Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 4. Juli 2009
Aktenzeichen: AnwZ (B) 14/08

(BGH: Beschluss v. 04.07.2009, Az.: AnwZ (B) 14/08)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21. September 2007 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist seit 1976 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Die Antragsgegnerin widerrief mit Bescheid vom 16. Mai 2007 die Zulassung des Antragstellers gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls.

Der Anwaltsgerichtshof hat den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Gegen die Zurückweisung des Antrags wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft ist zu Recht widerrufen worden.

1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Diese Voraussetzungen für den Widerruf waren bei Erlass der angegriffenen Verfügung erfüllt.

a) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall sind die Erwirkung von Schuldtiteln und fruchtlose Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschl. vom 25. März 1991 - AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschl. vom 21. November 1994 - AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126; Beschl. vom 26. November 2002 - AnwZ (B) 18/01; NJW 2003, 577). Der Vermögensverfall wird nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht oder Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO, § 915 ZPO) eingetragen ist.

Zum Zeitpunkt des Widerrufs war der Antragsteller mit drei Haftbefehlen im Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts K. eingetragen. Die Gläubiger H. B. Stiftung, M. Mi. und die Gerichtskasse K. hatten diese Haftbefehle wegen Forderungen in einer Gesamthöhe von über 50.000 € erwirkt. Die Voraussetzungen für die Löschung dieser Haftbefehle lagen, anders als bei dem vierten, der Widerrufsverfügung ebenfalls zu Grunde liegenden Haftbefehl (281 M ), im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung nicht vor, so dass der Vermutungstatbestand gegeben war. Mehrfachen Aufforderungen der Antragsgegnerin, zu seinen Vermögensverhältnissen detailliert Stellung zu nehmen und entsprechende Belege vorzulegen, war der Antragsteller nur unzureichend nachgekommen.

b) Anhaltspunkte dafür, dass ungeachtet des Vermögensverfalls die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet waren, lagen bei Erlass der Widerrufsverfügung nicht vor. Wie der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber davon aus, dass der Vermögensverfall regelmäßig zu einer derartigen Gefährdung führt, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern. Die Gefahr hat sich im Falle des Antragstellers auch bereits verwirklicht, denn er ist wegen Untreue zu Lasten von Mandanten in drei Fällen durch Strafbefehl des Amtsgerichts K. vom 24. April 2003 zu einer vorbehaltenen Geldstrafe verurteilt worden. Die Strafe ist später durch das Urteil des Amtsgerichts K. vom 2. April 2004 - rechtskräftig seit dem 26. Mai 2004 - in eine Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 60 € einbezogen worden. Das Anwaltsgericht K. hat deshalb mit Urteil vom 10. Mai 2004 (EV ) dem Antragsteller einen Verweis erteilt und eine Geldbuße in Höhe von 10.000 € verhängt. Durch Berufungsurteil des Landgerichts K. vom 25. September 2007, rechtskräftig seit dem 11. März 2008, wurde der Antragsteller wegen Untreue und wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in fünf Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 40 € verurteilt. Die Untreue hatte der Antragsteller wiederum zum Nachteil von Mandanten begangen. In dem Urteil des Landgerichts ist festgestellt, dass er bewusst das Konto seiner Ehefrau als Anwalts- und Anderkonto nutzte, weil seine eigenen Girokonten durch Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse "blockiert" waren.

2. Ein nachträglicher Wegfall des Widerrufsgrundes, der im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen wäre (BGHZ 75, 356; 84, 149), liegt nicht vor.

a) Eine Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse hat der Antragsteller zwar behauptet, aber nicht belegt. Zwar sind die der Widerrufsverfügung zu Grunde liegenden vier Haftbefehle alle zwischenzeitlich gelöscht worden, nachdem der Antragsteller die entsprechenden Forderungen bezahlt oder mit den Gläubigern Ratenzahlungsvereinbarungen getroffen hat. Es sind jedoch zwischenzeitlich wieder neue Haftbefehle gegen den Antragsteller ergangen: am 1. Oktober 2007 auf Antrag des Bu. G. , am 23. Oktober 2007 auf Antrag der D. A. bank, der Ki. Reisen GmbH, der Gu. Ko. , des Dr. Gü. N. , der Sparkasse K. , der A. AG und des De. Rechenzentrums GmbH, am 8. November 2007 auf Antrag der Dr. Bank AG und am 19. Dezember 2007 auf Antrag der Antragsgegnerin. Am 4. März 2008 hat der Antragsteller die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Am 13. August 2008 hat die Gläubigerin Gu. Ko. erneut einen Haftbefehl zwecks Ergänzung der eidesstattlichen Versicherung gegen den Antragsteller erwirkt. Die Vermutung des Vermögensverfalls gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO besteht deshalb weiterhin. Insgesamt belaufen sich die offenen Forderungen gegen den Antragsteller nach der Forderungsübersicht der Antragsgegnerin per 28. Oktober 2008 auf 411.257,80 €. Soweit der Antragsteller bei zahlreichen dieser Forderungen Zahlung behauptet hat, hat er keine Nachweise vorgelegt. Auch hat er nicht belegt, dass die Voraussetzungen für die Löschung der Eintragungen im Schuldnerverzeichnis gegeben sind.

b) Anhaltspunkte dafür, dass die Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall nicht (mehr) gefährdet sind, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

3. Der Senat konnte in Abwesenheit des Antragstellers verhandeln, weil dieser sein Fernbleiben zum Termin nicht hinreichend entschuldigt hat (vgl. BGH, Beschl. vom 24. September 2008 - AnwZ (B) 32/06 juris Tz. 5; Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl., § 40 Rdn. 3). Da der Antragsteller hinreichende Gründe für eine Verlegung des Termins auch im Nachhinein nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat, konnte die Entscheidung ohne erneute mündliche Verhandlung ergehen.

Im Hinblick auf die durch einen Vermögensverfall indizierte Gefährdung der Interessen der rechtsuchenden Mandanten sind an den Verhinderungsgrund und dessen Glaubhaftmachung (vgl. § 227 Abs. 2 ZPO) strenge Anforderungen zu stellen, wenn der Antragsteller - wie hier - zum wiederholten Mal seine Reise- und Verhandlungsunfähigkeit aufgrund einer akuten Erkrankung geltend macht und aus diesem Grund einen Verlegungsantrag stellt. Eine weitere Verlegung kommt in diesen Fällen nur in Betracht, wenn die Reise- oder Verhandlungsunfähigkeit durch ein amtsärztliches Attest belegt ist (BGH aaO; BFH, Beschl. vom 21. April 2008 - XI B 206/07 u.a. juris Tz. 4). Die Bescheinigung des Allgemeinmediziners Dr. Sch. vom 16. März 2009 ist daher zur Glaubhaftmachung nicht geeignet, zumal die Diagnose einer "akuten Gastroenteritis" offenbar schon telefonisch auf der Grundlage ausschließlich der Angaben des Antragstellers gestellt wurde. Jedenfalls fehlt es an näheren Angaben zu den aufgetretenen Beeinträchtigungen und deren Schwere, die dem Senat eine eigene Beurteilung erlauben würden, ob dem Antragsteller eine Teilnahme an der Verhandlung möglich und zumutbar war (vgl. hierzu BFH, Beschl. vom 5. Juli 2004 - VII B 7/04 juris Tz. 12).

Dieser Mangel der Glaubhaftmachung wird auch durch das im Anschluss an die mündliche Verhandlung nachgereichte amtsärztliche Attest, auf dessen Erforderlichkeit der Antragsteller schon mit der Terminsladung hingewiesen worden war, nicht überwunden. Die amtsärztliche Untersuchung hat keine aussagekräftigen Anzeichen für eine akute Gastroenteritis mit Durchfall und mehrfachem Erbrechen in den frühen Morgenstunden des Verhandlungstags und der vorangegangenen Nacht ergeben. Der Amtsarzt konnte die geltend gemachten gesundheitlichen Beschwerden weder ausschließen noch bestätigen. Der unauffällige abdominelle Befund und der erhöhte, bei Kontrolle normalisierte Blutdruck sprechen jedoch eher gegen das Vorliegen einer Gastroenteritis, denn diese geht nach den amtsärztlichen Ausführungen häufig mit niedrigem Blutdruck und instabiler Kreislauflage einher.

Bei der gebotenen, das prozessuale Verhalten des Antragstellers insgesamt berücksichtigenden Würdigung besteht daher keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die behauptete Reise- und Verhandlungsunfähigkeit. Der Antragsteller war von Beginn an um eine Verzögerung des Beschwerdeverfahrens bemüht. So hat er fünf Mal eine Verlängerung der Frist zur Begründung seiner sofortigen Beschwerde erwirkt, die wiederholt angekündigte Begründung in dem mehr als 14 Monate beim Senat anhängigen Verfahren jedoch bis zuletzt nicht vorgelegt. Bevor er die jeweils erst am Verhandlungstag angebrachten Verlegungsanträge wegen behaupteter Reise- und Verhandlungsunfähigkeit gestellt hat, hat er erfolglos versucht, eine weitere Fristverlängerung und eine Aussetzung des Verfahrens mit dem - nicht ansatzweise belegten - Vorbringen zu erreichen, von der in Kürze anstehenden Entscheidung über seine dauerhafte Anstellung bei einem namentlich nicht genannten Unternehmen, die sich allerdings wegen einer "feindlichen Übernahme" bzw. der allgemeinen Finanzkrise verzögere, sei eine Verbesserung seiner Vermögensverhältnisse zu erwarten. Hierauf ist der Antragsteller im weiteren Verfahren nicht zurückgekommen. Angesichts dieser Umstände liegt der Verdacht nicht fern, dass der Antragsteller mit seinem neuerlichen Verlegungsantrag lediglich eine weitere Verfahrensverzögerung beabsichtigt hat. Jedenfalls spricht keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass er tatsächlich reise- und verhandlungsunfähig war.

Tolksdorf Schmidt-Räntsch Schaal Roggenbuck Kappelhoff Quaas Braeuer Vorinstanz:

AGH Hamm, Entscheidung vom 21.09.2007 - 1 ZU 45/07 -






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