Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Februar 2003
Aktenzeichen: 8 W (pat) 18/00

(BPatG: Beschluss v. 11.02.2003, Az.: 8 W (pat) 18/00)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 11. Februar 2003 (Aktenzeichen 8 W (pat) 18/00) einer Beschwerde des Anmelders stattgegeben und den Beschluss der Prüfungsstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. Januar 2000 aufgehoben. Das Patent mit der Bezeichnung "Lineareinheit" wurde dem Anmelder erteilt.

Der Gegenstand des Patents betrifft eine Vorrichtung zur ansteuerbaren, mittels Umschlingungsantrieb bewirkten Bahnbewegung und Positionierung des Schlittens bei Lineareinheiten. Dabei wird jeder Synchronriemen einer Lineareinheit von zwei Antriebsscheiben angetrieben, wobei jeder Antriebsscheibe ein Antriebsmotor zugeordnet ist und die Antriebsmotoren mittels elektrischer Verknüpfung synchron miteinander gekoppelt sind. Der Schlitten ist an einer Riemeneinspannstelle mit dem Synchronriemen verbunden und der Verfahrweg des Schlittens wird durch den Abstand der beiden Antriebsscheiben begrenzt.

Der Anmelder hatte Beschwerde gegen die Zurückweisung der Anmeldung eingelegt. In der mündlichen Verhandlung wurden neugefasste Unterlagen eingereicht, die Patentansprüche, Beschreibung und Zeichnungen enthalten.

Das Gericht hat festgestellt, dass der Gegenstand der Anmeldung eine patentfähige Erfindung darstellt. Der Patentanspruch und die darauf rückbezogenen Patentansprüche sind zulässig. Der Gegenstand des Patentanspruchs ist neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Das Gericht hat den angefochtenen Beschluss aufgehoben und das Patent gemäß den am 11. Februar 2003 überreichten Unterlagen erteilt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 11.02.2003, Az: 8 W (pat) 18/00


Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse F 16 H des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. Januar 2000 aufgehoben und das Patent erteilt.

Bezeichnung: Lineareinheit Anmeldetag: 10. November 1995 Die Priorität der Anmeldung in Deutschland vom 10. November 1994 ist in Anspruch genommen.

(Aktenzeichen der Erstanmeldung: DE 44 40 143.4 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 - 13, Beschreibung Spalten 1 und 2 und 3 Blatt Zeichnungen Figuren 1 - 5, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 11. Februar 2003.

Gründe

I Die Patentanmeldung P 195 42 059.4 - 12 mit der Bezeichnung " Lineareinheit" ist am 10. November 1995 unter Inanspruchnahme einer inneren Priorität vom 10. November 1994 (DE 44 40 143.4) beim Patentamt eingegangen und von dessen Prüfungsstelle für Klasse F 16 H mit Beschluss vom 27. Januar 2000 zurückgewiesen worden. Zum Stand der Technik sind im Bescheid vom 8. Juni 1999 folgende Druckschriften in Betracht gezogen worden:

1. DE 43 07 151 A1, 2. DD - Fachbuch Getriebetechnik, Krause, Metzner: Zahnriemengetriebe; VEB Verlag Technik, Berlin, 1988, 1. Aufl., Vorwort, 3. DE - Zeitschrift: Antriebstechnik 25, 1986, S. 40, 43, 44, 46, 48:

G. Geibel, Positionieren mit 5 - Phasen - Schrittmotoren.

In einer Recherche gemäß § 43 PatG vom 17. Dezember 1997 sind zum Stand der Technik, neben weiteren Druckschriften, noch die DE 30 06 153 A1 und die DE 42 12 537 A1 ermittelt worden.

Gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F 16 H hat der Anmelder Beschwerde eingelegt.

In der mündlichen Verhandlung hat der Anmelder neugefasste Unterlagen Patentansprüche 1 bis 13, zwei Spalten Beschreibung drei Blatt Zeichnungen (Figuren 1 bis 5) überreicht.

Nach dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentanspruch 1 betrifft der Gegenstand des Patentanspruchs 1 einea) Vorrichtung zur ansteuerbaren, mittels Umschlingungsantrieb bewirkten Bahnbewegung und Positionierung des Schlittens (6) bei Lineareinheiten, wobeib) jeder Synchronriemen (7) einer Lineareinheit von zwei Antriebsscheiben (1) angetrieben wird, c) jeder Antriebsscheibe (1) ein Antriebsmotor (2) zugeordnet ist, d) die Antriebsmotoren (2) mittels elektrischer Verknüpfung synchron miteinander gekoppelt sind, e) der Schlitten (6) an einer Riemeneinspannstelle (9) mit dem Synchronriemen (7) verbunden ist, wobeif) der Verfahrweg des Schlittens (6) durch den Abstand zwischen den beiden Antriebsscheiben (1) begrenzt wird, undg) mindestens eine der Antriebsscheiben (1) als Spannrolle ausgebildet ist.

Dem Anmeldungsgegenstand liegt gemäß Spalte 1, Zeilen 17 bis 28 der in der mündlichen Verhandlung überreichten Beschreibung die Aufgabe zugrunde, mit geringem Aufwand und einfachen baulichen Mitteln eine betriebssichere, verschleißarme Vorschubeinrichtung für Lineareinheiten zu schaffen. Dabei soll auch bei gesteigerter Verfahrgeschwindigkeit, hoher Beschleunigungs- bzw. Verzögerung und großer Schlittenmasse sowie starken Bearbeitungskräften die Bahn- und Positioniergenauigkeit erhöht werden. Auch soll die Haltbarkeit und die Wirtschaftlichkeit gesteigert und die Belastung, der Verschleiß und der Wartungsaufwand gesenkt werden.

Wegen des Wortlauts der Patentansprüche 2 bis 13 wird auf die Akten Bezug genommen.

Der Anmelder trägt vor, dass der im Verfahren befindliche Stand der Technik, insbesondere der nach der DE 43 07 151 A1, den Anmeldungsgegenstand nicht nahe legen würde, da hier der Ausdruck "simultan" für das Positionieren der beiden Positionierungseinrichtungen verwendet wäre und kein Hinweis enthalten sei, dass die Motoren synchron laufen würden. Es würden hier mehrere Umlenkrollen eingesetzt und das Zugmittel sei nicht umlaufend. Auch seien die Antriebsscheiben nicht als Spannrollen ausgebildet.

Er ist daher der Ansicht, dass der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 neu sei und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Der Anmelder stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den am 11. Februar 2003 überreichten Unterlagen zu erteilen - Patentansprüche 1 bis 13,

- zwei Spalten Beschreibung,

- drei Blatt Zeichnungen.

II Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Der Gegenstand der Anmeldung stellt eine patentfähige Erfindung iSd §§ 1 bis 5 PatG dar.

1. Die geltenden Patentansprüche 1 bis 13 sind zulässig.

Der Patentanspruch 1 ist auf der Grundlage des ursprünglich eingereichten Patentanspruchs 1 formuliert (Merkmale der Absätze a) bis c)), wobei der im Absatz b) verwendete Begriff - Synchronriemen - im ursprünglichen Patentanspruch 13 offenbart ist. Die im Absatz d) aufgeführten Merkmale sind im ursprünglichen Patentanspruch 3 und die Merkmale des Absatzes g) sind im ursprünglichen Patentanspruch 7 enthalten. Die Merkmale des Absatzes e) sind auf Spalte 1, Zeilen 57 bis 60 der Offenlegungsschrift offenbart. Den Figuren 1 und 2 der Offenlegungsschrift ist zu entnehmen, dass der Verfahrweg durch den Abstand der beiden Antriebsscheiben begrenzt wird (Absatz f)). Die geltenden Patentansprüche 2 bis 4, 5 bis 9, 10, 11 sowie 12 und 13 entsprechen den ursprünglich eingereichten Patentansprüchen 4 bis 6, 8 bis 12, 16, 17 sowie 19 und 20.

2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1, dessen gewerbliche Anwendbarkeit aufgrund seiner Zweckbestimmung außer Zweifel steht, ist neu. Zwar sind alle Merkmale des Patentanspruchs 1 für sich mindestens in einer der entgegengehaltenen Druckschriften vorhanden, in keiner jedoch wird die Lehre zum technischen Handeln gemäß dieses Patentanspruchs vollständig beschrieben.

3. Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der Anmeldungsgegenstand betrifft eine Lineareinheit, bei der zwei Motoren auf einen umlaufenden Synchronriemen einwirken. Die Motoren sind mittels einer elektrischen Verknüpfung synchron miteinander gekoppelt. Dadurch kann bei gesteigerter Verfahrgeschwindigkeit die Bahn- und Positioniergenauigkeit erhöht werden und dies mittels einfacher und weniger baulicher Mittel.

Hierfür vermittelt der aufgezeigte Stand der Technik dem Durchschnittsfachmann, einem auf dem Gebiet der Konstruktion und Entwicklung von Lineareinheiten versierten Maschinenbauingenieur (FH), keine Anregungen.

In der DE 43 07 151 A1 ist eine ansteuerbare Lineareinheit beschrieben, die ein Umschlingungsmittel aufweist (Patentanspruch 1), das durch ein Antriebsmittel (Patentanspruch 11) angetrieben wird. Dadurch werden Schlitten in Horizontal- und Vertikalrichtung positioniert. Das Antriebsmittel besteht aus zwei motorisch angetriebenen Antriebsscheiben (14, 15 der Figur), wobei zwangsweise eine synchrone Verknüpfung der beiden Motoren vorhanden sein muss, da sonst eine entsprechende Bewegung des Schlittens (16) bzw der Anbauplatten (20, 21) nicht möglich wäre (vgl Spalte 4, Zeilen 8 bis 35). In der DE 43 07 151 A1 ist jedoch kein umlaufender Synchronriemen beschrieben und der Verfahrweg des jeweiligen Schlittens ist nicht durch die Antriebsscheiben begrenzt. Auch ist die Antriebsscheibe nicht als Spannrolle ausgebildet. Vielmehr ist eine Spannrolle (7) auf einem Spannkörper (6) vorgesehen, der über Führungsstangen (4) mit dem Schlitten (16) für die Horizontalpositionierung verbunden ist. Zusätzlich sind noch sechs Umlenkrollen erforderlich. Dieser Druckschrift ist kein Hinweis und keine Anregung zu entnehmen, welche vereinfachenden Maßnahmen zu der Lehre des geltenden Patentanspruchs 1 führen könnten.

Im Buch " Getriebetechnik, Zahnriemengetriebe, Vorwort " wird in der dritten Zeile wohl beschrieben, welche Vorteile Zugmittelgetriebe aufweisen, es ist jedoch kein Hinweis darauf zu entnehmen wie diese Zugmittelgetriebe angetrieben werden sollen und wie die Verknüpfung der Motoren erfolgen soll, so dass diese Druckschrift auch nicht in Verbindung mit der Lehre der DE 43 07 151 A1 zum Anmeldungsgegenstand führen kann.

In der Zeitschrift " Antriebstechnik " wird im Abschnitt 4.3 über Mikroprozessorsteuerung als Positionier- und Ablaufsteuerung referiert. Im Abschnitt 5 wird darauf verwiesen, dass die Problematik der Ansteuerung auf den Hersteller verlagert ist und somit dort die Lösung eines synchronen Laufs zu finden ist. Über den Aufbau von Lineareinheiten ist dieser Druckschrift nichts zu entnehmen. In ihr ist wohl ein Teilaspekt der anmeldungsgemäßen Lösung, nämlich der Einsatz einer Steuerung für Motoren, enthalten. Hinweise auf die weiteren Aspekte, wie z B umlaufender Synchronriemen, zwei Motoren pro Synchronriemen, sind dieser Druckschrift nicht zu entnehmen.

In der DE 30 06 153 A1 ist eine ansteuerbare, mittels Umschlingungsantrieb bewirkte Bahnbewegung und Positionierung des Schlittens bei einer Lineareinheit beschrieben, bei der zwei motorisch angetriebene Antriebsscheiben vorhanden sind und jeder Antriebsscheibe ein Motor zugeordnet ist, wobei diese mittels elektrischer Verknüpfung miteinander gekoppelt sind. Die Antriebsscheiben treiben dabei einen Synchronriemen an. Bei dieser Lineareinheit geht es jedoch darum, dass aus der schnellen Bewegung heraus ein weiches Abbremsen möglich ist. Dazu ist ein Sensor vorgesehen, der sobald der Schlitten eine voreingestellte Position erreicht hat, den Motor für die schnelllaufende Bewegung abschaltet und die weitere Bewegung des Schlittens mit einem langsam laufenden Motor durchführt. Die beiden Motoren sind also unterschiedlich ausgebildet und dienen nicht dem gleichmäßigen Antrieb des Synchronriemens sondern dem schnellen Verfahren bzw der langsamen Annäherung an eine justierte Position des Schlittens, so dass auch diese Druckschrift keinen Hinweis auf die anmeldungsgemäße Lösung geben kann.

Bei der in der DE 42 12 537 A1 beschriebenen Antriebsvorrichtung werden zwei Synchronriemen über je eine Antriebsrolle (3a, 3b der Figur 2), durch je einen Motor (9a, 9b) die im feststehenden Teil eines Messgerätes angeordnet sind, bewegt. Die Synchronriemen laufen entlang der Richtung der linearen Bewegung des Schlittens parallel zueinander und werden zudem über Umlenkrollen (4a, 4b) geführt (Spalte 3, Zeilen 44 bis 54). Über einen angeschlossenen Rechner können die Drehzahlen bzw. Richtungen der beiden Motoren eingestellt werden (Spalte 4, Zeilen 14 bis 20), um eine gekoppelte Translations- und Rotationsbewegung des Schlittens zu ermöglichen. Der Verfahrweg des Schlittens ist dabei durch den Abstand der Umlenkrollen zu den Antriebsscheiben begrenzt (Figur 2). Der Schlitten ist jedoch nicht an einer Riemeneinspannstelle mit den Synchronriemen verbunden, sondern die Bewegungskraft wird über Kraftübertragungselemente, die gemäß Figur 2 in Form von Andruckrollen ausgeführt sind, auf den Schlitten übertragen, wobei der Schlitten zusätzlich über Führungselemente (17a, 17b) geführt wird. Dieser Entgegenhaltung sind keinerlei Anregungen zu entnehmen, auch die Umlenkrollen als Antriebsscheiben mit eigenem Antriebsmotor auszubilden.

Die in der Recherche nach § 43 PatG ermittelten weiteren Druckschriften liegen weiter ab und können daher keinen Hinweis auf die patentgemäße Lösung geben, wie der Senat überprüft hat.

Mithin ist der Patentanspruch 1 gewährbar.

Mit diesem zusammen sind auch die auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 13 gewährbar, da sie auf Ausgestaltungen der Lineareinheit nach Patentanspruch 1 gerichtet sind.

Kowalski Eberhard Gießen Kuhn Cl






BPatG:
Beschluss v. 11.02.2003
Az: 8 W (pat) 18/00


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/8d97e15fb329/BPatG_Beschluss_vom_11-Februar-2003_Az_8-W-pat-18-00




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