Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. Juni 2004
Aktenzeichen: 33 W (pat) 113/02

(BPatG: Beschluss v. 29.06.2004, Az.: 33 W (pat) 113/02)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Patentamts vom 2. Januar 2002 aufgehoben, soweit die Löschung der Marke 399 28 668 angeordnet worden ist.

2. Auch insoweit wird der Widerspruch aus der Marke 395 45 846 zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die farbige Eintragung der Wort/Bildmarke 399 28 668 ist Widerspruch erhoben aus der Wort-Bildmarke 395 45 846 die am 5. März 1996 für die Waren und Dienstleistungen Klasse 5 Pflaster, Verbandmaterial;

Diagnostikmittel für medizinische Zwecke;

Desinfektionsmittel;

Klasse 10 Chirurgische Instrumente und Apparate;

ärztliche Instrumente und Apparate; orthopädische Artikel, insbesondere Bandagen; Spezialmobiliar für medizinische Zwecke; chirurgisches Nahtmaterial;

Klasse 42 Planung von Arztpraxeneingetragen worden ist. Der Widerspruch richtet sich auf Grund der Eingabe der Widersprechenden vom 8. Mai 2000 nur gegen die Dienstleistungen der jüngeren Marke

"Klasse 35:

Unternehmensberatung; Organisationsberatung, betriebswirtschaftliche Beratung;

Klasse 42:

Bau- und Konstruktionsplanung und -beratung; Dienstleistungen eines medizinischen oder bakteriologischen Labors."

Die Markenstelle für Klasse 35 des DPMA hat die Löschung der jüngeren Marke mit Beschluss vom 2. Januar 2002 teilweise angeordnet, und zwar für die Dienstleistungen

"Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Aufstellung von Statistiken; Buchführung; Ermittlung in Geschäftsangelegenheiten; Marketing; Marktforschung und Marktanalyse; Unternehmensberatung; Organisationsberatung; betriebswirtschaftliche Beratung; Personalberatung; Dienstleistungen eines medizinischen, bakteriologischen oder chemischen Labors"

und den Widerspruch im übrigen zurückgewiesen. Im Umfang der Teillöschung bestehe eine hohe bis mittlere Ähnlichkeit mit der Dienstleistung der Widerspruchsmarke "Planung von Arztpraxen". Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei zwar als gering einzustufen. Wegen der großen Markenähnlichkeit sei aber insgesamt Verwechslungsgefahr i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG gegeben. Zum Antrag, die Kosten der Widersprechenden aufzuerlegen, enthält der angefochtene Beschluß keine Ausführungen.

Die Markeninhaberin hat gegen den Beschluß Beschwerde eingelegt. In ihrer Beschwerdeschrift vom 12. Februar 2002 hat sie die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Außerdem führt sie aus, daß keine Verwechslungsgefahr gegeben sei, weil der Schutzumfang der Widerspruchsmarke wegen deren unterdurchschnittlicher Kennzeichnungskraft gering sei und keine relevante Ähnlichkeit der Dienstleistungen oder Branchen bestehe. Die Widersprechende betätige sich im Wesentlichen im medizinischen Bereich, während die Inhaberin der angegriffenen Marke als Tochterunternehmen der S... GmbH und der I... GmbH für Energieversorgungs- und Entsorgungsunternehmen sowie Verkehrsbetriebe Beratung anbiete.

In der mündlichen Verhandlung hat die Markeninhaberin das Dienstleistungsverzeichnis hinsichtlich der Dienstleistungen "Unternehmensberatung; Organisationsberatung; betriebswirtschaftliche Beratung" beschränkt auf

"Unternehmensberatung, Organisationsberatung, betriebswirtschaftliche Beratung, vorgenannte Dienstleistungen mit Ausnahme von Einrichtungsplanung, insbesondere für Arztpraxen und Tageskliniken."

Sie beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 vom 2. Januar 2002 aufzuheben, soweit die Marke 399 28 668 wegen des Widerspruchs aus der Marke 395 45 846 teilweise gelöscht worden ist, und den Widerspruch in vollem Umfang zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt ist die Zurückweisung der Beschwerde.

Zur Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke hat die Widersprechende eine eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers, Herrn R..., vom 15. Juni 2004 sowie Einrichtungspläne für ver- schiedene Arztpraxen eingereicht. Sie hat außerdem ausgeführt, daß unter der Widerspruchsmarke nicht nur die Dienstleistungen "Planung von Arztpraxen", sondern fast immer ein komplettes Leistungspaket für die Neueinrichtung der Arztpraxen von der Planung der Einrichtung über die Fertigung und Lieferung der Einrichtungsgegenstände bis zur Montage erbracht werde. Dabei stelle die Planung einen besonders wichtigen und relativ aufwendigen Baustein in dem Leistungspaket dar.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Nach der Einschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses der jüngeren Marke besteht auf der Grundlage des beschränkten Widerspruchs nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG mehr.

Soweit der angefochtene Beschluß die Teillöschung der Marke 395 28 668 für die Dienstleistungen

"Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Aufstellung von Statistiken; Buchführung; Ermittlung in Geschäftsangelegenheiten; Marketing; Marktforschung und Marktanalyse; Personalberatung; Dienstleistungen eines chemischen Labors"

angeordnet hat, geht er über den Antrag der Widersprechenden hinaus und ist insoweit deshalb aufzuheben. Die Widersprechende hatte ihren zunächst gegen alle identischen oder ähnlichen Dienstleistungen der angegriffenen Marke gerichteten Widerspruch bereits mit Schriftsatz vom 8. Mai 2000 beschränkt:

Die Frage einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung der maßgeblichen Faktoren der Waren/Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in dem Sinne auszugehen, daß ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren bzw. der Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken und/oder eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aufgewogen wird und umgekehrt (st Rspr BGH GRUR 2003, 963 - AntiVir/AntiVirus; GRUR 2004, 239 - DONLINE; WRP 2004, 1043 - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).

Nachdem die Markeninhaberin die Benutzung der Widerspruchsmarke nach Ablauf der Benutzungsschonfrist vom 5. März 2001 in ihrer Beschwerdebegründung vom 12. Februar 2002 in zulässiger Weise bestritten hat, sind für die Beurteilung der Waren- bzw. Dienstleistungsähnlichkeit gemäß § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG nur die Waren oder Dienstleistungen zu berücksichtigen, für die die Benutzung glaubhaft gemacht worden ist. Auf Grund der eingereichen Unterlagen und Erklärungen der Widersprechenden geht der Senat bei seiner Entscheidung von der benutzten Dienstleistung "Planung von Arztpraxen" aus, deren Benutzung die Markeninhaberin in der mündlichen Verhandlung im übrigen auch nicht mehr substantiiert bestritten hat.

Zwischen der Dienstleistung "Planung von Arztpraxen" einerseits und der ursprünglichen mit dem Widerspruch angegriffenen "Bau- und Konstruktionsplanung und -beratung" der Klasse 42 andererseits wäre zwar ein besonders hoher Grad an Ähnlichkeit der Dienstleistungen gegeben. Diese mit dem beschränkten Widerspruch angegriffene Dienstleistung der jüngeren Marke ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens, da die Markenstelle sie zwar fehlerhaft nicht berücksichtigt hat, Beschwerde jedoch nicht von der insoweit beschwerten Widersprechenden, sondern allein von der Markeninhaberin eingelegt worden ist.

Hinsichtlich der "Dienstleistungen eines medizinischen oder bakteriologischen Labors", gegen die sich der Widerspruch richtet und die noch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, besteht keine Ähnlichkeit mit der Einrichtungsplanung von Arztpraxen der Widersprechenden. Selbst wenn die Planung einer Arztpraxis sich im Einzelfall auch auf die Einrichtung eines angeschlossenen oder integrierten entsprechenden Labors erstrecken sollte, handelt es sich gleichwohl um Überlegungen und Dienstleistungen der Planung und nicht um Dienstleistungen, die ein medizinisches oder bakteriologisches Labor typischerweise erbringt. Es fehlt schon wegen der unterschiedlichen Art der Tätigkeiten, der hierfür erforderlichen Vor- und Ausbildung sowie deren Zielrichtung und Verwendungszwecks an relevanten Berührungspunkten, die die beteiligten Verkehrskreise bei identischer Kennzeichnung zu der Annahme veranlassen könnten, der Einrichter von Arztpraxen würde zugleich oder aus einer Hand auch Labordienstleistungen anbieten oder erbringen.

Soweit eine etwaige Dienstleistungsähnlichkeit zu den Dienstleistungen "Unternehmensberatung; Organisationsberatung; betriebswirtschaftliche Beratung" wegen des weiten Oberbegriffs bestand, ist diese durch die Einschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses der jüngeren Marke "mit Ausnahme von Einrichtungsplanung, insbesondere für Arztpraxen und Tageskliniken" nahezu ausgeräumt worden. Selbst wenn noch eine entfernte Dienstleistungsähnlichkeit gegeben ist, reicht diese zur Bejahung der Verwechslungsgefahr nicht aus, weil die Marken zwar äußerst ähnlich sind, die Vergleichszeichen, insbesondere die Widerspruchsmarke im Hinblick auf die betroffenen Dienstleistungen, aber eine geringe Kennzeichnungskraft aufweisen.

Bei ihrer Benennung im Verkehr wird die Widerspruchsmarke klanggleich wie die beschreibende Angabe "Praxis" ausgesprochen. Ihre Schutzfähigkeit beruht allein auf ihrer Gestaltung, bei der die Verdoppelung des X den beschreibenden Begriff leicht verändert. Sie beschränkt zugleich den nach Maßgabe dieser Eigenprägung zu bemessenden Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Die Widersprechende ist aus Rechtsgründen zwar gehindert, gegen eine markenmäßige Verwendung der zugrundeliegenden beschreibenden Angabe "Praxis" vorzugehen (vgl. BGH aaO - AnitVir/AntiVirus). Sie kann sich aber gegen eine jüngere Marke wenden, die gerade die eintragungsbegründende Verdoppelung des X in ähnlicher Weise (XX in Blau auf weißem Hintergrund gegenüber XX in Weiß auf schwarzem Grund) in ihrem Schriftbild enthält. Dabei ist der Schutzumfang der Widerspruchsmarke von Haus aus allerdings eng zu bemessen, weil die Anlehnung an die beschreibende Angabe auch im Schriftbild erhalten bleibt.

Die große Ähnlichkeit der übereinstimmenden Markenwörter und ihrer Gestaltung vermag die nach der Einschränkung bestehende Warenferne sowie die geringe Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nach Auffassung des Senats nicht auszugleichen, so daß der Widerspruch unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses auch insoweit zurückzuweisen war.

Die Markenstelle hat in dem angefochtenen Beschluß über den ausdrücklich gestellten Kostenantrag der Markeninhaberin und den Zurückweisungsantrag der Widersprechenden nicht entschieden und eine Bestimmung über die Kosten fehlerhaft nicht getroffen. Der Verfahrensfehler hat hier allerdings keine Auswirkung auf das Verfahren, da der Beschluß im Umfang der Anfechtung bereits aus anderen Gründen aufzuheben war und nach der Beschränkung des Widerspruchs ohnehin keine Gründe vorlagen, der Widersprechenden aus Billigkeit die Kosten aufzuerlegen.

Für ein Abweichen vom Grundsatz der eigenen Kostentragung bot auch das Beschwerdeverfahren keinen Anlaß (§ 71Abs. 1 MarkenG).

Winkler Kätker Pagenberg Hu






BPatG:
Beschluss v. 29.06.2004
Az: 33 W (pat) 113/02


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