Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. September 2006
Aktenzeichen: 7 W (pat) 375/03

(BPatG: Beschluss v. 13.09.2006, Az.: 7 W (pat) 375/03)

Tenor

Das Patent 100 55 166 wird beschränkt aufrechterhalten mit den am 13. September 2006 überreichten Unterlagen:

Patentansprüche 1 bis 5, 12 Seiten Beschreibung (Seiten 1-11), 5 Blatt Zeichnungen (Figuren 1 - 6D).

Gründe

I.

Gegen das Patent 100 55 166 mit der Bezeichnung Verfahren zur Regelung der Leistung und Drehzahl einer Turbine, dessen Erteilung am 10. April 2003 veröffentlicht worden ist, hat die A... Ltd in B... in C...

am 14. Juni 2003 Einspruch erhoben.

Sie macht geltend, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht patentfähig sei.

Zum Stand der Technik hat die Einsprechende folgende Druckschriften benannt:

E1 SINDELçR, R., Effektive Turbinenregelung, BWK Bd. 51 (1999), Nr. 7/8, S. 41-45 E2 SCHMIDT, G., Grundlagen der Regeltechnik, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Springer Verlag, 1987 E3 US 4 297 848 A E4 US 4 178 763 A E5 US 3 896 623.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten mit den am 13. September 2006 überreichten Unterlagen:

Patentansprüche 1 bis 5, 12 Seiten Beschreibung (Seiten 1-11), 5 Blatt Zeichnungen (Figuren 1 - 6D).

Die Einsprechende stimmt diesem Antrag zu.

Der Patentanspruch 1 lautet:

Verfahren zur Regelung der Leistung (P) und Drehzahl (n) einer Turbine (12), wobei die tatsächliche Leistung (Pist) und die tatsächliche Drehzahl (nist) erfasst und mit vorgegebenen Werten für Leistung (Psoll) und Drehzahl (nsoll) verglichen und in einem Regler (20) verarbeitet werden und in Abhängigkeit vom Ergebnis dieses Vergleichs die Energiezufuhr zu der Turbine (12) verändert wird, dadurch gekennzeichnet, dass für die Regelung der Leistung (P) in dem Regler (20) die Differenz (Pist - Psoll ) zwischen der tatsächlichen Leistung (Pist) und der vorgegebenen Leistung (Psoll) verwendet wird und dass das Ergebnis des Vergleichs zwischen der tatsächlichen Drehzahl (nist) und der vorgegebenen Drehzahl (nsoll) unabhängig von dem Ergebnis des Vergleichs zwischen der tatsächlichen Leistung (Pist) und der vorgegebenen Leistung (Psoll) zur Veränderung der Energiezufuhr zu der Turbine (12) ausgewertet wird und dass die beiden Ergebnisse nach der Auswertung zusammengeführt und weiterverarbeitet werden.

Die geltenden Patentansprüche 2 bis 5 sind auf die weitere Ausgestaltung des Verfahrens nach Patentanspruch 1 gerichtet.

Nach der geltenden Beschreibung, Seite 1a, letzter Absatz bis Seite 2, Zeile 3, ist es Aufgabe der Erfindung, eine verbesserte Regelung für die Leistung und Drehzahl einer Turbine bereitzustellen, bei der insbesondere Schwingungen des Gesamtsystems vermieden und eine rasche Nachführung der Regelgrößen mit verringertem Über- beziehungsweise Unterschwingen erreicht wird.

II.

1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 1 PatG (a. F.) durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist zulässig. Er ist auch begründet und führt er zu einer Einschränkung des Schutzbereichs.

3. Das Verfahren nach Patentanspruch 1 stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne des Patentgesetzes § 1 bis § 5 dar.

Der zuständige Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur des Maschinenbaus mit langjähriger Erfahrung bei der Auslegung von Regelstrukturen für Turbinen von Kraftwerken.

Das Verfahren des Patentanspruchs 1 ist unstrittig neu, da aus keiner der zum Stand der Technik genannten Druckschriften sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 entnehmbar sind. Es beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Einsprechende bestreitet dies nicht mehr.

Das aus der E1 bekannte Regelungsverfahren für eine Kraftwerksturbine mit einem Regelkreis mit einer Differenzbildung zwischen Psoll - Pist führt zu dem Problem, dass bei einem Abtrennen der Netzlast die Sollleistung Psoll den Wert 0 annimmt. Daraufhin geht in den Regelkreis nur noch der negative Wert der tatsächlichen Leistung ein. Zur Überwindung der damit verbundenen Nachteile, die sich u. a. bei wiederholtem Zu- und Abschalten der Netzlast in unerwünschten Schwingungen zeigen kann, wird beim Verfahren des Patentanspruchs 1 im Unterschied zu bekannten Regelungsverfahren gemäß der E1 nicht mehr die Differenz zwischen der vorgegebenen Leistung und der tatsächlichen Leistung, sondern der negative Wert dieser Differenz, d. h. Pist - Psoll verwendet.

Da auch bei dem Regelungsverfahren gemäß der E2, Bild 5.16 auf Seite 275, eine Rückkopplung in der Form erfolgt, dass der Istwert (Generatorspannung bzw. Frequenz) mit negativen Vorzeichen dem jeweiligen Sollwert zugeführt wird, werden in den beiden Druckschriften E1 und E2 jeweils Regelkreise mit einer Grund legend anderen Differenzbildung als beim Streitpatent offenbart, bei dem die Differenz zwischen der tatsächlichen Leistung (Pist) und der vorgegebenen Leistung Psoll zur Regelung verwendet wird. Einen Hinweis in Richtung auf die Lösung nach Patentanspruch 1 geben die Regelungsverfahren der E1 oder E2 damit jedenfalls nicht an.

Darüber hinaus ist nach dem Patentanspruch 1 vorgesehen, dass das Ergebnis des Vergleichs zwischen der tatsächlichen Drehzahl nist und der vorgegebenen Drehzahl nsoll unabhängig von dem Ergebnis des Vergleichs zwischen der tatsächlichen Leistung (Pist) und der vorgegebenen Leistung Psoll zur Veränderung der Energiezufuhr zu der Turbine ausgewertet wird und dass die beiden Ergebnisse nach der Auswertung zusammengeführt und weiterverarbeitet werden. Das von der Einsprechenden in der E2 hervorgehobene Bild 5.16 auf Seite 275 stellt jedoch eine Regelung dar, bei der zwei Größen mit einer strukturierten gegenseitigen Verknüpfung und Rückkopplung geregelt werden. Durch die wechselseitige Verknüpfung der beiden Regelgrößen erfolgt beim Verfahren der E2 im Gegensatz zum dem des Streitpatents deshalb keine getrennte Auswertung der betreffenden Parameter und im Unterschied zum Streitpatent auch keine ausgangsseitige Zusammenführung zu einem einzigen Signal, das weiterverarbeitet wird. Eine solche Regelungsmaßnahme ist auch in der E1 nicht erkennbar und wird auch durch die dort herausgestellte Regelung der Turbinenleistung durch die Berechnung der Parameter Druck, Temperatur und Massenstrom nicht nahe gelegt.

Damit entnimmt der zuständige Fachmann den genannten Druckschriften, weder einzeln noch in Zusammenschau, auch keinerlei Anregungen in Richtung auf das Verfahren des Streitpatents.

Die Verfahren der übrigen von der Einsprechenden benannten Druckschriften E3, E4 und E5 betrachten lediglich den technologischen Hintergrund und kommen in ihrer Offenbarung dem Streitpatent auch nicht näher, was von der Einsprechenden auch nicht bestritten wird.

Die in den Kennzeichenteilen der Unteransprüche 2 bis 5 genannten Maßnahmen dienen der vorteilhaften Weiterbildung des Gegenstandes des übergeordneten Anspruchs 1.

Bei dieser Sachlage war das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten.






BPatG:
Beschluss v. 13.09.2006
Az: 7 W (pat) 375/03


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