Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. März 2002
Aktenzeichen: 25 W (pat) 75/01

(BPatG: Beschluss v. 21.03.2002, Az.: 25 W (pat) 75/01)

Tenor

Die Beschwerden der Widersprechenden werden zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung Protec ist am 20. März 1998 für

"Observationen; Ermittlungen in Privat- und Geschäftsangelegenheiten; Erteilung von Auskünften in Handels- und Geschäftsangelegenheiten; Dienstleistungen eines Kaufhausdetektivs (Kauf- und Warenhausüberwachung); Wach- und Objektschutz; Ausbildung von Detektivanwärtern für Dritte; Kurierdienste, nämlich von Handelsgütern jeder Art, Zustellung von Datenträgern und Ersatzteilen; Personenschutz; Kontrolldienste, nämlich Pförtnerdienste, Parkplatz- und Baustellenüberwachung und Kontrolldienste bei Veranstaltungen"

in das Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 20. April 1998.

Widerspruch erhoben haben der Inhaber (Widersprechender 1) der älteren, seit dem 16. Januar 1986 ua für

"Elektronische Geräte, soweit in Klasse 9 enthalten, nämlich Alarmapparate und Signalgeber zum Schutz von Personen und zur Sicherung von Fenstern und/oder Türen von Räumen, Gebrauchs- und Wertgegenständen und diese aufnehmenden Behältnissen bzw Räumen"

eingetragenen Marke 1 086 751 siehe Abb. 1 am Endeund die Inhaberin (Widersprechende 2) der älteren, am 18. April 1997 für

"Elektronische und elektrische Signal-, Alarm- und Funkgeräte sowie daraus zusammengestellte Anlagen, sämtliche vorgenannten Waren für Alarm- und Sicherungszwecke bestimmt; Erstellung und Wartung von Sicherungsanlagen, insbesondere Alarmsicherungsanlagen"

eingetragenen Marke 397 10 704 protecco.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Benutzung der Widerspruchsmarke 1 086 751 im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 12. März 2001 in vollem Umfang bestritten und die Nichtbenutzungseinrede auch nach Vorlage von Glaubhaftmachungsunterlagen für ein Signal-Alarmgerät (eidesstattliche Versicherung vom 19. September 2001, Prospekte, Gebrauchsanweisung, Verpackungsschachtel) für eine darüber hinausgehende Benutzung der Widerspruchsmarke aufrechterhalten.

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 29. Dezember 1999 durch eine Beamtin des höheren Dienstes die Verwechslungsgefahr zwischen der angegriffenen Marke und den Widerspruchsmarken jeweils verneint und die Widersprüche zurückgewiesen. Die Verwechslungsgefahr sei bereits mangels Ähnlichkeit der Dienstleistungen der angegriffenen Marke mit den Waren und Dienstleistungen der Widerspruchsmarken zu verneinen. Es bedürfe keiner Erörterung, dass ein reines Dienstleistungsunternehmen, das Observationen, Detektivdienste, Wach-, Personen- und Objektschutz und Kontrolldienste anbiete bzw Detektive ausbilde, keine Waren produziere. Ebenso wenig gebe es Anhaltspunkte dafür, dass ein Hersteller von elektronischen Signal-, Alarm- und Funkgeräten, Telefon-, Film- und Messgeräten, der auch Sicherungsanlagen warte, daneben die in Rede stehenden Dienstleistungen anbiete. Die Tatsache, dass letztlich alle Waren der Widerspruchsmarken im weitesten Sinne Sicherungs- und Kontrollzwecken dienten und mit ihnen zB Kaufhäuser, in denen auch Kaufhausdetektive zum Einsatz kämen, ausgestattet seien, führe zu keiner anderen markenrechtlichen Bewertung.

Hiergegen richten sich die Beschwerden der Widersprechenden mit dem Antrag, den Beschluss der Markenstelle vom 29. Dezember 1999 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Insbesondere bei der Dienstleistung "Wach- und Objektschutz" der angegriffenen Marke und den Waren "Alarmapparate und Signalgeber zum Schutze von Personen und zur Sicherung von Fenstern und/oder Türen von Räumen, Gebrauchs- und Wertgegenständen und diese aufnehmenden Behältnissen bzw. Räumen", für die eine Benutzung der Widerspruchsmarke 1 086 751 glaubhaft gemacht worden sei, bzw den Waren für "Alarm- und Sicherungszwecke" der Widerspruchsmarke 397 10 704 handele es sich um ergänzende Waren/Dienstleistungen im Sinne von der "CANON"-Entscheidung des EuGH. Alarmanlagen seien regelmäßig auf Überwachungsunternehmen aufgeschaltet, die im Alarmfall für den personellen Einsatz am Ort der Alarmgebung sorgten, so dass eine unmittelbare Verzahnung (Ergänzung) zwischen Alarmanlagen und personenbezogener Überwachung vorliege. Unter diesem Gesichtspunkt sei in der "Tiffany"-Entscheidung des BGH auch die Ähnlichkeit zwischen Zigaretten und Raucherartikeln bejaht worden. Bei danach jedenfalls geringer Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen sei angesichts der klanglichen Identität hinsichtlich der Widerspruchsmarke 1 086 751 bzw der starken Ähnlichkeit von "Protec/protecco" eine Verwechslungsgefahr zu bejahen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke stellte in der mündlichen Verhandlung zuletzt den Antrag, die Beschwerden zurückzuweisen.

Aufgrund der vorgelegten Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke 1 086 751 für die dort genannten Signal-Alarmgeräte könne unter Zugrundelegung der sog. erweiterten Minimallösung im Rahmen der Integrationsfrage keine rechtserhaltende Benutzung für Alarmanlagen generell, insbesondere nicht für technisch aufwendige und komplexe Großanlagen angenommen werden. Im Rahmen einer Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen sei unter Berücksichtigung der objektiven Branchenverhältnisse darauf abzustellen, ob die angesprochenen Verkehrskreise in entscheidungserheblichem Umfang davon ausgehen, dass der Warenhersteller bzw -vertreiber einerseits und der Dienstleistungsunternehmer andererseits sich jeweils auf dem anderen Gebiet eigenständig gewerblich betätigen. Dies sei in dem angefochtenen Beschluss zutreffend verneint worden. Die von den Widerspruchsmarken erfassten Waren und die Dienstleistungen der angegriffenen Marke seien keinesfalls als "ergänzende Waren/Dienstleistungen" anzusehen. Auch die Dienstleistungen der Widerspruchsmarke 397 10 704 wiesen keine Berührungspunkte zu den Dienstleistungen der angegriffenen Marke auf. Im Hinblick auf die vollständig unterschiedlichen Einsatzbereiche hielten die sich gegenüberstehenden Marken nach dem Gesamteindruck einen ausreichenden Abstand ein. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke 397 10 704 sei in Anbetracht der beanspruchten Waren und Dienstleistungen als äußerst gering einzustufen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten und die zur Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke 1 086 751 eingereichten Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerden der Widersprechenden sind zulässig, haben in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Die jeweils nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobenen Widersprüche sind von der Markenstelle im Ergebnis zu Recht gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen worden. Es besteht auch nach Auffassung des Senats hinsichtlich beider Widerspruchsmarken keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Widerspruch aus der Wort-/Bild-Marke 1 086 751:

Durch die eingereichte eidesstattliche Versicherung in Verbindung mit dem Prospekt, der Gebrauchsanweisung und Verpackungsschachtel ist auf die nach § 43 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG wirksame erhobene Nichtbenutzungseinrede eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für ein in den genannten Unterlagen näher bezeichnetes batteriegetriebenes Signal-Alarmgerät nach Zeit, Art und Umfang glaubhaft gemacht. Die in der eidesstattlichen Versicherung für die Jahre 1996 bis 2000 genannten Umsatzzahlen zwischen 400 Stück (1998) und 1200 Stück (1996) rechtfertigen hinsichtlich der Dauer und des Umfangs der Benutzung die Annahme einer nicht nur aus Gründen des Rechtserhalts erfolgten, sondern einer normalen wirtschaftlichen Betätigung des Widersprechenden 1 entsprechenden Markenverwendung. Dabei deckt der angegebene Zeitraum von 1996 bis 2000 sowohl den Zeitraum nach § 43 Abs 1 Satz 1 MarkenG (20. April 1993 bis 20. April 1998) als auch den nach § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG, nämlich fünf Jahre vor der vorliegenden Beschwerdeentscheidung (vgl BGH MarkenR 2000, 97, 98 "Contura") ausreichend ab, da eine Markenbenutzung nicht ständig während des gesamten Benutzungszeitraums erfolgen muss (vgl hierzu BGH WRP 2000, 1161, 1162 "Kornkammer" mwN).

Das in den Benutzungsunterlagen beschriebene Signal-Alarmgerät fällt auch ohne weiteres unter den im Warenverzeichnis enthaltenen Warenbegriff "Elektronische Geräte, soweit in Klasse 9 enthalten, nämlich Alarmapparate und Signalgeber zum Schutz von Personen und zur Sicherung von Fenstern und/oder Türen von Räumen, Gebrauchs- und Wertgegenständen und diese aufnehmenden Behältnissen bzw Räumen". Für die vorliegenden Entscheidung kommt es jedoch nicht erheblich darauf an, ob insoweit aufgrund der Glaubhaftmachungsunterlagen auch eine Benutzung für den eingetragenen Warenbegriff "Elektronische Geräte ..., nämlich Alarmapparate und Signalgeber ..." insgesamt, also für Alarmanlagen generell, einschließlich technisch aufwendiger und komplexer Großanlagen angenommen werden kann, was die Inhaberin der angegriffenen Marke verneint und auch nach Auffassung des Senats erheblichen Bedenken begegnen würde. Auch, wenn man von einer Benutzung der Widerspruchsmarke für den eingetragenen Warenbegriff insgesamt ausgeht, fehlt es nämlich an der für die Annahme einer Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG erforderlichen Ähnlichkeit dieser Waren mit den Dienstleistungen der angegriffenen Marke.

Die Frage, welchen Ähnlichkeitsgrad die sich vorliegend gegenüberstehenden - nicht identischen - Marken besitzen, und insbesondere die Frage, ob ein als "protec" verstandener Wortbestandteil der Widerspruchsmarke allein schon die Marke (klanglich) prägt und somit kollisionsbegründend ist, oder der Bildbestandteil nicht zumindest den Gesamteindruck mitprägt (vgl hierzu BGH MarkenR 1999, 297, 300 "HONKA"), bedarf hier deshalb keiner näheren Prüfung, weil sie nicht entscheidungserheblich ist. Denn selbst wenn Identität mit einer Marke besteht, deren Kennzeichnungskraft besonders ausgeprägt ist, setzt eine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG bereits nach dem ausdrücklichen Wortlaut dieser Bestimmung - im Gegensatz zu der Regelung nach § 9 Abs 1 Nr 3 MarkenG, auf die ein Widerspruch gemäß § 42 Abs 2 MarkenG nicht gestützt werden kann - zumindest eine geringe Ähnlichkeit der durch beide Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen voraus (vgl EuGH GRUR 1998, 922, 923 "Canon"; BGH GRUR 1999, 245, 246 "LIBERO"; BGH GRUR 1999, 496, 497 "TIFFANY"; BGH MarkenR 1999, 242, 244 "Canon II"). Die Dienstleistungen der angegriffenen Marke und die für die Widerspruchsmarke eingetragenen Waren "Elektronische Geräte, soweit in Klasse 9 enthalten, nämlich Alarmapparate und Signalgeber zum Schutz von Personen und zur Sicherung von Fenstern und/oder Türen von Räumen, Gebrauchs- und Wertgegenständen und diese aufnehmenden Behältnissen bzw Räumen" sind jedoch überhaupt nicht ähnlich.

Eine Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen ist zwar grundsätzlich möglich, jedoch ist bei der Beurteilung insoweit der grundlegende Unterschied zwischen der Erbringung einer unkörperlichen Leistung einerseits und der Herstellung bzw dem Vertrieb einer körperlichen Ware anderseits zu beachten. Danach sind Dienstleistungen im Regelfall weder den zu ihrer Erbringung verwendeten Waren und Hilfsmitteln noch den durch sie erzielten Ergebnissen in Warenform ähnlich (vgl BGH aaO "Canon II"; BGH GRUR 1999, 586, 587 "White Lion"). Allerdings können besondere Umstände gleichwohl die Feststellung der Ähnlichkeit nahe legen. Maßgeblich in diesem Zusammenhang, ob bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck aufkommen kann, Dienstleistung und Ware unterlägen der Kontrolle desselben Unternehmens, sei es, dass der Dienstleistungsbetrieb sich selbständig auch mit der Herstellung oder dem Vertrieb der Ware befasst, sei es, dass der Warenhersteller oder -händler sich auch auf dem entsprechenden Dienstleistungsbereich selbständig gewerblich betätigt. Nur wenn der Verkehr zu der Auffassung gelangt, die mit einander in Berührung kommenden Dienstleistungen und Waren könnten auf einer selbständigen Tätigkeit desselben oder eines wirtschaftlich verbundenen Unternehmens beruhen, kann er zu einer unzutreffenden Vorstellung über deren betriebliche Zuordnung gelangen.

Dabei kann auch die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Dienstleistungen oder Waren ein für die Beurteilung der Ähnlichkeit beachtliches Kriterium darstellen (vgl EuGH GRUR 1998, 922, 923 "Canon"). Im Hinblick auf die für die Frage der Verwechslungsgefahr vorrangige Bedeutung der Herkunftsfunktion im Markenrecht (vgl EuGH GRUR 1998, 922, 924 "Canon"), reicht jedoch der Umstand, dass sich Dienstleistungen oder Waren in irgend einer Hinsicht ergänzen, zur Feststellung der Ähnlichkeit nicht aus. Vielmehr ist eine gegenseitige Ergänzung in dem Sinne erforderlich, dass ein funktionaler Zusammenhang vorliegt, wodurch aus der maßgeblichen Sicht der angesprochenen Abnehmer die Annahme gemeinsamer oder zumindest miteinander verbundener Ursprungsstätten nahegelegt wird.

Bei dieser Betrachtungsweise kann eine für die Beurteilung der Ähnlichkeit maßgebliche Ergänzung zwischen den insoweit allenfalls in Betracht kommenden Dienstleistungen "Wach- und Objektschutz, Personenschutz, Kontrolldienste" sowie "Dienstleistungen eines Kaufhausdetektivs" der angegriffenen Marke und den Waren "Alarmapparate und Signalgeber" der Widerspruchsmarke nicht festgestellt werden. Soweit die Widersprechende in einer möglichen, den Einsatz des Wach- und Schutzpersonals im Alarmfall auslösenden "Aufschaltung" von Alarmanlagen auf Überwachungsunternehmen eine unmittelbare Verzahnung und Ergänzung der Alarmanlagen und personenbezogener Überwachung sieht, vermag der Senat dem aufgrund der regelmäßigen tatsächlichen Branchenverhältnisse nicht zu folgen. Die genannten Dienstleistungen der angegriffenen Marke werden ihrer Art und ihrem Zweck nach ganz überwiegend unabhängig von einem konkreten Alarmfall, dh in gewissem Maße vorbeugend und nicht erst bei Auslösung eines Alarms erbracht. Ebenso bedarf es zur Erfüllung des Sinns und Zwecks von "Alarmapparaten und Signalgebern" nicht notwendiger- oder auch nur üblicherweise des Einsatzes von Überwachungsunternehmen bzw der von diesen angebotenen und erbrachten Dienstleistungen. Signal- und Alarmanlagen stellen auch im Falle einer "Aufschaltung" bei dieser Sachlage schon keine Hilfsmittel oder Arbeitsgeräte zur Ausführung der genannten Dienstleistungen dar, was aber für sich allein - wie dargelegt - regelmäßig selbst dann noch nicht die Annahme einer markenrechtlich relevanten Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen rechtfertigen würde. Auch wenn sich im Einzelfall der Einsatz des Überwachungs- und Kontrollpersonals als unmittelbare Folge eines durch eine "aufgeschaltete" Alarmanlage ausgelösten Alarms darstellt und diese Vorgänge dabei auch in gewisser Weise zeitlich und kausal zusammenhängen mögen, fehlt es insoweit jedoch an dem erforderlichen funktionalen Zusammenhang, dh an einer solchen gegenseitigen Ergänzung, engen Verbindung oder Bezogenheit der Dienstleistungen und Waren aufeinander (vgl hierzu; BGH MarkenR 1999, 242, 245 "Canon II"; BGH GRUR 1999, 496, 498 "TIFFANY"), dass für den Verkehr deshalb die Vorstellung einer gemeinsamen betrieblichen Verantwortung für die in Rede stehenden Dienstleistungen und Waren nahe liegt.

Eine derartige Annahme würde auch nicht durch den von dem Widersprechenden in der mündlichen Verhandlung angeführten Gesichtspunkt nahegelegt, dass das entsprechende Überwachungs-, Schutz- und Kontrollpersonal möglicherweise nach einem (Fehl-)Alarm den Alarm abzustellen und gegebenenfalls die Funktionsbereitschaft der Anlagen wiederherzustellen hat, soweit diese Tätigkeiten überhaupt in den Verantwortungs- und Zuständigkeitsbereich dieser Personengruppe fallen. Schließlich vermag auch der bloße Umstand, dass sowohl die Dienstleistungen der angegriffenen Marke als auch die Waren der Widersprechenden im weitesten Sinne Sicherungs-, Schutz- und Kontrollzwecken dienen, einen funktionellen Zusammenhang im Sinne der genannten Rechtsprechung für sich allein offensichtlich nicht zu begründen, was die Widersprechende auch nicht behauptet hat. So dienen diesen Zwecken ebenfalls so unterschiedliche Produkte wie zB Taschenlampen, Vorhängeschlösser, Schusswaffen oder Zutrittskontrollanlagen, Branddetektoren und Überwachungskameras, bei denen jedoch in Bezug auf die Dienstleistungen der angegriffenen Marke eine Zuordnung zu demselben betrieblichen Verantwortungsbereich ohne Zweifel ebenso fern liegt.

Vielmehr sprechen die allgemein und damit auch den hier angesprochenen Verkehrskreisen bekannten objektiven Branchenverhältnisse und die für die Erbringung der Dienstleistungen der angegriffenen Marke einerseits und die Herstellung und den Vertrieb der Waren der Widerspruchsmarke andererseits jeweils erforderlichen unterschiedlichen Fachkenntnisse, Fähigkeiten sowie die den jeweils gänzlich verschiedenen Geschäftsfeldern entsprechende berufliche Ausbildung und Qualifikation der Mitarbeiter gegen die Annahme sich im markenrechtlichen Sinne ergänzender Dienstleistungen und Waren. Bei den mit der Entwicklung, Herstellung und Instandhaltung von elektronischen Geräten, wie den hier in Rede stehenden Alarmapparaten und Signalgebern handelt es sich um in der Regel spezialisierte Elektrotechniker und zunehmend auch EDV-Fachleute, mithin um einen Personenkreis, welcher sich hinsichtlich der genannten Kriterien von dem Personal, welches üblicherweise mit der Erbringung der "Überwachungs-, Schutz- und Kontrolldienstleistungen" der angegriffenen Marke betraut ist, offensichtlich deutlich unterscheidet. Weder sind für die Erbringung der genannten Dienstleistungen spezifische technische Fachkenntnisse über die Konzeption, Herstellung, Funktion oder Instandhaltung von elektronischen Alarmanlagen erforderlich, noch verfügen die damit befassten Elektro- und Computertechniker über die für die Erbringung der genannten Dienstleistungen erforderliche Ausbildung. Anhaltspunkte dafür, dass ein Dienstleistungsbetrieb wie der der Inhaberin der angegriffenen Marke sich selbständig auch mit der Planung, Herstellung, dem Vertrieb oder der Instandhaltung von elektronischen Alarmanlagen befasst oder, dass der Hersteller bzw Händler von solchen Anlagen und Geräten auch Überwachungs-, Kontroll- und Schutzdienstleistungen selbständig gewerblich anbietet oder erbringt, sind daher weder ersichtlich noch von dem Widersprechenden vorgetragen.

Nach alledem war die Beschwerde des Widersprechenden 1 zurückzuweisen.

Widerspruch aus der Marke 397 10 704:

Soweit der Widerspruch auf die Waren "Elektronische und elektrische Signal-, Alarm- und Funkgeräte sowie daraus zusammengestellte Anlagen, sämtliche vorgenannten Waren für Alarm- und Sicherungszwecke bestimmt" der Marke "protecco" gestützt ist, kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen zur Widerspruchsmarke 1 086 751 verwiesen werden. Denn auch die elektronischen und elektrischen Geräte und Anlagen für Alarm- und Sicherungszwekke sind den Dienstleistungen der angegriffenen Marke aus den genannten Gründen nicht ähnlich im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG und eine Verwechslungsgefahr daher schon deshalb zu verneinen, ohne dass es insoweit auch hier auf die Frage der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken "Protec" und "protecco" entscheidungserheblich ankommt.

Eine davon abweichende Beurteilung ist nach Auffassung des Senats schließlich auch insoweit nicht veranlasst, als den Dienstleistungen der angegriffenen Marke auf Seiten der Widerspruchsmarke "protecco" die Dienstleistungen "Erstellung und Wartung von Sicherungsanlagen, insbesondere Alarmsicherungsanlagen" gegenüberstehen. Maßgeblich für die Beurteilung der Ähnlichkeit von Dienstleistungen ist in erster Linie deren Art und Zweck, dh der Nutzen für den Empfänger der Dienstleistungen sowie die Vorstellung des Verkehrs, dass die Dienstleistungen unter der gleichen Verantwortung erbracht werden (vgl BGH MarkenR 2001, 32, 33 mwN). Die von der angegriffenen Marke beanspruchen Überwachungs-, Kontroll- und Schutzdienstleistungen unterscheiden sich nach Art und Zweck von den Dienstleistungen "Erstellung und Wartung von Sicherungsanlagen, insbesondere Alarmsicherungsanlagen" aufgrund der vorgenannten tatsächlichen Branchenverhältnisse sowie der Ausbildung und fachlichen Qualifikation der jeweils mit der Erbringung befassten Personen in einer Weise, dass der angesprochene Verkehr keine Veranlassung zur Annahme hat, beide Arten von Dienstleistungen könnten auf einer selbständigen Tätigkeit desselben oder eines wirtschaftlich verbundenen Unternehmens beruhen und wird somit auch nicht zu einer unzutreffenden Vorstellung über die betriebliche Zuordnung gelangen.

Entgegen dem Vorbringen der Widersprechenden in der mündlichen Verhandlung kann das eventuelle Ausschalten und gegebenenfalls die Wiederherstellung der Funktionsbereitschaft durch "Einschalten" von Alarmanlagen durch das entsprechende Überwachungs-, Schutz- und Kontrollpersonal nach einem (Fehl-)Alarm keinesfalls mit der Dienstleistung "Wartung von Sicherungsanlagen" gleichgesetzt oder auch nur im markenrechtlichen Sinne als ähnlich angesehen werden. Für die Wartung, Instandhaltung und gegebenenfalls Reparatur derartiger Anlagen sind spezielle Fachkenntnisse über deren technischen Aufbau und Funktionsweise erforderlich, die über das für bloße "Ein- und Ausschalten" der Alarmanlagen nötige Wissen weit hinausgehen. Die von der Widersprechenden beanspruchten Wartungsdienstleistungen werden demzufolge wie die Erstellung solcher Anlagen von darauf spezialisierten und im übrigen aus Sicherheitsgründen dazu auch allein befugten Fachunternehmen erbracht. Unter diesen Umständen wird der angesprochene Verkehr allein aufgrund der Möglichkeit, dass das mit den Dienstleistungen der angegriffenen Marke betraute Wach-, Kontroll- und Schutzpersonal Alarmanlagen nach einem Alarmfall ausschaltet und sodann gegebenenfalls auch wieder in Betriebsbereitschaft versetzt, kaum zu der Vorstellung gelangen, Unternehmen für Wach-, Kontroll- und Schutzdienstleistungen einerseits würden auch die technische Wartung von Sicherungsanlagen, bzw entsprechende Wartungs-Fachunternehmen andererseits auch Dienstleistungen der Art, für die die angegriffene Marke geschützt ist, im Rahmen einer jeweils selbständigen gewerblichen Betätigung anbieten und erbringen.

Selbst wenn man dennoch zu Gunsten der Widersprechenden von einer dann allenfalls geringen Ähnlichkeit der sich insoweit auf beiden Seiten gegenüberstehen Dienstleistungen ausgehen wollte, würde - bei weiterhin zu Gunsten der Widersprechenden unterstellter normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke - aufgrund der dann deutlich verminderten Anforderungen an den Markenabstand der Unterschied zwischen den Bezeichnungen "Protec" und "protecco" in jeder Hinsicht ausreichen, um in diesem Fall die Verwechslungsgefahr ebenfalls zu verneinen. Bei einer für die Entscheidung als maßgeblich zu Grunde zu legenden Aussprache wie "protek" und "protekko" (siehe hierzu DUDEN, Aussprachewörterbuch, 2. Aufl, S 75 f) unterscheiden sich die Wörter klanglich durch die andere Silbenzahl und den dadurch bedingten abweichenden Sprech- und Betonungsrhythmus sowie den auffallend verschiedenen Wortausklang und schriftbildlich durch die abweichende Wortlänge ihrem Gesamteindruck nach hinreichend deutlich.

Nach alledem war auch die Beschwerde der Widersprechenden 2 zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Brandt Engels Guth Pü

Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/25W(pat)75-01.2.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 21.03.2002
Az: 25 W (pat) 75/01


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