Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Juni 2006
Aktenzeichen: 20 W (pat) 44/03

(BPatG: Beschluss v. 12.06.2006, Az.: 20 W (pat) 44/03)

Tenor

Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. März 2003 wird aufgehoben.

Die Anmeldung wird zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I Die Anmeldung ist durch den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 03 K vom 20. März 2003 mangels Neuheit gegenüber dem Gegenstand der Druckschrift

(1) WO 98/51 133 A2 zurückgewiesen worden.

Im Verfahren vor dem Bundespatentgericht wurden außerdem noch die Druckschriften

(2) EP 318 110 A1,

(3) WO 95/24 055 A1,

(4) Tietze, U.; Schenk, Ch.: Halbleiter-Schaltungstechnik, u. a. Berlin: Springer Verlag, 1983, S. 83-84,

(5) DE 196 10 135 C1 und die

(6) US 5 285 369 in Betracht gezogen.

Die Anmelderin legt neue Patentansprüche 1-17 vor und beantragt, das Patent mit den Patentansprüchen 1-17, überreicht in der mündlichen Verhandlung, hilfsweise mit fünf nebengeordneten Patentansprüchen, die die Merkmale der ursprünglichen Patentansprüche 1 und 5 bzw. 1 und 6 bzw. 1 und 7 bzw. 1 und 8 bzw. 1 und 11 umfassen, zu erteilen.

Der geltende Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

1. Leistungselektronische Schaltung (2) mit wenigstens einem Leistungshalbleiter (4), einer Ansteuereinrichtung (6) und einer Stromversorgung (8), wobei die Steuereingänge des Leistungshalbleiters (4) mit einer Ansteuereinrichtung (6) verknüpft sind, und wobei die Stromversorgung (8) ausgangsseitig mit Anschlüssen der Ansteuereinrichtung (6) verbunden sind, dadurch gekennzeichnet, dass als Leistungshalbleiter ein selbstleitender Leistungshalbleiter (4) und eine Einrichtung (10) vorgesehen sind, und dass die Stromversorgung (8) eingangsseitig mit der Einrichtung (10) verbunden ist, die eingangsseitig mit einem Versorgungsnetz (18) verknüpft ist.

Zu den ursprünglichen Ansprüchen 1,5,6,7,8 und 11 wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die Anmelderin vertritt die Auffassung, die Gegenstände der Patentansprüche gemäß Haupt- und Hilfsantrag seien den ursprünglich eingereichten Unterlagen als zur Erfindung gehörend entnehmbar. Sie seien auch gegenüber dem durch die bisher genannten Druckschriften belegten Stand der Technik neu und beruhten auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Außerdem führt die Anmelderin im Wesentlichen aus, dass die Schaltung nach Figur 2 der Druckschrift (6) nur dann funktionieren würde, wenn der Transistor 64 entgegen seiner zeichnerischen Darstellung als selbstsperrender Transistor ausgebildet wird.

Unmittelbar zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Schaltung könne die Ansteuerschaltung PWM noch keine Ansteuerspannung liefern, die den Transistor 64 zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme sperrt. Ein selbstleitender Transistor würde daher die Primärwicklung des Transformators 14 bereits gegen Masse schalten, bevor die Ansteuerschaltung PWM betriebsbereit sei.

Bei der Schaltung nach Figur 2 der Druckschrift (6) würde zudem die Stromversorgung für die Ansteuerschaltung PWM durch die aus der Sekundärwicklung abgeleitete Spannung Vbias und nicht durch den eingangsseitig dem Gleichrichter 12 nachgeschalteten Kondensator 24 erfolgen.

II Die Beschwerde ist zulässig. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Patentamt auf der Grundlage der neu gefassten nebengeordneten Patentansprüche gemäß Hilfsantrag, die noch nicht geprüft sind (§ 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 3 PatG).

Als Fachmann ist ein Diplomingenieur (FH) für Elektrotechnik mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung von leistungselektronischen Schaltungen, insbesondere von Schaltnetzteilen, anzusetzen.

1) Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag mag zwar neu sein, er beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Druckschrift (6) offenbart in Figur 2 eine leistungselektronische Schaltung (switching power supply 50) mit einem Leistungshalbleiter 64, einer Ansteuereinrichtung (Pulsweitenmodulator PWM 62, Transistor 56) und einem Kondensator 24 (Sp. 1 Z. 53-63 i. V. m. Fig. 2). Der Fachmann liest aus Figur 2 zwingend mit, dass neben dem Gateanschluss auch dessen Sourceanschluss, d. h. beide Steuereingänge des Leistungshalbleiters 64 mit der Pulsweitenmodulationsschaltung der Ansteuereinrichtung (PWM 62, Transistor 56) verknüpft sind.

Eingangsseitig ist der Kondensator 24 mit einer als Gleichrichter 12 ausgebildeten Einrichtung verbunden, die wiederum eingangsseitig mit einem Versorgungsnetz (110/220 VAC) verknüpft ist. Der über den Gleichrichter 12 aufladbare Kondensator 24 ist ausgangsseitig über eine aus Figur 2 ersichtliche Leitung und über einen als Vorschaltwiderstand geschalteten Transistor 54 mit der Ansteuereinrichtung (PWM 62, Transistor 56) verbunden. Unmittelbar nach dem Zuschalten des Versorgungsnetzes (110/220 VAC) wird der Transistor 54 über einen Widerstand 60 solange leitend geschaltet, bis die vom Transformator 14 erzeugte Spannungsversorgung Vbias vorliegt (Sp. 1 Z. 60, 61 i. V. m. Fig. 2). Der Kondensator 24 dient damit für die Ansteuereinrichtung (PWM 62, Transistor 56) solange als Stromversorgung, bis offensichtlich eine vom Transformator 14, einer Gleichrichterdiode 30 und einem Glättungskondensator 27 erzeugte Spannung Vbias einen von einer Komparatorschaltung (Komparator 58, Spannungsteilerwiderstände, Vref) festgelegten Schwellwert überschreitet (Fig. 2) und ab diesem Zeitpunkt die Stromversorgung übernehmen kann.

Das in Figur 2 gezeigte Symbol für den Leistungstransistor 64 weist diesen als p-Kanal-Depletion-FET und damit als selbstleitenden Leistungshalbleiter aus (Druckschrift 4 S. 83: le. Abs. i. V. m. S. 84 Abb. 5.1). Neben dem Leistungstransistor 64 zeigt aber die Schaltung nach Figur 2 auch noch einen weiteren Transistor 54, der mit demselben Symbol wie der Leistungstransistor 64 dargestellt ist. Die Beschreibung weist diesem Transistor 54 jedoch entgegen der Bedeutung seines Symbols die Funktion eines selbstsperrenden Transistors zu, da der Transistor 54 erst nach Anlegen einer von Null abweichenden Spannung leitend geschaltet wird (Sp. 1 Z. 60 i. V. m. Fig. 2). Ein Hinweis für eine selbstsperrende Funktion des als selbstleitend dargestellten Leistungstransistors 64 ist der Druckschrift (6) nicht entnehmbar. Mögliche Zweifel an der korrekten Darstellung des Symbols des Leistungstransistors 64 führen den Fachmann aber lediglich zu einer Wahl zwischen den beiden möglichen Ausführungsformen, nämlich einem selbstleitenden oder einem selbstsperrenden Leistungstransistor, die der Fachmann nach den an die Schaltung gestellten Anforderungen, z. B. niedrigen Durchlass- und Schaltverlusten, trifft. Mehr fordert Anspruch 1 nach Hauptantrag nicht.

2) Die geltenden Patentansprüche nach Hilfsantrag entsprechen jeweils den auf den ursprünglichen Anspruch 1 rückbezogenen ursprünglichen Ansprüchen 5 bzw. 6 bzw. 7 bzw. 8 bzw. 11 und sind daher zulässig.

3a) Da das Patentbegehren im Beschwerdeverfahren wesentlich geändert wurde, ist der dem angefochtenen Beschluss zugrunde liegende Zurückweisungsgrund der mangelnden Patentfähigkeit gegenüber dem Stand der Technik entfallen.

Die leistungselektronischen Schaltungen nach den jeweils geltenden nebengeordneten Patentansprüchen gemäß Hilfsantrag sind unzweifelhaft gewerblich anwendbar und auch gegenüber dem bisher bekannt gewordenen Stand der Technik nach (1) bis (6) neu, da aus keiner der dort beschriebenen Schaltungen alle Merkmale der jeweiligen nebengeordneten Patentansprüche entnehmbar sind.

Darüber hinaus ergibt sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 auch nicht in nahe liegender Weise aus dem zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit in Betracht zu ziehenden Stand der Technik nach den Druckschriften (1) bis (6). Mit der erfindungsgemäßen Einrichtung wird in offensichtlich vorteilhafter Weise erreicht, dass erst die Stromversorgung der Ansteuereinrichtung sichergestellt und danach eine Spannungsversorgung des Leistungstransistors erfolgen kann. Damit wird verhindert, dass der selbstleitende Leistungstransistor ohne betriebsfähige Ansteuereinrichtung die zu treibende Last über einen unzulässig langen Zeitraum auf Masse schaltet und dadurch möglicherweise überlastet. Bei den in den vorgenannten Druckschriften (1) - (3), (5) und (6) beschriebenen Schaltungen sind Anregungen zur Lösung dieser Aufgabe dahingehend, eine Stromversorgung, die ausgangsseitig mit Anschlüssen einer Ansteuereinrichtung und eingangsseitig mit einer Einrichtung verbunden ist, an der eine Versorgungsspannung ansteht, wobei die Einrichtung einen Schalter und einen Gleichrichter mit einem Hilfskondensator bzw. einen Stromrichter mit einem Hilfskondensator aufweist, nicht ersichtlich.

3b) Der Senat hat davon abgesehen, in der Sache selbst zu entscheiden. Wie aus der Akte ersichtlich ist, hat das Patentamt u. a. zu den Merkmalen der ursprünglichen Ansprüche 5, 6, 7, 8 und 11 im Verfahren nach § 44 PatG für die Prüfung, ob der Anmeldungsgegenstand die Patentierungsvoraussetzungen nach §§ 3 und 4 PatG erfüllt, noch nicht recherchiert. Nachdem vorliegend nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein einer Patenterteilung möglicherweise entgegenstehender Stand der Technik existiert und eine sachgerechte Entscheidung nur aufgrund einer vollständigen Recherche des druckschriftlichen Standes der Technik ergehen kann, wofür in erster Linie die Prüfungsstellen des Patentamts mit ihrem Prüfstoff und den ihnen zur Verfügung stehenden Recherchemöglichkeiten in Datenbanken berufen sind, ist die Sache zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das Patentamt zurückzuverweisen.






BPatG:
Beschluss v. 12.06.2006
Az: 20 W (pat) 44/03


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