Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Juli 2001
Aktenzeichen: 10 W (pat) 703/01

(BPatG: Beschluss v. 09.07.2001, Az.: 10 W (pat) 703/01)

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluß des Musterregisters des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. September 2000 aufgehoben.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I Am 8. Mai 2000 beantragte der Anmelder die Eintragung einer neun Muster umfassenden Sammelanmeldung mit der Bezeichnung "Tassen mit Gelddarstellungen".

Auf die Mitteilung des Musterregisters, daß die Muster wegen der darin enthaltenen Abbildungen von DM-Scheinen und DM-Münzen gegen die öffentliche Ordnung verstießen und daher nicht eingetragen werden könnten, machte der Anmelder geltend, daß weder das Bundesministerium der Finanzen noch die Landeszentralbank im Freistaat Bayern - Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank - Bedenken gegen die Verwendung bildlicher Darstellungen von DM-Banknoten und DM-Münzen auf Kaffeetassen geäußert hätten, wie sich aus den als Anlage beigefügten Schreiben vom 22. Mai 2000 bzw vom 23. Mai 2000 ergebe.

Durch Beschluß vom 18. September 2000 stellte das Musterregister des Deutschen Patent- und Markenamts fest, daß für die Anmeldung Musterschutz nicht erlangt worden sei, und versagte die Eintragung. Zur Begründung führte es aus, daß es sich bei den auf den Kaffeetassen abgebildeten DM-Banknoten und DM-Münzen um staatliche Hoheitszeichen handele, deren Verwendung in einem Muster gemäß § 7 Abs. 2 GeschmMG gegen die öffentliche Ordnung verstoße. Der Schutz staatlicher Hoheitszeichen gegen ihre Ausnutzung für private geschäftliche Zwecke gehöre zu den tragenden Grundsätzen der Rechtsordnung. Dies ergebe sich aus dem im Markenrecht geltenden generellen Eintragungsverbot staatlicher Hoheitszeichen als Marke oder Bestandteil einer Marke gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG. Der Schutzzweck dieser Vorschrift decke sich mit demjenigen des § 7 Abs. 2 GeschmMG. Im Interesse der Wahrung öffentlicher Belange und der Erhaltung des Rechtsfriedens dürfe staatlichen Hoheitszeichen Musterschutz nicht gewährt werden. Es sei nicht gerechtfertigt, demjenigen ein Verbietungsrecht gegen Benutzungshandlungen Dritter einzuräumen, der als erster die Eintragung eines Musters mit einem staatlichen Hoheitszeichen beantrage. Es müsse auch verhindert werden, daß der Staat der Gefahr von Rechtsstreitigkeiten mit privaten Anmeldern ausgesetzt werde, die versuchten, Exklusivrechte an staatlichen Hoheitszeichen geltend zu machen. Die von dem Anmelder vorgelegte Unbedenklichkeitserklärung der Landeszentralbank im Freistaat Bayern beziehe sich ausdrücklich nur auf die in die Tassen eingebrannten Banknotenabbildungen und nicht auf Abbildungen, die mit echtem Geld verwechselt werden könnten. Gerade diese Gefahr werde aber durch die Eintragung der angemeldeten Muster begründet, weil sich ihr Schutzumfang - unabhängig von der subjektiven Verwendungsabsicht des Musterinhabers - auch auf die eigentümlichen Einzelgestaltungen und auf alle denkbaren Verwendungszwecke erstrecke, etwa die Anbringung auf anderen Untergründen, wie Banknotenpapier. Abschließend hat das Musterregister noch darauf hingewiesen, daß das Recht der Anmelderin, mit Geldscheinen bedruckte Tassen in den Verkehr zu bringen, durch die Eintragungsversagung nicht berührt werde. Diese sei in ihrer Wirkung vielmehr auf die Versagung eines Ausschließlichkeitsrechts für die in den Mustern enthaltenen Darstellungen gültiger Zahlungsmittel beschränkt.

Hiergegen wendet sich die Beschwerde des Anmelders. Er trägt vor, der angefochtene Beschluß lasse nicht erkennen, ob das Musterregister die Eintragung der Anmeldung versagt habe, weil die Veröffentlichung des Musters gegen die öffentliche Ordnung verstoße oder weil es in der Verbreitung einer Nachbildung einen solchen Verstoß sehe. Gegen die Verbreitung einer Nachbildung des angemeldeten Musters bestünden in keinem Fall rechtliche Bedenken, weil die Verwendung von Abbildungen gesetzlicher Zahlungsmittel im Geschäftsleben, etwa in der Werbung oder bei der Gestaltung von Waren oder Verpackungen, erlaubt und allgemein üblich sei. Damit sei aber auch die Veröffentlichung des Musters zulässig. Eine dem § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG entsprechende Bestimmung sehe das Geschmacksmustergesetz nicht vor. Im übrigen seien DM-Banknoten und DM-Münzen keine staatlichen Hoheitszeichen. Dies treffe nur für den auf der Rückseite der Banknoten und Münzen befindlichen Bundesadler zu, der auf den Kaffeetassen aber gerade nicht dargestellt sei. Das Musterregister gehe auch zu Unrecht davon aus, daß durch die Eintragung ein separater Schutz an den Geldscheinen und Münzen entstehe. Unter Vorlage eines weiteren Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. April 2001 und eines Schreibens der Landeszentralbank im Freistaat Bayern vom 21. Mai 2001 weist der Anmelder ferner darauf hin, daß die zuständigen staatlichen Stellen auch die Gewährung eines Musterschutzes als zulässig erachteten. Nach Mitteilung des Bundesministerium der Finanzen dürfe jeder Wirtschaftsteilnehmer Abbildungen von DM-Banknoten und DM-Münzen zu gewerblichen Zwecken frei verwenden. Eine Genehmigung für die Beantragung eines Geschmacksmusterschutzes für entsprechende Muster sei nicht erforderlich.

Der Anmelder beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben; hilfsweise, das Verfahren auszusetzen, bis die EURO-Währung eingeführt und die gegenwärtige Deutsche Mark kein gesetzliches Zahlungsmittel mehr ist.

Der Präsident des Deutschen Patent- und Markenamts, der dem Verfahren beigetreten ist, beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er regt ferner die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.

Er ist der Ansicht, daß der Schutz deutscher Hoheitssymbole, die ein Teil des Staates und notwendiges Element einer jeden Staatlichkeit seien, zu den tragenden Grundlagen der deutschen Rechtsordnung gehöre, deren Wahrung der Zweck des Eintragungsverbots des § 7 Abs. 2 GeschmMG sei. Die Entstehung eines ungerechtfertigten Ausschließlichkeitsrechts an der Darstellung von DM-Banknoten und DM-Münzen als staatlichen Hoheitszeichen könne zu einer Gefahr für das Gemeinschaftsleben und die Rechtsordnung führen. Das Fehlen eines dem Markenrecht entsprechenden Eintragungsverbots für Muster, die staatliche Hoheitszeichen enthielten, bedeute nicht, daß der Gesetzgeber die Eintragung nach dem Geschmacksmustergesetz als zulässig erachte. Da es sich bei der im Zeitpunkt der Novellierung des Geschmacksmustergesetzes geltenden Vorschrift des § 4 Abs. 2 Nr. 2 WZG um einen Unterfall des generalklauselartigen Verbots der Eintragung von Zeichen handele, die gegen die öffentliche Ordnung verstießen, sei sie auch im Musterrecht entspechend anzuwenden.

Nach Schluß der mündlichen Verhandlung hat der Präsident des Deutschen Patent- und Markenamts einen weiteren Schriftsatz mit rechtlichen Ausführungen eingereicht, insbesondere zu den Stellungnahmen des Bundesministeriums der Finanzen und der Landeszentralbank im Freistaat Bayern.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die Beschwerde des Anmelders ist zulässig und begründet. Die Vorschrift des § 7 Abs. 2 GeschmMG steht dem Schutz des angemeldeten Musters nicht entgegen. Das Musterregister hat die Eintragung des Musters daher zu Unrecht gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 GeschmMG versagt.

1. Gegenstand der zur Eintragung in das Musterregister bestimmten Sammelanmeldung mit neun Mustern sind zylinderförmige Henkeltassen, auf denen sich jeweils eine rund um die Tasse angeordnete und mit dem Untergrund fest verbundene Abbildung der Vorderseite einer originalen DM-Banknote (5-,10-,20-,50-,100-,200-,500-,1000 DM) befindet. Ein Muster besteht aus einer Henkeltasse, auf der, ebenfalls mit dem Untergrund festverbunden, die geltenden DM- und Pfennig-Münzen - teils mit der Vorderseite, teils mit der Rückseite - auf dem Tassenkörper abgebildet sind.

2. Nach § 7 Abs. 2 GeschmMG wird durch die Anmeldung eines Geschmacksmusters Schutz gegen Nachbildung nicht erlangt, wenn die Veröffentlichung des Musters oder die Verbreitung einer Nachbildung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde. Liegt eine dieser Voraussetzungen vor, hat das Musterregister gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 GeschmMG festzustellen, daß der Schutz für das Muster nicht erlangt worden ist, und die Eintragung zu versagen. Die materiellrechtliche Prüfung nach § 7 Abs. 2 GeschmMG stellt eine - dem urheberrechtlich geprägten Geschmacksmusterrecht an sich fremde - Ausnahme von dem Grundsatz dar, daß der Musterschutz mit der Anmeldung entsteht (§ 7 Abs. 1 GeschmMG). Sie soll verhindern, daß Muster eingetragen und gemäß § 8 Abs. 2 GeschmMG mit dem Anschein gesetzlichen Schutzes im Geschmacksmusterblatt bekanntgemacht werden, die gegen die öffentliche Ordnung verstoßen (vgl Begründung zu Art. 2 Nr. 2 des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Geschmacksmustergesetzes, BlPMZ 1987, 50, 55).

Ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung im Sinne des § 7 Abs. 2 GeschmMG ist - entsprechend der im Recht der gewerblichen Schutze allgemein geltenden engen Auslegung des Begriffs der öffentlichen Ordnung (vgl Benkard, PatG, 9. Aufl, § 2 Rdn 5; Schulte, PatG, 6. Aufl, § 2 Rdn 17; Singer/Stauder, EPÜ, 2. Aufl., Art. 53 Rdn 11; Althammer/Ströbele/Klaka, MarkenG, 6. Aufl., § 8 Rdn. 264) - nur zu bejahen, wenn tragende Grundsätze der Rechtsordnung verletzt werden (vgl Nirk/Kurtze, GeschmMG, § 7 Rdn 15; Eichmann/v. Falckenstein, GeschmMG, § 7 Abs. 72). Hierzu gehören insbesondere die Grundrechte und wesentliche Normen zum Schutz der Rechtsordnung und des Gemeinwesens (vgl Benkard, aaO, § 2 Rdn 5 mwRsprNachw). Der Verstoß gegen ein Gesetz oder eine Verwaltungsvorschrift genügt nach § 7 Abs. 2 Halbs 2 GeschmMG für sich allein nicht, um festzustellen, daß die Verbreitung der Nachbildung eines Musters gegen die öffentliche Ordnung verstößt.

3. Auf welche der beiden Alternativen des § 7 Abs. 2 GeschmMG - Veröffentlichung des Musters oder Verbreitung einer Nachbildung - das Musterregister die Eintragungsversagung vorliegend gestützt hat, geht aus dem angefochtenen Beschluß nicht hervor. Schon im Ansatz Bedenken bestehen jedenfalls gegen die Ausführungen des Musterregisters, daß es dem Anmelder zwar unbenommen sei, Kaffeetassen mit Abbildungen von DM-Geldscheinen und DM-Münzen zu vertreiben, Musterschutz an diesem Gegenstand jedoch nicht gewährt werden könne. Wird die Verbreitung, dh das Inverkehrbringen oder das Anbieten einer Nachbildung des Musters als zulässig erachtet, verstößt in der Regel auch seine Veröffentlichung nicht gegen die öffentliche Ordnung. Veröffentlichung des Musters bedeutet - ebenso wie die Veröffentlichung der Erfindung nach der Vorschrift des § 2 Nr. 1 PatG 1981 (= § 1a Nr. 1 PatG 1976), die dem § 7 Abs. 2 GeschmMG im Wortlaut entspricht - die Bildbekanntmachung des Musters im Geschmacksmusterblatt (§ 8 Abs. 2 GeschmMG). Ein Veröffentlichungsverbot besteht nur dann, wenn die bildliche Darstellung des Musters im Geschmacksmusterblatt als solche in ihrer Wirkung auf das Publikum gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstößt Dies ist bei einem Mustergegenstand, dessen Nachbildung ohne rechtliche Bedenken in den Verkehr gebracht werden kann, aber regelmäßig nicht der Fall. Das Schwergewicht der Vorschrift des § 7 Abs. 2 GeschmMG liegt daher auf der Unzulässigkeit der Verbreitung einer Nachbildung des Musters wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung. In diesem Zusammenhang ist im übrigen zu bemerken, daß das Veröffentlichungsverbot gemäß § 2 Nr. 1 PatG 1981 mit der nächsten Gesetzesänderung überhaupt wegfallen wird (vgl dazu Schulte, PatG, 6. Aufl., § 2 Rdn 13). Auch die Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen (BlPMZ 1999, 24, 26) unterscheidet in Art. 8 nicht zwischen der Veröffentlichung des Musters und der Verbreitung einer Nachbildung, sondern stellt darauf ab, ob das Muster gegen die öffentliche Ordnung verstößt.

Bei der Prüfung, ob ein Eintragungsversagungsgrund nach § 7 Abs. 2 GeschmMG vorliegt, darf auch nur das Muster in seiner konkret angemeldeten Form berücksichtigt werden. Nur wenn die Mustergestaltung als solche gesetz- oder sittenwidrig ist, kommt eine Eintragungsversagung in Betracht (vgl Begründung zum Entwurf, aaO, S 55). Die Gefahr einer künftigen ungerechtfertigten Geltendmachung von Verbietungsrechten aus einzelnen Musterelementen - hier etwa den auf den Kaffeetassen abgebildeten DM-Banknoten und DM-und Pfennig- Münzen - oder gar einer gesetzwidrigen mißbräuchlichen Verwendung von Teilen eines Musters bildet entgegen der Ansicht des Musterregisters keinen Grund für eine Schutzversagung wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung.

4. Ausgehend von diesen Grundsätzen kann nicht festgestellt werden, daß das angemeldete Muster durch seine Veröffentlichung oder die Verbreitung einer Nachbildung gegen die öffentliche Ordnung verstößt.

a) Gegen das Inverkehrbringen und Anbieten eines Gegenstandes, auf dem DM-Banknoten und DM-und Pfennig-Münzen abgebildet sind, bestehen keine rechtlichen Bedenken. Dies ist von dem für die Ausgabe von Münzgeld zuständigen Bundesministerium der Finanzen ebenso bestätigt worden wie von der Landeszentralbank im Freistaat Bayern als Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank, die für die Ausgabe von Banknoten zuständig ist (vgl die von dem Anmelder vorgelegten Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 22. Mai 2000 und vom 20. April 2001 und der Landeszentralbank im Freistaat Bayern vom vom 23. Mai 2000 und vom 21. Mai 2001). Der im Hinblick auf die Vorschrift des § 128 OWiG vorsorglich erfolgte Hinweis der Landeszentralbank, daß die Herstellung oder Verbreitung von Abbildungen verboten ist, die ihrer Art nach geeignet sind, im Zahlungsverkehr mit Papiergeld oder Wertpapieren verwechselt zu werden, betrifft einen auf die angemeldete Mustergestaltung mit ihren unablösbar auf den Tassen angebrachten Geldschein- und Münzabbildungen zweifellos nicht zutreffenden Fall.

b) Der Auffassung des Musterregisters, bei DM-Banknoten und DM-und Pfennig-Münzen handele es sich um staatliche Hoheitszeichen, deren Verwendung in einem Muster als Verstoß gegen die öffentliche Ordnung anzusehen sei, kann nicht gefolgt werden. Nach der Vorschrift des § 8 Abs 2 Nr. 6 MarkenG, auf die sich das Musterregister stützt, besteht zwar für Marken, die Staatswappen, Staatsflaggen oder andere staatliche Hoheitszeichen oder Wappen eines inländischen Ortes oder eines inländischen Gemeinde- oder weiteren Kommunalverbandes enthalten, ein generelles Eintragungsverbot, sofern der Anmelder nicht zu der Führung in der Marke befugt ist (§ 8 Abs. 4 Satz 2 MarkenG). Das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG stellt jedoch keinen für Muster entsprechend geltenden (Unter)Fall eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung dar, wie das Musterregister annimmt. Diese Ansicht beruht auf einem unzutreffenden Verständnis der Bedeutung und des Zwecks des Eintragungsverbots nach § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG.

Bei § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG handelt es sich um eine eigenständige Regelung, die ein Eintragungsverbot staatlicher Hoheitszeichen als Marke oder Bestandteil einer Marke unabhängig von dem Vorliegen sonstiger Schutzversagungsgründe vorsieht, etwa wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung (§ 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG) oder der Gefahr einer Täuschung des Publikums (§ 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG). Solche Schutzversagungsgründe können je nach der Art des verwendeten Hoheitszeichens und seiner Anordnung im Rahmen der konkreten Gestaltung der Marke zwar anzunehmen sein. Dies ist aber nicht zwangläufig der Fall. Das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG geht damit über den Versagungsgrund des Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung wesentlich hinaus, wie auch aus der Entstehungsgeschichte des Schutzes staatlicher Hoheitszeichen durch die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ) ersichtlich ist. Während der Schutzverweigerungsgrund des Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung einschließlich der Täuschungsgefahr schon in der ursprünglichen Fassung der PVÜ vom 20. März 1883 enthalten war (als Art. 6 Abs. 4), ist das Schutzverbot für Marken, die staatliche Hoheitszeichen enthalten, erst durch die Haager Fassung 1925 als Art. 6 ter in die PVÜ aufgenommen worden (vgl Bodenhausen, Guide für the Application of the Paris Convention für the Protection of Industrial Property, 1968, S. 94 und S. 114). Dies wäre nicht erforderlich gewesen, wenn die Verbandsländer der Ansicht gewesen wären, daß schon das generalklauselartige Verbot des Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung alle Marken erfaßt, die staatliche Hoheitszeichen enthalten.

c) Darüber hinaus darf auch nicht übersehen werden, daß es sich bei § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG um eine kennzeichenrechtliche Vorschrift handelt, die nur die Verwendung staatlicher Hoheitszeichen in einer Marke, dh einer Kennzeichnung verbietet, die der betrieblichen Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen dient (§ 3 Abs. 1 MarkenG). Es ist also nicht, wie das Musterregister anzunehmen scheint, jegliche Ausnutzung staatlicher Hoheitszeichen für private geschäftliche Zwecke verboten, sondern nur ihre Ausnutzung zu Zwecken der Betriebskennzeichnung. Dem entspricht auch die Sanktion, die das Markenrecht für den Fall der unbefugten Verwendung staatlicher Hoheitszeichen vorsieht. Nach § 145 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG handelt nur ordnungswidrig, wer im geschäftlichen Verkehr widerrechtlich in identischer oder nachgeahmter Form ein Wappen, eine Flagge oder ein anderes staatliches Hoheitszeichen oder ein Wappen eines inländischen Ortes oder eines inländischen Gemeinde- oder weiteren Kommunalverbandes zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen benutzt. Im Gegensatz dazu ist der Musterschutz kein Kennzeichnungsschutz, sondern gewährt ein mit einem Verbietungsrecht gegen Nachbildungen verbundenes Ausschließlichkeitsrecht an Gestaltungen, die den ästhetischen Formenschatz bereichern (§ 1 Abs. 1 iVm § 5 GeschmMG). Auch aus diesem Grund darf das markenrechtliche Verbot einer Monopolisierung staatlicher Hoheitszeichen zugunsten einer einzelnen Person nicht als allgemeiner Rechtsgrundsatz auf Muster übertragen werden. Dies liefe im Ergebnis auf die unzulässige Einführung eines weiteren Eintragungsversagungsgrundes hinaus, die der Gesetzgeber im Musterrecht - trotz der möglichen Identität der tatsächlichen Gestaltung von Mustern und Marken - wegen der grundlegenden Unterschiede der Schutzgegenstände und des Zwecks des Musterschutzes gerade nicht vorgesehen hat. Im Interesse eines möglichst geringen Eingriffs in den urheberrechtlich geprägten Musterschutz ist die Eintragungsversagung vielmehr an die restriktiv zu handhabende Schutzschranke eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung nach § 7 Abs. 2 GeschmMG geknüpft worden.

5.a.) Unter diesen Voraussetzungen kann nach Ansicht des Senats - in Weiterführung der "Bierpolizei"-Entscheidung (10 W (pat) 705/00 vom 4. Oktober 2000 - BlPMZ 2001, 154), in der es auf die Problematik der Verwendung eines staatlichen Hoheitszeichen im Ergebnis nicht ankam - ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung nur bei einer ersichtlich mißbräuchlichen gesetzwidrigen Verwendung eines staatlichen Hoheitszeichens in einem Muster angenommen werden. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Hierbei wird darauf abzustellen, welches staatliche Hoheitszeichen in dem Muster enthalten und wie es im Rahmen der konkreten Mustergestaltung verwendet ist. Der Begriff der staatlichen Hoheitszeichen umfaßt eine Reihe von Zeichen und Symbolen unterschiedlichen Rangs und unterschiedlicher Bedeutung. Dementsprechend sieht die Rechtsordnung für den Fall der unbefugten Verwendung der einzelnen Hoheitszeichen auch unterschiedliche Sanktionen vor, die bei der Beurteilung, ob eine gegen die öffentliche Ordnung verstoßende gesetzwidrige Verwendung vorliegt, maßgeblich zu berücksichtigen sind. So nehmen die Bundesflagge, das Bundeswappen und die Länderwappen als die den Staat unmittelbar repräsentierenden Staatssymbole innerhalb der staatlichen Hoheitszeichen den obersten Rang ein und genießen damit auch den stärksten Schutz. Sie sind als einzige strafrechtlich gegen Verunglimpfung geschützt (§ 90a StGB). Darüber hinaus ist nach § 124 OWiG auch ihre unbefugte, den Anschein einer amtlichen Verwendung erweckende Benutzung verboten (vgl Göhler, OWiG, 10. Aufl., § 124 Rdn 7), wobei im übrigen die Verletzung der Vorschrift des § 123 OWiG für sich allein nach § 7 Abs. 2 Halbs 2 GeschmMG nicht einmal ausreicht, um daraus einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung herzuleiten. Das gilt umso mehr, wenn es sich, wie zB bei § 124 OWiG, um eine Verbotsnormen mit Erlaubnisvorbehalt handelt, die kein absolutes, zu den tragenden Grundlagen der Rechtsordnung gehörendes Rechtsgut schützen (vgl dazu Benkard, aaO, § 2 Rdn 5; Busse, PatG, 5. Aufl., § 2 Rdn 13; Schulte, PatG, 6. Aufl, § 2 Rdn 18; Moufang in Münchner Gemeinschaftskommentar zu Art 53 EPÜ, Rdn 30 ff).

b.) Bei den hier zu beurteilenden gesetzlichen Zahlungsmitteln in Form von DM-Banknoten und DM- und Pfennig-Münzen bestehen dagegen schon Zweifel, ob es sich überhaupt um staatliche Hoheitszeichen handelt, die gegen eine unbefugte Verwendung geschützt sind. Das gilt erst recht für die Abbildung nur der Vorderseite solcher Zahlungsmittel auf einem Gebrauchsgegenstand, wie zB Kaffeetassen. Einen Schutz staatlicher Hoheitszeichen ohne Beschränkung auf bestimmte Hoheitszeichen sehen nur die Bestimmungen der §§ 8 Abs. 2 Nr. 6, 145 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG vor, in denen die Formulierung "Wappen, Flaggen und andere staatliche Hoheitszeichen" enthalten ist. Der gesetzlich nicht definierte unbestimmte Begriff der "anderen staatlichen Hoheitszeichen" umfaßt jedoch nach Ansicht des Senats nicht ohne weiteres sämtliche Zeichen, deren sich der Staat zwar im weiteren Sinne zur Führung eines geordneten Staats- und Gemeinwesens bedient, wie zB Zahlungsmittel, Briefmarken, Verkehrszeichen usw, die jedoch von Haus aus nicht die Vorstellung irgendeiner Beziehung der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu staatlichen Stellen hervorrufen (vgl dazu BPatG Mitt 1981, 122 "Posthorn"). Auch der Gesetzgeber hat bei der Einführung des Eintragungsverbots staatlicher Hoheitszeichen als Warenzeichen bzw als Bestandteil von Warenzeichen nicht zu erkennen gegeben, daß eine derart weite Auslegung beabsichtigt ist (vgl Begründung des Gesetzes vom 31. März 1913 zur Ausführung der revidierten Pariser Übereinkunft vom 2. Juni 1911 - BlPMZ, 176, 177, 178). In der Literatur werden allerdings gesetzliche Zahlungsmittel weitgehend zu den staatlichen Hoheitszeichen gerechnet (vgl Busse, WZG, 6. Aufl. 1990, § 4 Rdn. 79; Althammer, WZG, 4. Aufl., § 4 Rdn 63; Fezer, Markengesetz, 2. Aufl., § 8 Rdn. 360; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 1995, § 8 Rdn 118).

c.) Letztlich kann diese Frage jedoch dahingestellt bleiben. Auch wenn gesetzliche Zahlungsmittel als staatliche Hoheitszeichen iS der §§ 145 Abs. 1 Nr. 1, 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG zu betrachten sind, stellt jedenfalls die Abbildung der dekorativen Vorderseite von DM-Banknoten und DM-und Pfennig-Münzen auf Kaffeetassen keine mißbräuchliche gesetzwidrige Verwendung dar. Es wird weder, wie es insbesondere bei der Verwendung von Wappen und Flaggen, Amtssiegeln udgl naheliegen kann, der irreführende Anschein eines Bezugs zu staatlichen Stellen oder einer Ausgabe durch staatliche Stellen erweckt (vgl BPatG aaO "Posthorn"), noch ist ein Verstoß gegen eine sonstige Norm feststellbar.

6. Abschließend ist noch zu bemerken, daß die Verordnung über die Herstellung und den Vertrieb von Medaillen und Marken vom 13. Dezember 1974 (BGBl Jahrgang 1974, Teil I, S 3520), auf die sich das Musterregister ebenfalls maßgeblich gestützt hat, für die Beurteilung des angemeldeten Musters in keiner Weise einschlägig ist. Nach § 2 MedaillV dürfen Medaillen und Marken nicht das Bundeswappen, den Bundesadler oder ein Münzbild tragen, das mit einem auf den gültigen Bundesmünzen befindlichen Münzbild übereinstimmt. Der Begriff "Marken" wird in § 2 MedaillV jedoch nicht, wie das Musterregister annimmt, im Sinne von Marken, dh Warenkennzeichen verwendet, sondern als Bezeichnung für münzähnliche Gegenstände, deren Durchmesser, Materialbeschaffenheit und Gestaltung im einzelnen vorgeschrieben ist (§§ 3,4 MedaillV).

Der Beschwerde war nach alledem stattzugeben.

III.

Der Sachvortrag des Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts, der nach Schluß der mündlichen Verhandlung und Beschlußverkündung, daß eine Entscheidung an Verkündungs Statt zugestellt wird (§ 10a Abs. 2 GeschmMG iVm § 94 Abs. 1 Satz 4 PatG), schriftsätzlich eingegangen ist, war bei der Entscheidung nicht zu berücksichtigen. Er enthält im übrigen auch nur rechtliche Gesichtspunkte, auf die es für die Entscheidung nicht ankam, so daß auch eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht erforderlich war (BPatGE 43, 77 "VISION").

IV.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 10a Abs. 2 GeschmMG iVm § 100 Abs. 2 Nr. 1 PatG. Die Frage, ob ein Muster, das die Abbildung von DM-Banknoten und DM- und Pfennig-Münzen enthält, unter dem Gesichtspunkt der Verwendung staatlicher Hoheitszeichen gegen die öffentliche Ordnung verstößt, ist wegen der erwartenden Zahl gleichgelagerter Fälle für die Allgemeinheit von grundsätzlicher Bedeutung und bedarf daher höchstrichterlicher Klärung.

Vorsitzender Richter Bühringist wegen Pensionierung an der Unterschrift verhindert Dr. Schermer Dr. Schermer Schuster Be/Na






BPatG:
Beschluss v. 09.07.2001
Az: 10 W (pat) 703/01


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