Verwaltungsgericht Hamburg:
Urteil vom 1. Oktober 2009
Aktenzeichen: 9 K 24/07

(VG Hamburg: Urteil v. 01.10.2009, Az.: 9 K 24/07)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen ein Auskunftsbegehren des Beklagten.

Der Kläger, ein eingetragener Verein, ist eine Gruppenunterstützungskasse, über welche Unternehmen ihre betriebliche Altersversorgung durchführen können, indem sie Trägerunternehmen des Klägers werden. Zur Finanzierung zugesagter Versorgungsleistungen schließt der Kläger Rückdeckungsversicherungen mit der ... ab. Gegenwärtig übernimmt der Kläger nach eigenen Angaben (siehe hierzu ...) die mit der betrieblichen Altersversorgung verbundenen Verwaltungsaufgaben für mehr als ... Trägerunternehmen und gehört damit zu den größten Unterstützungskassen in Deutschland.

Der Beklagte, ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, ist gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19.12.1974 (BGBl. I 1974, 3610, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen und zur Änderung anderer Gesetze vom 21.12.2008, BGBl. I 2008, 2940, im folgenden zitiert als BetrAVG), Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung. Zweck des Beklagten ist gemäß I. § 2 Abs. 1 der Satzung für den Pensions-Sicherungs-Verein die Gewährleistung der betrieblichen Altersversorgung für den Fall der Insolvenz eines Arbeitgebers. Die Mittel für die Durchführung der Insolvenzsicherung werden gemäß § 10 Abs. 1 BetrAVG auf Grund öffentlich-rechtlicher Verpflichtung durch Beiträge aller Arbeitgeber aufgebracht, die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung unmittelbar zugesagt haben oder eine betriebliche Altersversorgung über eine Unterstützungskasse, eine Direktversicherung der in § 7 Abs. 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Art oder einen Pensionsfonds durchführen.

Mit Schreiben vom 07.12.2005 forderte der Beklagte den Kläger als sonstigen Träger der Versorgung auf, Auskunft über diejenigen seiner Trägerunternehmen zu erteilen, welche bereits insolvenzsicherungspflichtige Tatbestände zu melden haben, und mitzuteilen, seit wann die Meldepflicht jeweils besteht. Der Kläger lehnte eine pauschale Auskunftserteilung mit Schreiben vom 12.04.2006 ab. Gleichzeitig wies der Kläger seine Trägerunternehmen schriftlich auf die bestehende Gesetzeslage hin.

Mit €Bescheid über die Auskunftspflicht nach § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG€ vom 06.09.2006 verpflichtete der Beklagte den Kläger gemäß § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG, innerhalb eines Monats nach Zugang des Bescheids die Namen und Anschriften der Arbeitgeber mitzuteilen, die ihre betriebliche Altersversorgung über den Kläger durchführen und insolvenzsicherungspflichtige Zusagen auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu melden haben. Ferner verpflichtete der Beklagte den Kläger mitzuteilen, seit wann die Meldepflicht jeweils besteht. Zur Begründung gab der Beklagte an, die Auskunft, dass und ab wann ein Arbeitgeber insolvenzsicherungspflichtige Tatbestände zu melden habe, sei zur Durchführung des 4. Abschnitts des BetrAVG (Insolvenzsicherung) unabdingbar erforderlich.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 10.10.2006 Widerspruch. Diesen begründete er insbesondere damit, dass der Bescheid bereits in formeller Hinsicht rechtswidrig sei. Dem Beklagten fehle die Befugnis, ihn, den Kläger, durch Verwaltungsakt zur Auskunft zu verpflichten. Darüber hinaus sei der Bescheid auch bei materieller Betrachtung rechtswidrig. Denn die Auskunftspflicht nach § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG setze die Kenntnis vom Bestehen einer Insolvenzsicherungspflicht voraus. Im Falle einer Auskunftserteilung würde er, der Kläger, gegenüber seinen Trägerunternehmen vereinsrechtliche Treuepflichten verletzen und sich dadurch dem Risiko etwaiger Schadensersatzforderungen aussetzen. Im Übrigen sei die Auskunftspflicht nach § 11 Abs.1 S. 2 BetrAVG zu den in § 11 Abs. 6 und 8 BetrAVG normierten Auskunftsansprüchen gegenüber Kammern und Finanzämtern subsidiär. Schließlich stünden der Auskunftsverpflichtung auch datenschutzrechtliche Aspekte entgegen.

Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 04.12.2006 mit folgender Begründung zurück: § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG berechtige ihn, den Beklagten, sehr wohl dazu, den Kläger durch Verwaltungsakt zur Erteilung der geforderten Auskünfte zu verpflichten. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Pflichten aus § 11 Abs. 2 BetrAVG durch Verwaltungsakt konkretisiert werden dürften, sei ohne weiteres auf § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG übertragbar. Das Auskunftsverlangen diene der Beschaffung erforderlicher Informationen, die Grundlage für die Beitragserhebung nach dem BetrAVG seien. § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG setzte eine Vorinformation des Beklagten über beitrags- und damit meldepflichtige Arbeitgeber nicht voraus. Vielmehr ermögliche § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG eine umfassende und vollständige Verpflichtung zur Auskunftserteilung. Die Auskunftsverpflichtung sei auch nicht subsidiär ausgestaltet. Das Gesetz sehe eine gestufte Auskunftsverpflichtung nicht vor. Der Auskunftsbescheid sei unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG sei eine Vorschrift im Sinne von § 1 Abs. 3 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) und gehe insoweit als speziellere bundesgesetzliche Vorschrift vor. Das Auskunftsverlangen diene der Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Insolvenzsicherung. Die Erhebung und Beitreibung der gesetzlich vorgesehen Beiträge sei zwingende Voraussetzung für die Durchführung und das Funktionieren der Insolvenzsicherung.

Mit seiner am 03.01.2007 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung wiederholt und vertieft der Kläger sein Vorbringen aus der Widerspruchsbegründung und trägt ergänzend wie folgt vor: Eine ausdrückliche Befugnis des Beklagten, Verwaltungsakte zu erlassen, gebe es lediglich in § 10 Abs. 4 BetrAVG. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 11 Abs. 2 BetrAVG, auf welche sich der Beklagte stütze, sei auf § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG nicht übertragbar. Der Beklagte hätte stattdessen Leistungsklage erheben müssen. Die Ermittlung beitragspflichtiger Arbeitgeber sei nicht tauglicher Gegenstand einer Auskunft nach § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG. Der Kläger sei insoweit nicht auskunftspflichtig. § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG beziehe sich lediglich auf Einzelheiten der Durchführung der gesetzlichen Insolvenzsicherung. Die Kenntnis des Beklagten über beitrags- und damit meldepflichtige Arbeitgeber werde in § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG vorausgesetzt. Die Auskunftspflicht sei jedenfalls auch unverhältnismäßig und verstoße gegen höherrangiges Recht, nämlich gegen die Pensionsfondsrichtlinie der Europäischen Gemeinschaften, Art. 14 Abs. 1 GG im Hinblick auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie Art. 3 GG. Es fehle an einem gleichgerichteten Vorgehen des Beklagten gegen sämtliche externen Versorgungsträger.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 06.09.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.12.2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung seines Antrages bezieht sich der Beklagte auf sein bisheriges Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und führt ergänzend aus, zur Beitragsberechnung, welche die individuelle Beitragsbemessungsgrundlage zur Gesamtbeitragsbemessungsgrundlage ins Verhältnis setzt, benötige er die erforderlichen Informationen. Es sei nicht erforderlich, dass § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG eine ausdrücklich normierte Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten enthalte. Es reiche aus, wenn sich eine solche im Wege der Auslegung ermitteln lasse, was hier der Fall sei. Anfragen an die in § 11 Abs. 8 BetrAVG erwähnten Finanzämter scheiterten schon aus praktischen Gründen. Wenn ihm, dem Beklagten, Name und Anschrift eines Arbeitgebers nicht bekannt seien, könne er schon das zuständige Betriebsstättenfinanzamt, welches gegebenenfalls Auskunft erteilen könnte, nicht identifizieren. Zudem sehe § 11 Abs. 8 BetrAVG keine Auskunftspflicht der Finanzämter vor. Vielmehr stehe es im Ermessen der Finanzämter, Auskunft zu erteilen. Die vom Kläger ins Feld geführte europäische Pensionsfondsrichtlinie erstrecke sich nicht auf Unterstützungskassen und sei deshalb nicht einschlägig. Auch werde die von Art. 14 GG gewährleistete Eigentumsfreiheit nicht verletzt, weil es hier nur um Hoffnungen und Erwartungen gehe, die bereits vom Schutzbereich nicht erfasst seien. Eine Verletzung von Art. 3 GG sei ebenfalls nicht ersichtlich. Er, der Beklagte, habe von 40 Gruppenunterstützungskassen Auskunft verlangt, wovon fünf die Namen und Anschriften ihrer Trägerunternehmen mitgeteilt hätten. Dadurch seien 500 neue Mitgliedschaften begründet worden. Vereinsrechtlich schützenswerte Treuepflichten stünden einer Auskunftspflicht des Klägers nicht entgegen. Der bußgeldbewehrte Verstoß von Trägerunternehmen gegen gesetzliche Meldepflichten sei nämlich nicht schützenswert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze und die beigezogenen Akten des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

I.

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Auskunftsbescheid des Beklagten vom 06.09.2006 und der Widerspruchsbescheid vom 04.12.2006 sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Rechtsgrundlage ist § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG. Danach sind der Arbeitgeber, der sonstige Träger der Versorgung, der Insolvenzverwalter und die nach § 7 BetrAVG Berechtigten verpflichtet, dem Träger der Insolvenzsicherung alle Auskünfte zu erteilen, die zur Durchführung der Vorschriften dieses Abschnitts erforderlich sind.

Der Beklagte ist befugt, dem Kläger die Erfüllung der Verpflichtungen nach § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG durch Verwaltungsakt aufzugeben (siehe hierzu unter 1.). Die Tatbestandsvoraussetzungen von § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG liegen vor (siehe hierzu unter 2.). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich (siehe hierzu unter 3.) Die Vorschrift ist mit höherrangigem Recht vereinbar (siehe hierzu unter 4.).

1. § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG lässt sich im Wege der Gesetzesauslegung entnehmen, dass der Beklagte befugt ist, über die dort geregelten Auskunftspflichten Verwaltungsakte zu erlassen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, welcher sich die Kammer anschließt, bedarf die öffentliche Verwaltung, wozu auch der Beklagte als beliehenes Unternehmen gehört (BT-Drs. 7/2843 v. 22.11.1974, S. 10; vgl. auch VGH München, Urt. v. 05.02.1982 € Az. 5 B S 1 A/691 €, zitiert nach juris;), für die Form des Handelns durch Verwaltungsakt keiner ausdrücklichen, spezifischen Ermächtigung. Ausreichend ist, dass sich eine solche Befugnis im Wege der Auslegung ermitteln lässt (BVerwG, Urt. v. 22.10.1991 € Az. 1 C 1/91 €, zitiert nach juris, Rn. 9, für feststellende Verwaltungsakte; BVerwG, Urt. v. 26.01.1993 € Az. 1 C 25/91 €, zitiert nach juris, Rn. 15, für Verwaltungsakte, die eine Handlungspflicht auferlegen).

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einer Entscheidung zu § 11 Abs. 2 BetrAVG entschieden, dass der Beklagte berechtigt ist, die dort geregelten Handlungspflichten durch Verwaltungsakt zu konkretisieren (BVerwG, Urt. v. 22.11.1994 € Az. 1 C 22/92 €, zitiert nach juris, BVerwGE 97, 117 ff.). Nach Auffassung der Kammer kann diese Rechtsprechung mit entsprechender Begründung auf die in § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG normierte Auskunftspflicht übertragen werden. Der Wortlaut von § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG schließt eine Befugnis, Auskunftsbescheides aufgrund von § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG zu erlassen, nicht ausdrücklich aus. Der Gesetzesbegründung kann zwar nicht entnommen werden, dass der Gesetzgeber die Befugnis des Beklagten zum Erlass von Auskunftsbescheiden in Erwägung gezogen hat. Allerdings geht aus der Gesetzesbegründung klar hervor, dass die öffentlich-rechtliche Einbindung der Insolvenzsicherung umfassend sein sollte (BT-Drs. 7/2843 v. 22.11.1974, S. 10 f.). Das Gericht folgt nicht der Rechtsauffassung des Klägers, wonach aus dem in § 10 Abs. 4 BetrAVG ausdrücklich erwähnten Beitragsbescheid im Umkehrschluss die Schlussfolgerung gezogen werden müsse, dass § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG eine Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten gerade nicht beinhalte. Zu diesem Argument hat bereits das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung zu § 11 Abs. 2 BetrAVG ausgeführt, dass auch in § 10 Abs. 4 BetrAVG eine Befugnis des Beklagten zum Erlass von Verwaltungsakten nicht begründe, sondern vielmehr vorausgesetzt werde und dort nur Bestimmungen über die Zwangsvollstreckung getroffen würden (BVerwG, Urt. v. 22.11.1994 € Az. 1 C 22/92 €, zitiert nach juris, Rn. 22). Dem schließt sich die Kammer an.

Insbesondere der Normzweck von § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG lässt einen Auskunftsbescheid als sachgerecht erscheinen. Denn Sinn und Zweck von § 11 BetrAVG ist es gerade, dem Beklagten zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Insolvenzsicherung, welche nach dem Solidarprinzip wesentlich auf dem Grundsatz der Beitragsgerechtigkeit beruht, auf möglichst einfache und effiziente Weise die für die Durchführung der Insolvenzsicherung erforderlichen Informationen zu verschaffen. Es wäre, worauf das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf § 11 Abs. 2 BetrAVG hingewiesen hat, nicht sachgerecht, den Beklagten darauf zu verweisen, Leistungsklage zu erheben. Vielmehr erscheint es systemgerecht und praxisnah, dem Beklagten zu dem oben genannten Zweck ein Handeln durch Verwaltungsakt als dem typischen Mittel des Verwaltungshandelns zu ermöglichen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.11.1994 € Az. 1 C 22/92 €, zitiert nach juris, Rn. 23). Da dem Zweck der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Insolvenzsicherung unter Beachtung des Grundsatzes der Beitragsgerechtigkeit überragende Bedeutung zukommt, hätte der Gesetzgeber eine etwaige gesetzgeberische Intention, dem Beklagten den Rückgriff auf das Instrument des Verwaltungsakts zu verwehren, klar und eindeutig zum Ausdruck bringen müssen. Dies ist, wie zuvor ausgeführt wurde, nicht geschehen. § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG begründet vor diesem Hintergrund nicht allein eine materielle Auskunftspflicht, sondern gleichfalls die Befugnis des Beklagten, diese durch Verwaltungsakt durchzusetzen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.11.1994 € Az. 1 C 22/92 €, zitiert nach juris, Rn. 21, zu § 11 Abs. 2 BetrAVG).

2. Die Tatbestandsvoraussetzungen von § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG sind erfüllt. Bei dem Kläger handelt es sich um einen €sonstigen Träger der Versorgung€. Denn gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 BetrAVG kann die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung neben dem Arbeitgeber auch über einen der in § 1b Abs. 2 bis 4 BetrAVG genannten Versorgungsträger erfolgen, wozu gemäß § 1b Abs. 4 BetrAVG auch die Unterstützungskassen gehören. Der Beklagte ist gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 BetrAVG Träger der Insolvenzsicherung. Das konkrete Auskunftsverlangen des Beklagten bezieht sich zudem auf Auskünfte, die zur Durchführung der Vorschriften des vierten Abschnitts des BetrAVG € der Insolvenzsicherung € erforderlich sind. Der Beklagte benötigt die angeforderten Informationen zur Durchführung einer korrekten und vollständigen Beitragserhebung. Da die Finanzierung der Insolvenzsicherung im Umlageverfahren erfolgt, müssen Arbeitgeber, die ihrer Meldepflicht gem. § 11 Abs. 1 S. 1 BetrAVG ordnungsgemäß nachkommen, unter Verletzung des Grundsatzes der Beitragsgerechtigkeit einen höheren Beitrag leisten, wenn sich andere Arbeitgeber gesetzeswidrig ihrer Beitragspflicht durch Verletzung der gesetzlichen Meldepflichten entziehen.

Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers setzt § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG eine wie auch immer geartete €Vorinformation€ des Beklagten über die beitragspflichtige Person nicht voraus. Nach dem Wortlaut hat der Auskunftsverpflichtete €alle Auskünfte€ zu erteilen, die zur Durchführung der Insolvenzsicherung erforderlich sind. § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG kommt damit die Funktion einer auskunftsrechtlichen Generalklausel zu. Zur Durchführung der Insolvenzsicherung gehört auch, den Kreis beitragspflichtiger Arbeitgeber möglichst vollständig zu ermitteln.

Der Verpflichtung des Klägers zur Auskunftserteilung steht entgegen seiner Rechtsauffassung auch das BDSG nicht entgegen. Denn § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG ermächtigt den Beklagten gerade dazu, bei Arbeitgebern und sonstigen Trägern der Versorgung Auskünfte und damit Daten zu erheben, die zur Durchführung der Insolvenzsicherung erforderlich sind. Insoweit handelt es sich bei § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG um eine andere Rechtsvorschrift im Sinne von § 1 Abs. 3 BDSG, soweit es um die Erhebung von Daten geht. Die sich an die Datenerhebung anschließende Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten ist hier nicht Streitgegenstand, weshalb dahinstehen kann, ob das BDSG insoweit einschlägig ist.

3. Der Beklagte hat das ihm eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Die durch Verwaltungsakt geltend gemachte Auskunftspflicht führt insbesondere zu keiner unverhältnismäßigen Belastung des Klägers. Die Maßnahme dient mit dem Ziel, die Funktionsfähigkeit der Insolvenzsicherung unter Beachtung des Solidarprinzips und des Grundsatzes der Beitragsgerechtigkeit zu gewährleisten, einem zulässigen Zweck von überragender Bedeutung. Dass die Maßnahme auch geeignet, also zweckförderlich ist, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass durch Auskünfte anderer Unterstützungskassen in erheblichem Umfang neue Beitragsmitgliedschaften beim Beklagten begründet werden konnten. Auch an der Erforderlichkeit der Maßnahme bestehen keinerlei Zweifel. Mildere, aber dennoch gleich geeignete Mittel sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist die in § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG gesetzlich verankerte Auskunftspflicht gegenüber § 11 Abs. 6 und 8 BetrAVG nicht subsidiär. Ein solches, von der Klägerseite behauptetes Subsidiaritätsverhältnis findet im Gesetzeswortlaut keine Stütze. Eine Anfrage des Beklagten bei Finanzämtern ohne Kenntnis der Namen und Anschriften der Arbeitgeber wäre zudem nicht erfolgversprechend. Im Übrigen steht die Auskunftserteilung im Ermessen der Finanzämter. Inwieweit Kammern einen geeigneten Beitrag leisten können, den Kreis beitragspflichtiger Arbeitgeber möglichst vollständig zu ermitteln, ist nicht ersichtlich. Die in § 11 Abs. 6 und 8 BetrAVG erwähnten Amtshilfevorschriften haben deshalb lediglich unterstützende Funktion (Steinmeyer, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 9. Aufl. 2009, § 11 Rn. 1). Auch das Informationsschreiben des Klägers, mit welchem dieser seine Trägerunternehmen auf ihre gesetzlichen Meldepflichten hingewiesen hat, ist kein gleich geeignetes Mittel. Es hat nämlich zu keiner relevanten Erhöhung von Erstmeldungen beitragspflichtiger Arbeitgeber geführt.

Die Maßnahme ist auch nicht unangemessen. Sie belastet den Kläger nicht in unzumutbarer Weise. Bei der gebotenen Abwägung der Interessen des Klägers, von einer Heranziehung zur Auskunft verschont zu bleiben, mit dem öffentlichen Interesse, die Funktionsfähigkeit der Insolvenzsicherung unter Beachtung des Solidarprinzips und dem Grundsatz der Beitragsgerechtigkeit zu gewährleisten, ist letzteres höher zu gewichten und damit vorrangig. Denn während dem Ziel, die Funktionsfähigkeit der Insolvenzsicherung zu gewährleisten, überragend wichtige Bedeutung zukommt, führt der vom Beklagten geltend gemachte Informationsanspruch beim Kläger nur zu einer geringfügigen Eingriffsintensität. Insbesondere kann die Kammer nicht erkennen, dass der Kläger mit der Herausgabe der vom Beklagten angeforderten Informationen seinen Trägerunternehmen gegenüber vereinsrechtliche Treuepflichten verletzten würde. Denn deren Verstoß gegen gesetzliche Meldepflichten ist nicht schützenswert. Dem Kläger drohen insoweit auch keine begründeten Schadensersatzklagen seiner Trägerunternehmen.

4. § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

a. Die auf § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG gestützte Verpflichtung des Klägers zur Auskunftserteilung verstößt nicht gegen die Pensionsfonds-Richtlinie (Richtlinie 2003/41/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 03.06.2003 über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung, ABlEU v. 23.09.2003, Nr. L 235/10). Denn aus Art. 2 Abs. 2 lit. d) der Richtlinie in Verbindung mit Erwägungsgrund Nr. 16 ergibt sich, dass Einrichtungen wie die Unterstützungskassen in Deutschland vom Anwendungsbereich der Richtlinie nicht erfasst werden.

b. Auch eine Verletzung der durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Eigentumsfreiheit liegt nicht vor, selbst wenn, wie der Kläger befürchtet, durch die Auskunftsverpflichtung Umsatzeinbußen drohen sollten. Denn bloße Umsatz- und Gewinnchancen, Hoffnungen, Erwartungen und Aussichten fallen nach ständiger bundesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung nicht in den sachlichen Schutzbereich der Eigentumsfreiheit, unabhängig davon, ob das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb den Schutz dieses Grundrechts genießt (m.w.N. BVerfG, Beschl. v. 16.12.2003 € Az. 1 BvR 2312/97 €, zitiert nach juris).

c. Ebenso wenig vermag die Kammer eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG zu erkennen. Der Gleichheitsgrundsatz verlangt nicht, dass rechtswidrige Zustände, die von mehreren oder gar einer Vielzahl von Störern verwirklicht werden, stets auf einmal flächendeckend bekämpft werden müssten. Vielmehr darf die Verwaltung nach den konkreten Umständen auch anlassbezogen vorgehen und sich (zunächst) auf Einzelfälle beschränken, sofern sie hierfür sachliche Gründe anzuführen vermag (vgl. OVG Münster, NVwZ-RR 1995, 635, 636). Vorliegend ist der Beklagte nicht auf willkürliche Weise allein gegen den Kläger vorgegangen. Vielmehr hat er gleichlautende Auskunftsbescheide an insgesamt 40 Gruppenunterstützungskassen gerichtet. Dass der Beklagte nicht zugleich sämtliche Gruppenunterstützungskassen, von denen es nach Bekunden des Klägers in der mündlichen Verhandlung über 5.000 gibt, zur Auskunft verpflichtet hat, ist im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden. Vielmehr durfte der Beklagte zur Klärung einer bislang höchstrichterlich nicht geklärten und deshalb zwischen den Beteiligten umstrittenen Rechtsfrage einige Fälle zwecks verbindlicher Klärung als Pilotverfahren herausgreifen. Der Beklagte hat im Übrigen keinerlei Zweifel daran gelassen, sämtliche Gruppenunterstützungskassen zur Auskunft zu verpflichten, sobald dieser als Musterverfahren geführte Rechtsstreit abgeschossen ist.

d. Die auf § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG gestützte Verpflichtung des Klägers zur Auskunftserteilung verletzt schließlich nicht das durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses Recht gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten grundsätzlich selbst zu bestimmen (BVerfG, Beschl. v. 04.12.2008 € Az. 2 BvR 1043/08 €, zitiert nach juris, Rn. 16 m.w.N.). Ob die Verpflichtung des Klägers, dem Beklagten die Namen und Anschriften bestimmter Arbeitgeber mitzuteilen, überhaupt den sachlichen Schutzbereich dieses Grundrechts berührt, kann die Kammer dahinstehen lassen.

Denn jedenfalls wäre ein Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Nach der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung bedürfen Eingriffe in dieses Grundrecht einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkung klar ergeben und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht. Ferner ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen zu treffen, welche der Gefahr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts entgegenwirken (BVerfG, Urt. v. 15.12.1983 € Az. 1 BvR 209/83 €, zitiert nach juris, Rn. 151). Diesen Anforderungen wird das BetrAVG gerecht. Hierzu kann hinsichtlich der Wahrung der Verhältnismäßigkeit auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden. Der Gesetzgeber hat in § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG nicht nur die Voraussetzungen für ein Auskunftsverlangen hinreichend klar bestimmt. Darüber hinaus hat er organisatorische Vorkehrungen getroffen, um datenschutzrechtlichen Belangen adäquat Rechnung zu tragen. So verpflichtet § 15 BetrAVG Personen, die beim Beklagten beschäftigt oder für ihn tätig sind, zur Verschwiegenheit. Zum Zwecke der strafrechtlichen Sanktionierung sind die beim Beklagten beschäftigten Personen nach dem Verpflichtungsgesetz von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Obliegenheiten zu verpflichten. Durch diese Verpflichtung werden die Mitarbeiter des Beklagten zu €für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten€ im Sinne von § 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StGB in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB. Sie können daher bei Zuwiderhandlungen gegen § 15 BetrAVG nach den §§ 203 f. StGB auf Antrag strafrechtlich verfolgt werden. Vor diesem Hintergrund ist der Schutz der Daten der Trägerunternehmen des Klägers durch die Bestimmung des § 15 BetrAVG hinreichend gewährleistet, zumal § 11 Abs. 1 S. 2 BetrAVG Auskünfte auf die Durchführung der Insolvenzsicherung beschränkt und damit eine enge Zweckbindung der Auskünfte vorsieht.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO i.V. mit § 167 VwGO.






VG Hamburg:
Urteil v. 01.10.2009
Az: 9 K 24/07


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