Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. April 2010
Aktenzeichen: 25 W (pat) 100/09

(BPatG: Beschluss v. 21.04.2010, Az.: 25 W (pat) 100/09)

Tenor

Die Beschwerde des Markeninhabers wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Wortmarke Azzaroist am 7. Mai 2004 unter der Nr. 841 773 für folgende Waren international registriert worden:

"Klasse 29: Herbs;

Klasse 30: Coffee and coffee substitute, tea, cocoa, chocolate to drink and/or in powder; coffeebased, teabased, cocoabased, chocolatebased drinks;

Klasse 32: Fruit drinks;

Klasse 33: Alcoholic beverages (except beers) and wines, alcoholic beverages with fruits; alcoholic cocktails, digestive alcohol, liqueur, port wine and other alcohol of the same kind, vodka, gin, sake and other white alcoholic beverages, whisky, rum and other brown alcoholic beverages, anisette, cider, champagne;

Klasse 34: Tobacco, ie cigarettes, cigars and pipes, smokers articles, ie matches, lighters, boxes for cigarettes and cigars, cigars and cigarette cases."

Die internationale Registrierung der angegriffenen Marke ist am 24. März 2005 veröffentlicht worden.

Gegen die Schutzgewährung dieser Marke für Deutschland hat die Inhaberin der prioritätsälteren Marke Azzurro, die unter der Nr. 396 27 919 für die folgenden Waren der Klassen 32 und 33

"Biere; Mineralwässer, kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)"

registriert ist, Widerspruch erhoben, wobei sich der Widerspruch nur gegen die Waren der Klasse 32 und 33, für die die angegriffene Marke registriert ist, richtet.

Die Markenstelle für Klasse 30 IR des Deutschen Patentund Markenamts hat den Widerspruch zunächst mit Erstprüferbeschluss vom 4. September 2007 in Bezug auf alle Waren der angegriffenen Marke zurückgewiesen. Aus Sicht der Markenstelle war die Benutzung der Widerspruchsmarke nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden, weil in den von der Widersprechenden vorgelegten Benutzungsunterlagen keine Aussagen zu in Deutschland erzielten Umsatzzahlen bzw. Absatzmengen erfolgt seien, obwohl ein Vertrieb im deutschsprachigen Ausland nicht außerhalb der Wahrscheinlichkeit liege. Außerdem sei die Widerspruchsmarke nach diesen Unterlagen nicht in ihrer eingetragenen Form, sondern mit hochgestelltem "Z" benutzt worden.

Auf die Erinnerung der Widersprechenden hat die Markenstelle mit Beschluss vom 24. Oktober 2008 den Beschluss vom 4. September 2007 teilweise aufgehoben und -unter Zurückweisung des Widerspruchs im Übrigen -der angegriffenen Marke den Schutz hinsichtlich der oben für die angegriffene Marke aufgeführten Waren der Klassen 32 und 33 verweigert.

Die von der Widersprechenden im Erinnerungsverfahren vorgelegten weiteren Benutzungsunterlagen hat der Markeninhaber erst nach Zustellung des Beschlusses vom 24. Oktober 2008 erhalten.

Die Markenstelle geht davon aus, dass in dem o. g. Umfang zwischen den gegenüberstehenden Marken Verwechslungsgefahr gegeben sei. Die Widersprechende habe nunmehr die Benutzung der Widerspruchsmarke für "Weine" sowohl für den Zeitraum nach § 43 Abs. 1 S. 1 MarkenG (24. März 2000 -24. März 2005), als auch nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG (Oktober 2003 -Oktober 2008) glaubhaft gemacht. Dies ergebe sich aus einer Gesamtschau aller eingereichten Unterlagen. Die Benutzung als graphisch gestalteter Schriftzug habe den eigenständigen Aussagegehalt der Widerspruchsmarke und ihren kennzeichnenden Charakter nicht verändert. Die (weitere) eidesstattliche Versicherung eines Vorstandsmitglieds der Widersprechenden vom 11. Januar 2008 erlaube eine Zuordnung des Vertriebs im Inland, der mit durchschnittlich ... Mio. Flaschen p.a. auch ausreichend relevant sei. Warenunähnlichkeit bestehe in Bezug auf die Waren der Klassen 29 und 34, in Bezug auf die Waren der Klasse 30 sei von einer erheblichen Warenferne auszugehen, ebenfalls bei "liqueur, vodka gin, sake and other white alcoholic beverages, whisky, rum and other brown alcoholic beverages, anisette". Im übrigen sei teils mittlere, teils hochgradige, bis zur Warenidentität reichende Ähnlichkeit gegeben. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei durchschnittlich, da das italienische Wort "Azzurro" (= blau) in Bezug auf "Weine" kein beschreibender Sachhinweis sei. Klanglich seien beide Zeichen überdurchschnittlich ähnlich (Gleiche Silbenzahl, gleiche Silbengliederung, gleicher Sprechund Betonungsrhythmus, ähnliche Vokalfolge), so dass kein hinreichend deutlicher Abstand zwischen den Zeichen gegeben sei. Unter Abwägung aller in Betracht kommender Beurteilungsfaktoren sei in Bezug auf die identischen, hochgradig ähnlichen und durchschnittlich ähnlichen Waren Verwechslungsgefahr zu bejahen und im Übrigen zu verneinen.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Markeninhabers.

Er ist der Auffassung, dass der Schutzumfang der Widerspruchsmarke fehlerhaft ermittelt worden sei. "Azzurro" sei als gängiges Wort für "blau" dem deutschen Publikum, d. h. dem Durchschnittsverbraucher wohlbekannt. Dem Verbraucher sei auch bekannt, dass dieses Wort einen Bezug zur Farbe der Aufmachung der Flaschen von italienischem Perlwein und zu blauen Mineralwasserflaschen habe; derart gefärbte Flaschen seien seit Jahren dem Publikum bekannt. Ferner werde das Wort "Azzurro" auch zur Umschreibung von Cocktails benutzt, die aufgrund der Beimischung von Curacao eine blaue Färbung erhielten. Darüber hinaus habe die Markenstelle nicht berücksichtigt, dass "Azzurro" auch eine geographische Herkunftsangabe sei, da auf der Insel Elba insbesondere im Umland der Stadt Azzurro Chianti Weine und auch der Dessertwein "Vin Santo" angebaut werde. Dies habe die Widersprechende auch nicht in Abrede gestellt. Die Widerspruchsmarke habe daher nur einen geringen Schutzumfang, der letztlich auf eine identische Benutzung jüngerer Marken zu reduzieren sei. Die angefochtenen Beschlüsse führten in letzter Konsequenz auch zu einer Marktbehinderung von italienischen Herstellern und Importeuren von Weinen und anderen Getränken. Diese seien gehindert, Sachangeben zur farblichen Gestaltung der Aufmachung von Flaschen zu machen oder werbetypische Inhaltsangaben bei der Beimischung von Curacao zu Perlwein zu machen. Außerdem sei dem Markeninhaber das Recht zur Stellungnahme im Erinnerungsverfahren abgeschnitten worden, da er den Schriftsatz der Widersprechenden vom 18. Januar 2008 mit Benutzungsunterlagen erst nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses erhalten hat. Daher stelle er den Antrag, den "gesamten Akteninhalt" erneut zu prüfen.

Ferner hat aus Sicht des Markeninhabers die Widersprechende die Benutzung der Widerspruchsmarke nicht glaubhaft gemacht. Die Widerspruchsmarke sei als Wortmarke durch eine graphische Umgestaltung deutlich verändert worden. Diese hebe sich über typische Werbegrafiken hinaus und wirke optisch nun so dominant, dass das an sich beschreibende Wort "Azzurro" einen neuen Sinngehalt erhalten habe. Es sei durch das Hervorheben des "Z" und den folgenden Anschluss des Bestandteils "URRO" optisch in zwei Worte ("AZ" und "ZURRO") getrennt worden, was zu einer deutlichen Abwandlung der ursprünglich eingetragenen Marke auch in Bezug auf deren Kennzeichnungskraft führe.

Der Markeninhaber beantragt, den Beschluss des Deutschen Patentund Markenamts vom 24. Oktober 2008 aufzuheben und von einer Kostenauferlegung nach § 63 Abs. 1 MarkenG aus Billigkeitsgründen abzusehen.

Ferner regt er die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde des Markeninhabers zurückzuweisen.

Die Widersprechende weist zunächst darauf hin, dass ihr Widerspruch von vorneherein nicht auf die Waren der Klassen 29, 30 und 34 der angegriffenen Marke gerichtet gewesen sei. Im Umfang des Widerspruchs habe die Markenstelle eine Verwechslungsgefahr zwischen den gegenüberstehenden Marken aber zu Recht bejaht. Namensrechte des Markeninhabers seien nicht relevant, zumal er nicht dargelegt habe, ob und in welchem Umfang der Familienname "Azzaro" auf dem Getränkesektor in Deutschland eine Rolle spiele. Die Widerspruchsmarke sei rechtserhaltend benutzt worden, ohne dass sich ihr kennzeichnender Charakter geändert habe. Insbesondere liege keine graphische Trennung in zwei Wörter vor. Ferner sei zwischen den mit dem Widerspruch angegriffenen Waren der Klassen 32 und 33 der jüngeren Marke und den Waren, für die die Widerspruchsmarke registriert sei, eine hochgradige Ähnlichkeit bzw. Identität gegeben. Die gegenüberstehenden Marken seien nahezu identisch, jedenfalls klanglich und schriftbildlich hochgradig ähnlich. Es komme deswegen nicht darauf an, ob der Widerspruchsmarke ein verminderter Schutzumfang beizumessen sei. Letzteres sei auch nicht der Fall. Da die Widersprechende jährlich über ... Mio. Flaschen des Perlweins "Azzurro" vertreibe und insoweit einen erheblichen Werbeaufwand habe, sei eine möglicherweise bestehende Originalitätsschwäche ausgeglichen. Auch die Tatsache, dass es Proseccound Mineralwasserflaschen mit blauer Aufmachung gebe, führe nicht zu einem Sachzusammenhang zwischen der Farbe "blau" und Weinen/Perlweinen. Ferner gebe es kein Weinanbaugebiet namens "Azzurro". Die vom Markeninhaber genannte Stadt heiße "Porto Azzurro". In dieser Hafenstadt gebe es keinen Weinanbau. Dieser sei zudem auf Elba stark zurückgegangen und habe Bezeichnungen wie "Elba bianco, Elba ansonica, Elba rosso, Elba aleatico". "Porto Azzurro" werde hingegen nicht mit einem Weinanbaugebiet in Verbindung gebracht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, auf die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Markeninhaberin ist zulässig, aber nicht begründet. Die Markenstelle hat in dem angefochtenen Erinnerungsbeschluss im Ergebnis zutreffend angenommen, dass zwischen den gegenüberstehenden Marken Verwechslungsgefahr besteht (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG). Sie hat daher gemäß §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 43 Abs. 2 Satz 1, 114 Abs. 3 MarkenG der angegriffenen Marke zu Recht den Schutz verweigert. Obwohl die (weiteren) von der Widersprechenden mit Schriftsatz vom 18. Januar 2008 eingereichten Benutzungsunterlagen dem Markeninhaber erst nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses mitgeteilt wurden, besteht gleichwohl kein Anlass, den angefochtenen Beschluss nach § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG aufzuheben und die Sache an das Deutsche Patentund Markenamt zurückzuverweisen.

1. Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (EuGH GRUR 2006, 237, 238 -PICASSO; GRUR 1998, 387, 389 f. -Sabèl/Puma). Ihre Beurteilung bemisst sich im wesentlichen nach der Identität oder Ähnlichkeit der Waren, der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und dem Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese wesentlichen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. BGH GRUR 2008, 258 - INTERCONNECT/T-InterConnect; BGH MarkenR 2009, 399 - Augsburger Puppenkiste; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9, Rdnr. 32).

a) Auf die ohne Einschränkung erhobene Einrede der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke durch den Markeninhaber oblag es der Widersprechenden, die Benutzung der Widerspruchsmarke zum einen für den Zeitraum nach §§ 107 Abs. 1, 114 Abs. 1, 43 Abs. 1 Satz 1, 26 MarkenG glaubhaft zu machen. Nachdem die internationale Registrierung der angegriffenen Marke am 24. März 2005 veröffentlicht wurde, begann dieser Zeitraum am 24. März 2000 und endete am 24. März 2005. Zum anderen war seitens der Widersprechenden für den Zeitraum von fünf Jahren vor Entscheidung über den Widerspruch, also vor diesem Beschluss, und damit beginnend im April 2005 die Benutzung der Widerspruchsmarke ebenfalls glaubhaft zu machen (§§ 107 Abs. 1, 43 Abs. 1 Satz 2, 26 MarkenG). Für beide Zeiträume hat die Widersprechende die Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft gemacht, und zwar für die Ware "alkoholische Getränke, nämlich Perlwein".

Sie hat zwei eidesstattliche Versicherungen vom 30. März 2006 und vom 11. Januar 2008 vorgelegt, die von einem Mitglied des Vorstands der Widersprechenden abgegeben wurde. Daraus ergibt sich mit einer für die Glaubhaftmachung (§§ 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG, 294 ZPO) ausreichenden Wahrscheinlichkeit, dass die Widersprechende in den Jahren 2000 - 2005 zwischen ... und ... Flaschen des Produktes "Azzurro", eines Prosecco Frizzante abgesetzt hat, wobei der Anteil des Absatzes im Ausland zwischen ...% und ...% lag, und dieses Produkt in den Jahren 2002 - 2006 Werbeaufwendungen in Höhe von ... € getätigt hat. Ferner ist durch diese eidesstattlichen Versicherungen glaubhaft gemacht, dass dieses Produkt in einem in Deutschland belegenden Abfüllbetrieb in Flaschen abgefüllt wurde, die mit dem der eidesstattlichen Versicherung vom 30. März 2006 beigefügten Etiketten versehen wurden.

Entgegen der Auffassung des Markeninhabers stellt die graphische Ausgestaltung der Widerspruchsmarke, wie sie sich aus den o. g. Benutzungsunterlagen ergibt, keine deren kennzeichnenden Charakter ändernde Abweichung dar (§ 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG). Es handelt sich hierbei um eine im Rahmen des Werbeüblichen bleibende Gestaltung, durch die keine den optischen oder begrifflichen Aussagegehalt der Widerspruchsmarke ersichtliche Veränderung dieser Marke bewirkt wird. Das Markenwort "Azzurro" dominiert innerhalb dieser graphischen Ausgestaltung. Der Verkehr wird es auch bei dem aufsteigenden Schriftbild mit einem hochgestellten "Z" weiterhin unschwer als solches erkennen. Insbesondere bleibt es auch optisch bei einem Markenwort, das nicht in zwei Bestandteile aufgespaltet wird. Im Schriftbild ergeben sich keine Trennungen oder Lücken; auch nach dem hochgestellten, zweiten "Z" schließt sich der weitere Wortteil "urro" nahtlos an, so dass für den Verkehr kein Anlass besteht, das Wort "Azzurro" in mehrere Teile aufzugliedern.

Eine Benutzung für andere Produkte als einen Prosecco Frizzante ist aus den o. g. Benutzungsunterlagen nicht ersichtlich. Im Rahmen der Integrationsfrage (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 26, Rdnr. 160 ff., insbes. Rdnr. 165) kann für die Benutzung der Widerspruchsmarke jedenfalls von der Ware "Perlwein" ausgegangen werden. Weitere Waren, für die die Widerspruchsmarke registriert ist, bleiben für die weitere Prüfung indessen außer Betracht.

b) Soweit die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft gemacht wurde, begegnen sich die gegenüberstehenden Marken in dem Bereich, auf den sich der Widerspruch bezieht, nämlich die Waren der Klassen 32 und 33 der angegriffenen Marke, auf teilweise identischen, teilweise ähnlichen Waren.

Zwischen den Waren "alcoholic beverages (except beers) and wines" der angegriffenen Marke und der Ware "Perlwein" der Widerspruchsmarke besteht Identität, da die Ware "Perlwein" in dem weiten Oberbegriff der vorgenannten Waren der angegeriffenen Marke aufgeht.

Eine zumindest hochgradige Ähnlichkeit liegt auch in Bezug auf die Waren "port wine" und "champagne" der angegriffenen Marke vor, da diese wie Perlwein aus Wein hergestellt werden.

Die weiteren Waren der Klasse 33 "alcoholic beverages with fruits; alcoholic cocktails, digestive alcohol, liqueur, and other alcohol of the same kind, vodka, gin, sake and other white alcoholic beverages, whisky, rum and other brown alcoholic beverages, anisette, cider" der angegriffenen Marke sind mit der Ware "Perlwein" zwar nicht als identisch zu erachten. Jedoch liegt -entgegen der Auffassung der Markenstelle -insoweit keine Warenferne, sondern ohne weiteres Warenähnlichkeit vor. Es entspricht einer auf dem Markt für alkoholische Getränke schon länger festzustellenden und auch allgemein bekannten Tendenz, dass Weinbaubetriebe und der Weinvertrieb ihr Angebot auch in Richtung von Spirituosen wie z. B. Weinund Tresterbränden ausweiten (vgl. PAVIS PROMA 26 W (pat) 120/95 -Deuce). Es ware allerdings zu eng, diese Tendenz auf alkoholische Getränke, die aus Weintrauben erzeugt werden, zu reduzieren. Anbieter von Weinen haben ihr Angebot auch auf andere Schnäpse und Brände erweitert (siehe z. B. auch der von einem Weinanbauund Weinhandelsbetrieb vertriebenen Whiskey "Racke Rauchzart"), was ebenfalls allgemein bekannt ist. Daher bestehen hier deutliche Überschneidungen und Gemeinsamkeiten bei den Herstellerbetrieben bzw. Produzenten. Gelangen derartige Sprituosen und Weine zudem auf gleichen Vertriebswegen und in gleichen Vertriebsstätten an die Verbraucher, so ist es mithin nicht angebracht, eine Warenähnlichkeit nur in Bezug auf aus Weintrauben erzeugte Getränke anzunehmen. Dies gilt in einer anderen Richtung auch für die Ware "Cider", da auch "Apfelwein" in eine Sortimentserweiterung von Weinanbauund Weinhandelsbetrieben eingeordnet werden kann.

Auch bei der Ware "Fruit drinks" der angegriffenen Marke ist Ähnlichkeit mit der Ware "Perlwein" ohne weiteres zu bejahen. Ebenso wie bei der Erweiterung des Sortiments von Weinbaubetrieben und Weinvertriebsunternehmen bei den Spirituosen ist am Markt auch zu beobachten und damit allgemein bekannt, dass nichtakoholische Getränke in deren Sortiment verstärkt aufgenommen werden. Dies trifft insbesondere auf Traubensäfte zu, die unter den Oberbegriff der "Fruchtsäfte" zu subsumieren sind. Auch hier sind deutliche Überschneidungen bei den Herstellerbetrieben gegeben, was sich auch in einer entsprechenden Verkehrsauffassung widerspiegelt.

c) Bei der Widerspruchsmarke ist von einer normalen Kennzeichnungskraft auszugehen. Der Auffassung des Markeninhabers, dass insoweit eine unterdurchschnittliche, verminderte Kennzeichnungskraft gegeben sei, vermag der Senat nicht zu folgen.

Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Markenwort "Azzurro" als das italienische Wort für den Begriff "Blau" von einzelnen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise, die hier aus den Endverbrauchern bestehen, erkannt wird, da Begriffe der italienischen Sprache vielfach im Zusammenhang mit Getränken Eingang in den deutschen Sprachgebrauch gefunden haben. Ob allerdings dieses Wort, das als solches nichts anderes darstellt als die Bezeichnung einer Farbe, einem relevanten Teil der Verkehrskreise in dieser Bedeutung bekannt ist, kann nicht als gesichert erachtet werden, da es nicht als ein dem deutschen Publikum geläufiger Alltagsbegriff anzusehen ist. Im Übrigen fehlt es jedenfalls hier an einer in Bezug auf die Ware "Perlwein" beschreibenden Angabe. Die Bezeichnung "Blau" ist ungeeignet, die Ware "Perlwein" selbst unmittelbar zu beschreiben. Ferner fehlt es auch ansonsten an relevanten warenbeschreibenden Bezügen. Die Verwendung von Wein bei der Zubereitung von Cocktails oder Mixgetränken, die durch Zugabe von Curacao blau gefärbt werden, stellt einen solchen Bezug nicht her. Für die Ware "Perlwein" ist dies nicht warentypisch, weil die Färbung ja gerade nicht durch den Perlwein, sondern durch andere Zutaten hergestellt wird. Auch der Vertrieb von Prosecco in blau gefärbten Flaschen genügt zur Herstellung eines solchen Bezugs nicht, da eine solche, eher ungewöhnliche Farbe der Flasche keine Eigenschaft des Produktes "Perlwein" beschreibt, sondern nur zu dekorativen Zwecken verwendet wird.

Schließlich ist -entgegen der Auffassung des Markeninhabers -auch nicht davon auszugehen, dass "Azzurro" als geographischer Herkunftshinweis für Wein dient. Ein Ort oder auch eine Weinlage namens "Azzurro" konnte nicht ermittelt werden. Soweit der Markeninhaber auf den auf Elba gelegenen Hafenort "Azzurro" verweist, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der vollständige Name dieses Ortes "Porto Azzurro" lautet. Dieser Ortsname konnte ebenfalls nicht als Herkunftshinweis für Wein oder als Bezeichnung einer Weinlage ermittelt werden. Es sind daher auch mit Blick auf Herkunftshinweise keine beschreibenden Bezüge der Bezeichnung "Azzurro" ersichtlich, die zu einer Schwächung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke führen könnten.

d) Die Ähnlichkeit von Wortzeichen ist anhand des klanglichen und des schriftbildlichen Eindrucks sowie des Sinngehalts zu ermitteln, wobei für die Annahme einer Verwechslungsgefahr bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht genügen kann (st. Rspr., vgl. z. B. BGH GRUR 2010, 235 Tz. 18 - AIDA/AIDU m. w. N.). Bei der Prüfung der Zeichenähnlichkeit ist zudem der das Kennzeichenrecht beherrschende Grundsatz zugrunde zu legen, dass es auf den Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen ankommt (vgl. BGH AI-DA/AIDU a. a. O.).

In klanglicher Hinsicht ist mit der Markenstelle unter Berücksichtigung der teilweise vorliegenden Warenidentität und einer ansonsten gegebenen Warenähnlichkeit einerseits und der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke andererseits davon auszugehen, dass die angegriffene Marke gegenüber der Widerspruchsmarke keinen ausreichenden Abstand einhält. Somit ist bei einer Gesamtbetrachtung Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zwischen den gegenüberstehenden Marken gegeben.

Klanglich sind beide Marken nahezu identisch. Der einzige Unterschied besteht in der Vokalfolge "aao" der angegriffenen Marke gegenüber der Vokalfolge "auo" der Widerspruchsmarke. Ferner haben die gegenüberstehenden Marken ein im wesentlichen identisches Konsonantengerüst. Hierbei führt das "Doppel-R" in der Widerspruchsmarke gegenüber dem einfachen "r" in der angegriffenen Marke zu keiner merklich anderen Aussprache. Unterschiede sind daher ausschließlich bei den Mittelvokalen "a" und "u" gegeben, die sich klanglich jedoch nicht markant voneinander abheben. Gerade bei einer schnellen Aussprache der Markenwörter ist dieser Unterschied kaum mehr merkbar, so dass er klanglich kaum ins Gewicht fällt. Es ist insgesamt eine hochgradige Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Marken gegeben, so dass nicht nur im Bereich der Warenidentität sondern auch im Bereich mittlerer bzw. durchschnittlicher Warenähnlichkeit Verwechslungsgefahr zu bejahen ist.

Begriffliche Unterschiede, die dieser Verwechslungsgefahr in relevantem Umfang entgegenwirken könnten, sind nicht gegeben. Zwar ist anerkannt, dass auch dann, wenn nur eines der gegenüberstehenden Zeichen einen eindeutigen Begriffsgehalt aufweist, eine Verwechslungsgefahr trotz klanglicher oder schriftbildlicher Ähnlichkeit zu verneinen sein kann (vgl. BGH -AIDA/AIDU). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Zum einen kann, wie ausgeführt, nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass ein relevanter Teil des Verkehrs den Begriff "azzurro" eindeutig mit der Farbe "Blau" verbindet, wenn ihm dieser Begriff, dem auf Seiten der angegriffenen Marke ein aus einem Familiennamen ohne Sachbezug gebildetes Zeichen gegenübersteht, im Zusammenhang mit den vorgenannten Waren der Klasse 32 und 33 begegnet. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass es sich hier um klanglich, insbesondere hinsichtlich der Aussprache in höchstem Maße ähnliche Marken handelt, die mehrsilbig sind und bei denen der einzige sprachliche Unterschied in der Wortmitte bei rascher Aussprache verschwimmen kann.

Da zwischen den gegenüberstehenden Marken bereits aufgrund ihrer hochgradig klanglichen Ähnlichkeit Verwechslungsgefahr zu bejahen ist, kommt es nach den vorgenannten Grundsätzen auf die schriftbildliche Ähnlichkeit nicht mehr an.

2. Die weiteren, von der Widersprechenden im Erinnerungsverfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt mit Schriftsatz vom 18. Januar 2008 eingereichten und entscheidungserheblichen Benutzungsunterlagen sind dem Markeninhaber erst nachträglich, d. h. nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses, übersandt worden. Zwar leidet daher das Verfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt somit an einem Mangel, da dem Markeninhaber das gebotene rechtliche Gehör insoweit nicht gewährt wurde. Dennoch ist kein Anlass gegeben, deswegen den angefochtenen Beschluss gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG aufzuheben und an das Deutsche Patentund Markenamt zurückzuverweisen. Im Beschwerdeverfahren konnte sich die Markeninhaberin zur Benutzungslage nach Zustellung des o. g. Schriftsatzes äußern und hat hiervon in ihrer Beschwerdebegründung auch Gebrauch gemacht. Damit ist das rechtliche Gehör insoweit nachträglich gewährt worden, so dass der Verfahrensfehler der Markenstelle geheilt wurde (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 70, Rdnr. 7, m. w. N.). Da die Sache entscheidungsreif ist, wäre im Übrigen eine Zurückverweisung mit dem Gebot der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Prozessökonomie kaum vereinbar und kommt auch deshalb nicht in Betracht.

Eine Überprüfung des Akteninhalts im Rahmen der von Amts wegen zu erfolgenden Ermittlung des Sachverhalts hat keine weiteren Verfahrensfehler ergeben.

3.

Der Zulassung der Rechtsbeschwerde bedurfte es nicht (§ 83 Abs. 2 MarkenG). Es war keine Frage von grundsätzlicher rechtlicher Bedeutung zu entscheiden. Die vom Markeninhaber erhobene Beschwerde warf insbesondere zur Frage der Verwechslungsgefahr und der dafür maßgebenden Kriterien keine Rechtsfrage auf, die nicht anhand der anzuwendenden Bestimmungen und der dazu ergangenen Rechtsprechung zu beantworten war. Ferner wies der vorliegende Fall keine Rechtsfragen auf, aufgrund derer zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung der Rechtsbeschwerde als erforderlich zu erachten gewesen wäre.

4.

Zur Auferlegung von Kosten bestand gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG -§ 63 MarkenG betrifft die Kosten des Verfahrens vor dem Deutschen Patentund Markenamt und ist für die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren nicht einschlägig -kein Anlass.

5.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen. Einer mündlichen Verhandlung bedurfte es nicht. Von den Beteiligten hat nur die Widersprechende hilfsweise einen entsprechenden Antrag gestellt (§ 69 Nr. 1 MarkenG). Der Senat hat eine mündliche Verhandlung auch nicht für sachdienlich erachtet (§ 69 Nr. 3 MarkenG).

Knoll Merzbach Metternich Hu






BPatG:
Beschluss v. 21.04.2010
Az: 25 W (pat) 100/09


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