirohrsystem zum Erstellen von Verteilsystemen für Trinkwasser in Verbindung mit einer Trinkwassererwärmungsanlage, das zwei Zirkulationsstränge aufweist. In jeden Strang ist eine Zirkulationsreguliereinheit ("Multi-Therm" Regulierventil) eingesetzt, vgl Merkmal e1. Die Zirkulationsreguliereinheiten erzeugen die Wirkung gemäß Merkmal e2, s S 61 mittlere Sp Abs 3. Die "Multi-Therm" Regulierventile sind jeweils am Fußpunkt eines Strangs nahe der (Wieder-) Einspeisung der Zirkulationsleitung in den Trinkwassererwärmer TWW angeordnet, da dort bei Zirkulation - dies erkennt der Fachmann ohne weiteres - die niedrigste Temperatur in dem jeweiligen Strang vorliegt. Der Fußpunkt ist für die Anordnung der "Multi-Therm" Regulierventile deswegen günstig, weil bei Temperaturregulierung an dieser Stelle die am Ventil eingestellte Temperatur in dem jeweiligen gesamten Zirkulationsstrang nicht unterschritten wird.

Angesichts der in der Entgegenhaltung E2 angesprochenen Legionellen-Problematik war es für den Fachmann naheliegend, zur Lösung der gestellten Aufgabe die aus der Druckschrift bekannten Zirkulationsreguliereinheiten auch bei dem Rohrim-Rohr Doppelrohrsystem nach der DE 35 42 374 A1 (E1) in jedem Strang einzusetzen und entsprechend der Lehre der E2 an der Stelle anzuordnen, an der die niedrigste Temperatur im jeweiligen Strang herrscht. Diese Stelle ist, wie der zuständige Fachmann weiß, bei einem Rohrim-Rohr Doppelrohrsystem (dies entspricht einem Gegenstrom-Wärmetauscher) jeweils am Ende eines Doppelrohrstrangs, vgl Merkmal e3.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ergab sich somit für den Fachmann in naheliegender Weise aus einer Zusammenschau der Druckschriften E1 und E2.

4. Die Unteransprüche fallen mit Anspruch 1.

Dr. Ipfelkofer Hövelmann Dr. Frowein Ihsen Pü






BPatG:
Beschluss v. 21.04.2005
Az: 34 W (pat) 337/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/8f5c3b620000/BPatG_Beschluss_vom_21-April-2005_Az_34-W-pat-337-03




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